Beschluss vom Landgericht Stuttgart - 1 T 16/05; 1 T 16/2005

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Zwischenverfügung des Grundbuchamts ... vom ... abgeändert und das Grundbuchamt angewiesen, seine in der angegriffenen Zwischenverfügung geäußerten Bedenken über die Art des zu führenden Erbnachweises zurückzustellen und dem Antragsteller aufzugeben, eine Ausfertigung des Erbscheins nach dem vorverstorbenen Sohn des Erblassers ... , ..., vorzulegen.

Gründe

 
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
I. Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend, dass anstelle seines am ... verstorbenen Vaters R. (nachfolgend „Erblasser“), der zusammen mit seiner - noch lebenden - Mutter als jeweils hälftiger Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Grundstücke im Grundbuch eingetragen ist, dessen Erben als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen werden.
Als Erbnachweis hat der Antragsteller dem Grundbuchamt eine beglaubigte Abschrift des zwischen dem Erblasser und dessen Ehefrau errichteten notariell beurkundeten Erbvertrags und des nachlassgerichtlichen Eröffnungsprotokolls vorgelegt sowie eine Ausfertigung des von seinen Eltern in der Nachlasssache von deren vorverstorbenem Sohn G. , dem Bruder des Antragstellers, gestellten Erbscheinsantrags samt darin enthaltener eidesstattlicher Versicherung vom ... .
In § 2 des zuvor erwähnten Erbvertrags vom 2.11.1998 wurden die fünf Kinder des Erblassers, u.a. auch der Sohn G., zu je einem Fünftel zu Erben eingesetzt. § 2 des genannten Erbvertrags enthält folgende weitere Bestimmung:
„Ersatzerben sind je ihre Abkömmlinge nach gesetzlichen Regeln. Treten keine Abkömmlinge an die Stelle eines Weggefallenen, so findet Anwachsung statt.“
Der Sohn G. ist bereits vor dem Erblasser, am ... , verstorben und hat nach den Angaben des Antragstellers keine Abkömmlinge hinterlassen. Die Eltern haben in ihrem Erbscheinsantrag vom ... an Eides statt versichert, dass ihnen vom Vorhandensein einer Verfügung von Todes wegen und von Abkömmlingen des Sohnes G. nichts bekannt ist. Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat nach dem vorverstorbenen Sohn G. am ... unter dem Aktenzeichen ... einen Erbschein erteilt, wonach die Eltern je zur Hälfte dessen (gesetzliche) Erben wurden.
Eine Kopie dieses Erbscheins wurde im Beschwerdeverfahren vorgelegt.
Der Antragsteller hat beantragt, das Grundbuch in der Weise zu berichtigen, dass anstelle des Erblassers dessen noch lebende vier Kinder in Erbengemeinschaft eingetragen werden.
Das Grundbuchamt hat mit der angefochtenen Zwischenverfügung den Vollzug des Grundbuchberichtigungsantrags von der Vorlage eines Erbscheins nach dem Erblasser abhängig gemacht. Es vertritt die Ansicht, das Grundbuchamt könne nicht prüfen, ob der Sohn G. kinderlos verstorben und deshalb keine Ersatzerbfolge, sondern Anwachsung an die verbliebenen Kinder des Erblassers - wie vom Antragsteller behauptet - eingetreten sei. Die dafür erforderlichen Ermittlungen könne nur das Nachlassgericht anstellen, nicht aber das Grundbuchamt.
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Der Antragsteller hat dagegen Beschwerde erhoben und verfolgt seinen Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs auf die vier noch lebenden Kinder weiter mit der Begründung, ein Erbschein sei nicht erforderlich, weil das Grundbuchamt die eingetretene Veränderung in der erbvertraglich angeordneten Erbfolge selbstständig prüfen und beurteilen könne. Die vorgelegten beglaubigten Abschriften und die Ausfertigung des Erbscheinsantrags der Eltern samt deren eidesstattlicher Versicherung reichten gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GBO als Erbnachweis aus.
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Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Es hält an seiner in der Zwischenverfügung vertretenen Rechtsauffassung fest.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die Zwischenverfügung vom ... sowie auf den Nichtabhilfebeschluss vom ... Bezug genommen.
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II. Die Beschwerde ist gem. §§ 71 ff. GBO zulässig, sie hat in der Sache auch Erfolg.
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Die Vorlage eines Erbscheins nach dem Erblasser ist nicht erforderlich, vielmehr reicht als Erbnachweis die Vorlage je einer beglaubigten Abschrift des Erbvertrags vom ..., der nachlassgerichtlichen Eröffnungsniederschrift, einer Ausfertigung der eidesstattlichen Versicherung der Eltern über das Nichtvorhandensein von Abkömmlingen des Sohnes G. und einer Ausfertigung des Erbscheins nach dem vorverstorbenen Sohn G. als Erbnachweis gem. §§ 35 Abs. 1 S. 2, 29 GBO aus.
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Zutreffend führt das Grundbuchamt aus, dass es nicht verpflichtet und auch nicht berechtigt sei, tatsächliche Ermittlungen bezüglich des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins von Abkömmlingen des Sohnes G. anzustellen, weil dies dem Nachlassgericht im Rahmen der Feststellung der Erbfolge zukomme.
