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| Die Klage ist zulässig und begründet. |
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| Dem Kläger steht gegen die Beklagte nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 278 BGB Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung in Höhe von 152.714,53 EUR zu. Die Beklagte hat gegen die ihr aus dem Beratungsvertrag (1.) gegenüber dem Kläger resultierenden Pflichten zur anlagegerechten (2.) und anlegergerechten (3.) Beratung verstoßen, wozu auch die nicht erfolgte Aufklärung über die von ihr vereinnahmten Provisionen zählt (4.). Die Beklagte handelte schuldhaft (5.). Diese Pflichtverletzungen waren für die Entscheidung des Klägers, das Zertifikat zu zeichnen und das Darlehen aufzunehmen, auch ursächlich geworden (6.). Hierdurch ist ihm der geltend gemachte Schaden entstanden (7.). Ein Mitverschulden muss sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen (8.). |
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| Zwischen dem Kläger und der Beklagten, vertreten durch die Zeugen Sch und H, ist durch das Führen des Beratungsgesprächs am 1. März 2007 zumindest konkludent ein Beratungsvertrag zu Stande gekommen. Ob hierbei die Mitarbeiter der Beklagten auf den Kläger, bzw. zunächst auf den Zeugen T oder dieser auf die Beklagte zugekommen ist, ist für die Annahme eines Beratungsvertrages unerheblich (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 26.02.2010 - 9 U 164/08, ZIP 2010, 716 - 725, m. w. N.). |
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| Die Beklagte hat den Kläger nicht anlagegerecht beraten. |
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| Die Funktionsweise des Zertifikates ist durch den Zeugen Sch nur unzureichend und beschönigend erklärt. |
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| Mitgeteilt wurden dem Kläger und den Zeugen T und S bei dem Gespräch lediglich, dass es bei dem Zertifikat auf die relative Entwicklung der beiden Indizes DAX und DivDAX ankommt und es zu einer Auszahlung mit Gewinn kommt, wenn zumindest an einem der vier Bewertungstage die Differenz eines vorher in Prozentpunkten festgelegten Puffers nicht überschritten wird. Sollte am Letzten Bewertungstag dieses Kriterium nicht erfüllt sein, würde ein Sicherheitspuffer von 15% eingreifen, in dessen Rahmen es weder zu Gewinn noch Verlust kommen würde. Dass dieser Sicherheitspuffer wie auch die eingeräumte Toleranz von zunächst 5 Prozentpunkten nicht ausreichen würde, ist durch den Zeugen Sch durch die vorgelegten Charts ausgeräumt worden. Nach diesen hatten sich die beiden Indizes immer relativ eng beieinander bewegt, wobei unstreitig das Platzen der Telekomblase im Jahr 2000 erörtert worden war und dass damals das Zertifikat zu einem Verlust geführt hätte. Dies steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme im Parallelprozess fest. Welche Charts im Gespräch am 1. März 2007 tatsächlich dem Kläger und seinen Geschäftspartnern präsentiert worden waren, konnte das Gericht nicht aufklären. Unstreitig sind dem Kläger aber mit Email vom 5. März 2007 (vgl. Anlage B 9, Bl. 145 - 145e d. Akten) Charts über den Zeitraum 1999 bis 2007 übermittelt worden, wobei der Zeuge Sch aber auch hier darauf verwies, dass es in der Vergangenheit fast nie der Fall gewesen sei, dass sich der DivDAX 4% schlechter als der DAX entwickelt habe. |
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| Selbst wenn man auch noch die mit Email vom 19. März 2007 übermittelten Produktinformationen, Stand 15. März 2007, hinsichtlich des streitgegenständlichen DIR Performance Zertifikates mitberücksichtigt, obwohl der Kläger zusammen mit seinem Geschäftskollegen bereits mit E-Mail vom 8. März 2007 die Zeichnung des Zertifikates bestätigt hatten, hat die Beklagte den Kläger nicht anlagegerecht beraten. Denn hierdurch ist der vermittelte Eindruck einer einfachen Zertifikatsstruktur und dass es aufgrund des bisherigen Verlaufs beider Indizes eher unwahrscheinlich ist, dass es nicht zu einer Gewinnauszahlung an einem der Bewertungstage kommt, nicht beseitigt worden. |
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| Aufgrund der übermittelten Informationen war dem Kläger eine zutreffende Risikoeinschätzung überhaupt nicht möglich gewesen. Hierzu hätte die Beklagte über die Bedeutung der Setzung der Startwerte (a.), und die Eigenschaften der beiden Indizes sowie der sie bestimmenden Faktoren (b.) aufklären müssen. |
