1. Der Beklagte wird verurteilt, den Servicebetrieb Autobahntankstelle W. gelegen an der Bundesautobahn A bei Kilometer..., bestehend aus den baulichen Anlagen und Verkehrsflächen auf dem in Anlage A 1 gekennzeichneten Grundstück und den in Anlage B 1 aufgeführten betrieblichen Einrichtungen und Ausstattungen zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme derjenigen Kosten, die durch die Anrufung des Landgerichts Heilbronn entstanden sind. Diese Kosten fallen der Klägerin zur Last.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 119.070,40 EUR.
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Die Klägerin begehrt Räumung und Herausgabe eines an den Beklagten verpachteten Servicebetriebs für eine Autobahntankstelle.
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Die Klägerin plant, baut, finanziert, unterhält, verpachtet und vertreibt Service-Einrichtungen für Verkehrsteilnehmer, insbesondere Autobahn Tank- und Rastanlagen. Sie ist eine Rechtsnachfolgerin der 1951 gegründeten Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen GmbH. Nach formwechselnden Umwandlungen, zunächst 1994 in die „A. T. & R. AG“, dann 1999 in die „A. T. & R. GmbH“ wurde die Klägerin am 28.08.2000 nach Umwandlung gegründet. Die Klägerin hält Betriebsrechte und Konzessionen für Nebenbetriebe an Autobahnen in der Bundesrepublik Deutschland. Die überwiegende Anzahl der Autobahnnebenbetriebe werden nicht von der Klägerin selbst, sondern von Pächtern und Betreibern vor Ort unternehmerisch geführt.
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Der Beklagte betreibt seit 1990 den Servicebetrieb Autobahntankstelle W. an der Bundesautobahn A. Sein Onkel L. hatte die Autobahntankstelle zum 01.01.1969 von der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen GmbH gepachtet. Am 12.04. 1990 schloss dann der Beklagte mit der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen GmbH einen eigenen Pachtvertrag.
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Die A. T. & R. AG unterbreitete dem Beklagten mit Vertragsentwurf vom 16.11.1995 ein Angebot zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages. Der Beklagte unterzeichnete die Vertragsurkunde am 08.12.1995 mit dem Zusatz: „Unterschriftsleistung erfolgt unter Vorbehalt gemäß beigeschlossenem Schreiben vom 08.12.1995“. In dem beigeschlossenen Übersendungsschreiben vom 08.12.1995 (Blatt 31 der Akten) erläutert der Beklagte seinen „Vorbehalt“.
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Die A. T. & R. AG unterbreitete dem Beklagten mit Vertragsentwurf vom 23.12.1996 ein Angebot zum Abschluss eines Kooperationsvertrages. In einem Schreiben vom 07.05.1999 (Bl. 116 d.A.) wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass er den Kooperationsvertrag nicht unterzeichnet hat, so dass keine diesbezüglichen Verpflichtungen bestehen. Am 25. April 2002 unterschrieb der Beklagte die Vertragsurkunde und sandte sie an die Klägerin.
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Mit Schreiben vom 19. Juni 2002 kündigte die Klägerin den Pachtvertrag mit dem Beklagten zum 30.06.2003.
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Zum 01.01.2003 gab es in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 15 971 Tankstellen. Darunter waren 348 Autobahntankstellen.
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Die Klägerin behauptet, dass ihr nach § 16 des Pachtvertrages vom 08.12.1995 ein ordentliches Kündigungsrecht zustehe. Dieses Kündigungsrecht habe sie form- und fristgerecht ausgeübt, weswegen der Beklagte den gepachteten Servicebetrieb räumen und herausgeben müsse.
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Der Beklagte wird verurteilt, den von der Klägerin angepachteten Servicebetrieb Autobahntankstelle W., gelegen an der Bundesautobahn A bei Kilometer..., bestehend aus den auf dem als Anlage A 1 beigefügten Lageplan rot gekennzeichneten Grundstück befindlichen baulichen Anlagen und Verkehrsflächen und den in der Anlage B 1 aufgeführten betrieblichen Einrichtungen und Ausstattungen zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
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die Klage abzuweisen sowie, ihm im Fall seiner Verurteilung nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden.
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Er behauptet, dass die Kündigung der Klägerin vom 19.06.2002 unwirksam sei. Das Kündigungsrecht könne nicht auf den Pachtvertrag vom 08.12.1995 gestützt werden. Ursprünglich hatte der Beklagte vorgetragen, dass er das Angebot vom 16.11.1995 handschriftlich mit dem Zusatz: „Es gilt die Kündigungsfrist des Vertrages A. L. von 1968“ habe ändern lassen. Nach Vorlage der Vertragsurkunde aus dem Jahr 1969 korrigierte der Beklagte seinen eigenen Sachvortrag dahingehend, dass durch einen handschriftlichen Zusatz eine fünfjährige Kündigungsfrist eingefügt worden sei. Dieses geänderte Vertragsangebot habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin dann konkludent angenommen.
