Urteil vom Landgericht Mönchengladbach - 6 O 53/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrages.
3Die Beklagte war Eigentümerin der Stute ….. Der Ehemann der Beklagten, der Zeuge ….., ist ein professioneller Westernreiter und vertreibt Westernpferde. Er betreibt eine Internetseite unter der Adresse …... Bei Aufruf der Internetseite erschien ein Text mit dem Wunsch eines Frohen Neuen Jahres durch …... Zudem befinden sich auf der Internetplattform ….. Angebote für Deckhengste bzw. Deckstationen mit der Kontaktadresse …...
4Am 03.11.2011 fuhr der Kläger zu dem Zeugen ….., einem Westernpferde-Trainer, um für seine 13 jährige Tochter ein Pferd anzusehen. Der Zeuge ….. präsentierte unter anderem die streitgegenständliche Stute …..als n-Reitpferd. Er ritt das Pferd vor; auch die Tochter des Klägers erhielt die Gelegenheit, das Pferd Probe zu reiten. Die Kaufvertragsverhandlungen wurden durch den Zeugen ….. in eigenem Namen geführt. Dieser war auch bei einem weiteren Ausprobieren des Pferdes am 04.11.2011 anwesend. Beim Probereiten bemerkte der Kläger, dass die Stute unruhig mit dem Schweif war.
5Am 05.11.2011 erfolgte eine röntgenologische Untersuchung des Pferdes durch den Tierarzt ….. der Tierklinik …... Einen Bericht über die Röntgenuntersuchung erhielt der Kläger nicht. Ferner wurde durch die Tierärztin ….. am 09.11.2012 eine klinische Ankaufsuntersuchung durchgeführt.
6Unter dem 09.11.2011 unterzeichneten die Parteien einen Pferdekaufvertrag. Bei Vertragsunterzeichnung erfuhr der Kläger erstmals, dass Frau ….. Verkäuferin des Pferdes sei. Bei der Vertragsunterzeichnung war Herr ….. zugegen. Durch den Pferdekaufvertrag erwarb der Kläger die streitgegenständliche Stute zum Preis von 13.000 €. In dem Pferdekaufvertrag wurde unter anderem vereinbart:
7„[…]
8§ 2 Beschaffenheitsvereinbarung
9[…]
103. c) die Parteien sind sich außerdem einig, dass die weitere Entwicklung und die weiteren Fähigkeiten des Pferdes nicht absehbar sind. Eventuelle mündliche Aussagen des Verkäufers über die Zuordnung des Pferdes hinsichtlich seiner vorliegenden, dauerhaften Eignung „Reitpferd“ stellen keine Beschaffenheitsmerkmale dar, sondern beruhen auf subjektiv geprägten Eindrücken des Verkäufers. Somit ist eine Zusage hinsichtlich besonderer, dauerhafter Fähigkeiten des besprochenen Pferdes hiermit nicht verbindlich.
114. Das Pferd ….. wird verkauft wie besichtigt und zur Probe geritten. Hinsichtlich der reiterlichen bzw. sportlichen Beschaffenheit wird der Zustand als vertraglich vereinbart zu Grunde gelegt, der sich nach Besichtigung des Pferdes und/oder nach Proberitt durch den Käufer darstellt. Insoweit erfolgt der Verkauf unter vollständigem Ausschluss jeglicher Haftung.
12[…]
13§ 6 Garantie
14der Verkäufer übernimmt keinerlei Garantie oder sonstige Gewähr für bestimmte Eigenschaften oder Verwendungsmöglichkeiten des Pferdes, auch nicht dafür, dass das Pferd bestimmte Beschaffenheit für eine bestimmte Dauer behält.
15§ 7 Verjährung
16Mängelansprüche des Käufers verjähren in 3 Monaten nach Ablieferung des Pferdes.“
17Das Pferd wurde sodann übergeben. Der Kläger verbrachte das Pferd noch am selben Tag zu der Familie ….. in den ….. in …... Dort steht das Pferd seither.
