Urteil vom Landgericht Tübingen - 2 O 317/09

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 152.714,53 EUR sowie Zinsen aus 147.583,65 EUR

- in Höhe von 2,7 % für den Zeitraum 15. September 2007 bis 10. Dezember 2009 und

- in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11. Dezember 2009

zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 152.714,53 EUR

Tatbestand

 
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen aus Anlageberatung geltend.
Der Kläger, der in den neunziger Jahren u.a. als Anlageberater für die Commerzbank und als Wertpapierhändler gearbeitet hatte, war zusammen mit den Zeugen S und T Inhaber einer Firma DIR gewesen. Unter Beteiligung der Beklagten verkauften er und seine Geschäftspartner Anteile dieser Firma an die P. Group in L. Die Beklagte wusste daher, dass der Kläger und die beiden Zeugen über erhebliches Vermögen verfügten und insbesondere der Zeuge T einen größeren Geldbetrag auf seinem Festgeldkonto liegen hatte. Mit letzterem vereinbarte sie einen Termin zu einem Beratungsgespräch. Dieses Gespräch fand am 1. März 2007 in den Geschäftsräumen der Firma DIR in U. satt. Der Zeuge T hatte seine Geschäftspartner informiert, so dass der Kläger von Anfang an diesem Gespräch teilnahm und der Zeuge S später dazukam. Von Seiten der Beklagten wurde das Gespräch durch die Zeugen Sch und H wahrgenommen, die sowohl den Kläger als auch die Zeugen S und T bereits kannten, da die Beklagte auch Hausbank der DIR war.
Hierbei stellte die Beklagte ein so genanntes A-Zertifikat anhand von Produktinformationen eines Vorgängerzertifikates vor. Der Zeuge Sch erläuterte die Struktur das A-Zertifikats dahin, dass die Rückzahlung bei Fälligkeit des Zertifikates nicht garantiert zum Kurswert 100 EUR pro Zertifikat erfolge, sondern abhängig von der relativen Entwicklung des DivDAX und des DAX an zuvor festgelegten Stichtagen erfolge, wobei die Differenz bei dem vorgestellten Vorgängerzertifikat zwischen den beiden Indizes nicht mehr als 5 Prozentpunkte hatte betragen dürfen. Der Zeuge Sch präsentierte Schaubilder von Kurven des DAX und des DivDAX, aus denen hervorging, dass sich die beiden Indizes in den vergangenen Jahren einigermaßen parallel entwickelt hatten. Weder der Kläger noch seine Geschäftspartner erhielten bei diesem Gespräch schriftliche Unterlagen. Von Seiten der Beklagten wurde bei diesem Gespräch in Aussicht gestellt für den Kläger und seine Geschäftspartner ein individuelles Zertifikat aufzulegen.
Nach dem Gespräch kam es zwischen dem Kläger, der dabei auch als Mittler für seine beiden Geschäftspartner fungierte, und den beiden Mitarbeitern der Beklagten zu weiteren Telefonaten und Emailverkehr, wobei über das A-Zertifikat und eine Darlehensfinanzierung verhandelt wurde.
Mit E-Mail vom 5. März 2007 übermittelte der Zeuge Sch dem Kläger Verlaufskurven des DAX und des DivDAX über den Zeitraum 1999 - 2007 (vgl. Anlage B 9, Bl. 145 - 145e d. Akten). Mit weiterer E-Mail vom 8. März 2007 übermittelte der Zeuge Sch sowohl dem Kläger als auch den Zeugen S und T die Eckdaten des Zertifikates (vgl. Anlage B 10, Bl. 146 d. Akten).
Mit Schreiben vom 8. März 2007 (vgl. Anlage B. 11, Bl. 147 d. Akten), dass sowohl vom Kläger als auch den Zeugen S und T unterschrieben war, bestätigten diese die Zeichnung des DIR Performance Zertifikates, wobei sie sich mit folgenden Ausgestaltungen einverstanden erklärten:
„…
Ertrag
1. Stichtag nach 16 Monaten
17 %
2. Stichtag nach 28 Monaten
34 %
3. Stichtag nach 40 Monaten
51 %
4. Stichtag nach 52 Monaten
68 %
10 
Sollte der DIVDAX nach dem ersten Stichtag, bzw. an späteren Stichtagen sich nicht schlechter als 5 % gegenüber dem Performance DAX haben, so wird der Einlagebetrag, gekürzt um die Bearbeitungsgebühr zuzüglich dem Bonus ausgezahlt und das Zertifikat erliSch.
11 
Sollte der DivDAX dauerhaft über alle 4 Stichtage eine um 5 % schlechterer Wertentwicklung gegenüber dem Performance DAX haben, greift am Laufzeitende ein Sicherheitspuffer von 15 %. Erst wenn die Wertentwicklungsdifferenz > 15 % entsteht ein Verlustrisiko.
12 
Ausgabeaufschlag einmalig 2 %“
13 
Letztendlich einigten sich die Parteien auf diese Eckpunkte, mit der Maßgabe, dass die zulässige Abweichung der beiden Indizien maximal 6 % betragenden dürfe, damit es an den Bewertungstagen zu einer Auszahlung mit Gewinn kommt. Hintergrund war gewesen, dass die Beklagte nach Rücksprache mit der X-Bank dem Kläger und seinen Geschäftskollegen angeboten hatte, entweder die Rendite um 2 Prozentpunkte anzuheben oder die zulässige Abweichung. Der Kläger und seine Geschäftskollegen hatten mit einer Anhebung der Rendite und der zulässigen Abweichung um jeweils einen Prozentpunkt dann einen Mittelweg gewählt. Die Renditeanhebung um einen Prozentpunkt war dabei in dem Schreiben vom 8. März 2007 bereits berücksichtigt gewesen.
14 
Mit E-Mail vom 19. März 2007 übermittelte der Zeuge Sch dem Kläger die Produktinformation, Stand 15.03.2007, hinsichtlich der streitgegenständlichen DIR Performance Zertifikats, wobei er noch folgendes mitteilte (vgl. Anlage B 12, Bl. 148 -148b d. Akten):
15 
„… Ich werde die Zeichnungen des Zertifikates in der Zeichnungsfrist vom 21.03 - 23.03. wie am 08.03.07 von ihnen bestätigt vornehmen.
Startwerte für die beiden Referenzindizes sind die Indexschlußstände vom 23.03.07.
Abgerechnet und den Abrechnungskonten belastet wird das Zertifikat zum 03.04.2007.... "
16 
In der übermittelten Produktinformation wurden die Kurven des DAX 30 Performanceindex und des DivDAX Kursindex über den Zeitraum 2002 bis 2007 dargestellt, sowie das Rückzahlungsprofil nach Bewertungstagen in einem Schaubild. Dabei wurde auch der Fall dargestellt, dass es zu einem Verlust kommt, wenn am letzten Bewertungstag der Sicherheitspuffer von 15 Prozentpunkten überschritten wird. Die „Produktidee“ wurde mit folgenden Worten erläutert (vgl. Anlage B 12, Bl. 148a d. Akten):
17 
„Mit dem DIR-Performance Zertifikat profitieren sie bereits, wenn sich der DivDAX-Kursindex um bis zu 6 Prozentpunkte schwächer entwickelt als der DAX-Performanceindex - unabhängig von der absoluten Wertentwicklung dieser beiden Referenzindizes. Entwickelt sich der Dividenden-Index DivDAX um mehr als 6 Prozentpunkte schwächer als der deutsche Leitindex DAX (Underperformance des DivDAX), schützt Sie ein Sicherheitspuffer von 15 Prozentpunkten am Laufzeitende vor Kapitalverlusten. Somit wird das Verlustrisiko reduziert.“
18 
Unter Risikohinweisen ist dabei aufgeführt (vgl. Anlage B 12, Bl. 148b d. Akten):
19 
- Der Sicherheitspuffer greift nur am letzten Bewertungstag. Ein Kapitalverlust ist trotz Sicherheitspuffer nicht ausgeschlossen.
        
- Die Rückzahlung des Zertifikates hängt von der relativen Wertentwicklung des DivDAX gegenüber dem DAX ab.
        
- Auch im Falle einer positiven Wertentwicklung beider Referenzindizes können Kapitalverluste auftreten (falls die relative Wertentwicklung des DivDAX-Kursindex mehr als 15 Prozentpunkte unter der relativen Wertentwicklung des DAX-Performanceindex liegt)
        
- …
        
- Kursentwicklung, Rückzahlungsbetrag und -zeitpunkt des Zertifikates hängen maßgeblich von der Differenz der Wertentwicklung der beiden Referenzindizes sowie sonstigen Marktparametern (z.B. der Volatilität) ab. Während der Laufzeit kann die Kursentwicklung vom dargestellten Rückzahlungsprofil abweichen.
        
- Während der Laufzeit kann der Kurs des Zertifikates auch unter den Immissionspreis von 100 Euro sinken.
        
- …
        
- Die Rückzahlung des Zertifikates hängt von der Zahlungsfähigkeit der Emittentin ab. Die X-Bank AG ist der Sicherungseinrichtung des BVR angeschlossen. “
20 
Unter „Wesentliche Ausstattungsmerkmale“ ist in der Produktinformation aufgeführt (vgl. Anlage B 12, Bl. 148b d. Akten):
21 
„       
        
Emittentin
X-Bank AG
...,
        
Frankfurt am Main
        
...
        
…       
        
Stückelung
Stücknotiz, 100 Euro je Zertifikat
...
        
Verkauf
Die Emittentin bietet die Zertifikate ausschließlich während der Zeichnungsfrist
zur Zeichnung an.
                 
Emissionspreis
100 Euro zzgl. 2 % Ausgabeaufschlag je Zertifikat
...
        