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Der Beklagte behauptet darüber hinaus, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen das europäische und nationale Kartellrecht unwirksam sei. Die Kündigung verstoße gegen Artikel 82, 83 des EG-Vertrages sowie gegen §§ 19, 20 GWB. Die Klägerin sei ein marktbeherrschendes Unternehmen und verstoße mit der Kündigung gegen Missbrauchs-, Diskriminierungs- und Behinderungsverbote. Im Übrigen sei die Kündigung wegen Verstoßes gegen materielles Vergaberecht unwirksam. Die rechtswidrige Vergabepraxis der Klägerin hinsichtlich der Konzessionen für Autobahntankstellen führe auch zur Rechtswidrigkeit der Kündigung.
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Die Unwirksamkeit der Kündigung folge auch aus einer Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin aus dem Rahmenvertrag der Bundesrepublik Deutschland, der A. T.& R. AG und der Ostdeutschen Autobahntankstellen GmbH vom 29.10.1998. Darüber hinaus verstoße die Kündigung gegen § 23 des Kooperationsvertrages, der durch die Unterschrift des Beklagten am 25.04.2002 abgeschlossen worden sei. Da der Pachtvertrag vom 08.12.1995 ein persönliches Wettbewerbsverbot in § 3 vorsehen würde, sei die Kündigung auch nach § 307 BGB unwirksam. Schließlich verstoße die Kündigung wegen der drohenden Existenzzerstörung des Beklagten gegen § 242 BGB.
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Die Klägerin repliziert, dass es zu keiner vertraglichen Verlängerung der Kündigungsfrist auf fünf Jahre gekommen sei. An der Vertragsurkunde seien keine handschriftlichen Änderungen vorgenommen worden. Das Kartellrecht sei nicht anwendbar, da die Klägerin kein marktbeherrschendes Unternehmen sei. Im Übrigen verstoße die Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts nicht gegen die Vorschriften des Kartellrechts. Der Beklagte könne auch keine Rechte aus dem Rahmenvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland herleiten, da er weder Vertragspartner sei, noch ein Vertrag zugunsten Dritter vorliege. Der Beklagte könne auch keine Rechte aus einem Kooperationsvertrag herleiten, da dieser zu keiner Zeit geschlossen worden sei. Der Beklagte habe den Abschluss eines Kooperationsvertrages mit Schreiben vom 07.05.1999 ausdrücklich abgelehnt. Seine spätere Annahme am 25.04.2002 sei als neues Angebot zu behandeln, das von der Klägerin abgelehnt worden sei. Im Übrigen enthalte der Pachtvertrag auch kein persönliches Wettbewerbsverbot und die Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts verstoße nicht gegen § 242 BGB.
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Für den Fall des Unterliegens erhebt der Beklagte Widerklage, mit der er beantragt:
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Es wird festgestellt, dass die Klägerin zum Ersatz des dem Beklagten aus dem Vertriebsvertrag mit der E. Mineralöl bestehenden Vertriebsvertrag, zustehenden Handelsvertreterausgleichsanspruch verpflichtet ist.
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Mit dieser hilfsweise erhobenen Widerklage begehrt der Beklagte die Feststellung der Ersatzpflicht für die ihm aus dem Vertriebsvertrag mit der E. Mineralöl GmbH zustehenden Handelsvertreterausgleichsansprüche. Er könne nach der Kündigung des Pachtvertrages seine Vertragspflichten gegenüber der E. Mineralöl GmbH nicht mehr erfüllen und verliere dadurch seinen Handelsvertreterausgleichsanspruch.
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die Widerklage abzuweisen.
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Sie behauptet, dass die Widerklage unbegründet sei, da dem Beklagten keine Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zustehen würden. Der Vertriebsvertrag zwischen dem Beklagten und der E. Mineralöl GmbH ende gleichzeitig mit dem Pachtvertrag, weswegen der Beklagte auch keine Pflichten aus dem Vertriebsvertrag verletzen würde. Seine Handelsvertreterausgleichsansprüche könne er gegen die E. Mineralöl GmbH geltend machen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 11.09.2003 und 02.12.2003.
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückgabe des Servicebetriebs nach Beendigung des Pachtverhältnisses gemäß § 19 Abs. 1 des Pachtvertrags vom 08.12.1995 beziehungsweise §§ 546 Abs. 1 in Verbindung mit 581 Abs. 2 BGB n.F. Das Pachtverhältnis zwischen den Parteien ist durch die form- und fristgerechte Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts durch die Klägerin zum 30.06.2003 beendet worden.
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1. Das Recht zur ordentlichen Kündigung ergibt sich aus § 16 des Pachtvertrags vom 08.12.1995. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat dem Beklagten am 16.11.1995 den Abschluss eines neuen Pachtvertrages angeboten. Dieses Angebot hat der Beklagte am 08.12.1995 mit dem Zusatz „Unterschriftsleistung erfolgt unter Vorbehalt gemäß beigeschlossenem Schreiben vom 08.12.1995“ unterzeichnet. Der vom Beklagten so genannte „Vorbehalt“ steht dem wirksamen Abschluss des Pachtvertrages nicht entgegen. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Ausweislich der handschriftlichen Erklärung auf der Vertragsurkunde und dem Inhalt des beigeschlossenen Schreibens vom 08.12.1995 hat der Beklagte das Angebot der Rechtsvorgängerin der Klägerin auf Abschluss eines neuen Pachtvertrages angenommen.
