Urteil vom Oberlandesgericht Celle (13. Zivilsenat) - 13 U 241/11

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. September 2011 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den mit einem Ausweis versehenen Beauftragten der Klägerin Zutritt zu ihren Räumlichkeiten zu gewähren und den Ausbau des Wasserzählers Nr. ... aus der Verbrauchsstelle Am L., H., zu dulden.

Die Beklagte wird - unter Abweisung der weitergehenden Klage - verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 3.364,87 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das genannte Urteil zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Bezug auf die ausgesprochene Verurteilung zur Zutrittsgewährung und Duldung jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 €. In Bezug auf die Verurteilung zur Zahlung kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit durch dieses Urteil die Berufung der Beklagten in Bezug auf die Verurteilung nach Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Urteils (Zutrittsgewährung zu den Räumlichkeiten der Beklagten und Duldung des Ausbaus des Wasserzählers; nachstehend unten Ziffer II. 3.) zurückgewiesen wird. Im Übrigen (Klage auf Zahlung; nachstehend unten Ziffer II. 2.) wird die Revision nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.718,41 € bis zum 15. Mai 2012, auf 4.078,87 € seit diesem Zeitpunkt bis zum 4. Oktober 2012 und auf 3.802,87 € seit diesem Zeitpunkt festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus Strom-/Gas- und Wasserlieferungsverträgen für die Verbrauchsstelle der Beklagten Am L. in H..

2

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin gemäß §§ 433 Abs. 2, 453 Abs. 1 BGB aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Strom-, Gas- und Wasserlieferungsverträge ein Anspruch auf Zahlung von 4.022,41 € zustehe. Dieser Anspruch ergebe sich aus den entsprechenden Lieferungen in den Abrechnungszeiträumen vom 18. August 2007 bis 19. August 2009 sowie 20. August 2009 bis 19. August 2010, ferner Abschlägen für die Zeit nach dem letzten Abrechnungszeitraum von September 2010 bis Februar 2011 sowie weiteren Nebenkosten (was jeweils näher ausgeführt wird). Zur Zahlungsverweigerung gemäß §§ 17 Abs. 1 Nr. 1 StromGVV/GasGVV sowie § 30 AVBWasserV sei die Beklagte nicht berechtigt, weil kein offensichtlicher Fehler vorliege (was näher ausgeführt wird). Die Klägerin sei ferner auch gemäß § 33 Abs. 2 AVBWasserV berechtigt, die Versorgung mit Wasser einzustellen und von der Beklagten zur Durchsetzung dieses Rechtes die Zutrittsgewährung zu den Versorgungseinrichtungen für einen Mitarbeiter zu verlangen (§ 16 AVBWasserV). Die Beklagte sei nach wie vor Vertragspartnerin hinsichtlich des Wasserlieferungsvertrages. Der Versorgungsvertrag sei nicht dadurch beendet worden, dass die Beklagte die Verbrauchsstelle abgemeldet habe. Denn die Beklagte sei Eigentümerin des Grundstückes, und der Wasserversorgungsvertrag bestehe grundsätzlich mit dem Grundstückseigentümer. Unstreitig entnehme die Beklagte auch weiterhin zu eigenen Zwecken Wasser an der Verbrauchsstelle. Die Beklagte sei auch mit der Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen in Verzug. Insoweit könne dahinstehen, ob dies auf die Rückstände aus den Gas- und Stromlieferungsverträgen gestützt werden könne. Denn auch aus dem Wasserlieferungsvertrag bestünden Rückstände in Höhe von 513,38 € und 167,39 €. Die Beklagte habe schließlich auch nicht dargelegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen würden.

4

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Die Beklagte wiederholt und vertieft zunächst ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Ergänzend führt sie aus, in Bezug auf den Duldungsanspruch habe das Landgericht übersehen, dass zwischen den Parteien zu jeder Zeit unstreitig gewesen sei, dass Rückstände aus der Versorgung mit Wasser nicht bestünden. Es würden auch die Voraussetzungen für eine spartenübergreifende Liefersperre nicht vorliegen. Eine finale Einstellung der Wasserversorgung käme allenfalls dann in Betracht, wenn sie sich trotz rechtskräftig festgestellter Zahlungsansprüche der Klägerin weigern würde, diese auszugleichen und eine Vollstreckung bereits fruchtlos verlaufen wäre. Dies seien die Mindestanforderungen für eine derart weitreichende Maßnahme, eine Verbrauchsstelle vollständig von der Wasserversorgung abzuschneiden. In Bezug auf den Zahlungsanspruch wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach die Abrechnungen der Klägerin nicht nachvollziehbar seien und inhaltlich nicht zutreffen könnten.