Steuerliche
        
Behandlung
Ein nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist durch Veräußerung oder
Einlösung des Zertifikates realisierter Gewinn ist nach derzeitiger Rechtslage
steuerfrei (Stand: März 2007)
...“
        
22 
Das A-Zertifikat beruht auf einem von der X-Bank AG indizierten Emmissionsprogramm auf Grundlage des Basisprospekts vom 4. April 2006 gem. § 6 WpPG.
23 
Bei dem streitgegenständlichen Zertifikat kam es auf die Differenz zwischen dem DivDAX (Kursindex, ISIN DE 000A0C33C3, nachfolgend: Referenzindex 1) und dem DAX (Performanceindex, ISIN DE 0008469008, nachfolgend Referenzindex 2) an, wobei die dem Kläger nicht übergebenen endgültigen Bedingungen Nummer 29 vom 21. März 2007 zum Basisprospekts vom 4. April 2006 der X-Bank AG folgende Regelungen enthielt (vgl. Anlage K2, Bl. 45ff, 51, 52 d. Akten):
24 
25 
§ 1 …
§ 2
26 
Zertifikatsrecht, Definitionen
27 
(1) …
28 
(2) Die Laufzeit der Zertifikate endet mit dem Rückzahlungstag (Absatz (6)). Laufzeit und Rückzahlungstag der Zertifikate sind nach Maßgabe von Absatz (6) variabel.
29 
(3) „ Bewertungstage “ sind vorbehaltlich des letzten Satzes und § 5 Absatz (4), der 21. Juli 2008 („ erster Bewertungstag “), der 21. Juli 2009 („ zweiter Bewertungstag “), der 21. Juli 2010 („ dritter Bewertungstag “) und 21. Juli 2011 („ letzter Bewertungstag “). „ Starttag “ ist, vorbehaltlich des vorletzten Satzes und § 5 Absatz (4), der 23. März 2007. ….
30 
(4) „ Startwert “ für den jeweiligen Referenzindex ist, vorbehaltlich § 6, der Schlusskurs des Referenzindex am Starttag, wie er vom entsprechenden Sponsor als solche berechnet und veröffentlicht wird. „ Schwellenwert “ entspricht, vorbehaltlich § 6, einem von der Berechnungsstelle (§ 11) am Starttag festgelegten Wert. Dieser Wert wird innerhalb von drei Bankarbeitstagen nach dem Tag der Festlegung gemäß § 9 bekannt gemacht. Der Wert beträgt maximal -0,15.
31 
Performance ist, vorbehaltlich § 6, die Wertentwicklung für jeden Referenzindex am aktuellen Bewertungstag bezogen auf den Starttag. Die Ermittlung erfolgt nach folgender Formel:
32 
P i,t = S i,t / SV i - 1
33 
dabei ist:
34 
P i,t :     
die Performance des Referenzindex i (i = 1, 2) an Bewertungstag t
(t = 1,…, 4)
                 
S i,t :     
der Schlusskurs des Referenzindex i (i = 1, 2) an Bewertungstag t
(t = 1,…,4), wie er vom Sponsor als solcher berechnet und veröffentlicht
wird („Referenzwert“)
                 
SV t :   
der Startwert des Referenzindex i (i = 1, 2)
35 
Performancedifferenz “ ist, im Hinblick auf einen Bewertungstag, vorbehaltlich § 6, die Differenz aus P 1,t . und P 2,t .
36 
(6) Der „ Rückzahlungsbetrag “ und der „ Rückzahlungstag “ werden wie folgt ermittelt:
37 
(a) Wenn am ersten Bewertungstag die Performancedifferenz größer oder gleich -0,06 ist, beträgt der Rückzahlungsbetrag Euro 117,- und der Rückzahlungstag ist, vorbehaltlich Absatz (3) letzter Satz und § 5 Absatz (5), der dritte Bankarbeitstag nach dem ersten Bewertungstag. Ist die Performancedifferenz am ersten Bewertungstag kleiner als -0,06 werdende Rückzahlungstag und der Rückzahlungsbetrag nach den folgenden Bestimmungen festgelegt.
38 
(b) Wenn am zweiten Bewertungstag die Performancedifferenz größer oder gleich -0,06 ist, beträgt der Rückzahlungsbetrag Euro 134,- und der Rückzahlungstag ist, vorbehaltlich Absatz (3) letzter Satz und § 5 Absatz (5), der dritte Bankarbeitstag nach dem ersten Bewertungstag. Ist die Performancedifferenz am ersten Bewertungstag kleiner als -0,06 werdende Rückzahlungstag und der Rückzahlungsbetrag nach den folgenden Bestimmungen festgelegt.
39 
(c) Wenn am dritten Bewertungstag die Performancedifferenz größer oder gleich -0,06 ist, beträgt der Rückzahlungsbetrag Euro 151,- und der Rückzahlungstag ist, vorbehaltlich Absatz (3) letzter Satz und § 5 Absatz (5), der dritte Bankarbeitstag nach dem ersten Bewertungstag. Ist die Performancedifferenz am ersten Bewertungstag kleiner als -0,06 werdende Rückzahlungstag und der Rückzahlungsbetrag nach den folgenden Bestimmungen festgelegt.
40 
(d) Wenn am letzten Bewertungstag die Performancedifferenz größer oder gleich -0,06 ist, beträgt der Rückzahlungsbetrag Euro 168,-. Ist die Performancedifferenz am letzten Bewertungstag kleiner als -0,06 und größer oder gleich dem Schwellenwert, beträgt der Rückzahlungsbetrag Euro 100,-. Liegt die Performancedifferenz am letzten Bewertungstag unter dem Schwellenwert, errechnet sich der Rückzahlungsbetrag nach folgender Formel:
41 
RB = max [PD . W +W; O]
42 
dabei ist:
43 
RB:
der Rückzahlungsbetrag in Euro
PD:
die Performancedifferenz an diese Bewertungstag
W:   
ein Betrag in Höhe von Euro 100,-
44 
…“
45 
Ohne sowohl den Basisprospekt vom 4. April 2006 (vorgelegt als Anlage K 1, Bl. 38 - 44 d. Akten) als auch die endgültige endgültigen Bedingungen Nr. 29 vom 21. März 2007 (vorgelegt als Anlage K 2, Bl. 45 - 54 d. Akten) jemals erhalten zu haben, erwarb der Kläger am 3. April 2007 10.000 Stück á 100,00 EUR der streitgegenständlichen Zertifikate für insgesamt 1.000.000,00 EUR und zahlte zusätzlich den Ausgabeaufschlag von 2%, somit 20.000,00 EUR, an die X-Bank. Der Ausgabeaufschlag wurde von der X-Bank AG an die Beklagte zurückgeleitet. Zusätzlich erhielt die Beklagte von der X-Bank für den Vertrieb des streitgegenständlichen Zertifikats eine Provision in Höhe von mindestens 1,8% des Anlagebetrages. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger mit einem zeitgleich bei der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag über 1.000.000,00 EUR zu einem Zinssatz von 5% jährlich, festgeschrieben bis zum 30.04.2008. Die Darlehensrückzahlung war gem. Ziffer 4.1. des Darlehensvertrages vereinbart in voller Höhe zum 30. Dezember 2008 „durch Erlös aus Wertpapierverkauf“ (vgl. Anlage K7, Bl. 63 Rückseite d. Akten).
46 
Nachdem das streitgegenständliche Zertifikat weder am ersten Bewertungstag, dem 21. Juli 2008, noch am zweiten Bewertungstag, dem 21. Juli 2009, zur Rückzahlung gekommen war, entschloss sich der Kläger im September 2009 zum Verkauf des streitgegenständlichen Zertifikats. Durch Verkauf am 11. September 2009 erlöste einen Betrag von 977.797,80 EUR. Nachdem ihm dieser Betrag am 15. September 2009 auf seinem Konto gutgeschrieben worden war, löste er noch am gleichen Tag das Darlehen bei der Beklagten ab. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er für das Darlehen Zinsen und Entgelte in Höhe von 105.381,45 EUR gezahlt. Diese Entgelte wie auch den Ausgabeaufschlag von insgesamt 20.000,00 EUR hatte der Kläger aus Eigenmitteln aufgebracht, für die er anderweitig Zinsen in Höhe von 2,7 %, somit 3.806,77 EUR und 1.194,11 EUR erwirtschaftet hätte. Insoweit wird auf die Darstellungen auf den Seiten 27 - 29 der Klageschrift vom 30. November 2009 Bezug genommen (vgl. Bl. 27-29 der Akten).
47 
Der Kläger trägt vor ,
48 