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In seinem Schreiben vom 08.12.1995 weist der Beklagte darauf hin, dass dem Vertragsangebot lediglich die Anlagen 2 a bis 6 beigefügt waren. Weitere Anlagen seien weder beigefügt noch bekannt. Dieser Hinweis des Beklagten steht der Wirksamkeit seiner Annahmeerklärung nicht entgegen. Er stellt lediglich klar, dass nur diejenigen Anlagen Bestandteile des Pachtvertrages werden, die dem Vertrag auch tatsächlich als Anlage beigefügt waren.
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Auch der Hinweis auf das Alter des übergebenen Pachtgegenstandes und verschiedene nicht unerhebliche Mängel stehen der Wirksamkeit der Annahmeerklärung nicht entgegen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Pachtvertrags soll bei der Übergabe des Pachtobjekts eine Niederschrift gefertigt werden. In seinem Schreiben vom 08.12.1995 erklärt der Beklagte lediglich, dass er die Mängel in der vertraglich vorgesehenen Niederschrift bei Umsetzung des Vertrags im Einzelnen noch darlegen werde. Er bezieht sich damit ganz konkret auf Rechte aus dem Pachtvertrag, den er annehmen möchte.
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Schließlich steht auch die vom Beklagten im letzten Abschnitt seines Schreibens vom 08.12.1995 geäußerte Vorstellung über das Fortbestehen der Rechte und Pflichten aus vorhergehenden Verträgen nicht im Widerspruch zum Angebot auf Abschluss eines neuen Pachtvertrages. Das Angebot der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 16.11.1995 enthält keine Regelung, wonach bereits erworbene Rechte des Beklagten abgelöst werden oder erlöschen sollen. Im Hinblick auf die streitgegenständlichen Kündigungsrechte wurde die Rechtsposition des Beklagten gegenüber den Vorverträgen auch nicht verschlechtert. Der Vertrag zwischen der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen GmbH und dem Onkel des Beklagten A. L. vom 10.02.1969 sah in § 20 Abs. 1 eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres vor. Auch die Folgeverträge sahen keine längeren Kündigungsfristen als die zwölfmonatige Frist zum Ende eines Kalenderhalbjahres vor, wie sie im Angebot vom 16.11.1995 in § 16 Abs. 1 Satz 3 unterbreitet wurde.
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Der nachträglich korrigierte Vortrag des Beklagten hinsichtlich eines angeblichen handschriftlichen Zusatzes im Vertragsentwurf zur Begründung einer fünfjährigen Kündigungsfrist ist nicht erheblich. Zum einen steht dieser Vortrag in Widerspruch zu dem Schreiben des Beklagten vom 08.12.1995. Dort setzt sich der Beklagte mit dem Angebot vom 16.11.2003 inhaltlich auseinander. In diesem Schreiben ist von einer Änderung der Kündigungsfrist nicht die Rede. Angesichts der Bedeutung der Kündigungsfrist für das Pachtverhältnis hätte der Beklagte aber neben den Ausführungen zum übersandten Vertragsangebot einen Änderungswunsch hinsichtlich der Kündigungsfrist in seinem Schreiben vom 08.12.1995 erwähnt. Zum anderen macht sich die Kammer die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Heilbronn in seinem Beschluss vom 24.06.2003 ausdrücklich zu eigen. Hätte der Beklagte tatsächlich die Pachtvertragsurkunde unter Hinzufügung von handschriftlichen Änderungen am 08.12.1995 unterschrieben und an die Rechtsvorgängerin der Klägerin zurückgesandt, hätte er das schriftliche Angebot nicht angenommen. Vielmehr hätte er nach § 150 Abs. 2 BGB den Antrag auf Abschluss eines Pachtvertrages abgelehnt und ein neues Angebot unterbreitet. Der Pachtvertrag wäre zwischen den Parteien erst mit der tatsächlichen Invollzugsetzung konkludent zustande gekommen. Mangels Schriftform wäre dieser Vertrag nach §§ 566 Satz 2 in Verbindung mit 581 Abs. 2 BGB a.F. dann aber auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Die streitgegenständliche Kündigung wäre allein an die gesetzliche Kündigungsfrist gebunden, die kürzer ist als die von der Klägerin behauptete und eingehaltene vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist.
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2. Die form- und fristgerechte Kündigungserklärung der Klägerin ist wirksam.
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a) Die Kündigung verstößt nicht gegen das europäische Kartellrecht. Artikel 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. Der für die Anwendung des europäischen Kartellrechts erforderliche Auslandsbezug ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Inwieweit die streitgegenständliche Kündigung des Pachtvertrags über den Servicebetrieb Autobahntankstelle W. den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beeinträchtigen könnte, hat der Beklagte weder schlüssig vorgetragen noch ist die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung ersichtlich.
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b) Die Kündigung des Pachtvertrages verstößt auch nicht gegen die Vorschriften des deutschen Kartellrechts. Die Klägerin ist nicht Adressatin des Missbrauchsverbotes in § 19 GWB und des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes in § 20 GWB. Die Anwendbarkeit des § 19 GWB setzt die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens voraus. § 20 GWB erweitert den Adressatenkreis auf legalisierte Kartelle, Preisbinder und die so genannten „marktstarken“ Unternehmen (vgl. zum Gesamtkomplex: Immenga/Mestmäcker/Möschel GWB, Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Auflage 2001, § 19 Rdnr. 17 ff., § 20 Rdnr. 21 ff.; Bechtold GWB, 3. Auflage 2002, § 19 Rdnr. 5 ff., § 20 Rdnr. 10 ff.).