18Außerdem zahlte der Kläger folgende Tierarztkosten: Behandlung der Stute am 03.04.2012 wegen leichten Kreuzverschlags bei dem Tierarzt ….. in Höhe von 122,48 €, Blutuntersuchung am 29.12.2011 wegen auffälligen und widersetzlichen Verhaltens bei der Tierärztin ….. in Höhe von 142,80 €, regelmäßige Impfungen der Stute am 05.03.2012 durch die Tierärztin ….. in Höhe von 54 €. Außerdem ließ der Kläger am 22.12.2011, 23.02.2012 und 02.04.2012 durch den Hufschmied ….. die Hufe des Pferdes für 130 € bearbeiten.
19Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.01.2012 ließ der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Nacherfüllung bis zum 19.02.2012 auffordern. Eine Nacherfüllung erfolgte nicht. Daraufhin ließ der Kläger mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 07.02.2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und die Beklagte auffordern, die Stute spätestens bis zum 19.02.2012 Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises abzuholen.
20Mit Schriftsatz vom 05.11.2012 hat der Kläger erneut den Rücktritt erklärt, weil die Stute nicht als Zuchtpferd geeignet sei.
21Der Kläger ist der Ansicht, dass sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach aus § 29 ZPO ergebe, weil der Erfüllungsort für die Rücktrittsverpflichtung der Beklagten derjenige Ort sei, an dem sich das Pferd zum Zeitpunkt des Rücktritts vertragsgemäß befunden habe.
22Der Kläger ist ferner der Ansicht, er sei zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt gewesen, weil die Reitbarkeit und Zuchtfähigkeit der Stute beeinträchtigt seien. Die Eignung als Zuchtpferd sei – auch wenn sie unstreitig bei Abschluss des Kaufvertrags nicht zur Sprache gekommen sei – eine geschuldete Beschaffenheit des Pferdes.
23Er behauptet hierzu, die Stute habe bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs unter einer Polysaccharid-Speicher-Myopathie (PSSM) Typ 1 gelitten. Diese genetische Stoffwechselerkrankung führe dazu, dass die Stute unter Muskelverspannungen bzw. Schmerzen leide und sich dem Reiten widersetze und buckele. Das Schweifschlagen der Stute beim Probereiten vor Abschluss des Kaufvertrags sei bereits Ausdruck der beginnenden PSSM-Erkrankung gewesen. Außerdem habe die Stute schon längere Zeit vor der Veräußerung wegen Unrittigkeit bzw. Krankheit auf der Weide gestanden. Nach der Übergabe an ihn habe sich die Stute immer mehr widersetzt. Die Stute sei nicht mehr für die tägliche Nutzung als Westernreitpferd geeignet. Selbst wenn die PSSM-Erkrankung noch nicht ausgebrochen sein sollte, bestehe jederzeit ein hohes Risiko für einen Ausbruch. Auch an Nachkommen werde der Gendefekt mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% weitergegeben, so dass die Stute als Zuchtpferd nur bedingt geeignet sei. Von der Zuchtorganisation amerikanischer Quarter-Horses in Deutschland, dem ….., würden PSSM Typ-1 positive Stuten nicht in das Hauptstutbuch und Stutbuch eingetragen, sondern im Anhang des Stutbuchs aufgeführt. Aufgrund der genetischen Disposition des Pferdes werde ihm auch ein erhöhter Unterhaltungsaufwand für Training, Futter und Unterstellung entstehen.
24Ferner ist der Kläger der Ansicht, dass für das Vorhandensein der Mangelhaftigkeit der Stute im Zeitpunkt des Erwerbs die Vermutung des §§ 476 BGB spreche.
25Hierzu behauptet er, dass die Beklagte den Verkaufs- und Handelsstall für Westernpferde gemeinsam mit ihrem Ehemann ….. betreibe. Sie biete im Team mit diesem planmäßig und mit gewisser Dauer Pferde zum Verkauf an. Nach seiner Meinung habe er davon ausgehen können, dass er von einer professionellen Verkäuferin ein professionell ausgebildetes und vermarktetes Westernpferd erwerbe. Für ihn habe kein Unterschied in der Außenwirkung zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann bestanden, weil diese als „die …..“ einen Zucht-, Verkaufs- und Ausbildungsstall für Westernpferde in ….. unterhielten. Beim Abschluss des Kaufvertrags sei allein Herr ….. zugegen gewesen; die Beklagte habe er vor dem Vertragsschluss nicht zu Gesicht bekommen.
