Beschluss vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 AY 1386/07 ER-B

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners (Ag.), ihm bis zur bestandskräftigen Entscheidung über seine Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) - S 10 AY 5262/06 - Leistungen gemäß § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren.
Der 1962 geborene, aus dem Kosovo stammende Ast. reiste erstmals 1988 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Nach Ablehnung des Asylantrags am 20. Februar 1989, rechtskräftig seit 3. August 1990, wurde der Ast. am 18. September 1990 abgeschoben. Im Februar 1992 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Juli 1992 erfolglos einen Asylfolgeantrag. Im April 1993 verließ der Ast. freiwillig das Bundesgebiet. Im April 1999 reiste er wiederum in das Bundesgebiet ein und stellte erneut einen Asylfolgeantrag. Dieser wurde im Dezember 2000 nach Heirat einer deutschen Staatsangehörigen zurückgenommen. Zu seiner Ethnie berief sich der Ast. zunächst auf eine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma (Asylantrag 1988), später auf eine albanische Zugehörigkeit (Folgeantrag 1992) und zuletzt wieder auf die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma.
Im Dezember 2000 heiratete der Ast. nach dem Tod seiner 1988 mit ihm in das Bundesgebiet gekommenen Ehefrau zunächst die 1953 geborene deutsche Staatsangehörige A. B., geb. de W. und nahm daraufhin den Asylfolgeantrag von 1999 zurück. Diese Ehe wurde im November 2003 geschieden, nachdem die Eheleute nach Angabe gegenüber dem Familiengericht seit Sommer 2002 in Trennung lebten und bis dahin eine gemeinsame Wohnung nicht bezogen hatten. Eine im Juli 2003 abgegebene anderweitige Erklärung des Ast. gegenüber der Ausländerbehörde, mit seiner Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung zu wohnen, sei unzutreffend gewesen. Im Juli 2004 heiratete der Ast. dann die 1978 geborene deutsche Staatsangehörige An. S., geb. W.. Dem Ast. wurde aufgrund dieser Ehe am 10. September 2004 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Ausländergesetz (AuslG) erteilt. Nachdem die dritte Ehefrau des Ast. seit November 2004 mehrfach bei der Ausländerbehörde vorstellig war und mitteilte, sich von dem Ast. getrennt zu haben und von ihm dauernd getrennt zu leben, wurde die Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 nachträglich befristet. Der Ast. erhielt in der Folgezeit Duldungen auf der Grundlage von § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wegen der angegeben Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma.
Seit der Wiedereinreise in das Bundesgebiet im Jahr 1999 bezieht der Ast. Leistungen nach dem AsylbLG mit Ausnahme der Zeit November 2004 bis März 2005 (Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz). Den mit Schreiben vom 7. August 2006 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG lehnte der Ag. mit Bescheid vom 28. August 2006 ab, den Widerspruch des Ast. wies er mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2006 zurück. Nach Mitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg lasse die Lage im Kosovo die Rückkehr ausreisepflichtiger Kosovoalbaner zu. Auch die freiwillige Rückkehr für die Minderheitenangehörigen u.a. der Roma sei möglich und zumutbar. Der Ast. habe deshalb die Dauer seines Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Es lägen keine Hinweise vor, wonach eine Rückkehr aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei.