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Die Klägerin hat auf dem relevanten Markt weder eine marktbeherrschende noch eine marktstarke Stellung. Der relevante Markt in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht ist aus der Sicht der Marktgegenseite zu beurteilen. Nach dem für Angebotsmärkte einschlägigen Bedarfsmarktkonzept ist dabei auf die Sicht des Abnehmers abzustellen. Aus seiner Sicht der Marktgegenseite muss entschieden werden, ob bestimmte Waren oder gewerbliche Leistungen unter sich austauschbar sind (BGHZ 67, Seite 104, 113 ff.; BGH NJW 1996, Seite 2656, 2657; Bechtold a.a.O., § 19 Rdnr. 5 ff.; Immenga/Mestmäcker/Möschel a.a.O., § 19 Rdnr. 24 ff.; Langen/Bunte/Ruppelt Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Auflage, § 19 Rdnr. 10 ff.). Marktgleichwertig sind danach sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleichbar und als gegeneinander austauschbar ansieht. Die entscheidende Marktabgrenzung erfolgt im jeweiligen Einzelfall nach dem konkreten Tätigkeitsgebiet des Unternehmens im Rahmen einer wertenden Gesamtschau.
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Die Kammer sieht den relevanten sachlichen und räumlichen Markt in der Verpachtung von Tankstellen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Verpachtung von Autobahntankstellen ist kein eigener Markt in sich, sondern nur Segment des Gesamtmarktes der Verpachtung von Tankstellen. In der Bundesrepublik Deutschland gab es im Januar 2003 insgesamt 15 971 Tankstellen. Von dieser Gesamtzahl lagen nur 348 Tankstellen unmittelbar an einer Bundesautobahn. Somit werden in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 15 623 Tankstellen betrieben, die nicht unmittelbar an Bundesautobahnen liegen.
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In dem konkret zur Entscheidung stehenden Fall ist die maßgebliche Geschäftstätigkeit die Verpachtung von Tankstellen. Die Marktabgrenzung erfolgt aus der Sicht der konkreten Abnehmer, mithin der Pächter. Die Beurteilung des relevanten Markts erfolgt nur in diesem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Es ist im vorliegenden Fall daher nicht entscheidungserheblich, ob Autobahntankstellen eine marktbeherrschende Stellung im Verhältnis zu den Verkehrsteilnehmern oder im Verhältnis zu den Mineralölgesellschaften haben.
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Gegen die Annahme eines eigenen Marktes der Verpachtung allein von Autobahntankstellen spricht die dem Gericht offenkundige Tatsache des Wettbewerbes zwischen den Tankstellen an den Autobahnen, den Tankstellen an den Autohöfen sowie den zahlreichen Tankstellen unmittelbar an Autobahnausfahrten. Da die Autobahntankstellen oft viele Kilometer auseinander liegen, werden an den Autohöfen und Autobahnausfahrten Servicebetriebe zur Versorgung der Reisenden errichtet, verpachtet und betrieben. Die Verpachtung einer Autobahntankstelle ist funktionell austauschbar mit der Verpachtung einer Tankstelle an einem Autohof, an einer Autobahnausfahrt, an einer viel befahrenen Bundesstraße oder an einer Hauptstraße einer größeren Stadt. Die Verpachtung einer großen und umsatzstarken Tankstelle ist nicht an die Lage unmittelbar an einer Bundesautobahn gebunden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass ein Unternehmer, der die Anpachtung einer Autobahntankstelle in Erwägung zieht, andere große und umsatzstarke Tankstellen als gleichwertige Möglichkeit abwägend in Betracht zieht.
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Die Kammer setzt sich mit dieser Entscheidung zum relevanten Markt auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 07.12.1998 im Rahmen des europäischen Fusionskontrollverfahrens. Die Europäische Kommission hat die Abgrenzung des relevanten sachlichen und räumlichen Marktes in ihrer Entscheidung ausdrücklich offengelassen, da sie zu keiner unterschiedlichen Beurteilung des Zusammenschlusses führte. Die in der Entscheidung der Kommission ausgeführten Erwägungen zu den Öffnungszeiten und der Sicherstellung der raumnahen Versorgung der Verkehrsteilnehmer beziehen sich auf den Betrieb einer Autobahntankstelle und nicht auf deren Verpachtung.
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c) Der vom Beklagten behauptete Verstoß der Klägerin gegen das materielle Vergaberecht kann ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung des Pachtvertrags führen. Ein Verstoß gegen das materielle Vergaberecht im Rahmen der zeitlich nachgelagerten Vergabe führt nicht zur rückwirkenden Unwirksamkeit der zeitlich vorgelagerten Vertragsbeendigung gegenüber dem früheren Berechtigten. Auch ist das zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.04.2003 zu den Schilderprägern nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall gerade kein marktbeherrschendes Unternehmen gehandelt hat.