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| Über die Bedeutung der Setzung der Startwerte ist der Kläger zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt worden. Er konnte daher nicht erkennen, dass bei dem streitgegenständlichen Zertifikat die relative Wertentwicklung der beiden Indizes an den jeweiligen Bewertungstagen zueinander auch davon abhängt, in welchem absoluten Verhältnis die beiden Indizes an dem von der X-Bank bestimmten Starttag gestanden hatten. Je größer die reale Differenz der Indizes am Starttag gewesen ist, desto geringer beeinflussen spätere reale Änderungen das prozentuale Verhältnis der beiden Indizes; umgekehrt gilt: je geringer die reale Differenz am Starttag der beiden Indizes zueinander gewesen ist, desto gravierender wirken sich spätere Änderungen aus. Nach den Zertifikatbedingungen wird zwar nicht auf die absoluten Werte abgestellt; beide Indizes werden an dem von der X-Bank festgelegten Starttag jeweils auf 100% gesetzt. Dies ändert aber an dem genannten Phänomen nichts. |
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| Bei dem Referenzindex 1 wurde der DivDAX als Kursindex zugrundegelegt, wohingegen beim Referenzindex 2 der DAX als Performanceindex, zugrundegelegt worden ist. Dieser Unterschied der Indizes (Kursindex verso Performanceindex) ist von der Beklagten nicht erläutert worden. Auch wurde von ihr nicht darüber aufgeklärt, welche Faktoren diese Indizes jeweils unterschiedlich beeinflussen. Insoweit hätte zumindest auf die Bedeutung der Dividendenauszahlungen hingewiesen werden müssen. |
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| Beim DAX-Performanceindex wird unterstellt, dass alle Bardividenden und sonstigen Einnahmen aus dem Besitz der Aktien wieder in Aktien des Index reinvestiert werden. Die ausgeschütteten Dividenden werden daher zum gewichteten Kurswert des Indexes hinzugerechnet. Somit wirkt sich das Phänomen, dass eine Ausschüttung an die Anleger den Aktienkurs in der Regel um den Betrag der Dividende reduziert, nicht aus, da diese dem Kurs unmittelbar wieder zugeschlagen werden. Beim DivDAX-Kursindex hingegen führt die Dividendenausschüttung zu einer negativen Kursbeeinflussung. |
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| Unabhängig von der Frage, ob sich dies an den Bewertungstagen tatsächlich zum Nachteil des Klägers ausgewirkt hat, ist dieser strukturelle Unterschied der beiden Indizes gleichwohl ein Umstand, auf den die Beklagte hätte hinweisen müssen, damit der Kläger weiß welche Faktoren die Gewinnauszahlungsvoraussetzungen an den Bewertungstagen beeinflussen können . |
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| Diesen Hinweis hat die Beklagte nicht erteilt. Abgesehen davon, dass das Gericht Zweifel hat, ob der Zeuge Sch das Zertifikat selbst verstanden hatte und zu einem entsprechenden Hinweis auch überhaupt in der Lage gewesen war, ist das Gericht davon überzeugt, dass die unterschiedliche Berücksichtigung der Dividendenausschüttungen bei den Indizes von der Beklagten nicht erklärt worden ist. Der Zeuge Sch hatte erhebliche Probleme die Struktur des Zertifikates dem Gericht zu erläutern (auf Seite 12 des Protokolls vom 16. März 2010 im Parallelrechtstreit 2 O 126/09, Bl. 193k d. Akten) wird insoweit Bezug genommen. Allein der Umstand dass in der Produktinformation (Stand 15. März 2007) in dem Schaubild die beiden Indizes zutreffend als „Kursindex“ und „Performanceindex“ aufgeführt sind, genügt für eine anlagegerechte Aufklärung nicht. Zudem wäre eine Übermittlung am 19. März 2007, nachdem die Anlageentscheidung (8. März 2007) bereits getroffen war, zu spät. |
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| Davon, dass dem Kläger als früheren Wertpapierhändler dies bekannt gewesen war, mit der Folge dass eine entsprechende Belehrung entbehrlich gewesen wäre, durfte die Beklagte nicht ausgehen. Denn zum einen ist der DivDax erst am 1. März 2005 eingeführt worden war und zum anderen war der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in diesem Metier tätig gewesen. Er war daher nicht in der Lage das Risikos eines Auseinanderlaufens beider Indizes zutreffend zu beurteilen. |