Am 24. Oktober 2006 hat der Ast. beim SG Klage mit dem Begehren erhoben, ihm unter Aufhebung der ergangenen Bescheide Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Ein bloßes Nichtausreisen könne nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg allenfalls dann als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn einer freiwilligen Ausreise keine nachvollziehbaren und/oder gewichtigen Gründe entgegenstünden (unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 15. November 2005 - L 7 AY 4413/05 ER-B - SAR 2006, 33). Davon könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Auf die wiederholte Stellung von Asylanträgen komme es nicht an. Aufgrund seiner Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen sei sein Aufenthalt im Bundesgebiet nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Trotz der Trennung von seiner dritten Ehefrau betreibe er derzeit ein Verfahren um Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Seine dritte Ehefrau habe im August 2006 eine Tochter geboren, deren Vater er sei und mit der er Umgang habe.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 1. Februar 2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Ast. jedenfalls gegenwärtig voraussichtlich keinen Anspruch auf angehobene Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG habe. Mit dem Tatbestandsmerkmal der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts solle nach den Gesetzesmaterialien an die Richtlinie 2003/9/EG angeknüpft werden. Dies gelte insbesondere für Artikel 16 der Richtlinie, in der nach Wertung der Materialien zu § 2 Abs. 1 AsylbLG Formen von negativem Verhalten zusammengefasst werden, die auf nationaler Ebene eine Einschränkung der Leistungen erlaubten. Als derartiges negatives Verhalten gelte nach Artikel 16 Abs. 1a der Richtlinie 2003/9/EG u.a., „wenn ein Asylbewerber … im gleichen Mitgliedsstaat bereits einen Antrag gestellt hat“. Ausgehend davon spreche viel dafür, dass sich auf eine leistungsrechtliche Besserstellung wegen unverschuldet langer Aufenthaltsdauer derjenige Asylbewerber nicht berufen könne solle, der nach vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens erneut in das Bundesgebiet eingereist sei und ohne erkennbar asylrechtlich relevanten Grund die Wiederaufnahme seines Asylverfahrens betreibe. Rechtfertigende Gründe seien bei der Wiedereinreise des Ast. in das Bundesgebiet 1999 nicht ersichtlich. Die näheren Umstände bei Stellung des Folgeantrags mit der Weigerung, nähere Angaben zu machen, den bei den verschiedenen Verfahren unterschiedlichen Angaben zur Volkszugehörigkeit sowie die unmittelbare Rücknahme des Antrags nach der Heirat mit seiner zweiten Frau sprächen dafür, dass der Folgeantrag ausschließlich zur verfahrensrechtlichen Absicherung des erneuten Aufenthaltsstatus gestellt worden sei. Auch die zwischenzeitlichen Eheschließungen rechtfertigten eine leistungsrechtliche Privilegierung voraussichtlich nicht. Es spreche viel dafür, dass ein einmal rechtsmissbräuchliches Verhalten leistungsrechtlich regelmäßig irreversibel sei. Hierauf komme es nicht an, da in den sechs Jahren seit Schließung der Ehe im Dezember 2000 und dem maßgeblichen Entscheidungszeitraum schon nach dem eigenen Vortrag des Ast. nicht mindestens 36 Monate verstrichen seien, in denen eine den Aufenthalt des Ast. im Bundesgebiet verfassungsrechtlich rechtfertigende Lebens- und Beistandsgemeinschaft mit seiner zweiten bzw. dritten Ehefrau bestanden habe.