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d) Die Kündigung des Pachtvertrags ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Rahmenvertrag der Bundesrepublik Deutschland, der A. T.& R. AG und der Ostdeutschen Autobahntankstellen GmbH vom 29.10.1998 unwirksam. Zum einen kann der Beklagte keine subjektiven Rechte aus diesem Rahmenvertrag herleiten. Nach dem eindeutigen Wortlaut, der Systematik und dem zugrunde liegenden Sinn und Zweck des Rahmenvertrages handelt es sich dabei um keinen Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Der Rahmenvertrag regelt die Rechte und Pflichten der unmittelbaren Vertragspartner und gewährt darüber hinaus keine vertraglichen Ansprüche für Dritte. Zum anderen fehlt es an einem erheblichen Vortrag des Beklagten hinsichtlich einer Pflichtverletzung der Klägerin. Inwieweit die streitgegenständliche Kündigung der Klägerin und anschließende Verpachtung des Servicebetriebes an einen anderen Betreiber die mittelständische Pächter- und Betreiberstruktur gefährden soll, ist weder schlüssig vorgetragen noch ist eine solche Gefährdung ersichtlich.
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e) Die Kündigung des Pachtvertrags ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 23 des Kooperationsvertrags unwirksam, da die Parteien zu keinem Zeitpunkt einen Kooperationsvertrag geschlossen haben. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat dem Beklagten am 23.12.1996 ein Angebot zum Abschluss eines Kooperationsvertrags unterbreitet. Dieses Angebot hat der Beklagte in seinem Schreiben vom 07.05.1999 ausdrücklich abgelehnt. In diesem Schreiben heißt es wörtlich: „Der von Ihnen angebotene Kooperationssystem-Vertrag ... wurde von mir nicht unterzeichnet, so dass keine diesbezüglichen Verpflichtungen bestehen“. Die vom Beklagten behauptete Unterschrift und Übersendung des Kooperationsvertrages am 25.04.2002 kann deshalb nur als neues Angebot angesehen werden, das die Klägerin aber unstreitig nicht angenommen hat.
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f) Die Kündigung des Pachtvertrags ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Entgegen der Behauptung des Beklagten enthält § 3 des Pachtvertrags vom 08.12.1995 kein persönliches Wettbewerbsverbot. Die vertragliche Regelung sieht lediglich die persönliche Leitung des Servicebetriebs durch den Beklagten vor. Ein unangemessen benachteiligendes Wettbewerbsverbot lässt sich daraus weder während noch nach Beendigung des Pachtvertrags herleiten.
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g) Schließlich verstößt die Kündigung des Pachtvertrags auch nicht gegen § 242 BGB. Das ordentliche Kündigungsrecht der Klägerin wurde vertraglich vereinbart und sieht eine angemessene Kündigungsfrist von einem Jahr zum Ende eines Kalenderhalbjahres vor. Die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts in einem Dauerschuldverhältnis bei einem Pachtvertrag ist interessengerecht und stellt für sich betrachtet keinen Verstoß gegen Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dar. Eine grobe oder rücksichtslose Interessendurchsetzung der Klägerin im konkreten Einzelfall hat der Beklagte weder schlüssig vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich.
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3. Die zulässige Widerklage ist nicht begründet.
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Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts hinsichtlich der Widerklage wurde zulässigerweise an die innerprozessuale aufschiebende Bedingung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage geknüpft. Diese Bedingung ist eingetreten.
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Die Widerklage ist nicht begründet, da dem Beklagten der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Ein Anspruch auf Schadensersatz setzt einen Verstoß gegen eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht voraus. Die streitgegenständliche Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts mit angemessener Kündigungsfrist ist rechtmäßig und kann folgerichtig keine Schadensersatzpflicht auslösen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO. Eine vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung nach § 708 Nr. 7 ZPO ist nur bei Mietverhältnissen, nicht bei Pachtverhältnissen einschlägig. Im Gegensatz zu § 29 a ZPO hat der Gesetzgeber bei systematischer Betrachtung Pachtverhältnisse bewusst nicht einbezogen (vgl. Thomas/Putzo ZPO, 25. Auflage 2003, § 708 Rdnr. 8; Musielak/Lackmann ZPO, 3. Auflage, § 708 Rdnr. 7; a.A. Schmid ZMR 2000 S. 507, 508). Dem Beklagten konnte kein Vollstreckungsschutz nach §§ 712, 714 ZPO gewährt werden. Er hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Tatsachen für einen nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Zwangsvollstreckung substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass der Beklagte durch eine Vollstreckung des Urteils seine derzeitige geschäftliche Betätigung verliert, genügt für den beantragten Vollstreckungsschutz nicht.
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückgabe des Servicebetriebs nach Beendigung des Pachtverhältnisses gemäß § 19 Abs. 1 des Pachtvertrags vom 08.12.1995 beziehungsweise §§ 546 Abs. 1 in Verbindung mit 581 Abs. 2 BGB n.F. Das Pachtverhältnis zwischen den Parteien ist durch die form- und fristgerechte Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts durch die Klägerin zum 30.06.2003 beendet worden.