bereits bei der telefonischen Vereinbarung des Gesprächstermins vom 1. März 2007 sei klargestellt worden, dass es um eine Anlageform mit geringem Risiko bei gleichzeitig attraktiver Rendite gehen sollte. Der Zeuge T habe sich auf Initiative der Beklagten zu dem Gespräch bereit gefunden und habe bereits damals gesagt, dass er nur an sicheren Anlagen interessiert sei. Dies habe auch er [Kläger] bei dem Gespräch nochmal klargestellt. Die Zeugen Sch und H hätten bei dem Gespräch zwar zunächst andere Produkte thematisiert, seien aber recht bald auf das A-Zertifikat gekommen. Auf diesem habe der Schwerpunkt des Gespräches gelegen. Es sei von den Mitarbeitern der Beklagten als passend und empfehlenswert vorgestellt worden. Auf seinen [des Klägers] Hinweis als auch dem der Zeugen S und T, dass mit der Anlage keinerlei Risiko eingegangen werden dürfe, hätten die Mitarbeiter der Beklagten erklärt, dass als einziges Risiko das Emittentenrisiko der X-Bank bestehe. Auf das im Basisprospekt beschriebene Totalverlustrisiko und das erhöhte Risiko im Rahmen einer eventuellen Kreditfinanzierung hätten die Mitarbeiter der Beklagten nicht hingewiesen. Trotz zunächst kritischer Fragen hätten die Zeugen Sch und H das Zertifikat als sehr sicher dargestellt und dass es völlig unerheblich sei, ob die Kurse steigen oder fallen würden. Hätte die Beklagte - wie sie dies beispielsweise bei dem gleichartigen Zertifikat „V-Bank M. R. B. Control“ getan hatte (vgl. Anlage K 8, Bl. 67, 68 d. Akten) - auf das Totalverlustrisiko hingewiesen, hätte der Kläger von der Zeichnung des Zertifikat und der Aufnahme des Darlehens abgesehen. Statt dessen sei ihm und seinen Geschäftspartnern erklärt worden, sie könnten damit rechnen, dass das Zertifikat zum ersten Bewertungstag auslaufen und damit zurückgezahlt würde. Die Struktur des Zertifikates sei insgesamt sehr schlicht dargestellt worden. Auf Risiken aufgrund der unterschiedlichen Struktur der Indizes von Kurs- und Performanceindex sei nicht hingewiesen worden ebenso wenig das Zusammenspiel der Setzung der Bewertungstage und der jährlich stattfindenden Dividendenausschüttungen. Zudem hätten die Mitarbeiter der Beklagten in dem Gespräch am 1. März mehrfach versichert, dass die zu erwartenden Gewinne bei der Einlösung des Zertifikat auf alle Fälle steuerfrei vereinnahmt werden könnten, es handele sich um keine so genannte Finanzinnovation im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Hierauf sei es dem Kläger wesentlich angekommen. Die Beklagte hätte in diesem Zusammenhang zumindest darauf hinweisen müssen, dass zum Zeitpunkt der Beratung von der Regierung bereits eine Änderung des Steuerrechts angedacht gewesen war, die auch Zertifikate erfassen sollte. Zumindest sei die Beklagte verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass sich die steuerrechtlichen Regelungen auch rückwirkend ändern können. Wären diese Umstände und ihr Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung dem Kläger vor Zeichnungen des Zertifikat und vor Abschluss des Darlehensvertrages mitgeteilt worden, hätte er von beidem Abstand genommen. Zudem sei bereits im Frühjahr 2007 zu sehen gewesen, dass der Vergleich beider Indizes in der Rückschau von 12 Monaten äußerst knapp ausgefallen gewesen sei. Seit Beginn des Jahres 2007 habe der DivDAX sogar eine schlechtere Entwicklung als der DAX gezeigt. Auf Bedenken in der Fachpresse (vgl. Artikel vom 20. Februar 2007 aus der FAZ.net, vorgelegt als Anlage K3, Bl. 55, 56 d. Akten) sei nicht hingewiesen worden. Weiter habe die Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass der an die X-Bank als Emittentin zu zahlende Ausgabeaufschlag von 2 % vollständig an die Beklagte als Vertriebsprovision zurückfließen würde. Auch sei kein Hinweis über die weitere Provision in Höhe von 1,8 % des investierten Nominalbetrages erfolgt. Hätte der Kläger von diesen Provisionszahlungen an die Beklagte Kenntnis gehabt, hätte er das Zertifikat nicht gezeichnet und das Darlehen nicht aufgenommen.
49 
Der Kläger beantragt für Recht zu erkennen:
50 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 152.714,53 zu zahlen, zzgl. 2,7 % Zinsen aus EUR 147.583,65 seit 15.09.2007 bis Rechtshängigkeit und zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
51 
Die Beklagte beantragt
52 
Klageabweisung.
53 
Die Beklagte trägt vor ,
54 
zu dem Gespräch am 1. März 2007 sei es auf Initiative des Zeugen T kommen, da dieser hinsichtlich eines Teilbetrages von 2.000.000 EUR aus den Firmenanteilsverkauf eine Anlagemöglichkeit gesucht habe. Als grobe Vorstellung habe er einen Anlagehorizont von fünf Jahren und eine attraktive Rendite bei möglichst geringem Risiko geäußert. Zu diesem Gespräch habe der Zeuge T den Kläger als fachkundigen Berater hinzugezogen. Gegenstand des Gesprächs seien mehrere Anlageformen gewesen, keineswegs nur das A-Zertifikat. Nachdem im Gespräch der Zeuge T berichtet habe, Aktientransaktionen in den USA über Bekannte getätigt zu haben, hätten die Mitarbeiter der Beklagten u.a. auch Steuer optimierte niederverzinsliche Wertpapiere und Geldmarktfonds sowie Inhaberschuldverschreibungen vorgestellt. Ein Zertifikat der streitgegenständliche Art sei erst am Schluss als letzte Alternative vorgestellt worden. Dies auch erst als der Kläger im Rahmen der Erörterung von Aktiengeschäften von einer negativen Entwicklung der Aktienmärkte ausgegangen war und diese Prognose durch den Zeugen Sch geteilt worden sei.
55 
Es sei darauf hingewiesen worden, dass die Konstruktion des Zertifikat in der Vergangenheit meist aufgegangen sei, nicht aber im Jahr der Telekomhysterie, da die Telekom zwar im DAX aber nicht im DivDAX vertreten gewesen sei. Das Totalverlustrisiko sei nur theoretischer Natur, da dies voraussetzen würde, dass der DivDAX Kursindex sich um 100 Prozentpunkten schwächer entwickeln würde als der DAX Performanceindex. Dies sei nur bei einer schwerwiegenden Wirtschaftskrise zu erwarten. Mit einem Puffer von 6 % habe das streitgegenständliche Zertifikat einen höheren Puffer als vergleichbare Zertifikate der X-Bank aus dem Jahr 2007. Wie sich aus den übermittelten Produktinformationen ergebe, sei auf das Totalverlustrisiko hingewiesen worden. Zudem habe sich der Kläger - wie auch seine Geschäftspartner - zu Gunsten besserer Rendite bewusst gegen einen ihm angebotenen höheren Puffer von 7 % entschieden. Die Funktionsweise des Zertifikat sei dem Kläger bekannt gewesen, was sich auch daraus ergebe, dass der Kläger und seine Partner exakte Vorgaben über die Ausgestaltung des Zertifikat gemacht hätten. Die Setzung des 21. Juli als Stichtag sei nicht nachteilig, dies zeigten auch die vorgelegten Schaubilder. Auch habe es in den letzten 12 Monaten vor dem Beratungsgespräch kein auffälliges Auseinanderlaufen der beiden Indizes gegeben. Hinsichtlich der Steuerfreiheit hätten die Zeugen Sch und H ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um den damaligen Rechtsstand gehandelt habe. Bei dem Gespräch am 1. März 2007 habe der Kläger auch die Regie übernommen unter Verweis auf seine Erfahrungen als Wertpapierhändler. Auch sei es der Kläger gewesen, der bereits zu diesem frühen Stadium eine Kreditfinanzierung des Anlagebetrages ins Spiel gebracht habe. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten erklärt, dass sie die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Zertifikat zunächst mit der X-Bank abklären müssten und die Darlehensfinanzierung hausinternen prüfen müssten.
56 
Die Beklagte ist der Ansicht , In jedem Fall sei der geltend gemachte Schaden um das zu kürzen, was der Kläger aufgrund seines steuerlich absetzbaren Verlustes erspart habe.
57 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2010 (vgl. Bl. 186 -190 der Akten) Bezug genommen.
58 
Das Gericht hat im Parallelprozess vor dem Landgericht betreffend der Schadensersatzklage des Herrn S gegen die hiesige Beklagte - 2 O 126/09 - den Kläger sowie die vorliegend als Zeugen benannten Herrn T, Sch und Gerold als Zeugen ebenfalls am 16. März 2010 vernommenen und den dortigen Kläger S informatorisch angehört (vgl. Bl. 193 - 193u d. Akten). Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 12. und 13. April 2010 (vgl. Bl. 199, 200 d. Akten) der Verwertung dieses Protokolls zu Beweiszwecken zugestimmt.