26Ferner behauptet der Kläger, er müsse monatliche Unterstellkosten i.H.v. 416,50 € leisten. Für die Zeit vom 09.11.2011 bis zum 31.01.2012 habe er Einstellkosten in Höhe von 1.110 € und für die Zeit vom 01.02.2012 bis 30.04.2012 in Höhe von 1.249,50 € gezahlt.
27Im Hinblick auf den geforderten Ersatz von Unterbringungskosten ist der Kläger der Ansicht, dass er sich keine Nutzungsvorteile anrechnen lassen müsse. Hierzu behauptet er, ein Training für Westernturniere sei nicht möglich gewesen. Die Stute sei zunächst 2-3 Wochen nicht trainiert worden, um sie an die neue Umgebung zu gewöhnen. Nachdem die Tochter des Klägers Ende November 2011 schonend Trainingsleistungen begonnen habe, sei der Gang der Stute zunehmend gebundener geworden und sie habe beim Galoppieren im Zirkel den Kopf hochgerissen und mit den Hinterbeinen ausgeschlagen. Ein kontinuierliches Training sei deswegen nicht mehr möglich gewesen. Nachdem die Stute im Dezember 2011 direkt nach dem Aufsteigen der Tochter des Klägers plötzlich gestiegen sei, sei sie wegen der damit verbundenen Gefahren nicht mehr geritten worden. Nutzungsvorteile seien deshalb nicht entstanden.
28Schließlich ist der Kläger der Ansicht, eine Verjährung sei nicht eingetreten. § 7 des Kaufvertrags sei wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 a und b BGB unwirksam. Auch der Haftungsausschluss sei wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 b unwirksam. Schließlich seien die §§ 6 und 7 des Kaufvertrags auch wegen Verstoßes gegen § 475 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam.
29Der Kläger beantragt,
30-
31
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.817,78 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.070 € ab dem 20.02.2012 und aus weiteren 1.747,78 € ab Zustellung der Klageerwiderung Zug um Zug gegen Rückgabe der 2005 geborenen …..Stute ….. mit der Reg.Nr. ….. nebst Zuchtbescheinigung der AQAH und Pferdepass zu zahlen;
-
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2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der im Antrag zu 1) näher bezeichneten ….. Stute ….. im Annahmeverzug befindet;
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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn für die im Antrag zu 1) näher bezeichnete ….. Stute ….. die Unterhaltungskosten wie z.B. Boxen Miete, Kosten für das Bewegen des Pferdes, Tierarzt und Hufschmied etc. vom 01.05.2012 bis zur Rücknahme des Pferdes zu zahlen;
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4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 430,66 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Der Beklagte vertritt die Ansicht, der Kläger sei nicht zum Rücktritt berechtigt gewesen, weil das Pferd bei Gefahrübergang keinen Mangel aufgewiesen habe.
41Hierzu behauptet sie, das Pferd weise keine PSSM-Erkrankung oder einen genetischen Defekt auf. Es sei bei einer Stute nicht ungewöhnlich, dass sie mit dem Schweif schlage. Dies deute möglicherweise auf eine gewisse innere Anspannung hin. Die Probleme des Klägers mit dem Pferd seien auf mangelhafte reiterliche Einwirkung zurückzuführen. Vor Gefahrübergang sei die Stute reitbar gewesen und habe keinerlei Auffälligkeiten derart gezeigt, dass sie gestiegen wäre oder sich gegen den Reiter gewehrt hätte. Es sei zu befürchten, dass der Kläger das Pferd bewusst nicht trainiere und dies zu Rittigkeitsproblemen führe. Darüber hinaus trete eine Steifheit in Folge einer PSSM-Erkrankung nur punktuell auf und sei kurzfristig behandelbar.
42Die Beklagte vertritt außerdem die Ansicht, eine etwaige genetische Disposition für eine PSSM-Erkrankung im Zeitpunkt des Gefahrübergangs stelle keinen Mangel dar. Sie begründe auch keinerlei Einschränkungen bei der Zucht. Es sei auch kein erhöhter Unterhaltungsaufwand erforderlich.