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1. Das Recht zur ordentlichen Kündigung ergibt sich aus § 16 des Pachtvertrags vom 08.12.1995. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat dem Beklagten am 16.11.1995 den Abschluss eines neuen Pachtvertrages angeboten. Dieses Angebot hat der Beklagte am 08.12.1995 mit dem Zusatz „Unterschriftsleistung erfolgt unter Vorbehalt gemäß beigeschlossenem Schreiben vom 08.12.1995“ unterzeichnet. Der vom Beklagten so genannte „Vorbehalt“ steht dem wirksamen Abschluss des Pachtvertrages nicht entgegen. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Ausweislich der handschriftlichen Erklärung auf der Vertragsurkunde und dem Inhalt des beigeschlossenen Schreibens vom 08.12.1995 hat der Beklagte das Angebot der Rechtsvorgängerin der Klägerin auf Abschluss eines neuen Pachtvertrages angenommen.
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In seinem Schreiben vom 08.12.1995 weist der Beklagte darauf hin, dass dem Vertragsangebot lediglich die Anlagen 2 a bis 6 beigefügt waren. Weitere Anlagen seien weder beigefügt noch bekannt. Dieser Hinweis des Beklagten steht der Wirksamkeit seiner Annahmeerklärung nicht entgegen. Er stellt lediglich klar, dass nur diejenigen Anlagen Bestandteile des Pachtvertrages werden, die dem Vertrag auch tatsächlich als Anlage beigefügt waren.
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Auch der Hinweis auf das Alter des übergebenen Pachtgegenstandes und verschiedene nicht unerhebliche Mängel stehen der Wirksamkeit der Annahmeerklärung nicht entgegen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Pachtvertrags soll bei der Übergabe des Pachtobjekts eine Niederschrift gefertigt werden. In seinem Schreiben vom 08.12.1995 erklärt der Beklagte lediglich, dass er die Mängel in der vertraglich vorgesehenen Niederschrift bei Umsetzung des Vertrags im Einzelnen noch darlegen werde. Er bezieht sich damit ganz konkret auf Rechte aus dem Pachtvertrag, den er annehmen möchte.
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Schließlich steht auch die vom Beklagten im letzten Abschnitt seines Schreibens vom 08.12.1995 geäußerte Vorstellung über das Fortbestehen der Rechte und Pflichten aus vorhergehenden Verträgen nicht im Widerspruch zum Angebot auf Abschluss eines neuen Pachtvertrages. Das Angebot der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 16.11.1995 enthält keine Regelung, wonach bereits erworbene Rechte des Beklagten abgelöst werden oder erlöschen sollen. Im Hinblick auf die streitgegenständlichen Kündigungsrechte wurde die Rechtsposition des Beklagten gegenüber den Vorverträgen auch nicht verschlechtert. Der Vertrag zwischen der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen GmbH und dem Onkel des Beklagten A. L. vom 10.02.1969 sah in § 20 Abs. 1 eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres vor. Auch die Folgeverträge sahen keine längeren Kündigungsfristen als die zwölfmonatige Frist zum Ende eines Kalenderhalbjahres vor, wie sie im Angebot vom 16.11.1995 in § 16 Abs. 1 Satz 3 unterbreitet wurde.
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Der nachträglich korrigierte Vortrag des Beklagten hinsichtlich eines angeblichen handschriftlichen Zusatzes im Vertragsentwurf zur Begründung einer fünfjährigen Kündigungsfrist ist nicht erheblich. Zum einen steht dieser Vortrag in Widerspruch zu dem Schreiben des Beklagten vom 08.12.1995. Dort setzt sich der Beklagte mit dem Angebot vom 16.11.2003 inhaltlich auseinander. In diesem Schreiben ist von einer Änderung der Kündigungsfrist nicht die Rede. Angesichts der Bedeutung der Kündigungsfrist für das Pachtverhältnis hätte der Beklagte aber neben den Ausführungen zum übersandten Vertragsangebot einen Änderungswunsch hinsichtlich der Kündigungsfrist in seinem Schreiben vom 08.12.1995 erwähnt. Zum anderen macht sich die Kammer die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Heilbronn in seinem Beschluss vom 24.06.2003 ausdrücklich zu eigen. Hätte der Beklagte tatsächlich die Pachtvertragsurkunde unter Hinzufügung von handschriftlichen Änderungen am 08.12.1995 unterschrieben und an die Rechtsvorgängerin der Klägerin zurückgesandt, hätte er das schriftliche Angebot nicht angenommen. Vielmehr hätte er nach § 150 Abs. 2 BGB den Antrag auf Abschluss eines Pachtvertrages abgelehnt und ein neues Angebot unterbreitet. Der Pachtvertrag wäre zwischen den Parteien erst mit der tatsächlichen Invollzugsetzung konkludent zustande gekommen. Mangels Schriftform wäre dieser Vertrag nach §§ 566 Satz 2 in Verbindung mit 581 Abs. 2 BGB a.F. dann aber auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Die streitgegenständliche Kündigung wäre allein an die gesetzliche Kündigungsfrist gebunden, die kürzer ist als die von der Klägerin behauptete und eingehaltene vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist.
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2. Die form- und fristgerechte Kündigungserklärung der Klägerin ist wirksam.
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a) Die Kündigung verstößt nicht gegen das europäische Kartellrecht. Artikel 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. Der für die Anwendung des europäischen Kartellrechts erforderliche Auslandsbezug ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Inwieweit die streitgegenständliche Kündigung des Pachtvertrags über den Servicebetrieb Autobahntankstelle W. den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beeinträchtigen könnte, hat der Beklagte weder schlüssig vorgetragen noch ist die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung ersichtlich.