Entscheidungsgründe

 
59 
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
60 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 278 BGB Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung in Höhe von 152.714,53 EUR zu. Die Beklagte hat gegen die ihr aus dem Beratungsvertrag (1.) gegenüber dem Kläger resultierenden Pflichten zur anlagegerechten (2.) und anlegergerechten (3.) Beratung verstoßen, wozu auch die nicht erfolgte Aufklärung über die von ihr vereinnahmten Provisionen zählt (4.). Die Beklagte handelte schuldhaft (5.). Diese Pflichtverletzungen waren für die Entscheidung des Klägers, das Zertifikat zu zeichnen und das Darlehen aufzunehmen, auch ursächlich geworden (6.). Hierdurch ist ihm der geltend gemachte Schaden entstanden (7.). Ein Mitverschulden muss sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen (8.).
1.
61 
Zwischen dem Kläger und der Beklagten, vertreten durch die Zeugen Sch und H, ist durch das Führen des Beratungsgesprächs am 1. März 2007 zumindest konkludent ein Beratungsvertrag zu Stande gekommen. Ob hierbei die Mitarbeiter der Beklagten auf den Kläger, bzw. zunächst auf den Zeugen T oder dieser auf die Beklagte zugekommen ist, ist für die Annahme eines Beratungsvertrages unerheblich (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 26.02.2010 - 9 U 164/08, ZIP 2010, 716 - 725, m. w. N.).
2.
62 
Die Beklagte hat den Kläger nicht anlagegerecht beraten.
63 
Die Funktionsweise des Zertifikates ist durch den Zeugen Sch nur unzureichend und beschönigend erklärt.
64 
Mitgeteilt wurden dem Kläger und den Zeugen T und S bei dem Gespräch lediglich, dass es bei dem Zertifikat auf die relative Entwicklung der beiden Indizes DAX und DivDAX ankommt und es zu einer Auszahlung mit Gewinn kommt, wenn zumindest an einem der vier Bewertungstage die Differenz eines vorher in Prozentpunkten festgelegten Puffers nicht überschritten wird. Sollte am Letzten Bewertungstag dieses Kriterium nicht erfüllt sein, würde ein Sicherheitspuffer von 15% eingreifen, in dessen Rahmen es weder zu Gewinn noch Verlust kommen würde. Dass dieser Sicherheitspuffer wie auch die eingeräumte Toleranz von zunächst 5 Prozentpunkten nicht ausreichen würde, ist durch den Zeugen Sch durch die vorgelegten Charts ausgeräumt worden. Nach diesen hatten sich die beiden Indizes immer relativ eng beieinander bewegt, wobei unstreitig das Platzen der Telekomblase im Jahr 2000 erörtert worden war und dass damals das Zertifikat zu einem Verlust geführt hätte. Dies steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme im Parallelprozess fest. Welche Charts im Gespräch am 1. März 2007 tatsächlich dem Kläger und seinen Geschäftspartnern präsentiert worden waren, konnte das Gericht nicht aufklären. Unstreitig sind dem Kläger aber mit Email vom 5. März 2007 (vgl. Anlage B 9, Bl. 145 - 145e d. Akten) Charts über den Zeitraum 1999 bis 2007 übermittelt worden, wobei der Zeuge Sch aber auch hier darauf verwies, dass es in der Vergangenheit fast nie der Fall gewesen sei, dass sich der DivDAX 4% schlechter als der DAX entwickelt habe.
65 
Selbst wenn man auch noch die mit Email vom 19. März 2007 übermittelten Produktinformationen, Stand 15. März 2007, hinsichtlich des streitgegenständlichen DIR Performance Zertifikates mitberücksichtigt, obwohl der Kläger zusammen mit seinem Geschäftskollegen bereits mit E-Mail vom 8. März 2007 die Zeichnung des Zertifikates bestätigt hatten, hat die Beklagte den Kläger nicht anlagegerecht beraten. Denn hierdurch ist der vermittelte Eindruck einer einfachen Zertifikatsstruktur und dass es aufgrund des bisherigen Verlaufs beider Indizes eher unwahrscheinlich ist, dass es nicht zu einer Gewinnauszahlung an einem der Bewertungstage kommt, nicht beseitigt worden.
66 
Aufgrund der übermittelten Informationen war dem Kläger eine zutreffende Risikoeinschätzung überhaupt nicht möglich gewesen. Hierzu hätte die Beklagte über die Bedeutung der Setzung der Startwerte (a.), und die Eigenschaften der beiden Indizes sowie der sie bestimmenden Faktoren (b.) aufklären müssen.
a.
67 
Über die Bedeutung der Setzung der Startwerte ist der Kläger zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt worden. Er konnte daher nicht erkennen, dass bei dem streitgegenständlichen Zertifikat die relative Wertentwicklung der beiden Indizes an den jeweiligen Bewertungstagen zueinander auch davon abhängt, in welchem absoluten Verhältnis die beiden Indizes an dem von der X-Bank bestimmten Starttag gestanden hatten. Je größer die reale Differenz der Indizes am Starttag gewesen ist, desto geringer beeinflussen spätere reale Änderungen das prozentuale Verhältnis der beiden Indizes; umgekehrt gilt: je geringer die reale Differenz am Starttag der beiden Indizes zueinander gewesen ist, desto gravierender wirken sich spätere Änderungen aus. Nach den Zertifikatbedingungen wird zwar nicht auf die absoluten Werte abgestellt; beide Indizes werden an dem von der X-Bank festgelegten Starttag jeweils auf 100% gesetzt. Dies ändert aber an dem genannten Phänomen nichts.
b.
68 
Bei dem Referenzindex 1 wurde der DivDAX als Kursindex zugrundegelegt, wohingegen beim Referenzindex 2 der DAX als Performanceindex, zugrundegelegt worden ist. Dieser Unterschied der Indizes (Kursindex verso Performanceindex) ist von der Beklagten nicht erläutert worden. Auch wurde von ihr nicht darüber aufgeklärt, welche Faktoren diese Indizes jeweils unterschiedlich beeinflussen. Insoweit hätte zumindest auf die Bedeutung der Dividendenauszahlungen hingewiesen werden müssen.
aa.
69 
Beim DAX-Performanceindex wird unterstellt, dass alle Bardividenden und sonstigen Einnahmen aus dem Besitz der Aktien wieder in Aktien des Index reinvestiert werden. Die ausgeschütteten Dividenden werden daher zum gewichteten Kurswert des Indexes hinzugerechnet. Somit wirkt sich das Phänomen, dass eine Ausschüttung an die Anleger den Aktienkurs in der Regel um den Betrag der Dividende reduziert, nicht aus, da diese dem Kurs unmittelbar wieder zugeschlagen werden. Beim DivDAX-Kursindex hingegen führt die Dividendenausschüttung zu einer negativen Kursbeeinflussung.
bb.
70 
Unabhängig von der Frage, ob sich dies an den Bewertungstagen tatsächlich zum Nachteil des Klägers ausgewirkt hat, ist dieser strukturelle Unterschied der beiden Indizes gleichwohl ein Umstand, auf den die Beklagte hätte hinweisen müssen, damit der Kläger weiß welche Faktoren die Gewinnauszahlungsvoraussetzungen an den Bewertungstagen beeinflussen können .
cc.
71 
Diesen Hinweis hat die Beklagte nicht erteilt. Abgesehen davon, dass das Gericht Zweifel hat, ob der Zeuge Sch das Zertifikat selbst verstanden hatte und zu einem entsprechenden Hinweis auch überhaupt in der Lage gewesen war, ist das Gericht davon überzeugt, dass die unterschiedliche Berücksichtigung der Dividendenausschüttungen bei den Indizes von der Beklagten nicht erklärt worden ist. Der Zeuge Sch hatte erhebliche Probleme die Struktur des Zertifikates dem Gericht zu erläutern (auf Seite 12 des Protokolls vom 16. März 2010 im Parallelrechtstreit 2 O 126/09, Bl. 193k d. Akten) wird insoweit Bezug genommen. Allein der Umstand dass in der Produktinformation (Stand 15. März 2007) in dem Schaubild die beiden Indizes zutreffend als „Kursindex“ und „Performanceindex“ aufgeführt sind, genügt für eine anlagegerechte Aufklärung nicht. Zudem wäre eine Übermittlung am 19. März 2007, nachdem die Anlageentscheidung (8. März 2007) bereits getroffen war, zu spät.
dd.
72 
Davon, dass dem Kläger als früheren Wertpapierhändler dies bekannt gewesen war, mit der Folge dass eine entsprechende Belehrung entbehrlich gewesen wäre, durfte die Beklagte nicht ausgehen. Denn zum einen ist der DivDax erst am 1. März 2005 eingeführt worden war und zum anderen war der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in diesem Metier tätig gewesen. Er war daher nicht in der Lage das Risikos eines Auseinanderlaufens beider Indizes zutreffend zu beurteilen.