5

In der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2012 haben die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf den Zahlungsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit dieser über einen Betrag von 3.382,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2011 hinausgeht.

6

Die Beklagte beantragt,

7

das Urteil des Landgerichts Hannover vom 15. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

10

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.

11

Im Berufungsrechtszug hat zunächst am 15. Mai 2012 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Zu dem weiteren Termin am 9. Oktober 2012 ist die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Die Klägerin hat in dem Termin den Antrag aus dem Termin vom 15. Mai 2012 gestellt und beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden.

12

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend verwiesen.

II.

13

Die Berufung hat nur in einem ganz geringen Umfang Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Duldungsanspruch sowie zum ganz überwiegenden Teil der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.

14

1. Auf den Antrag der Klägerin hin war gemäß §§ 331 a, 251 a Abs. 2 ZPO nach Lage der Akten zu entscheiden. Die Voraussetzungen hierfür lagen vor: Im Berufungsrechtszug ist bereits im Termin am 15. Mai 2012 streitig verhandelt worden, die Beklagte war ordnungsgemäß geladen und auch nicht ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert. Den Verlegungsantrag der Beklagten vom 8. Oktober 2012 hat der Senat noch am selben Tag (der Beklagten per Fax mitgeteilt) zurückgewiesen, da erhebliche Gründe hierfür weder dargelegt geschweige denn glaubhaft gemacht worden sind. Das in dem Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 angeführte Attest hat die Beklagte dem Senat nicht übermittelt, aus dem Schreiben der H. vom 22. September 2012 ergibt sich nicht, dass die Beklagte nicht in der Lage ist, den Termin am 9. Oktober 2012 wahrzunehmen.

15

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 3.364,87 € gemäß §§ 433 Abs. 2, 453 Abs. 1 BGB. In Höhe von 18 € besteht dagegen kein Anspruch.

16

a) Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 13. Juni 2012 schlüssig dargelegt, dass und wie sich der Forderungsbetrag in Höhe von 3.364,87 € für die streitgegenständlichen Abrechnungszeiträume berechnet. Die entsprechenden, in dem Schriftsatz vom 13. Juni 2012 näher dargelegten Rechen- und Berechnungsschritte, auf die der Senat Bezug nimmt, sind - für sich gesehen, s. sogleich - in sich schlüssig und nachvollziehbar.

17

Soweit die Beklagte die Abrechnung der Klägerin als inhaltlich unrichtig bestreitet und dieser insbesondere eine eigene Berechnung entgegenstellt, kann die Beklagte damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden.

18

Gemäß §§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV/GasGVV, § 30 AVBWasserV berechtigen Einwendungen gegen Rechnungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht. Die genannte Vorschrift deckt dabei sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung des Versorgungsunternehmens entgegensetzen kann, so dass ihr Geltungsbereich sich vom Grundsatz her nicht auf die in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich genannten Rechen- und Ablesefehler beschränkt. Ausgenommen hiervon sind lediglich die Einwendungen, die die vertraglichen Grundlagen für die Art und den Umfang seiner Leistungspflicht betreffen (st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urteil vom 6. April 2011 - VIII ZR 66/09, juris Rn. 16 f.; BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, juris Rn. 28; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 178, 179; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, 1518; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1209). Diese restriktive Regelung erklärt sich aus dem allgemeinen Interesse an einer möglichst kostengünstigen Versorgung. Dieses Ziel ist nur sichergestellt, wenn das grundsätzlich vorleistungspflichtige Versorgungsunternehmen keine Verzögerungen bei der Zahlung seiner Leistungen hinnehmen muss, die auf Einwenden des Kunden beruhen. Mit den diesbezüglichen Einwendungen ist der Kunde daher auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen (vgl. BGH, a. a. O.; im Überblick: Steenbuck, MDR 2010, 357 ff.), wobei in diesem Rückforderungsprozess die Darlegungs- und Beweislast genauso zu handhaben ist, wie sie im Aktivprozess des Versorgungsunternehmens ohne die Regelung der §§ 17 Abs. 1 StromGVV/ GasGVV bzw. § 30 AVBWasserV anzuwenden wäre (vgl. Schütte/Horstkotte in Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand Januar 2011, § 30 AVBWasserV Rn. 58).