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b) Die Kündigung des Pachtvertrages verstößt auch nicht gegen die Vorschriften des deutschen Kartellrechts. Die Klägerin ist nicht Adressatin des Missbrauchsverbotes in § 19 GWB und des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes in § 20 GWB. Die Anwendbarkeit des § 19 GWB setzt die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens voraus. § 20 GWB erweitert den Adressatenkreis auf legalisierte Kartelle, Preisbinder und die so genannten „marktstarken“ Unternehmen (vgl. zum Gesamtkomplex: Immenga/Mestmäcker/Möschel GWB, Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Auflage 2001, § 19 Rdnr. 17 ff., § 20 Rdnr. 21 ff.; Bechtold GWB, 3. Auflage 2002, § 19 Rdnr. 5 ff., § 20 Rdnr. 10 ff.).
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Die Klägerin hat auf dem relevanten Markt weder eine marktbeherrschende noch eine marktstarke Stellung. Der relevante Markt in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht ist aus der Sicht der Marktgegenseite zu beurteilen. Nach dem für Angebotsmärkte einschlägigen Bedarfsmarktkonzept ist dabei auf die Sicht des Abnehmers abzustellen. Aus seiner Sicht der Marktgegenseite muss entschieden werden, ob bestimmte Waren oder gewerbliche Leistungen unter sich austauschbar sind (BGHZ 67, Seite 104, 113 ff.; BGH NJW 1996, Seite 2656, 2657; Bechtold a.a.O., § 19 Rdnr. 5 ff.; Immenga/Mestmäcker/Möschel a.a.O., § 19 Rdnr. 24 ff.; Langen/Bunte/Ruppelt Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Auflage, § 19 Rdnr. 10 ff.). Marktgleichwertig sind danach sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleichbar und als gegeneinander austauschbar ansieht. Die entscheidende Marktabgrenzung erfolgt im jeweiligen Einzelfall nach dem konkreten Tätigkeitsgebiet des Unternehmens im Rahmen einer wertenden Gesamtschau.
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Die Kammer sieht den relevanten sachlichen und räumlichen Markt in der Verpachtung von Tankstellen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Verpachtung von Autobahntankstellen ist kein eigener Markt in sich, sondern nur Segment des Gesamtmarktes der Verpachtung von Tankstellen. In der Bundesrepublik Deutschland gab es im Januar 2003 insgesamt 15 971 Tankstellen. Von dieser Gesamtzahl lagen nur 348 Tankstellen unmittelbar an einer Bundesautobahn. Somit werden in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 15 623 Tankstellen betrieben, die nicht unmittelbar an Bundesautobahnen liegen.
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In dem konkret zur Entscheidung stehenden Fall ist die maßgebliche Geschäftstätigkeit die Verpachtung von Tankstellen. Die Marktabgrenzung erfolgt aus der Sicht der konkreten Abnehmer, mithin der Pächter. Die Beurteilung des relevanten Markts erfolgt nur in diesem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Es ist im vorliegenden Fall daher nicht entscheidungserheblich, ob Autobahntankstellen eine marktbeherrschende Stellung im Verhältnis zu den Verkehrsteilnehmern oder im Verhältnis zu den Mineralölgesellschaften haben.
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Gegen die Annahme eines eigenen Marktes der Verpachtung allein von Autobahntankstellen spricht die dem Gericht offenkundige Tatsache des Wettbewerbes zwischen den Tankstellen an den Autobahnen, den Tankstellen an den Autohöfen sowie den zahlreichen Tankstellen unmittelbar an Autobahnausfahrten. Da die Autobahntankstellen oft viele Kilometer auseinander liegen, werden an den Autohöfen und Autobahnausfahrten Servicebetriebe zur Versorgung der Reisenden errichtet, verpachtet und betrieben. Die Verpachtung einer Autobahntankstelle ist funktionell austauschbar mit der Verpachtung einer Tankstelle an einem Autohof, an einer Autobahnausfahrt, an einer viel befahrenen Bundesstraße oder an einer Hauptstraße einer größeren Stadt. Die Verpachtung einer großen und umsatzstarken Tankstelle ist nicht an die Lage unmittelbar an einer Bundesautobahn gebunden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass ein Unternehmer, der die Anpachtung einer Autobahntankstelle in Erwägung zieht, andere große und umsatzstarke Tankstellen als gleichwertige Möglichkeit abwägend in Betracht zieht.
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Die Kammer setzt sich mit dieser Entscheidung zum relevanten Markt auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 07.12.1998 im Rahmen des europäischen Fusionskontrollverfahrens. Die Europäische Kommission hat die Abgrenzung des relevanten sachlichen und räumlichen Marktes in ihrer Entscheidung ausdrücklich offengelassen, da sie zu keiner unterschiedlichen Beurteilung des Zusammenschlusses führte. Die in der Entscheidung der Kommission ausgeführten Erwägungen zu den Öffnungszeiten und der Sicherstellung der raumnahen Versorgung der Verkehrsteilnehmer beziehen sich auf den Betrieb einer Autobahntankstelle und nicht auf deren Verpachtung.