43Weiter ist die Beklagte der Ansicht, dass kein Verbrauchsgüterkauf vorliege. Sie behauptet hierzu, dass sie das streitbefangene Pferd ausschließlich aus Liebhaberei gehalten habe. Sie befasse sich weder haupt- noch nebenberuflich mit dem An- oder Verkauf von Pferden. Sie reite lediglich ein bis zwei Turniere pro Jahr und habe von einschließlich des streitbefangenen Pferdes zwei Pferde verkauft. Bei ihrem Ehemann sei sie lediglich als Sekretärin angestellt. Beim Abschluss des Kaufvertrags seien sie und ihr Ehemann zugegen gewesen.
44Hinsichtlich der geltend gemachten Unterhaltungsaufwendungen ist die Beklagte der Ansicht, der Kläger müsse sich Nutzungsvorteile anrechnen lassen, weil das Pferd bis zum 08.02.2012 geritten worden sei. Der Wert der Nutzungsvorteile entspreche den laufenden Unterhaltungsaufwendungen für Unterstellung, Fütterung, Pflege, routinemäßige tierärztliche Behandlung wie Wurmkuren und Impfungen sowie die Inanspruchnahme eines Hufschmieds.
45Außerdem beruft sich die Beklagte auf Verjährung. Sie ist der Ansicht, der mit der Klage verfolgte Anspruch sei gemäß § 7 des Pferdekaufvertrags verjährt. Außerdem stehe der vertragliche Haftungsausschluss den Ansprüchen des Klägers entgegen. Der Kläger sei außerdem mit Gewährleistungsansprüchen ausgeschlossen. Hierzu behauptet die Beklagte, dem Kläger sei im Rahmen der Kaufuntersuchung freigestellt worden, das Pferd auch auf genetische Anlagen, insbesondere Erbkrankheiten, untersuchen zu lassen, was er abgelehnt habe.
46Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
47Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 30.08.2012 (Bl. 104 GA), 30.08.2012 (Bl. 113 GA) und 16.10.2012 (Bl. 149 GA) durch die Vernehmung von Zeugen sowie die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 30.08.2012 (Bl. 104 GA) und 17.01.2012 (Bl. 185 GA) sowie auf das Gutachten vom 24.06.2013 (Bl. 224 GA) Bezug genommen.
48Entscheidungsgründe
49Die zulässige Klage ist unbegründet.
50I.
51Die Klage ist zulässig.
52Das Landgericht Mönchengladbach ist örtlich (§ 29 ZPO) und sachlich (§§ 71 Abs. 1, 23 Ziff. 1 GVG) zuständig. Gem. § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Erfüllungsort für die Zug-um-Zug-Rückabwicklung eines Kaufvertrages nach Rücktritt ist nach richtiger Ansicht der Ort, an dem sich die Sache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet (vgl. BGH NJW 1962, 739; BGH NJW 1983, 1479; BGHZ 87, 109). Ausschlaggebend ist das Interesse des Käufers, beim Rücktritt möglichst weitgehend so gestellt zu werden, als habe er sich auf den Vertrag nicht eingelassen, und deshalb auch von den Kosten des Rücktransports zum Sitz des Verkäufers entlastet zu werden. Das streitgegenständliche Pferd ist in ….. untergestellt, das zum Gerichtsbezirk Mönchengladbach gehört.
53Das für den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Dieses folgt aus §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2010, 23931). Danach kann der Gläubiger bei Zug-um-Zug-Urteilen nur ohne tatsächliches Angebot der dem Schuldner gebührenden Leistung vollstrecken, wenn dessen Annahmeverzug durch eine ihm zugestellte öffentliche Urkunde, hier also das Urteil, bewiesen ist.