Hiergegen richtet sich die am 5. März 2007 eingelegte Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, dass dem Ast. die mehrfache Asylantragstellung nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG als Rechtsmissbrauch entgegengehalten werden könne. Es sei zu berücksichtigen, dass er nach Ablehnung der ersten beiden Asylanträge im Jahre 1992 freiwillig aus Deutschland ausgereist und sich über sechs Jahre im Kosovo aufgehalten habe. Erst 1999 sei er im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg und den darauf einsetzenden Verfolgungsmaßnahmen gegen Angehörige der Roma wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Im Übrigen könne diese Frage dahingestellt bleiben, da dem Ast. am 10. September 2004 eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund seiner Eheschließung erteilt worden sei. Der Aufenthalt des Ast. sei somit rechtmäßig geworden. Die davor liegende Zeit könne ihm daher nicht entgegengehalten werden. Vielmehr sei lediglich zu prüfen, ob das Verhalten des Ast. nach Zerbrechen der ehelichen Lebensgemeinschaft und der damit einhergehenden nachträglichen Befristung seiner Aufenthaltserlaubnis als Rechtsmissbrauch zu werten sei. Dies sei nicht der Fall. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass es zu einem späteren Zeitraum erneut zu einer Versöhnung der Eheleute gekommen sei. Auch wenn diese Versöhnung nicht von langer Dauer gewesen sei, zeige sich darin das ernsthafte Bemühen der Eheleute um den Bestand der Ehe. Dies werde dadurch belegt, dass aus der Ehe ein Kind hervorgegangen sei. Von einer verfassungsrechtlich schützenswerten ehelichen Lebensgemeinschaft sei für die genannten Zeiträume jedenfalls auszugehen. Auch wenn der Ast. durch die nachträgliche Befristung seiner Aufenthaltserlaubnis zwischenzeitlich ausreisepflichtig geworden sei, sei sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet nicht rechtsmissbräuchlich. Eine freiwillige Rückkehrung in den Kosovo könne ihm nicht zugemutet werden. Aus dem Terminsbericht des Bundessozialgerichts (BSG) bezüglich der Sitzung vom 8. Februar 2007 gehe hervor, dass eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer jedenfalls dann nicht gegeben sei, wenn ein ausreisepflichtiger Leistungsberechtigter nicht in sein Heimatland zurückkehre, weil er hierfür einen wichtigen Grund habe. Ein solcher wichtiger Grund bestehe vorliegend darin, dass der Ast. die elterliche Sorge für ein deutsches Kind habe und mit diesem auch eine familiäre Lebensgemeinschaft in Form regelmäßiger, d.h. mindestens einmal pro Woche stattfindender Umgangskontakte pflege. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in letzter Zeit mehrfach festgestellt habe, dränge die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, bei Bestehen einer schützenswerten Beistandsgemeinschaft regelmäßig einwanderungspolitische Interessen zurück (unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005, InfAusl 2005, 122). Das BVerfG stelle insoweit auf den spezifischen Erziehungsbeitrag beider Elternteile, insbesondere auch des ausländischen Vaters ab und halte auch bereits eine vorübergehende Trennung des Kindes vom ausländischen Elternteil im Lichte von Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) für unzumutbar. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich schützenswerte Beistandsgemeinschaft zwischen dem Ast. und seiner deutschen Tochter sei ihm jedenfalls derzeit eine freiwillige Ausreise nicht zumutbar. Seine Weigerung, Deutschland zu verlassen, sei somit nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG.
Der Ast. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Februar 2007 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig bis zur bestandskräftigen Entscheidung über seine Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (S 10 AY 5262/06) Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu gewähren.
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Der Ag. beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verweist darauf, dass das Verhalten des Ast. in der Vergangenheit ausschließlich der rechtsmissbräuchlichen Verlängerung des Aufenthaltes im Bundesgebiet gedient habe. Nach der Neuregelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG sei entscheidend, ob die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden sei. Für die Frage der leistungsrechtlichen Besserstellung sei es daher ohne rechtliche Bedeutung, ob tatsächliche oder rechtliche Gründe einer Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet entgegenstünden. Der Vortrag des Klägers, nun ein gemeinsames Sorgerechts für die am ... 2006 geborene Tochter zu haben, könne nicht zu einer erhöhten Leistungsgewährung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG führen. Ein einmal rechtsmissbräuchliches Verhalten sei leistungsrechtlich irreversibel. Eine Änderung könne nur dann eintreten, wenn ein ausländerrechtlicher Statuswechsel dahingehend erfolge, dass die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteile. Dies sei bisher nicht geschehen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten, die Akten des SG und die Senatsakte Bezug genommen.
II.
14 
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet.
15 
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 ZPO gelten entsprechend (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).