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c) Der vom Beklagten behauptete Verstoß der Klägerin gegen das materielle Vergaberecht kann ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung des Pachtvertrags führen. Ein Verstoß gegen das materielle Vergaberecht im Rahmen der zeitlich nachgelagerten Vergabe führt nicht zur rückwirkenden Unwirksamkeit der zeitlich vorgelagerten Vertragsbeendigung gegenüber dem früheren Berechtigten. Auch ist das zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.04.2003 zu den Schilderprägern nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall gerade kein marktbeherrschendes Unternehmen gehandelt hat.
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d) Die Kündigung des Pachtvertrags ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Rahmenvertrag der Bundesrepublik Deutschland, der A. T.& R. AG und der Ostdeutschen Autobahntankstellen GmbH vom 29.10.1998 unwirksam. Zum einen kann der Beklagte keine subjektiven Rechte aus diesem Rahmenvertrag herleiten. Nach dem eindeutigen Wortlaut, der Systematik und dem zugrunde liegenden Sinn und Zweck des Rahmenvertrages handelt es sich dabei um keinen Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Der Rahmenvertrag regelt die Rechte und Pflichten der unmittelbaren Vertragspartner und gewährt darüber hinaus keine vertraglichen Ansprüche für Dritte. Zum anderen fehlt es an einem erheblichen Vortrag des Beklagten hinsichtlich einer Pflichtverletzung der Klägerin. Inwieweit die streitgegenständliche Kündigung der Klägerin und anschließende Verpachtung des Servicebetriebes an einen anderen Betreiber die mittelständische Pächter- und Betreiberstruktur gefährden soll, ist weder schlüssig vorgetragen noch ist eine solche Gefährdung ersichtlich.
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e) Die Kündigung des Pachtvertrags ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 23 des Kooperationsvertrags unwirksam, da die Parteien zu keinem Zeitpunkt einen Kooperationsvertrag geschlossen haben. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat dem Beklagten am 23.12.1996 ein Angebot zum Abschluss eines Kooperationsvertrags unterbreitet. Dieses Angebot hat der Beklagte in seinem Schreiben vom 07.05.1999 ausdrücklich abgelehnt. In diesem Schreiben heißt es wörtlich: „Der von Ihnen angebotene Kooperationssystem-Vertrag ... wurde von mir nicht unterzeichnet, so dass keine diesbezüglichen Verpflichtungen bestehen“. Die vom Beklagten behauptete Unterschrift und Übersendung des Kooperationsvertrages am 25.04.2002 kann deshalb nur als neues Angebot angesehen werden, das die Klägerin aber unstreitig nicht angenommen hat.
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f) Die Kündigung des Pachtvertrags ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Entgegen der Behauptung des Beklagten enthält § 3 des Pachtvertrags vom 08.12.1995 kein persönliches Wettbewerbsverbot. Die vertragliche Regelung sieht lediglich die persönliche Leitung des Servicebetriebs durch den Beklagten vor. Ein unangemessen benachteiligendes Wettbewerbsverbot lässt sich daraus weder während noch nach Beendigung des Pachtvertrags herleiten.
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g) Schließlich verstößt die Kündigung des Pachtvertrags auch nicht gegen § 242 BGB. Das ordentliche Kündigungsrecht der Klägerin wurde vertraglich vereinbart und sieht eine angemessene Kündigungsfrist von einem Jahr zum Ende eines Kalenderhalbjahres vor. Die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts in einem Dauerschuldverhältnis bei einem Pachtvertrag ist interessengerecht und stellt für sich betrachtet keinen Verstoß gegen Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dar. Eine grobe oder rücksichtslose Interessendurchsetzung der Klägerin im konkreten Einzelfall hat der Beklagte weder schlüssig vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich.
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3. Die zulässige Widerklage ist nicht begründet.
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Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts hinsichtlich der Widerklage wurde zulässigerweise an die innerprozessuale aufschiebende Bedingung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage geknüpft. Diese Bedingung ist eingetreten.
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Die Widerklage ist nicht begründet, da dem Beklagten der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Ein Anspruch auf Schadensersatz setzt einen Verstoß gegen eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht voraus. Die streitgegenständliche Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts mit angemessener Kündigungsfrist ist rechtmäßig und kann folgerichtig keine Schadensersatzpflicht auslösen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO. Eine vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung nach § 708 Nr. 7 ZPO ist nur bei Mietverhältnissen, nicht bei Pachtverhältnissen einschlägig. Im Gegensatz zu § 29 a ZPO hat der Gesetzgeber bei systematischer Betrachtung Pachtverhältnisse bewusst nicht einbezogen (vgl. Thomas/Putzo ZPO, 25. Auflage 2003, § 708 Rdnr. 8; Musielak/Lackmann ZPO, 3. Auflage, § 708 Rdnr. 7; a.A. Schmid ZMR 2000 S. 507, 508). Dem Beklagten konnte kein Vollstreckungsschutz nach §§ 712, 714 ZPO gewährt werden. Er hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Tatsachen für einen nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Zwangsvollstreckung substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass der Beklagte durch eine Vollstreckung des Urteils seine derzeitige geschäftliche Betätigung verliert, genügt für den beantragten Vollstreckungsschutz nicht.
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