c.
73 
Dass der Sicherheitspuffer von 15% für den Fall, dass die Gewinnvoraussetzungen an keinem der vier Bewertungstage eintritt, den Kläger gleichwohl nicht vor einem Verlust bewahrt in Höhe der zu zahlenden Darlehenszinsen, hätte der Kläger allerdings nicht ausdrücklich hingewiesen werden müssen. Denn aufgrund seiner wirtschaftlichen Erfahrung geht das Gericht davon aus, dass er dies selbst hätte erkennen können und auch erkannt hat. Der Kläger konnte aber - wie bereits dargelegt - davon ausgehen, dass das Risiko des Überschreitens der Toleranz von 6 Prozentpunkten eher unwahrscheinlich ist.
d.
74 
Mit Blick auf die Änderung der Steuergesetzgebung ist eine Beratungspflichtverletzung Seitens der Beklagten nicht ersichtlich. Abgesehen dafür, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme das Gericht sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Zeugen Sch oder H dem Kläger gegenüber mitgeteilt hätten, dass mögliche Erträge aus dem Zertifikat in jedem Fall steuerfrei sein werden, muss aufgrund der wirtschaftlichen Erfahrenheit des Klägers davon ausgegangen werden und durfte dies auch die Beklagte, dass dem Kläger bekannt war, dass sich steuerrechtliche Regelungen auch nachträglich ändern können.
75 
Der Referentenentwurf des Unternehmen-Steuerreformgesetz 2008 vom 5. Februar 2007 ist nicht geeignet, dass die Beklagte auf anstehende gesetzliche Änderungen hätte hinweisen müssen. Hierzu hätte erstmals der Kabinettsbeschluss vom 14. März 2007 Anlass gegeben, da er eine politische Willensbildung bekundet, nicht hingegen der bloße Referentenentwurf. Wäre die Regelung entsprechend dem Kabinettsbeschluss aber umgesetzt worden, wären die Erträge aus dem Zertifikat weiter steuerfrei geblieben, da in ihm die später Gesetz gewordene Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n. F. noch nicht enthalten war. Vielmehr war eine Übergangsregelung vorgesehen, die alleine auf einen Erwerb vor dem 1. Januar 2009 abstellte. Somit hätte auch diesbezüglich keine Hinweispflicht bestanden.
3.
76 
Die Beratung der Beklagten war nicht anlegergerecht. Sie hat sich nicht am Wissenstand des Klägers (a.) und seiner Risikobereitschaft (b.) orientiert.
a.
77 
Die Beklagte wusste zwar, dass der Kläger in der Vergangenheit auch Risikogeschäfte getätigt hatte und auch als Wertpapierhändler bis Mitte der 90er Jahre tätig gewesen war. Sie konnte daher zwar davon ausgehen, dass der Kläger über die Marktzusammenhänge und Umstände, die den DAX beeinflussen Kenntnis hatte. Sie konnte aber nicht davon ausgehen, dass der Kläger Erfahrungen mit Zertifikaten hatte, die es in der ersten Hälfte der 90er Jahre so noch nicht gegeben hatte, und auch nicht das Risikopotential des streitgegenständlichen Zertifikates erfassen konnte. Dieses kann allein mit den Erwartungen an die Märkte - entgegen dem vordergründig vermittelten Eindruck - überhaupt nicht erfasst werden. Vielmehr war hierfür Kenntnis vom strukturellen Unterschied der beiden Indizes - einmal als Kursindex und einmal als Performance-Index - notwendig gewesen, zumal der DivDAX erst 2005 eingeführt worden ist, sowie der Bedeutung der Setzung der Starttage.
b.
78 
Das Anlageziel und Risikobereitschaft des Klägers waren mittelfristige Geldanlagen, bei denen das eingesetzte Kapital nicht gefährdet wird. Ein Risiko sollte nicht eingegangen werden. Dies wusste die Beklagte aufgrund der vom Zeugen T gemachten Vorgaben (aa.), die sie auch gegenüber dem vom Zeugen T hinzugezogenen Kläger gelten lassen muss (bb.). Dass sich diese fehlende Risikobereitschaft während des Gesprächs am 1. März 2007 geändert hat, konnte sich das Gericht nicht überzeugen (cc.).
aa.
79 
Dass die Risikobereitschaft des Klägers von der Beklagten überhaupt erfragt worden ist, wird von dieser nicht vorgetragen. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit Risikogeschäfte getätigt hatte, konnte die Beklagte nicht schließen, dass er hierzu auch mit Blick auf eine mögliche zukünftige Geldanlage bereit sein würde. Entscheidend ist, welches Risiko der Kläger bei der konkreten Anlage eingehen wollte. Die Beklagte hatte beim Kläger insoweit nicht nachgefragt. Entscheidend ist daher, von welchen Erwartungen die Beklagte nach ihrem Empfängerhorizont ausgehen durfte und musste. Dies waren die ihr vom Zeugen T mitgeteilten Angaben zur Risikobereitschaft, nämlich kein Risiko eingehen zu wollen.
80 
Denn das Gespräch am 1. März 2007 war zustande gekommen aufgrund einer Terminabsprache der Beklagten mit dem Zeugen T. Die Beklagte, die wusste, dass der Zeuge T einen Betrag von 2.000.000 EUR auf seinem Festgeldkonto aus dem Verkauf von Anteilen der Firma DIR liegen hatte, und damals nur an Geldanlagen interessiert war, bei denen das eingesetzte Kapital nicht gefährdet war. Hiervon ist das Gericht nicht zuletzt aufgrund der eigenen Aussage des Zeugen Sch (vgl. Seite 11 des Protokolls 2 O 126/09 vom 16. März 2010, Bl. 193j d. Akten) als auch der Aussage des Zeugen T (vgl. Seiten 9, 10 und des Protokolls 2 O 126/09 vom 16. März 2010, Bl. 193h, 193i d. Akten)im Parallelprozess vor dem Landgericht Tübingen - 2 O 126/09 - überzeugt.
bb.
81 
Nachdem der Zeuge T zu dem Gespräch am 1. März 2007 auch dem Kläger und dem Zeugen S hinzugezogen hatte, muss sich die Beklagte auch gegenüber dem Kläger aufgrund der vom Zeugen T zuvor übermittelten Anlageziele festhalten lassen, zumal das Gespräch - zunächst - auf den Zeugen T zugeschnitten und auch fokussiert war. Dem Zeugen T waren zunächst eine Reihe konservativer Anlagen vorgestellt worden, wie dies auch der Zeuge Sch im Parallelprozess 2 O 126/09 - selbst ausgesagt hatte (vgl. Seite 11 des Protokolls im Parallelprozess 2 O 126/09 vom 16.03.2010, Bl. 193j d. Akten). Dass der Kläger von dem vom Zeugen T geäußerten Anlagezielen abweichende Interessen geäußert hatte, ist nach dem Vortrag der Parteien nicht ersichtlich. Letztendlich spricht auch der Umstand, dass alle drei das hier streitgegenständliche Zertifikat gezeichnet haben, auch gegen die Annahme einer divergierender Bereitschaft zum Risiko.
cc.
82 
Das sich die vom Zeugen T bei der Terminvereinbarung übermittelten Anlageinteressen während des Gesprächs am 1. März 2007 geändert hatten, konnte das Gericht nicht feststellen (1) und kann daher der Entscheidung auch nicht zu Grunde gelegt werden (2).
83 
(1) Dass der Kläger das Zertifikat gezeichnet hat, bei dem Gespräch am 1. März 2007 von einem Sicherheitspuffer die Rede gewesen war, und der in Finanzdingen erfahrene Kläger sich hierauf eingelassen hatte, zumal er bereits in der Vergangenheit auch Risikogeschäfte getätigt hatte, was die Beklagte wusste, führt weder zwingend noch in für das Gericht nachvollziehbarer und überzeugender Weise dazu, dass der Kläger andere Anlageinteressen zum Ausdruck gebracht hatte, als dies der Zeuge T gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten tat. Feststellen konnte das Gericht aber auch nicht, dass der Zeuge T sich während des Gespräches bereit gefunden hatte, höhere Risiken einzugehen. Dass der Zeuge T - nachdem er zunächst gezaudert hatte - sich später (nach dem Gespräch) aber gleichwohl doch zur Zeichnung entschlossen hatte, kann das Gericht nicht den (Rück-)Schluss ziehen, dass der Zeuge T sich bei dem Gespräch bereit gefunden hatte, höhere Risiken einzugehen und den Wunsch geäußert hatte, über entsprechende Risikoanlagen informiert zu werden. Nach den Ausführungen des Zeugen T beruhte sein Zaudern nicht auf einer geänderten Bereitschaft höhere Risiken einzugehen, sondern darauf, dass er das Zertifikat nicht verstanden hatte, dieses aber hatte verstehen wollen. (vgl. Angaben des Zeugen T, Seite 9 des Protokoll vom 16. März 2010 - 2 O 126/09 -, Bl. 193h d. Akten).
84 