16 
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 ). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Mithin erforderlich ist sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch, gemessen an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass sich die Anforderungen je nach dem zu erwartendem Maß des Erfolgs in der Hauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung oder der Schwere des drohenden Nachteils vermindern können (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z. B. Beschlüsse vom 4. Januar 2007 - L 7 SO 6235/06 ER-B - und vom 29. Januar 2007 - L 7 SO 5672/06 ER-B - ). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72, vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 ). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Antrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2006 - L 7 SO 5206/06 ER-B - und vom 28. Dezember 2006 - L 7 AS 6383/06 ER-B- ).
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Zwar geht der Senat grundsätzlich davon aus, dass bei einem glaubhaft gemachten Anspruch auf Gewährung (höherer) Leistungen regelmäßig auch ein Anordnungsgrund besteht, so dass im Anwendungsbereich des AsylbLG dem Hilfebedürftigen im Regelfall nicht zuzumuten ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit den im Vergleich zu den Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG spürbar abgesenkten Grundleistungen (§ 3 AsylbLG) auskommen zu müssen (Beschluss des Senats vom 15. November 2005 - L 7 AY 4413/05 ER-B - SAR 2006, 33; a.A. wohl Bayerisches LSG, Beschluss vom 28. Juni 2005 - L 11 B 212/05 AY ER - FEVS 57, 106). Zu Recht hat das SG jedoch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs verneint.
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Die Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ist bei summarischer Prüfung im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, denn der Ast. hat die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Gemäß der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Neufassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist - abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG - das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über die Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und (kumulativ) die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Das Verhalten eines (ehemaligen) Asylbewerbers ist rechtsmissbräuchlich, wenn es erkennbar der Verfahrensverzögerung und somit der Verlängerung der Dauer des Aufenthalts dient, ohne durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt zu sein (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 – B 9b AY 1/06 -, bislang nur als Medieninformation Nr. 4/07 vorliegend; so auch Beschluss des Senats vom 15. November 2005 - L 7 AY 4413/05 ER-B - a.a.O.). Der Gesetzgeber hat mit dem allgemein gehaltenen Hinweis auf „rechtsmissbräuchliches Verhalten“ die Vereinbarkeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit der seinerzeit zu erwartenden und inzwischen wirksam gewordenen Richtlinie des Rates der Europäischen Union (2003/9/EG vom 27. Januar 2003 - ABl.EG 2003 Nr. L 31 S. 18) sicherstellen wollen (so die Begründung der Bundesregierung zur Novellierung BR-Drs. 22/03 S. 296; Linhard/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand September 2006, § 2 AsylbLG Rdnr. 18). Die in der Richtlinie genannten negativen Verhaltensweisen können daher zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „rechtsmissbräuchlich“ herangezogen werden. Nach Artikel 16 Abs. 1 a der Richtlinie können die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Aufnahmebedingungen gewährte Vorteile (wieder) einschränken oder entziehen, wenn der Asylbewerber u.a. „im gleichen Mitgliedstaat bereits einen Asylantrag gestellt hat“. Mit dem SG ist auch der Senat der Auffassung, dass vorliegend viel dafür spricht, dass der erneute Asylfolgeantrag im Jahr 1999 eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer darstellt. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen (S. 5 und 6 des Beschlusses).