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| Dass der Sicherheitspuffer von 15% für den Fall, dass die Gewinnvoraussetzungen an keinem der vier Bewertungstage eintritt, den Kläger gleichwohl nicht vor einem Verlust bewahrt in Höhe der zu zahlenden Darlehenszinsen, hätte der Kläger allerdings nicht ausdrücklich hingewiesen werden müssen. Denn aufgrund seiner wirtschaftlichen Erfahrung geht das Gericht davon aus, dass er dies selbst hätte erkennen können und auch erkannt hat. Der Kläger konnte aber - wie bereits dargelegt - davon ausgehen, dass das Risiko des Überschreitens der Toleranz von 6 Prozentpunkten eher unwahrscheinlich ist. |
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| Mit Blick auf die Änderung der Steuergesetzgebung ist eine Beratungspflichtverletzung Seitens der Beklagten nicht ersichtlich. Abgesehen dafür, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme das Gericht sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Zeugen Sch oder H dem Kläger gegenüber mitgeteilt hätten, dass mögliche Erträge aus dem Zertifikat in jedem Fall steuerfrei sein werden, muss aufgrund der wirtschaftlichen Erfahrenheit des Klägers davon ausgegangen werden und durfte dies auch die Beklagte, dass dem Kläger bekannt war, dass sich steuerrechtliche Regelungen auch nachträglich ändern können. |
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| Der Referentenentwurf des Unternehmen-Steuerreformgesetz 2008 vom 5. Februar 2007 ist nicht geeignet, dass die Beklagte auf anstehende gesetzliche Änderungen hätte hinweisen müssen. Hierzu hätte erstmals der Kabinettsbeschluss vom 14. März 2007 Anlass gegeben, da er eine politische Willensbildung bekundet, nicht hingegen der bloße Referentenentwurf. Wäre die Regelung entsprechend dem Kabinettsbeschluss aber umgesetzt worden, wären die Erträge aus dem Zertifikat weiter steuerfrei geblieben, da in ihm die später Gesetz gewordene Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n. F. noch nicht enthalten war. Vielmehr war eine Übergangsregelung vorgesehen, die alleine auf einen Erwerb vor dem 1. Januar 2009 abstellte. Somit hätte auch diesbezüglich keine Hinweispflicht bestanden. |
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| Die Beratung der Beklagten war nicht anlegergerecht. Sie hat sich nicht am Wissenstand des Klägers (a.) und seiner Risikobereitschaft (b.) orientiert. |
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| Die Beklagte wusste zwar, dass der Kläger in der Vergangenheit auch Risikogeschäfte getätigt hatte und auch als Wertpapierhändler bis Mitte der 90er Jahre tätig gewesen war. Sie konnte daher zwar davon ausgehen, dass der Kläger über die Marktzusammenhänge und Umstände, die den DAX beeinflussen Kenntnis hatte. Sie konnte aber nicht davon ausgehen, dass der Kläger Erfahrungen mit Zertifikaten hatte, die es in der ersten Hälfte der 90er Jahre so noch nicht gegeben hatte, und auch nicht das Risikopotential des streitgegenständlichen Zertifikates erfassen konnte. Dieses kann allein mit den Erwartungen an die Märkte - entgegen dem vordergründig vermittelten Eindruck - überhaupt nicht erfasst werden. Vielmehr war hierfür Kenntnis vom strukturellen Unterschied der beiden Indizes - einmal als Kursindex und einmal als Performance-Index - notwendig gewesen, zumal der DivDAX erst 2005 eingeführt worden ist, sowie der Bedeutung der Setzung der Starttage. |
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| Das Anlageziel und Risikobereitschaft des Klägers waren mittelfristige Geldanlagen, bei denen das eingesetzte Kapital nicht gefährdet wird. Ein Risiko sollte nicht eingegangen werden. Dies wusste die Beklagte aufgrund der vom Zeugen T gemachten Vorgaben (aa.), die sie auch gegenüber dem vom Zeugen T hinzugezogenen Kläger gelten lassen muss (bb.). Dass sich diese fehlende Risikobereitschaft während des Gesprächs am 1. März 2007 geändert hat, konnte sich das Gericht nicht überzeugen (cc.). |
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| Dass die Risikobereitschaft des Klägers von der Beklagten überhaupt erfragt worden ist, wird von dieser nicht vorgetragen. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit Risikogeschäfte getätigt hatte, konnte die Beklagte nicht schließen, dass er hierzu auch mit Blick auf eine mögliche zukünftige Geldanlage bereit sein würde. Entscheidend ist, welches Risiko der Kläger bei der konkreten Anlage eingehen wollte. Die Beklagte hatte beim Kläger insoweit nicht nachgefragt. Entscheidend ist daher, von welchen Erwartungen die Beklagte nach ihrem Empfängerhorizont ausgehen durfte und musste. Dies waren die ihr vom Zeugen T mitgeteilten Angaben zur Risikobereitschaft, nämlich kein Risiko eingehen zu wollen. |