(2) Zwar ist der Kläger für die von ihm behauptete nicht anlegergerechte Beratung darlegungs- und beweispflichtig und damit auch für den Umstand, welche Anlegerinteressen und Risikobereitschaft konkret der Beratung zu Grunde gelegen hatten. Da vorliegend aber erwiesenermaßen zu Beginn des Gesprächs von den oben unter aa. und bb. geschilderten Anlegerinteressen auszugehen war, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon auszugehen, dass sich diese Interessen während des Gesprächs geändert haben. Für eine solche Änderung der Anlegerinteressen ist daher die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
c.
85 
Durch die Empfehlung des streitgegenständlichen Zertifikates hat die Beklagte gegen ihre Pflicht zur anlegergerechten Beratung verstoßen. Das Zertifikat hätte einem Anleger ohne Risikobereitschaft nicht empfohlen werden dürfen. Mit Blick auf den Kenntnisstand des Klägers hätten zumindest die Bedeutung der Setzung der Starttage und die unterschiedliche Struktur der beiden Indizes (siehe oben) erläutert werden müssen.
4.
86 
Die Beklagte war verpflichtet gewesen, darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Provisionen von der X-Bank erhält, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offen zu legen. Erst hierdurch wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226-235 m. w. N.). Die Beklagte war daher verpflichtet gewesen, den Kläger sowohl auf den Umstand hinzuweisen, dass der von ihm an die X-Bank gezahlte Ausgabeaufschlag komplett an sie zurückfliest (a.) und dass sie darüber hinaus eine Provision in Höhe von 1,8% des Anlagebetrages erhält (b.). Denn beides hatte die Beklagte mit der X-Bank vor Auflegung des streitgegenständlichen Zertifikates ausgehandelt gehabt.
a.
87 
Auf den Umstand, dass der an die X-Bank zu zahlende Ausgabeaufschlag an sie zurückfliest, hatte die Beklagte nirgends hingewiesen. So dass insoweit, der Kläger keinen Anlass hatte, die Beratung der Beklagten mit Blick auf ein Eigeninteresse der Beklagten kritisch zu beurteilen und gegebenenfalls zu hinterfragen.
b.
88 
Auch über die weitere Provision von mindestens 1,8 % hätte die Beklagte aufklären müssen, da auf diese nirgends hingewiesen worden war. Ein Prospekt war dem Kläger nicht übergeben worden.
aa.
89 
Soweit die Beklagte, nachdem sie zunächst nur unsubstantiiert ein Festpreisgeschäft behauptet hatte, mit Telefax vom 4. Mai 2010 (vgl. Bl. 205 d. Akten) erstmals substantiiert hatte vortragen lassen, bei dem Zertifikat-Verkauf habe es sich um ein Festpreisgeschäft gehandelt, bei dem sie selbst die Zertifikate zum Preis von 98,20 EUR pro Stück erworben habe und diese dann an den Kläger zu 100,00 EUR pro Zertifikat weiterverkauft habe, ist dieser Vortrag - nicht aber die unstreitige Provision von 1,8% als solcher - sowohl nach §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO als auch nach §§ 296 Abs. 2, 282 ZPO verspätet.
90 
Eine Berücksichtigung dieses Vortrages würde, zu einer Verzögerung des Rechtstreits führen. Wie sich aus dem vom Kläger hierauf nachgereichten Telefax vom 19. Mai 2010 (vgl. Bl. 213 ff d. Akten) ergibt, würde dieser Vortrag streitig sein, so dass über ihn Beweis zu erheben sein würde (wenn man nicht der nachfolgend unter bb. dargestellten Rechtsansicht folgt), was zu einem neuen Termin und damit zu einer Verzögerung des Rechtstreits führen würde.
91 
Da der Kläger bereits in der Klageschrift vorgetragen hatte, die Beklagte habe eine weitere Provision von 1,8% des Anlagebetrages erhalten (vgl. Seite 21 der Klageschrift, Bl. 21 d. Akten) hätte die Beklagte hierauf bereits mit der Klageerwiderung entsprechenden Vortrag halten können, so dass auch hierüber im Termin am 16. März 2010 Beweis hätte erhoben werden können. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.
bb.
92 
Allerdings würde auch in dem von der Beklagten nunmehr behaupteten Festpreisgeschäft ein Eigeninteresse der Beklagten vorliegen, über das sie - wenn nicht dem Kläger bekannt - hätte aufklären müssen. Dass dies dem Kläger bekannt gewesen war, ist aber nicht ersichtlich. Die Parteien haben hierüber weder vor dem Geschäftsabschluss gesprochen noch hätte der Kläger dies erkennen können. Selbst unter Berücksichtigung der Produktinformation Stand 15. März 2007 ist dies nicht ersichtlich. Dieser kann vielmehr entnommen werden, dass die X-Bank die Emittentin ist und der Kläger die Zertifikate von dieser bezieht. Woraus sich ein Erwerb von der Beklagten in erkennbarer Weise für den Kläger ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Auch muss er - selbst wenn er für die Beratungsleistung nichts zahlt - nicht zwangsläufig damit rechnen, dass die Bank für das vermittelte Geschäft eine Provision oder einen Verkaufsgewinn erlöst und damit an dem Zustandekommen des Zertifikatsgeschäftes ein eigenes Interesse wirtschaftliches Interesse hatte. Auch über dieses hätte sie aufklären müssen.
5.
93 
Die Beklagte, die sich das Verhalten der Zeugen Sch und H nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, hat die Pflichtverletzungen auch zu vertreten. Der von ihr insoweit zu führende Entlastungsbeweis gelingt nicht (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
6.
94 
Die Pflichtverletzungen der Beklagten sind für den dem Kläger entstandenen Schaden kausal. Zugunsten des Klägers greift die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger weder das Zertifikat gezeichnet hätte noch das Darlehen aufgenommen hätte, wenn die Beklagte ihn zutreffend beraten hätte (vgl. BGH, Urt. v. 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447; BGH, Urt. v. 21. Oktober 2003 - XI ZR 453/02, ZIP 2003, 2242, 2245). Diese tatsächliche Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt.
7.
95 
Die Schadenshöhe von 152.714,53 EUR ist unstreitig, bestehend aus folgenden Positionen:
96 
a. verlorener Anlagebetrag von 22.202,20 EUR (1.000.000 EUR abzgl. 977.797,80 EUR),
97 
b. gezahlter Ausgabeaufschlag von 20.000,00 EUR,
98 
c. gezahlte Zinsen und Kosten auf das Darlehen in Höhe 105.381,45 EUR (vgl. Erläuterung Seiten 28 und 29 d. Klageschrift).
99 
d. Entgangener Zinsgewinn von 2,7 % p. a. für die aus Eigenmitteln gezahlten 20.000,- EUR in Höhe von 1.324,11 EUR für den Zeitraum 3. April 2007 bis zum 14. September 2009 und in Höhe von 3.806,77 EUR für den entgangenen Zinsgewinn von 2,7% p. a. für die aus Eigenmitteln aufgebrachten Darlehenskosten für den Zeitraum 30. April 2007 bis 14. September 2009 (vgl. Anlage K 19, Bl. 88 - 116 d. Akten).
100 
Dass und in welchem Umfang beim Kläger Verluste aus dem streitgegenständlichen Geschäft zu einer Steuerentlastung geführt haben, ist nicht erkennbar, zumal der Kläger seinen Wohnsitz nicht in Deutschland hat.
8.
101 
Ein Mitverschulden des Klägers gem. § 254 BGB ist weder unter dem Gesichtspunkt der Geschäftserfahrenheit des Klägers (a.) noch dem Umstand, dass er das streitgegenständliche Zertifikat verkauft hatte (b.) begründet.
a.
102 
Die Geschäftserfahrenheit des Klägers begründet vorliegend kein Mitverschulden i. S. v. § 254 BGB. Denn dies stünde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht. Die Beklagte, die Hausbank der DIR war, an der der Kläger beteiligt war, hatte darüber hinaus bei dem Gespräch am 1. März 2007 ein hohes Maß an Vertrauen in Anspruch genommen. Der Kläger als Anleger hatte auf die Beratung der Beklagten vertrauen dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868 - 1870 m. w. N.).
b.
103 
Durch den Verkauf des Zertifikates hat der Kläger den ihm durch die Fortentrichtung der Darlehenszinsen zukünftig weiter drohenden Schaden abgewandt, so dass darin ebenfalls kein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers zu sehen ist. Ob das Zertifikat an einem der zukünftigen Bewertungstage mit Gewinn ausgezahlt worden wäre, ist unbekannt. In jedem Fall stellt der von Kläger vorgenommene „Notverkauf“ zur Reduzierung des von ihm nicht gewollten Verlustrisikos eine vernünftige Entscheidung dar. In diese Lage wäre der Kläger ohne die Falschberatung nie gekommen.
9.
104 
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 280 und 288, 291 BGB.
II.
105 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.