19

Das Merkmal der Offensichtlichkeit im Sinne der vorgenannten Vorschriften setzt voraus, dass der Fehler leicht erkennbar ist; es darf kein vernünftiger Zweifel an der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung möglich sein. Zu offenkundigen Fehlern in diesem Sinne zählen insbesondere Rechen- und Ablesefehler, die dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden ins Auge fallen und deshalb regelmäßig außer Streit stehen. Ausgeschlossen ist der Versorgungskunde im Primärprozess dagegen mit dem Einwand, es müsse ein Ablesefehler oder Defekt des Zählers vorliegen, weil nicht so viel Energie in einem bestimmten Rechnungszeitraum verbraucht worden sein könne. Allgemein berechtigen Einwände zur Zahlungseinstellung nämlich dann nicht, wenn vertiefte rechtliche Überlegungen über die Berechtigung der Forderung angestellt werden müssen oder wenn im Rechtsstreit eine Beweisaufnahme über den vom Kunden behaupteten Fehler erforderlich wäre (vgl. im Überblick mit umfangreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung: Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 30 AVBWasserV Rn. 27 ff.).

20

Gemessen hieran macht die Beklagte vorliegend keine offensichtlichen Fehler im Sinne der vorgenannten Vorschriften geltend. Eine etwaige Fehlerhaftigkeit der streitgegenständlichen Abrechnungen der Klägerin (mit der nachfolgend unter Gliederungspunkt b) genannten Ausnahme) fällt vielmehr keineswegs ohne weiteres „ins Auge“, vielmehr bedürften die umfangreichen Darlegungen der Beklagten, weshalb sich aus tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen der Klägerin ergeben soll, einer vertieften Prüfung des gesamten, sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckenden, Abrechnungsvorgangs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Gerade dies soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber gerade dem Rückforderungsprozess des Kunden überlassen werden.

21

b) Begründet ist die Berufung jedoch, soweit in der seitens der Klägerin berechneten Restforderung Kosten für neun Mahnungen enthalten sind, soweit für die einzelnen Mahnungen über einen jeweiligen Betrag von 2,50 € hinaus 4,50 € geltend gemacht werden, insgesamt mithin 18 €. Insoweit ist ein Zahlungsanspruch nicht schlüssig dargelegt worden.

22

Der Senat hat die Klägerin mit Beschlüssen vom 11. Januar und 18. Mai 2012 darauf hingewiesen, dass er nach seiner ständigen Rechtsprechung pauschale Mahngebühren, jedenfalls ohne nähere Darlegung des Gläubigers, lediglich in Höhe von 2,50 € anerkennt. Auf die Ausführungen in den genannten Beschlüssen wird Bezug genommen. Die Klägerin hat im Folgenden nicht näher dargelegt, dass und aus welchen konkreten Gründen die vom Senat im Regelfall angesetzte Höhe ihre diesbezüglich tatsächlich entstehenden Kosten (vgl. dazu Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 27 AVBWasserV Rn. 216) nicht deckt.

23

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 3. Februar 2012 (S. 2 = Bl. 299 d. A.) pauschal bestritten hat, dass überhaupt die oben genannten Mahnungen seitens der Klägerin erfolgt sind, ist dieses erstmalig in der Berufungsinstanz gehaltene Verteidigungsvorbringen jedenfalls nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind. Ob das pauschale Bestreiten der Beklagten, die seitens der Klägerin behaupteten 13 Mahnschreiben erhalten zu haben, nicht schon bereits nach § 138 Abs. 1 ZPO wegen Verstoßes gegen das Wahrheitsgebot unbeachtlich ist (festzustellen ist insoweit allerdings, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2011 auf S. 5 ff. selbst auf diverse Mahnschreiben der Klägerin Bezug nimmt), kann deshalb dahinstehen.

24

c) Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nach §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 BGB begründet.