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| Denn das Gespräch am 1. März 2007 war zustande gekommen aufgrund einer Terminabsprache der Beklagten mit dem Zeugen T. Die Beklagte, die wusste, dass der Zeuge T einen Betrag von 2.000.000 EUR auf seinem Festgeldkonto aus dem Verkauf von Anteilen der Firma DIR liegen hatte, und damals nur an Geldanlagen interessiert war, bei denen das eingesetzte Kapital nicht gefährdet war. Hiervon ist das Gericht nicht zuletzt aufgrund der eigenen Aussage des Zeugen Sch (vgl. Seite 11 des Protokolls 2 O 126/09 vom 16. März 2010, Bl. 193j d. Akten) als auch der Aussage des Zeugen T (vgl. Seiten 9, 10 und des Protokolls 2 O 126/09 vom 16. März 2010, Bl. 193h, 193i d. Akten)im Parallelprozess vor dem Landgericht Tübingen - 2 O 126/09 - überzeugt. |
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| Nachdem der Zeuge T zu dem Gespräch am 1. März 2007 auch dem Kläger und dem Zeugen S hinzugezogen hatte, muss sich die Beklagte auch gegenüber dem Kläger aufgrund der vom Zeugen T zuvor übermittelten Anlageziele festhalten lassen, zumal das Gespräch - zunächst - auf den Zeugen T zugeschnitten und auch fokussiert war. Dem Zeugen T waren zunächst eine Reihe konservativer Anlagen vorgestellt worden, wie dies auch der Zeuge Sch im Parallelprozess 2 O 126/09 - selbst ausgesagt hatte (vgl. Seite 11 des Protokolls im Parallelprozess 2 O 126/09 vom 16.03.2010, Bl. 193j d. Akten). Dass der Kläger von dem vom Zeugen T geäußerten Anlagezielen abweichende Interessen geäußert hatte, ist nach dem Vortrag der Parteien nicht ersichtlich. Letztendlich spricht auch der Umstand, dass alle drei das hier streitgegenständliche Zertifikat gezeichnet haben, auch gegen die Annahme einer divergierender Bereitschaft zum Risiko. |
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| Das sich die vom Zeugen T bei der Terminvereinbarung übermittelten Anlageinteressen während des Gesprächs am 1. März 2007 geändert hatten, konnte das Gericht nicht feststellen (1) und kann daher der Entscheidung auch nicht zu Grunde gelegt werden (2). |
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| (1) Dass der Kläger das Zertifikat gezeichnet hat, bei dem Gespräch am 1. März 2007 von einem Sicherheitspuffer die Rede gewesen war, und der in Finanzdingen erfahrene Kläger sich hierauf eingelassen hatte, zumal er bereits in der Vergangenheit auch Risikogeschäfte getätigt hatte, was die Beklagte wusste, führt weder zwingend noch in für das Gericht nachvollziehbarer und überzeugender Weise dazu, dass der Kläger andere Anlageinteressen zum Ausdruck gebracht hatte, als dies der Zeuge T gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten tat. Feststellen konnte das Gericht aber auch nicht, dass der Zeuge T sich während des Gespräches bereit gefunden hatte, höhere Risiken einzugehen. Dass der Zeuge T - nachdem er zunächst gezaudert hatte - sich später (nach dem Gespräch) aber gleichwohl doch zur Zeichnung entschlossen hatte, kann das Gericht nicht den (Rück-)Schluss ziehen, dass der Zeuge T sich bei dem Gespräch bereit gefunden hatte, höhere Risiken einzugehen und den Wunsch geäußert hatte, über entsprechende Risikoanlagen informiert zu werden. Nach den Ausführungen des Zeugen T beruhte sein Zaudern nicht auf einer geänderten Bereitschaft höhere Risiken einzugehen, sondern darauf, dass er das Zertifikat nicht verstanden hatte, dieses aber hatte verstehen wollen. (vgl. Angaben des Zeugen T, Seite 9 des Protokoll vom 16. März 2010 - 2 O 126/09 -, Bl. 193h d. Akten). |
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| (2) Zwar ist der Kläger für die von ihm behauptete nicht anlegergerechte Beratung darlegungs- und beweispflichtig und damit auch für den Umstand, welche Anlegerinteressen und Risikobereitschaft konkret der Beratung zu Grunde gelegen hatten. Da vorliegend aber erwiesenermaßen zu Beginn des Gesprächs von den oben unter aa. und bb. geschilderten Anlegerinteressen auszugehen war, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon auszugehen, dass sich diese Interessen während des Gesprächs geändert haben. Für eine solche Änderung der Anlegerinteressen ist daher die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. |