Gründe

 
59 
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
60 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 278 BGB Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung in Höhe von 152.714,53 EUR zu. Die Beklagte hat gegen die ihr aus dem Beratungsvertrag (1.) gegenüber dem Kläger resultierenden Pflichten zur anlagegerechten (2.) und anlegergerechten (3.) Beratung verstoßen, wozu auch die nicht erfolgte Aufklärung über die von ihr vereinnahmten Provisionen zählt (4.). Die Beklagte handelte schuldhaft (5.). Diese Pflichtverletzungen waren für die Entscheidung des Klägers, das Zertifikat zu zeichnen und das Darlehen aufzunehmen, auch ursächlich geworden (6.). Hierdurch ist ihm der geltend gemachte Schaden entstanden (7.). Ein Mitverschulden muss sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen (8.).
1.
61 
Zwischen dem Kläger und der Beklagten, vertreten durch die Zeugen Sch und H, ist durch das Führen des Beratungsgesprächs am 1. März 2007 zumindest konkludent ein Beratungsvertrag zu Stande gekommen. Ob hierbei die Mitarbeiter der Beklagten auf den Kläger, bzw. zunächst auf den Zeugen T oder dieser auf die Beklagte zugekommen ist, ist für die Annahme eines Beratungsvertrages unerheblich (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 26.02.2010 - 9 U 164/08, ZIP 2010, 716 - 725, m. w. N.).
2.
62 
Die Beklagte hat den Kläger nicht anlagegerecht beraten.
63 
Die Funktionsweise des Zertifikates ist durch den Zeugen Sch nur unzureichend und beschönigend erklärt.
64 
Mitgeteilt wurden dem Kläger und den Zeugen T und S bei dem Gespräch lediglich, dass es bei dem Zertifikat auf die relative Entwicklung der beiden Indizes DAX und DivDAX ankommt und es zu einer Auszahlung mit Gewinn kommt, wenn zumindest an einem der vier Bewertungstage die Differenz eines vorher in Prozentpunkten festgelegten Puffers nicht überschritten wird. Sollte am Letzten Bewertungstag dieses Kriterium nicht erfüllt sein, würde ein Sicherheitspuffer von 15% eingreifen, in dessen Rahmen es weder zu Gewinn noch Verlust kommen würde. Dass dieser Sicherheitspuffer wie auch die eingeräumte Toleranz von zunächst 5 Prozentpunkten nicht ausreichen würde, ist durch den Zeugen Sch durch die vorgelegten Charts ausgeräumt worden. Nach diesen hatten sich die beiden Indizes immer relativ eng beieinander bewegt, wobei unstreitig das Platzen der Telekomblase im Jahr 2000 erörtert worden war und dass damals das Zertifikat zu einem Verlust geführt hätte. Dies steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme im Parallelprozess fest. Welche Charts im Gespräch am 1. März 2007 tatsächlich dem Kläger und seinen Geschäftspartnern präsentiert worden waren, konnte das Gericht nicht aufklären. Unstreitig sind dem Kläger aber mit Email vom 5. März 2007 (vgl. Anlage B 9, Bl. 145 - 145e d. Akten) Charts über den Zeitraum 1999 bis 2007 übermittelt worden, wobei der Zeuge Sch aber auch hier darauf verwies, dass es in der Vergangenheit fast nie der Fall gewesen sei, dass sich der DivDAX 4% schlechter als der DAX entwickelt habe.
65 
Selbst wenn man auch noch die mit Email vom 19. März 2007 übermittelten Produktinformationen, Stand 15. März 2007, hinsichtlich des streitgegenständlichen DIR Performance Zertifikates mitberücksichtigt, obwohl der Kläger zusammen mit seinem Geschäftskollegen bereits mit E-Mail vom 8. März 2007 die Zeichnung des Zertifikates bestätigt hatten, hat die Beklagte den Kläger nicht anlagegerecht beraten. Denn hierdurch ist der vermittelte Eindruck einer einfachen Zertifikatsstruktur und dass es aufgrund des bisherigen Verlaufs beider Indizes eher unwahrscheinlich ist, dass es nicht zu einer Gewinnauszahlung an einem der Bewertungstage kommt, nicht beseitigt worden.
66 
Aufgrund der übermittelten Informationen war dem Kläger eine zutreffende Risikoeinschätzung überhaupt nicht möglich gewesen. Hierzu hätte die Beklagte über die Bedeutung der Setzung der Startwerte (a.), und die Eigenschaften der beiden Indizes sowie der sie bestimmenden Faktoren (b.) aufklären müssen.
a.
67 
Über die Bedeutung der Setzung der Startwerte ist der Kläger zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt worden. Er konnte daher nicht erkennen, dass bei dem streitgegenständlichen Zertifikat die relative Wertentwicklung der beiden Indizes an den jeweiligen Bewertungstagen zueinander auch davon abhängt, in welchem absoluten Verhältnis die beiden Indizes an dem von der X-Bank bestimmten Starttag gestanden hatten. Je größer die reale Differenz der Indizes am Starttag gewesen ist, desto geringer beeinflussen spätere reale Änderungen das prozentuale Verhältnis der beiden Indizes; umgekehrt gilt: je geringer die reale Differenz am Starttag der beiden Indizes zueinander gewesen ist, desto gravierender wirken sich spätere Änderungen aus. Nach den Zertifikatbedingungen wird zwar nicht auf die absoluten Werte abgestellt; beide Indizes werden an dem von der X-Bank festgelegten Starttag jeweils auf 100% gesetzt. Dies ändert aber an dem genannten Phänomen nichts.
b.
68 
Bei dem Referenzindex 1 wurde der DivDAX als Kursindex zugrundegelegt, wohingegen beim Referenzindex 2 der DAX als Performanceindex, zugrundegelegt worden ist. Dieser Unterschied der Indizes (Kursindex verso Performanceindex) ist von der Beklagten nicht erläutert worden. Auch wurde von ihr nicht darüber aufgeklärt, welche Faktoren diese Indizes jeweils unterschiedlich beeinflussen. Insoweit hätte zumindest auf die Bedeutung der Dividendenauszahlungen hingewiesen werden müssen.
aa.
69 
Beim DAX-Performanceindex wird unterstellt, dass alle Bardividenden und sonstigen Einnahmen aus dem Besitz der Aktien wieder in Aktien des Index reinvestiert werden. Die ausgeschütteten Dividenden werden daher zum gewichteten Kurswert des Indexes hinzugerechnet. Somit wirkt sich das Phänomen, dass eine Ausschüttung an die Anleger den Aktienkurs in der Regel um den Betrag der Dividende reduziert, nicht aus, da diese dem Kurs unmittelbar wieder zugeschlagen werden. Beim DivDAX-Kursindex hingegen führt die Dividendenausschüttung zu einer negativen Kursbeeinflussung.
bb.
70 
Unabhängig von der Frage, ob sich dies an den Bewertungstagen tatsächlich zum Nachteil des Klägers ausgewirkt hat, ist dieser strukturelle Unterschied der beiden Indizes gleichwohl ein Umstand, auf den die Beklagte hätte hinweisen müssen, damit der Kläger weiß welche Faktoren die Gewinnauszahlungsvoraussetzungen an den Bewertungstagen beeinflussen können .
cc.
71 
Diesen Hinweis hat die Beklagte nicht erteilt. Abgesehen davon, dass das Gericht Zweifel hat, ob der Zeuge Sch das Zertifikat selbst verstanden hatte und zu einem entsprechenden Hinweis auch überhaupt in der Lage gewesen war, ist das Gericht davon überzeugt, dass die unterschiedliche Berücksichtigung der Dividendenausschüttungen bei den Indizes von der Beklagten nicht erklärt worden ist. Der Zeuge Sch hatte erhebliche Probleme die Struktur des Zertifikates dem Gericht zu erläutern (auf Seite 12 des Protokolls vom 16. März 2010 im Parallelrechtstreit 2 O 126/09, Bl. 193k d. Akten) wird insoweit Bezug genommen. Allein der Umstand dass in der Produktinformation (Stand 15. März 2007) in dem Schaubild die beiden Indizes zutreffend als „Kursindex“ und „Performanceindex“ aufgeführt sind, genügt für eine anlagegerechte Aufklärung nicht. Zudem wäre eine Übermittlung am 19. März 2007, nachdem die Anlageentscheidung (8. März 2007) bereits getroffen war, zu spät.
dd.
72 
Davon, dass dem Kläger als früheren Wertpapierhändler dies bekannt gewesen war, mit der Folge dass eine entsprechende Belehrung entbehrlich gewesen wäre, durfte die Beklagte nicht ausgehen. Denn zum einen ist der DivDax erst am 1. März 2005 eingeführt worden war und zum anderen war der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in diesem Metier tätig gewesen. Er war daher nicht in der Lage das Risikos eines Auseinanderlaufens beider Indizes zutreffend zu beurteilen.
c.
73 
Dass der Sicherheitspuffer von 15% für den Fall, dass die Gewinnvoraussetzungen an keinem der vier Bewertungstage eintritt, den Kläger gleichwohl nicht vor einem Verlust bewahrt in Höhe der zu zahlenden Darlehenszinsen, hätte der Kläger allerdings nicht ausdrücklich hingewiesen werden müssen. Denn aufgrund seiner wirtschaftlichen Erfahrung geht das Gericht davon aus, dass er dies selbst hätte erkennen können und auch erkannt hat. Der Kläger konnte aber - wie bereits dargelegt - davon ausgehen, dass das Risiko des Überschreitens der Toleranz von 6 Prozentpunkten eher unwahrscheinlich ist.
d.
74 
Mit Blick auf die Änderung der Steuergesetzgebung ist eine Beratungspflichtverletzung Seitens der Beklagten nicht ersichtlich. Abgesehen dafür, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme das Gericht sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Zeugen Sch oder H dem Kläger gegenüber mitgeteilt hätten, dass mögliche Erträge aus dem Zertifikat in jedem Fall steuerfrei sein werden, muss aufgrund der wirtschaftlichen Erfahrenheit des Klägers davon ausgegangen werden und durfte dies auch die Beklagte, dass dem Kläger bekannt war, dass sich steuerrechtliche Regelungen auch nachträglich ändern können.
75 
Der Referentenentwurf des Unternehmen-Steuerreformgesetz 2008 vom 5. Februar 2007 ist nicht geeignet, dass die Beklagte auf anstehende gesetzliche Änderungen hätte hinweisen müssen. Hierzu hätte erstmals der Kabinettsbeschluss vom 14. März 2007 Anlass gegeben, da er eine politische Willensbildung bekundet, nicht hingegen der bloße Referentenentwurf. Wäre die Regelung entsprechend dem Kabinettsbeschluss aber umgesetzt worden, wären die Erträge aus dem Zertifikat weiter steuerfrei geblieben, da in ihm die später Gesetz gewordene Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n. F. noch nicht enthalten war. Vielmehr war eine Übergangsregelung vorgesehen, die alleine auf einen Erwerb vor dem 1. Januar 2009 abstellte. Somit hätte auch diesbezüglich keine Hinweispflicht bestanden.
3.
76 
Die Beratung der Beklagten war nicht anlegergerecht. Sie hat sich nicht am Wissenstand des Klägers (a.) und seiner Risikobereitschaft (b.) orientiert.
a.
77 
Die Beklagte wusste zwar, dass der Kläger in der Vergangenheit auch Risikogeschäfte getätigt hatte und auch als Wertpapierhändler bis Mitte der 90er Jahre tätig gewesen war. Sie konnte daher zwar davon ausgehen, dass der Kläger über die Marktzusammenhänge und Umstände, die den DAX beeinflussen Kenntnis hatte. Sie konnte aber nicht davon ausgehen, dass der Kläger Erfahrungen mit Zertifikaten hatte, die es in der ersten Hälfte der 90er Jahre so noch nicht gegeben hatte, und auch nicht das Risikopotential des streitgegenständlichen Zertifikates erfassen konnte. Dieses kann allein mit den Erwartungen an die Märkte - entgegen dem vordergründig vermittelten Eindruck - überhaupt nicht erfasst werden. Vielmehr war hierfür Kenntnis vom strukturellen Unterschied der beiden Indizes - einmal als Kursindex und einmal als Performance-Index - notwendig gewesen, zumal der DivDAX erst 2005 eingeführt worden ist, sowie der Bedeutung der Setzung der Starttage.
b.
78 
Das Anlageziel und Risikobereitschaft des Klägers waren mittelfristige Geldanlagen, bei denen das eingesetzte Kapital nicht gefährdet wird. Ein Risiko sollte nicht eingegangen werden. Dies wusste die Beklagte aufgrund der vom Zeugen T gemachten Vorgaben (aa.), die sie auch gegenüber dem vom Zeugen T hinzugezogenen Kläger gelten lassen muss (bb.). Dass sich diese fehlende Risikobereitschaft während des Gesprächs am 1. März 2007 geändert hat, konnte sich das Gericht nicht überzeugen (cc.).
aa.
79 