54Hinsichtlich des Klageantrags zu 3. ist das Feststellungsinteresse des Klägers auf Feststellung dahingehend, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Unterhaltskosten wie z.B. Boxenmiete, Kosten für das Bewegen des Pferdes, Tierarzt und Hufschmied etc. vom 01.05.2012 bis zur Rücknahme des Pferdes zu zahlen, zu bejahen. Wenn ein Schaden durch die schädigende Handlung bereits eingetreten ist, genügt zur Bejahung eines Feststellungsinteresses die bloße, auch nur entfernte Möglichkeit künftiger weiterer Folgeschäden (BGH NJW 98, 160; 01, 1431, NJW-RR 07, 601). Dieser für den Schadensersatz vorgebrachte Ansatzpunkt ist auf den vorliegend geforderten Verwendungsersatz zu übertragen. Wird das Vorliegen eines wirksamen Rücktritts bejaht und bleibt dabei, dass die Beklagte einer Rücknahme nicht nachkommt, so ist die Entstehung weiterer Kosten für den Kläger möglich.
55II.
56Die Klage ist jedoch unbegründet.
57Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes aus §§ 434 Abs. 1 S. 1, § 437 Nr. 2 i. V. m. §§ 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB.
58Weder eine angeblich fehlende Eignung der Stute als Reitpferd noch eine angeblich fehlende Zuchteignung führen zur Haftung der Beklagten. Eine fehlende Eignung als Reitpferd hat die Klägerin nicht bewiesen. Für eine etwa fehlende Zuchteignung hat die Beklagte aufgrund des vertraglichen Haftungsausschlusses nicht einzustehen.
591.
60Die Beklagte haftet nicht für eine mangelnde Eignung der Stute als Reitpferd.
61Die Parteien haben unstreitig gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ausdrücklich oder zumindest konkludent die Eignung der streitgegenständlichen Stute als Reitpferd vereinbart, weil der Kläger für seine Tochter ein Westernreitpferd zur Teilnahme an Turnieren suchte. Entsprechend ist das Pferd im Rahmen der Vorbesichtigungen auch mehrfach probegeritten worden.
62Der vertragliche Gewährleistungsausschluss unter § 2 Abs. 4 und § 6 des Pferdekaufvertrags ist dahingehend auszulegen, dass er sich nicht auf die zwischen den Parteien vereinbarte Sollbeschaffenheit der streitgegenständlichen Stute als Reitpferd erstreckt. Sind in einem Kaufvertrag zugleich eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache und ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart, ist dies regelmäßig dahin auszulegen, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB), sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) bzw. sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) (vgl. BGH NJW 2007, 1346). Denn andernfalls wäre eine Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer außer im Falle der Arglist des Verkäufers gemäß § 440 Alt. 1 BGB ohne Wert und würde daher dem Gebot beiderseits interessengerechter Vertragsauslegung widersprechen.
63Der Kläger hat jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen, dass sich die Stute zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gemäß § 446 BGB, d. h. bei Übergabe am 09.11.2011, oder aber zu einem späteren Zeitpunkt wegen einer PSSM-Erkrankung als ungeeignet für die Verwendung als Reitpferd erwiesen hätte.
64Für das Vorliegen eines Mangels im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB genügt nicht allein, dass das Pferd einen genetischen Defekt aufweisen soll. Der Käufer eines Tieres haftet nach § 434 BGB nur dafür, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem Zustand befindet, auf Grund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (vgl. BGH NJW 2006, 2250; OLG Köln, OLGR Köln 2008, 37). Der Verkäufer haftet nämlich grundsätzlich nur auf die Mängelfreiheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs und übernimmt keine Garantie für den Fortbestand der Gesundheit des Tieres. Hierbei ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu differenzieren zwischen Gendefekten, die für sich genommen zum Ausbruch einer Erkrankung führen, oder Gendefekten, die erst durch das Hinzutreten „externer Faktoren“ zum Krankheitsausbruch führen. In jedem Fall bedeutet das bloße Vorliegen eines Gendefekts noch nicht, dass dieser bezogen auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs in absehbarer Zeit zum Ausbruch gelangen muss. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2007, 1351) zu der Frage, inwiefern allein schon das Vorliegen eines pathologischen bzw. von der Norm abweichenden Röntgenbefunds einen Mangel begründen kann, ist für den hier zu entscheidenden Fall irrelevant, weil es nicht um einen röntgenologisch nachweisbaren Defekt geht.
