Urteil vom Landgericht Stendal - 23 O 341/16

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.043,01 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 650,34 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Gegenstandswert wird auf 6.043,01 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer "Versicherungsleistung".

2

Die Parteien waren zum Zeitpunkt des hier schädigenden – unstreitigen – Ereignisses (12./13.11.2013) aufgrund eines Kraftfahrzeugteilkasko-Versicherungsvertrages miteinander verbunden. Vertragsgegenstand war ein Pkw Transporter Multivan, dessen Eigentümerin und Halterin eine dritte Person war. Es galten die AGB für die Kraftfahrtversicherung mit Stand 01.01.2009 (Bl. 60 ff. d. A.).

3

Am 14.11.2013 meldete der Beklagte den Diebstahl von Sitzen zugehörig zu dem vorgenannten Fahrzeug. Der Beklagte hatte aufgrund eines Umzuges die Sitze aus dem Fahrzeug ausgebaut und einer Garage gelagert (....... in Stendal).

4

Jedenfalls zahlte die Klägerin an den Beklagten 6.043,01 EUR, die sie (streitgegenständlich) zurückbegehrt.

5

Ob ein versicherungsrechtlich relevantes Ereignis – Verschluss der Garage – vorlag, ist zwischen den Parteien nachträglich streitig gewesen.

6

Die Klägerin behauptet, ein versicherungsrechtliches Ereignis habe nicht vorgelegen, denn die Garage, in der die Sitze gelagert worden seien, sei nicht verschlossen gewesen. Dabei sei die Klägerin auch leistungsfrei, da der Beklagte unrichtige Angaben gemacht habe, denn er habe mitgeteilt, die Garage sei aufgebrochen worden. Überdies komme es darauf jedoch auch nicht an, da Versicherungsschutz schon für ausgebaute Teile nicht bestanden habe. Dies sei von der Klägerin bei Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages übersehen worden.

7

Der Beklagte sei zur Rückzahlung des streitgegenständlichen Betrages mit Schriftsatz vom 18.07.2014 aufgefordert worden. Eine Zahlung sei nicht erfolgt, auch nachdem durch anwaltliche Beauftragung die Zahlung mit Schriftsatz vom 02.09.2016 nochmals angemahnt worden sei. Insoweit sei der Beklagte zum Ausgleich der entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 650,34 EUR verpflichtet.

8

Die Klägerin beantragt,

9

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.043,01 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 11.08.2014 und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 650,34 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2016 zu bezahlen.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte behauptet, die Garage sei verschlossen gewesen. Ein Rückzahlungsanspruch bestehe daher nicht, der überdies verjährt und verwirkt sei. Der Beklagte sei entreichert, da er den streitgegenständlichen Betrag an den dritten Fahrzeughalter und Eigentümer des versicherten Fahrzeuges weitergeleitet habe, der sodann die Fahrzeugreparatur veranlasst habe.

13

Bezüglich des weitergehenden Vortrages der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Erklärungen im Termin der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

14

Gegenstand der Entscheidung waren auch die den Parteien nachgelassenen Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht ein "Rückzahlungsanspruch" auf der Grundlage des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zu.

1.

a)

16

Gemäß der vorstehenden Norm ist zur Herausgabe verpflichtet, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt. Die Voraussetzungen liegen vor.

17

Es kann dabei dahinstehen, ob die im Rahmen des Diebstahls in der Nacht vom 12./13.11.2013 entwendeten Sitze in einer verschlossenen Garage abgestellt worden sind. Jedenfalls bestünde selbst dies annehmend gemäß den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen kein Versicherungsschutz, denn gemäß Punkt A.2.1.2 sind Fahrzeugteile wenn ausgebaut nur unter bestimmten Voraussetzungen vom Versicherungsschutz umfasst, die hier nicht gegeben sind. Unstreitig waren die hier streitgegenständlichen Sitze im Rahmen von Transportarbeiten ausgebaut worden. Dies umfasst weder die nach Punkt A.2.1.2 Versicherungsschutz unterliegenden Teile noch sind die Sitze im Rahmen einer Reparatur ausgebaut gewesen, so dass Versicherungsschutz schon nicht bestand. Soweit die Klägerin aufgrund "Nichtkenntnis ihrer eigenen Versicherungsbedingungen" hier Zahlungen geleistet hat, war sie dazu vertraglich nicht verpflichtet, so dass der Beklagte den streitgegenständlich unstreitig gezahlten Betrag in Höhe von 6.043,01 EUR ohne rechtlichen Grund erlangt hat.

b)

18

Da der konkrete Geldbetrag nicht herauszugeben ist, schuldet der Beklagte hier gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz in vorstehender Höhe.

c)

19

Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist nicht aufgrund des Entreicherungseinwandes des Beklagten minimiert oder in Wegfall geraten.

20

§ 818 Abs. 3 BGB macht den Bereicherungsanspruch nicht zu einem allgemeinen Wertersatzanspruch, sondern beschränkt den primären Herausgabe- bzw. Wertersatzanspruch gegen den gutgläubigen Bereicherungsschuldner auf den Umfang der noch vorhandenen Bereicherung. Ergibt der Vermögensvergleich einen Überschuss der Aktiv- über die Passivposten, ist in diesem Umfang ein Bereicherungsanspruch gegeben. Dieser ist demnach ein von vornherein in sich beschränkter einheitlicher Anspruch in Höhe eines zugunsten des Bereicherungsschuldners positiven Saldos, der sich bei Ausgleich aller mit der Vermögensverschiebung zurechenbar zusammenhängender Vorgänge Tatsachen ergibt (vgl. Sprau in Palandt, 76. Aufl., § 818 BGB, Rn. 28).