Dass die Risikobereitschaft des Klägers von der Beklagten überhaupt erfragt worden ist, wird von dieser nicht vorgetragen. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit Risikogeschäfte getätigt hatte, konnte die Beklagte nicht schließen, dass er hierzu auch mit Blick auf eine mögliche zukünftige Geldanlage bereit sein würde. Entscheidend ist, welches Risiko der Kläger bei der konkreten Anlage eingehen wollte. Die Beklagte hatte beim Kläger insoweit nicht nachgefragt. Entscheidend ist daher, von welchen Erwartungen die Beklagte nach ihrem Empfängerhorizont ausgehen durfte und musste. Dies waren die ihr vom Zeugen T mitgeteilten Angaben zur Risikobereitschaft, nämlich kein Risiko eingehen zu wollen.
80 
Denn das Gespräch am 1. März 2007 war zustande gekommen aufgrund einer Terminabsprache der Beklagten mit dem Zeugen T. Die Beklagte, die wusste, dass der Zeuge T einen Betrag von 2.000.000 EUR auf seinem Festgeldkonto aus dem Verkauf von Anteilen der Firma DIR liegen hatte, und damals nur an Geldanlagen interessiert war, bei denen das eingesetzte Kapital nicht gefährdet war. Hiervon ist das Gericht nicht zuletzt aufgrund der eigenen Aussage des Zeugen Sch (vgl. Seite 11 des Protokolls 2 O 126/09 vom 16. März 2010, Bl. 193j d. Akten) als auch der Aussage des Zeugen T (vgl. Seiten 9, 10 und des Protokolls 2 O 126/09 vom 16. März 2010, Bl. 193h, 193i d. Akten)im Parallelprozess vor dem Landgericht Tübingen - 2 O 126/09 - überzeugt.
bb.
81 
Nachdem der Zeuge T zu dem Gespräch am 1. März 2007 auch dem Kläger und dem Zeugen S hinzugezogen hatte, muss sich die Beklagte auch gegenüber dem Kläger aufgrund der vom Zeugen T zuvor übermittelten Anlageziele festhalten lassen, zumal das Gespräch - zunächst - auf den Zeugen T zugeschnitten und auch fokussiert war. Dem Zeugen T waren zunächst eine Reihe konservativer Anlagen vorgestellt worden, wie dies auch der Zeuge Sch im Parallelprozess 2 O 126/09 - selbst ausgesagt hatte (vgl. Seite 11 des Protokolls im Parallelprozess 2 O 126/09 vom 16.03.2010, Bl. 193j d. Akten). Dass der Kläger von dem vom Zeugen T geäußerten Anlagezielen abweichende Interessen geäußert hatte, ist nach dem Vortrag der Parteien nicht ersichtlich. Letztendlich spricht auch der Umstand, dass alle drei das hier streitgegenständliche Zertifikat gezeichnet haben, auch gegen die Annahme einer divergierender Bereitschaft zum Risiko.
cc.
82 
Das sich die vom Zeugen T bei der Terminvereinbarung übermittelten Anlageinteressen während des Gesprächs am 1. März 2007 geändert hatten, konnte das Gericht nicht feststellen (1) und kann daher der Entscheidung auch nicht zu Grunde gelegt werden (2).
83 
(1) Dass der Kläger das Zertifikat gezeichnet hat, bei dem Gespräch am 1. März 2007 von einem Sicherheitspuffer die Rede gewesen war, und der in Finanzdingen erfahrene Kläger sich hierauf eingelassen hatte, zumal er bereits in der Vergangenheit auch Risikogeschäfte getätigt hatte, was die Beklagte wusste, führt weder zwingend noch in für das Gericht nachvollziehbarer und überzeugender Weise dazu, dass der Kläger andere Anlageinteressen zum Ausdruck gebracht hatte, als dies der Zeuge T gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten tat. Feststellen konnte das Gericht aber auch nicht, dass der Zeuge T sich während des Gespräches bereit gefunden hatte, höhere Risiken einzugehen. Dass der Zeuge T - nachdem er zunächst gezaudert hatte - sich später (nach dem Gespräch) aber gleichwohl doch zur Zeichnung entschlossen hatte, kann das Gericht nicht den (Rück-)Schluss ziehen, dass der Zeuge T sich bei dem Gespräch bereit gefunden hatte, höhere Risiken einzugehen und den Wunsch geäußert hatte, über entsprechende Risikoanlagen informiert zu werden. Nach den Ausführungen des Zeugen T beruhte sein Zaudern nicht auf einer geänderten Bereitschaft höhere Risiken einzugehen, sondern darauf, dass er das Zertifikat nicht verstanden hatte, dieses aber hatte verstehen wollen. (vgl. Angaben des Zeugen T, Seite 9 des Protokoll vom 16. März 2010 - 2 O 126/09 -, Bl. 193h d. Akten).
84 
(2) Zwar ist der Kläger für die von ihm behauptete nicht anlegergerechte Beratung darlegungs- und beweispflichtig und damit auch für den Umstand, welche Anlegerinteressen und Risikobereitschaft konkret der Beratung zu Grunde gelegen hatten. Da vorliegend aber erwiesenermaßen zu Beginn des Gesprächs von den oben unter aa. und bb. geschilderten Anlegerinteressen auszugehen war, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon auszugehen, dass sich diese Interessen während des Gesprächs geändert haben. Für eine solche Änderung der Anlegerinteressen ist daher die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
c.
85 
Durch die Empfehlung des streitgegenständlichen Zertifikates hat die Beklagte gegen ihre Pflicht zur anlegergerechten Beratung verstoßen. Das Zertifikat hätte einem Anleger ohne Risikobereitschaft nicht empfohlen werden dürfen. Mit Blick auf den Kenntnisstand des Klägers hätten zumindest die Bedeutung der Setzung der Starttage und die unterschiedliche Struktur der beiden Indizes (siehe oben) erläutert werden müssen.
4.
86 
Die Beklagte war verpflichtet gewesen, darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Provisionen von der X-Bank erhält, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offen zu legen. Erst hierdurch wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226-235 m. w. N.). Die Beklagte war daher verpflichtet gewesen, den Kläger sowohl auf den Umstand hinzuweisen, dass der von ihm an die X-Bank gezahlte Ausgabeaufschlag komplett an sie zurückfliest (a.) und dass sie darüber hinaus eine Provision in Höhe von 1,8% des Anlagebetrages erhält (b.). Denn beides hatte die Beklagte mit der X-Bank vor Auflegung des streitgegenständlichen Zertifikates ausgehandelt gehabt.
a.
87 
Auf den Umstand, dass der an die X-Bank zu zahlende Ausgabeaufschlag an sie zurückfliest, hatte die Beklagte nirgends hingewiesen. So dass insoweit, der Kläger keinen Anlass hatte, die Beratung der Beklagten mit Blick auf ein Eigeninteresse der Beklagten kritisch zu beurteilen und gegebenenfalls zu hinterfragen.
b.
88 
Auch über die weitere Provision von mindestens 1,8 % hätte die Beklagte aufklären müssen, da auf diese nirgends hingewiesen worden war. Ein Prospekt war dem Kläger nicht übergeben worden.
aa.
89 
Soweit die Beklagte, nachdem sie zunächst nur unsubstantiiert ein Festpreisgeschäft behauptet hatte, mit Telefax vom 4. Mai 2010 (vgl. Bl. 205 d. Akten) erstmals substantiiert hatte vortragen lassen, bei dem Zertifikat-Verkauf habe es sich um ein Festpreisgeschäft gehandelt, bei dem sie selbst die Zertifikate zum Preis von 98,20 EUR pro Stück erworben habe und diese dann an den Kläger zu 100,00 EUR pro Zertifikat weiterverkauft habe, ist dieser Vortrag - nicht aber die unstreitige Provision von 1,8% als solcher - sowohl nach §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO als auch nach §§ 296 Abs. 2, 282 ZPO verspätet.
90 
Eine Berücksichtigung dieses Vortrages würde, zu einer Verzögerung des Rechtstreits führen. Wie sich aus dem vom Kläger hierauf nachgereichten Telefax vom 19. Mai 2010 (vgl. Bl. 213 ff d. Akten) ergibt, würde dieser Vortrag streitig sein, so dass über ihn Beweis zu erheben sein würde (wenn man nicht der nachfolgend unter bb. dargestellten Rechtsansicht folgt), was zu einem neuen Termin und damit zu einer Verzögerung des Rechtstreits führen würde.
91 
Da der Kläger bereits in der Klageschrift vorgetragen hatte, die Beklagte habe eine weitere Provision von 1,8% des Anlagebetrages erhalten (vgl. Seite 21 der Klageschrift, Bl. 21 d. Akten) hätte die Beklagte hierauf bereits mit der Klageerwiderung entsprechenden Vortrag halten können, so dass auch hierüber im Termin am 16. März 2010 Beweis hätte erhoben werden können. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.
bb.
92 
Allerdings würde auch in dem von der Beklagten nunmehr behaupteten Festpreisgeschäft ein Eigeninteresse der Beklagten vorliegen, über das sie - wenn nicht dem Kläger bekannt - hätte aufklären müssen. Dass dies dem Kläger bekannt gewesen war, ist aber nicht ersichtlich. Die Parteien haben hierüber weder vor dem Geschäftsabschluss gesprochen noch hätte der Kläger dies erkennen können. Selbst unter Berücksichtigung der Produktinformation Stand 15. März 2007 ist dies nicht ersichtlich. Dieser kann vielmehr entnommen werden, dass die X-Bank die Emittentin ist und der Kläger die Zertifikate von dieser bezieht. Woraus sich ein Erwerb von der Beklagten in erkennbarer Weise für den Kläger ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Auch muss er - selbst wenn er für die Beratungsleistung nichts zahlt - nicht zwangsläufig damit rechnen, dass die Bank für das vermittelte Geschäft eine Provision oder einen Verkaufsgewinn erlöst und damit an dem Zustandekommen des Zertifikatsgeschäftes ein eigenes Interesse wirtschaftliches Interesse hatte. Auch über dieses hätte sie aufklären müssen.
5.
93 
Die Beklagte, die sich das Verhalten der Zeugen Sch und H nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, hat die Pflichtverletzungen auch zu vertreten. Der von ihr insoweit zu führende Entlastungsbeweis gelingt nicht (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
6.
94 
Die Pflichtverletzungen der Beklagten sind für den dem Kläger entstandenen Schaden kausal. Zugunsten des Klägers greift die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger weder das Zertifikat gezeichnet hätte noch das Darlehen aufgenommen hätte, wenn die Beklagte ihn zutreffend beraten hätte (vgl. BGH, Urt. v. 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447; BGH, Urt. v. 21. Oktober 2003 - XI ZR 453/02, ZIP 2003, 2242, 2245). Diese tatsächliche Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt.
7.
95 
Die Schadenshöhe von 152.714,53 EUR ist unstreitig, bestehend aus folgenden Positionen:
96 
a. verlorener Anlagebetrag von 22.202,20 EUR (1.000.000 EUR abzgl. 977.797,80 EUR),
97 
b. gezahlter Ausgabeaufschlag von 20.000,00 EUR,
98 
c. gezahlte Zinsen und Kosten auf das Darlehen in Höhe 105.381,45 EUR (vgl. Erläuterung Seiten 28 und 29 d. Klageschrift).
99 
d. Entgangener Zinsgewinn von 2,7 % p. a. für die aus Eigenmitteln gezahlten 20.000,- EUR in Höhe von 1.324,11 EUR für den Zeitraum 3. April 2007 bis zum 14. September 2009 und in Höhe von 3.806,77 EUR für den entgangenen Zinsgewinn von 2,7% p. a. für die aus Eigenmitteln aufgebrachten Darlehenskosten für den Zeitraum 30. April 2007 bis 14. September 2009 (vgl. Anlage K 19, Bl. 88 - 116 d. Akten).
100 
Dass und in welchem Umfang beim Kläger Verluste aus dem streitgegenständlichen Geschäft zu einer Steuerentlastung geführt haben, ist nicht erkennbar, zumal der Kläger seinen Wohnsitz nicht in Deutschland hat.
8.
101 
Ein Mitverschulden des Klägers gem. § 254 BGB ist weder unter dem Gesichtspunkt der Geschäftserfahrenheit des Klägers (a.) noch dem Umstand, dass er das streitgegenständliche Zertifikat verkauft hatte (b.) begründet.
a.
102 
Die Geschäftserfahrenheit des Klägers begründet vorliegend kein Mitverschulden i. S. v. § 254 BGB. Denn dies stünde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht. Die Beklagte, die Hausbank der DIR war, an der der Kläger beteiligt war, hatte darüber hinaus bei dem Gespräch am 1. März 2007 ein hohes Maß an Vertrauen in Anspruch genommen. Der Kläger als Anleger hatte auf die Beratung der Beklagten vertrauen dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868 - 1870 m. w. N.).
b.
103 
Durch den Verkauf des Zertifikates hat der Kläger den ihm durch die Fortentrichtung der Darlehenszinsen zukünftig weiter drohenden Schaden abgewandt, so dass darin ebenfalls kein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers zu sehen ist. Ob das Zertifikat an einem der zukünftigen Bewertungstage mit Gewinn ausgezahlt worden wäre, ist unbekannt. In jedem Fall stellt der von Kläger vorgenommene „Notverkauf“ zur Reduzierung des von ihm nicht gewollten Verlustrisikos eine vernünftige Entscheidung dar. In diese Lage wäre der Kläger ohne die Falschberatung nie gekommen.
9.
104 
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 280 und 288, 291 BGB.
II.
105 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.

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