65Die Sachverständige hat zunächst ausgeführt, dass es sich bei der PSSM Typ 1 um eine Muskelauflösungs-Erkrankung handele. Mittels Gentests lasse sich die Veranlagung zur PSSM Typ 1 nachweisen. Im Gen jenes Proteins, das in Muskelzellen für den Glykogenaufbau verantwortlich sei, habe bei der PSSM Typ 1 eine Punktmutation stattgefunden. Diese führe zu einem Protein, das vermehrt fehlerhaft zusammengesetztes Polysachcharid produziere. Dieses könne nicht wie Glykogen abgebaut werden und sammele sich im Laufe der Zeit in den Muskelzellen an. Bei ….. trete der Gendefekt mit einer geschätzten Frequenz von 5,5% in der klinisch unauffälligen Population und bei etwa 11,3% der für den Leistungssport genutzten Tiere auf. Die genetisch bedingte Veränderung prädisponiere zu immer wieder auftretenden Muskelschäden, allerdings würden nicht alle Pferde mit dem Gendefekt klinisch auffällig. Weitere Faktoren wie Diät, Trainingsbedingungen und weitere Genveränderungen hätten einen Einfluss auf das Ausbrechen der Erkrankung. Durch sorgfältiges Management, insbesondere kohlenhydratarme, fettreiche Fütterung, viel Bewegung im Schritt oder auf der Koppel sowie sehr regelmäßiges, langsam gesteigertes Training könnten 75-80% der einmal auffällig gewordenen Tiere weiterhin genutzt und zum Teil auch im Leistungssport eingesetzt werden.
66Weiter hat die Sachverständige darauf hingewiesen, dass der Gentest vom 29.12.2011 nachweise, dass die Stute eine genetisch bedingte Veranlagung trage, durch die Erkrankung PSSM auffällig zu werden. Die von Klägerseite geschilderten Symptome wie Buckeln, Ausschlagen mit beiden Hinterbeinen im Galopp sowie Steigen, zum Teil nach 45minütiger Vorarbeit, seien jedoch untypisch für das Krankheitsbild der PSSM und sprächen vielmehr gegen eine klinisch manifeste PSSM. Bei dieser Erkrankung vermieden die Tiere nämlich möglichst jede Bewegung. Typische Symptome wie gestreckte Körperhaltung, steifes Stehenbleiben, verhärtete Rückenmuskulatur oder rötlicher Urin seien hingegen nicht berichtet worden. Lediglich am 03.04.2012 sei ein leichtes Typing Up durch den Tierarzt ….. festgestellt worden, wobei jedoch kein labordiagnostischer Nachweis erfolgt sei. Möglicherweise habe die Stute Anfang April unter einer PSSM-Episode gelitten. Allerdings kämen relativ milde Schmerzsymptome wie bei leichtem Typing Up auch bei anderen Erkrankungen vor, so dass die Diagnose allein ohne labordiagnostischen Hinweis nicht stichhaltig sei. Ihr seien darüber hinaus keine weiteren tierärztlichen Befunde vorgelegt worden, die PSSM-Episoden der Stute nahegelegt hätten. Somit kann das Vorliegen einer PSSM-Erkrankung nicht festgestellt werden.
67Es ist nach dem Ergebnis der Begutachtung auch nicht erwiesen, dass sich die Stute am 09.11.2011 oder zu einem späteren Zeitpunkt in einem Zustand befunden hätte, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass sie alsbald daran erkranken werde.
68Wie die Sachverständige festgestellt hat, sei individuell nicht vorhersagbar, ob bei einem PSSM-Genträger die Erkrankung manifest werde. Viele der genetisch zur PSSM veranlagten Pferde ließen sich zudem durch angepasste Fütterung und Bewegung auf einem hohen Niveau trainieren, sofern keine Provokation der Erkrankung durch Stehenlassen oder kohlenhydratreicher Fütterung des Pferdes stattfinde. Somit bestehe keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erkrankung bei der streitgegenständlichen Stute klinisch auffällig werde.