21

Der Beklagte ist nach seinem eigenen Vortrag nicht entreichert.

22

Soweit sich aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 07.07.2017 ergibt, dass dieser das Fahrzeug eines Dritten versichert hat und aufgrund dessen den Versicherungsbetrag an die Fahrzeughalterin (und gemäß mündlicher Verhandlung Eigentümerin) weitergeleitet hat, verhilft dies dem Beklagten nicht zum Erfolg. Versichert in der Kaskoversicherung ist der Pkw im Rahmen eines "Sacherhaltungsinteresses". Selbst dies auch zugunsten des Beklagten annehmend, würde Versicherungsschutz nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen hier nicht bestehen, so dass an der rechtsgrundlosen Leistung sich nichts ändert. Soweit der Beklagte zur Nutzung des Fahrzeuges berechtigt gewesen ist, was nach seinem Vortrag hier zu unterstellen ist, war er, auch wenn die konkreten Zustände in Bezug auf die Bewertung eines vertragliches Verhältnisses nicht näher dargetan sind, verpflichtet, das Fahrzeug im unbeschädigten (vertragsgemäßen) Zustand zurückzugeben. Aufgrund des Diebstahls der Sitze setzt dies voraus, das Fahrzeug wieder entsprechend zu reparieren und mit den entsprechenden Sitzmöglichkeiten auszustatten, d. h. das Kfz war hier ausgebessert oder repariert zurückzugeben. Der Beklagte schuldete hier, wie auch in den Fällen einer Pflichtverletzung gemäß § 280 BGB, eine Art "Naturalrestitution", die ihn verpflichtete, sowohl im Rahmen des Schadenersatzanspruchs als auch im Übrigen im Rahmen des Rückgabeanspruchs das Fahrzeug in einen "unversehrten Zustand" zu versetzen. Diesem Anliegen diente der von der Klägerin gezahlte Betrag, so dass es hier nicht darauf ankommt, inwieweit der Beklagte den dahingehenden Betrag zur Wiederinstandsetzung selbst eingesetzt oder diesen zur Wiederinstandsetzung durch den Dritten an diesen weitergegeben hat. Jedenfalls diente dieser Betrag der Verpflichtung des Beklagten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, so dass mit Zahlung dieses Betrages und seiner Weitergabe der Beklagte von der Schuld gegenüber dem Dritten befreit worden ist. Insoweit besteht der Bereicherungsgrund allerdings fort (vgl. a.a.O., Rn. 43, 45).

2.

a)

23

Dem Anspruch der Klägerin könnte § 814 BGB entgegenstehen. Insoweit mangelt es hier jedoch an einem entsprechenden Vortrag.

b)

24

Der Verwirkungseinwand des Beklagten greift nicht durch.

25

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (vgl. Grüneberg in Palandt, 76. Aufl., § 242 BGB, Rn. 87). Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss eine längere Zeit verstrichen sein. Während des für die Verwirkung erforderlichen Zeitraums darf der Berechtigte nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan haben und der Verpflichtete muss sich aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen (vgl. a.a.O., Rn. 93 ff.). Hier ist die Zahlung des streitgegenständlichen Betrages im Januar 2014 erfolgt. Die Rückforderung hat im Juli/August 2014 stattgefunden, wobei die Parteien bis Oktober ihre Sicht der Dinge ausgetauscht haben. Im September 2016 sind die Ansprüche von der Klägerin wieder geltend gemacht worden, so dass nach Auffassung der Kammer bereits unter dem "Zeitmoment" nicht von einer Verwirkung auszugehen war. Dabei ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auch zu berücksichtigen, dass dem Gläubiger die Regelverjährung in 3 Jahren grundsätzlich ungekürzt zur Verfügung stehen muss. Dies galt allerdings auch für das "Umstandsmoment", denn insoweit ermangelt es schon einem Vortrag daran, "wann die Zahlung und Weitergabe des Geldes" erfolgt sein soll. Der Umstandsmoment ist in der Regel dann erfüllt, wenn der Schuldner im Hinblick auf die Nichtgeltendmachung des Rechts Vermögensdispositionen getroffen hat (a.a.O., Rn. 95). Gerade dazu verhält sich der Vortrag des Beklagten nicht. Dabei war hier auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte gerade und trotz der Weitergabe des Geldes noch bereichert ist.

c)

26

Verjährungseinrede des Beklagten greift nicht durch.

27

Die Zahlung des streitgegenständlichen Betrages folgte im Januar 2014. Ansprüche aus Bereicherung unterliegen grundsätzlich der Regelverjährung gemäß § 195 BGB. Verjährungsbeginn gemäß § 199 kann danach frühestens der 01.01.2015 gewesen sein, so dass Verjährung erst am 01.01.2018 eintreten wird.

28

Der der Klägerin zustehende Betrag war vom Beklagten aufgrund Verzuges gemäß der §§ 186 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB seit dem 11.08.2014 zu verzinsen. Der Beklagte ist mit Schriftsatz der Klägerin vom 18.07.2014 unter Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert worden.

29

Aufgrund seiner Nichtzahlung erfolgte eine nochmalige anwaltliche Mahnung mit Schriftsatz vom 02.09.2016. Die dafür entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Beklagte auf der Grundlage der §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB mit dem hier geltend gemachten Betrag zu ersetzen und gemäß der oben genannten Normen seit Inverzugsetzung mit Schreiben vom 02.09.2016 zu verzinsen.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

31

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in den §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG. Maßgebend hier war der streitgegenständliche Betrag.


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