25

3. Zu Recht hat das Landgericht die Klägerin auch gemäß § 33 Abs. 2 AVBWasserV, § 273 Abs. 1 BGB als berechtigt angesehen, die Versorgung mit Wasser einzustellen und von der Beklagten zur Durchsetzung dieses Rechtes die Zutrittsgewährung zu den Versorgungseinrichtungen für einen Mitarbeiter zu verlangen (§ 16 AVBWasserV).

26

a) Dass zwischen den Parteien weiterhin ein Vertragsverhältnis in Bezug auf die Lieferung von Wasser besteht, ist zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz nicht mehr streitig. Im Übrigen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil unter Ziffer II. 1. Bezug.

27

b) Der Klägerin steht gegen die Beklagte, wie oben unter Ziffer 2. ausgeführt, ein Zahlungsanspruch in Höhe von 3.364,87 € zu. Dass dieser Anspruch aus den Verträgen über die Lieferung von Strom und Gas beruht, ist unschädlich.

28

Die dem Wasserversorgungsunternehmen in § 33 Abs. 2 AVBWasserV eingeräumte Befugnis, die Wasserversorgung zwei Wochen nach Androhung zu unterbrechen, sofern der Kunde Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht erfüllt, ist eine besondere Ausgestaltung der Leistungsverweigerungsrechte nach §§ 273, 320 BGB. Die Vorschrift tritt im Energieversorgungsbereich nicht an die Stelle der im Bürgerlichen Gesetzbuch jedermann eingeräumten Leistungsverweigerungsrechte, sondern stellt zu Gunsten des Kunden lediglich zusätzliche Erfordernisse für die Inanspruchnahme dieser Rechte durch das Versorgungsunternehmen auf. Das bedeutet, dass bei einer Liefersperre neben der in § 33 Abs. 2 AVBWasserV vorgeschriebenen ausdrücklichen Mahnung und Androhung auch den allgemeinen Anforderungen der §§ 273 oder 320 BGB genügt sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1991 - VIII ZR 190/90, juris Rn. 10). Beruhen - wie vorliegend - die nicht erfüllte Zahlungsverpflichtung und der Anspruch des Versorgungskunden auf Versorgung, deren Einstellung der Versorger angedroht hat, nicht auf ein und demselben gegenseitigen Vertrag, kommt als Grundlage für eine Liefersperre allein § 273 BGB in Betracht. Danach müssen die Verpflichtung des Schuldners und sein Anspruch, wegen dessen Nichterfüllung er die von ihm geschuldete Leistung zurückbehalten will, aus „demselben rechtlichen Verhältnis“ stammen. Dieser Begriff ist weit auszulegen. Er erfordert nicht, dass die sich gegenüberstehenden Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis beruhen. Vielmehr genügt es, wenn ihnen ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zu Grunde liegt, beide also, falls sie - wie hier - eine vertragliche Grundlage haben, aus Rechtsgeschäften hervorgegangen sind, die in einem solchen natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den der anderen Seite zustehenden geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte (vgl. BGH, a. a. O., juris Rn. 12 f.).

29

Diese Voraussetzungen werden von der ganz überwiegenden Rechtsprechung und Literatur im Fall der Einstellung der Versorgung wegen Rückständen aus anderen Versorgungssparten jedenfalls dann bejaht, wenn - wie unstreitig vorliegend der Fall - die Versorgung zwischen denselben Parteien erfolgt, über denselben Hausanschluss, im selben Lebensbereich und zu demselben Zweck, nämlich der Versorgung ein- und derselben Wohnung des Versorgungsnehmers (vgl. z. B. OLG Celle, Urteil vom 12. Mai 2010 - 8 U 206/09, juris Rn. 36; LG Bremen, Urteil vom 4. Juni 2007 - 4 O 623/07, juris Rn. 24; LG Saarbrücken, Urteil vom 2. August 2002 - 13 AS 19/02, juris Rn. 10; LG Magdeburg, Urteil vom 2. Juli 1996 - 2 S 250/96, juris Rn. 8; Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 33 AVBWasserV Rn. 80 f.; anderer Ansicht dagegen: AG Kerpen, Urteil vom 24. März 2009 - 22 C 20/08, juris Rn. 27; AG Lübeck, Urteil vom 6. November 2006 - 22 C 2737/06, juris Rn. 29; Sanders, RdE 1981, 146, 149; Herrmann in Herrmann/Recknagel/ Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, Stand 1984, § 33 AVBV Rn. 28).