69Allein der Umstand, dass dem Kläger wegen der genetischen Veranlagung der Stute zur Vermeidung einer zukünftigen Erkrankung ein höherer Unterhaltungsaufwand entstehen mag, stellt die grundsätzliche Eignung der Stute als Reitpferd im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht in Frage. Es handelt sich hierbei um Folgekosten, die auf den Gendefekt als solchen, nicht aber auf das klinische Erscheinungsbild des Pferdes im Zeitpunkt der Übergabe zurückgehen. Zudem handelt es sich bei dem von der Sachverständigen für notwendig befundenen besonderen Fütterungs- und Trainingsregime um eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn die Erkrankung wird – wie ausgeführt – nicht bei allen Pferden mit dem Gendefekt klinisch manifest. Das Management des Pferdes kann lediglich einen Einfluss auf das Ausbrechen der Erkrankung haben, muss es aber nicht.
70Nach alldem kann ein Sachmangel in Gestalt einer mangelnden Eignung der Stute als Reitpferd nicht festgestellt werden.
71Einer mündlichen Anhörung der Sachverständigen bedurfte es nicht. Der Kläger hat diese lediglich „vorsorglich“ zu den Fragen im Schriftsatz vom 28.08.2013 beantragt. Einen unbedingten Anhörungsantrag hat er nicht gestellt. Da klärungsbedürfte Fragen aus Sicht des Gerichts nicht bestehen und der Kläger auch im Schriftsatz vom 28.08.2013 keine neuen Aspekte angesprochen hat, die nicht bereits Gegenstand des schriftlichen Gutachtens gewesen wären, konnte eine Anhörung unterbleiben.
722.
73Die Beklagte haftet auch nicht für eine etwaige mangelnde Eignung der Stute als Zuchtpferd.
74Wegen des zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschlusses kann sich der Kläger hingegen nicht darauf berufen, dass das streitgegenständliche Pferd nicht als Zuchtstute geeignet und deshalb mangelhaft sei.
75Wie sich aus § 6 des Pferdekaufvertrags ergibt, hat die Beklagte ausdrücklich keine Garantie oder Gewährleistung für bestimmte Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten des Pferds übernommen. Dies steht aber – wie zuvor ausgeführt – nur im Spannungsverhältnis mit der gleichzeitig ausdrücklich vereinbarten Veräußerung des Pferds als Reitpferd, so dass der umfassende Gewährleistungsausschluss eine Einschränkung im Wege der Auslegung erfahren muss. Für die Zuchteignung gilt dies jedoch nicht. Diese hat als Beschaffenheitsvereinbarung oder Zusicherung keine ausdrückliche Regelung im Rahmen des Vertrags erfahren. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Käufer einer ….. Stute, der diese als Reitpferd erwirbt, nach Behauptung des Klägers auch stillschweigend davon ausgehen mag, dass die Stute entsprechend der gewöhnlichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde auch für die Zucht geeignet sein mag.
76Dahinstehen kann, ob angesichts der von der Sachverständigen festgestellten Prävalenz der PSSM-Mutation bei nur 11,3% der im Leistungssport genutzten ….. Stuten das Vorliegen eines entsprechenden Gendefekts überhaupt als Abweichung von der üblichen Beschaffenheit und somit als Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB angesehen werden kann, was erheblichen Zweifeln unterliegt.
77Somit kommt auch eine Haftung für eine fehlende Zuchteignung des Pferdes nicht in Betracht.
783.
79Mangels einer Haftung dem Grunde nach sind auch die von der Klägerin gestellten Feststellungsanträge unbegründet.
80Die Beklagte ist nicht in Annahmeverzug mit der Rücknahme der Stute geraten, weil mangels berechtigten Rücktritts kein Rückgewährschuldverhältnis entstanden ist.
81Mangels eines Rücktrittsrechts hat der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für die Unterhaltungskosten bis zur Rücknahme des Pferdes gemäß § 347 Abs. 2 S. 1 BGB.
824.
83Mangels begründeter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 430,66 € sowie auf Zahlung von Zinsen.
845.
85Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.
86Der Streitwert beträgt 18.317,78 € (Klageantrag zu 1: 15.817,78 €; Klageantrag zu 3: 2.500 €).
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