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Erforderlich ist weiter, dass das rechtsmissbräuchliche Verhalten tatsächlich kausal die Dauer des Aufenthalts beeinflusst hat (Herbst in Mergler/Zink, SGB XII, Stand Juli 2006, § 2 AsylbLG Rdnrn. 26, 28) bzw. bei abstrakter Betrachtung jedenfalls hierzu geeignet war (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Dezember 2005 – L 7 AY 40/05 - ). Es reicht die generelle Eignung des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, die Dauer des Aufenthalts zu beeinflussen. Nur eine solche abstrakte Betrachtungsweise entspricht dem Zweck der Neuregelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG, nach der für die leistungsrechtliche Privilegierung nicht mehr wie nach der Regelung der alten Fassung tatsächliche oder rechtliche Ausreisehindernisse rechtlich von Bedeutung sind. Vielmehr bezweckt die Neuregelegung eine leistungsrechtliche Begünstigung derjenigen Hilfeempfänger, die sich nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne der Regelung verhalten, um auf diese Weise den Anreiz zur rechtsmissbräuchlichen Asylantragstellung einzuschränken und zu einer Reduzierung der Anträge und damit zu einer Verfahrensbeschleunigung zu gelangen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Dezember 2005 - a.a.O.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 28. Juni 2005, a.a.O.). Bei der Feststellung der Rechtsmissbräuchlichkeit der Beeinflussung des Aufenthalts ist grundsätzlich auf die gesamte Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abzustellen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, a.a.O.; zur Vernichtung eines Passes, vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Mai 2006 - L 20 B 14/06 AY ER - ).
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Zu berücksichtigen ist allerdings, dass im Einzelfall der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebieten kann, aufgrund von Umständen, die nach einem festgestellten rechtsmissbräuchlichen Verhalten eingetreten sind, von dem grundsätzlich dauerhaften Ausschluss von Leistungen entsprechend dem SGB XII eine Ausnahme zuzulassen (vgl. Beschluss des Senats vom 26. März 2007 - L 7 AY 331/07 PKH-B -; SG Stade, Beschluss vom 8. März 2005 - S 19 AY 4/05 ER - ; Hohm, NVwZ 2005, 388, 391). In derartigen Ausnahmefällen kann davon ausgegangen werden, dass die für die leistungsrechtliche Besserstellung erforderliche Wartezeit eines 36-monatigen Leistungsbezuges erneut zu laufen beginnt; im Einzelfall kann es auch geboten sein, frühere Zeiten des Bezugs von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf die Wartezeit anzurechnen, etwa in Fällen eines Asylfolgeantrags nach Ergehen einer für den Asylsuchenden positiven Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hohm, a.a.O.). Von einem erneuten Anlaufen der Wartezeit kann nach der hier nur möglichen summarischen Überprüfung frühestens mit der dritten Eheschließung im Juli 2004 ausgegangen werden. Ob bereits die zweite Eheschließung im Dezember 2000 zu einer schützenswerten ehelichen Gemeinschaft geführt hat, erscheint äußerst fragwürdig im Hinblick darauf, dass die Eheleute nie eine gemeinsame Wohnung bezogen, vom Ast. gegenüber dem Ausländeramt bezüglich der Ehe falsche Angaben gemacht wurden und auch keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde (bestandskräftiger Ablehnungsbescheid vom 29. April 2003). Seit Juli 2004 sind jedoch ersichtlich 36 Monate des Bezugs mit Leistungen nach § 3 AsylbLG noch nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, wie viele Monate für die Ehedauer selbst angesichts der ersten Trennung bereits im November 2004 anzurechnen sind, dies bedarf ggf. näherer Aufklärung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens. Nicht zu berücksichtigen sind jedenfalls die Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz von November 2004 bis März 2005. Auch die Geburt des Kindes des Ast. am 28. August 2006 führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar ist die seit der Geburt des Kindes verstrichene Zeit in jedem Fall auf die Wartezeit anzurechnen, da nunmehr ein wichtiger Grund für den weiteren Aufenthalt des Ast. im Bundesgebiet vorliegt. Es verbleibt jedoch dabei, dass die erforderliche Vorbezugszeit noch nicht erfüllt ist. Auch im Hinblick auf das schützenswerte Umgangsrecht des Ast. mit seinem Kind gibt es keine Grundlage für eine unmittelbare leistungsrechtliche Besserstellung, solange nicht ausländerrechtlich ein entsprechender Status zuerkannt ist. Im Falle der Erteilung der bereits beantragten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG steht ohnehin eine leistungsrechtliche Besserstellung des Ast. in Aussicht (vgl. § 1 Abs. 2 AsylbLG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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