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| Durch die Empfehlung des streitgegenständlichen Zertifikates hat die Beklagte gegen ihre Pflicht zur anlegergerechten Beratung verstoßen. Das Zertifikat hätte einem Anleger ohne Risikobereitschaft nicht empfohlen werden dürfen. Mit Blick auf den Kenntnisstand des Klägers hätten zumindest die Bedeutung der Setzung der Starttage und die unterschiedliche Struktur der beiden Indizes (siehe oben) erläutert werden müssen. |
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| Die Beklagte war verpflichtet gewesen, darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Provisionen von der X-Bank erhält, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offen zu legen. Erst hierdurch wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226-235 m. w. N.). Die Beklagte war daher verpflichtet gewesen, den Kläger sowohl auf den Umstand hinzuweisen, dass der von ihm an die X-Bank gezahlte Ausgabeaufschlag komplett an sie zurückfliest (a.) und dass sie darüber hinaus eine Provision in Höhe von 1,8% des Anlagebetrages erhält (b.). Denn beides hatte die Beklagte mit der X-Bank vor Auflegung des streitgegenständlichen Zertifikates ausgehandelt gehabt. |
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| Auf den Umstand, dass der an die X-Bank zu zahlende Ausgabeaufschlag an sie zurückfliest, hatte die Beklagte nirgends hingewiesen. So dass insoweit, der Kläger keinen Anlass hatte, die Beratung der Beklagten mit Blick auf ein Eigeninteresse der Beklagten kritisch zu beurteilen und gegebenenfalls zu hinterfragen. |
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| Auch über die weitere Provision von mindestens 1,8 % hätte die Beklagte aufklären müssen, da auf diese nirgends hingewiesen worden war. Ein Prospekt war dem Kläger nicht übergeben worden. |
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| Soweit die Beklagte, nachdem sie zunächst nur unsubstantiiert ein Festpreisgeschäft behauptet hatte, mit Telefax vom 4. Mai 2010 (vgl. Bl. 205 d. Akten) erstmals substantiiert hatte vortragen lassen, bei dem Zertifikat-Verkauf habe es sich um ein Festpreisgeschäft gehandelt, bei dem sie selbst die Zertifikate zum Preis von 98,20 EUR pro Stück erworben habe und diese dann an den Kläger zu 100,00 EUR pro Zertifikat weiterverkauft habe, ist dieser Vortrag - nicht aber die unstreitige Provision von 1,8% als solcher - sowohl nach §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO als auch nach §§ 296 Abs. 2, 282 ZPO verspätet. |
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| Eine Berücksichtigung dieses Vortrages würde, zu einer Verzögerung des Rechtstreits führen. Wie sich aus dem vom Kläger hierauf nachgereichten Telefax vom 19. Mai 2010 (vgl. Bl. 213 ff d. Akten) ergibt, würde dieser Vortrag streitig sein, so dass über ihn Beweis zu erheben sein würde (wenn man nicht der nachfolgend unter bb. dargestellten Rechtsansicht folgt), was zu einem neuen Termin und damit zu einer Verzögerung des Rechtstreits führen würde. |
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| Da der Kläger bereits in der Klageschrift vorgetragen hatte, die Beklagte habe eine weitere Provision von 1,8% des Anlagebetrages erhalten (vgl. Seite 21 der Klageschrift, Bl. 21 d. Akten) hätte die Beklagte hierauf bereits mit der Klageerwiderung entsprechenden Vortrag halten können, so dass auch hierüber im Termin am 16. März 2010 Beweis hätte erhoben werden können. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. |