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Hier sind jedoch keine tatsächlichen Ermittlungen vorzunehmen, vielmehr sind lediglich Rechtsfragen und Urkunden zu überprüfen. Das dem Grundbuchrecht eigene streng formale reine Nachweisverfahren, wie es in § 29 GBO niedergelegt ist, ließe solche Sachverhaltsermittlungen im Grundsatz auch nicht zu.
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Das Grundbuchamt ist jedoch verpflichtet, Rechtsfragen auf der Grundlage ihm vorgelegter Urkunden in eigener Zuständigkeit zu prüfen und zu beantworten (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1999, 1530 = Rpfleger 1999, 533; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; BayObLG FGPrax 2000, 179 = ZEV 2000, 456 = BayObLGZ 2000 Nr. 34; insbesondere Kammerbeschluss vom 17.4.1967 - 1 T 1/1967 in BWNotZ 1967, 154).
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Aus § 2 des Erbvertrags der Eltern des Antragstellers sind die auf den Tod des zuerst sterbenden Elternteils eingesetzten Erben namentlich zu entnehmen. Die Anwachsung des ursprünglich für den vorverstorbenen Sohn G. vorgesehenen Erbteils an die verbliebenen Kinder des Erblassers ist urkundlich nachgewiesen durch die im Erbvertrag getroffene Bestimmung über die Ersatzerbeinsetzung bzw. Anwachsung in Verbindung mit dem Erbschein nach dem vorverstorbenen Sohn, der eidesstattlichen Versicherung über das Nichtvorhandensein von Abkömmlingen und der gesetzlichen Bestimmung des § 2094 BGB. Die Ausfertigung des Erbscheins nach dem Sohn G. und die Ausfertigung der eidesstattlichen Versicherung vom ... sind Urkunden im Sinne von § 29 GBO. Mit dem Erbvertrag ist nachgewiesen, dass bei Vorversterben eines eingesetzten Kindes dessen Abkömmlinge nach den Regeln des gesetzlichen Erbrechts an seine Stelle treten und bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen Anwachsung bei den eingesetzten verbleibenden Kindern eintritt; von der gesetzlichen Anwachsungsregel des § 2094 BGB ist der Erblasser nicht abgewichen.
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Der Erbschein nach dem Sohn G. weist dessen Eltern als Erben aus. Damit und in Verbindung mit der eidesstattlichen Versicherung der Eltern ist die Frage, dass der Sohn keine Abkömmlinge hinterlassen hat, geklärt; denn Erben der zweiten Ordnung (§ 1925 BGB) können nur dann kraft Gesetzes zum Zuge kommen, wenn Abkömmlinge als potenzielle Erben der ersten Ordnung (§§ 1924, 1930 BGB) nicht vorhanden sind. Und das Nichtvorhandensein von Abkömmlingen des Sohnes G. hat das Nachlassgericht Hamburg-Altona in einem Amtsverfahren geprüft (§ 2358 BGB), andernfalls hätte es den Erbschein auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge nicht erteilen dürfen (§ 2359 BGB). Dieser Erbschein hat nicht nur die Vermutung der Richtigkeit für sich (§ 2365 BGB), sondern entfaltet auch eine Rechtsscheinwirkung (§ 2366 BGB). Das Grundbuchamt kann seine Entscheidung bezüglich des gestellten Berichtigungsantrags darauf stützen.
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Allerdings wäre es auch denkbar gewesen, dass etwaige Abkömmlinge des Sohnes G. die Erbschaft ausgeschlagen oder auf ihr Erbrecht verzichtet hätten. Auch in diesen Fällen wären anstelle der Erben der ersten Erbfolgeordnung die Erben der zweiten Ordnung zur Erbfolge gelangt (§§ 1953 Abs. 1, 2, 2346 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Nichtvorhandensein von Abkömmlingen kann als sog. Negativtatsache jedoch nicht positiv bewiesen werden. Deshalb begnügt sich das Erbscheinsverfahren bezüglich solcher Tatsachen mit einer eidesstattlichen Versicherung gem. § 2356 Abs. 2 BGB des Inhalts, dass (hier) vom Vorhandensein von Abkömmlingen nichts bekannt ist. Die jüngere Rechtsprechung lässt auch im Grundbuchverfahren für Negativtatsachen eine solche eidesstattliche Versicherung genügen (OLG Schleswig NJW-RR 1999, 1530 = Rpfleger 1999, 533; BayObLG FGPrax 2000, 179 = ZEV 2000, 456 = BayObLGZ 2000 Nr. 34). Die Eltern des Sohnes G. haben im Erbscheinsverfahren eine solche eidesstattliche Versicherung abgegeben, sie liegt dem Grundbuchamt auch in Ausfertigung vor.
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Demnach ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden in Verbindung mit den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften die vom Antragsteller begehrte Rechtsfolge, die Berichtigung des Grundbuchs auf die vier lebenden Kinder des Erblassers in Erbengemeinschaft als neue Eigentümer der auf den Erblasser eingetragenen Miteigentumsanteile an dessen Stelle verlangen zu können.
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Das Grundbuchamt war aus den dargelegten Gründen anzuweisen, seine in der angegriffenen Zwischenverfügung geäußerte Rechtsauffassung, dass nur ein Erbschein nach dem Erblasser als Erbnachweis geeignet sei, zurückzustellen. Allerdings ist eine Ausfertigung des Erbscheins nach dem Sohn G. vorzulegen, weil nur die Ausfertigung im Rechtsverkehr die Urschrift ersetzt (entsprechend § 47 BeurkG) und so sicher gestellt ist, dass dieser Erbschein nicht etwa wegen Unrichtigkeit bereits wieder eingezogen worden ist (§ 2361 BGB).
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Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 30 KostO.

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