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| Allerdings würde auch in dem von der Beklagten nunmehr behaupteten Festpreisgeschäft ein Eigeninteresse der Beklagten vorliegen, über das sie - wenn nicht dem Kläger bekannt - hätte aufklären müssen. Dass dies dem Kläger bekannt gewesen war, ist aber nicht ersichtlich. Die Parteien haben hierüber weder vor dem Geschäftsabschluss gesprochen noch hätte der Kläger dies erkennen können. Selbst unter Berücksichtigung der Produktinformation Stand 15. März 2007 ist dies nicht ersichtlich. Dieser kann vielmehr entnommen werden, dass die X-Bank die Emittentin ist und der Kläger die Zertifikate von dieser bezieht. Woraus sich ein Erwerb von der Beklagten in erkennbarer Weise für den Kläger ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Auch muss er - selbst wenn er für die Beratungsleistung nichts zahlt - nicht zwangsläufig damit rechnen, dass die Bank für das vermittelte Geschäft eine Provision oder einen Verkaufsgewinn erlöst und damit an dem Zustandekommen des Zertifikatsgeschäftes ein eigenes Interesse wirtschaftliches Interesse hatte. Auch über dieses hätte sie aufklären müssen. |
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| Die Beklagte, die sich das Verhalten der Zeugen Sch und H nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, hat die Pflichtverletzungen auch zu vertreten. Der von ihr insoweit zu führende Entlastungsbeweis gelingt nicht (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). |
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| Die Pflichtverletzungen der Beklagten sind für den dem Kläger entstandenen Schaden kausal. Zugunsten des Klägers greift die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger weder das Zertifikat gezeichnet hätte noch das Darlehen aufgenommen hätte, wenn die Beklagte ihn zutreffend beraten hätte (vgl. BGH, Urt. v. 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447; BGH, Urt. v. 21. Oktober 2003 - XI ZR 453/02, ZIP 2003, 2242, 2245). Diese tatsächliche Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. |
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| Die Schadenshöhe von 152.714,53 EUR ist unstreitig, bestehend aus folgenden Positionen: |
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| a. verlorener Anlagebetrag von 22.202,20 EUR (1.000.000 EUR abzgl. 977.797,80 EUR), |
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| b. gezahlter Ausgabeaufschlag von 20.000,00 EUR, |
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| c. gezahlte Zinsen und Kosten auf das Darlehen in Höhe 105.381,45 EUR (vgl. Erläuterung Seiten 28 und 29 d. Klageschrift). |
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| d. Entgangener Zinsgewinn von 2,7 % p. a. für die aus Eigenmitteln gezahlten 20.000,- EUR in Höhe von 1.324,11 EUR für den Zeitraum 3. April 2007 bis zum 14. September 2009 und in Höhe von 3.806,77 EUR für den entgangenen Zinsgewinn von 2,7% p. a. für die aus Eigenmitteln aufgebrachten Darlehenskosten für den Zeitraum 30. April 2007 bis 14. September 2009 (vgl. Anlage K 19, Bl. 88 - 116 d. Akten). |
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| Dass und in welchem Umfang beim Kläger Verluste aus dem streitgegenständlichen Geschäft zu einer Steuerentlastung geführt haben, ist nicht erkennbar, zumal der Kläger seinen Wohnsitz nicht in Deutschland hat. |
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| Ein Mitverschulden des Klägers gem. § 254 BGB ist weder unter dem Gesichtspunkt der Geschäftserfahrenheit des Klägers (a.) noch dem Umstand, dass er das streitgegenständliche Zertifikat verkauft hatte (b.) begründet. |
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| Die Geschäftserfahrenheit des Klägers begründet vorliegend kein Mitverschulden i. S. v. § 254 BGB. Denn dies stünde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht. Die Beklagte, die Hausbank der DIR war, an der der Kläger beteiligt war, hatte darüber hinaus bei dem Gespräch am 1. März 2007 ein hohes Maß an Vertrauen in Anspruch genommen. Der Kläger als Anleger hatte auf die Beratung der Beklagten vertrauen dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868 - 1870 m. w. N.). |
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| Durch den Verkauf des Zertifikates hat der Kläger den ihm durch die Fortentrichtung der Darlehenszinsen zukünftig weiter drohenden Schaden abgewandt, so dass darin ebenfalls kein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers zu sehen ist. Ob das Zertifikat an einem der zukünftigen Bewertungstage mit Gewinn ausgezahlt worden wäre, ist unbekannt. In jedem Fall stellt der von Kläger vorgenommene „Notverkauf“ zur Reduzierung des von ihm nicht gewollten Verlustrisikos eine vernünftige Entscheidung dar. In diese Lage wäre der Kläger ohne die Falschberatung nie gekommen. |
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