30

Der Senat schließt sich der o. g. herrschenden Auffassung an. Jedenfalls dann, wenn - wie unstreitig vorliegend gegeben - die Versorgung aus unterschiedlichen Energiesparten zwischen denselben Parteien über denselben Hausanschluss erfolgt und einem einheitlichen Zweck dient, nämlich der Versorgung ein- und derselben Wohnung, sind die unterschiedlichen Versorgungen zur Befriedigung von gleichartigen Bedürfnissen in einem solchen Maße bestimmt, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, die Versorgung aus der einen Sparte für dieselbe Wohnung des Versorgungsnehmers ohne Rücksicht auf Zahlungsrückstände aus einer anderen Versorgungssparte zu beanspruchen.

31

c) Dass die Klägerin die Beklagte hinsichtlich des Zahlungsrückstands gemahnt und angedroht hat, die Versorgung nach Ablauf von zwei Wochen nach Androhung einzustellen, ist erstinstanzlich unstreitig gewesen. Wegen des - unbeachtlichen - zweitinstanzlichen Bestreitens der Beklagten, seitens der Klägerin gemahnt worden zu sein, wird auf die Ausführungen oben unter Ziffer II. 2. b) verwiesen.

32

d) Die Beklagte hat schließlich auch nicht dargelegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und hinreichende Aussicht besteht, dass die Beklagte ihren Verpflichtungen nachkommt.

33

aa) Es fehlt bereits an der (kumulativen) Voraussetzung, dass eine hinreichende Aussicht besteht, dass die Beklagte ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird (vgl. dazu im Überblick Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 33 AVBWasserV Rn. 140 f.). Die Beklagte macht noch nicht einmal geltend, dass sie beabsichtigt, die Rückstände demnächst begleichen zu wollen - was im Übrigen auch nicht ausreichend wäre, um eine hinreichende Zahlungsaussicht bejahen zu können (vgl. Schütte/Horstkotte, a. a. O.) - vielmehr vertritt die Beklagte gerade die Auffassung, dass ein Zahlungsanspruch der Klägerin nicht gegeben ist. Dann aber besteht gerade keine hinreichende Aussicht, dass die Beklagte ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.

34

bb) Daneben vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen.

35

Die Frage, ob die Folgen der Versorgungsunterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Erforderlich ist eine Abwägung, bei der alle Interessen der Parteien zu berücksichtigen sind (vgl. im Überblick Schütte/ Horstkotte, a. a. O., § 33 AVBWasserV Rn. 132 ff.; aus der Instanzrechtsprechung z. B. LG Düsseldorf, Urteil vom 8. Februar 2006 - 34 O (Kart) 219/05, juris Rn. 26 f.). Nach dieser Maßgabe vermag der Senat eine Unverhältnismäßigkeit nicht zu erkennen. Die rückständige Forderung beträgt 3.364,87 € und damit (erheblich) mehr als der in der vergleichbaren Vorschrift des § 19 Abs. 2 StromGVV ausdrücklich genannte Mindestbetrag von 100 €. Auch der bloße Umstand, dass - wie die Beklagte geltend macht - von der Unterbrechung der Wasserversorgung neben ihr noch drei weitere Familienangehörige sowie drei Kanzleimitarbeiter betroffen wären, kann es nicht rechtfertigen, von einer Unverhältnismäßigkeit auszugehen. Dass - gegebenenfalls auch mehrere - Personen die Folgen einer Einstellung der Wasserversorgung zu spüren bekommen, ist der Vorschrift des § 33 Abs. 1, 2 AVBWasserV immanent. Das Vorliegen derartiger, im Regelfall gegebener, Umstände kann es daher nicht rechtfertigen, hieraus auf den Ausnahmefall des § 33 Abs. 2 Satz 2 1. HS. AVBWasserV zu schließen.

36

Unabhängig von den vorstehend gemachten Ausführungen kommt die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit vorliegend aber von vornherein nicht in Betracht, da die Beklagte - wie oben unter Ziffer II. 2. ausgeführt - ohne rechtlichen Grund die Zahlung verweigert und sie den durch eine Liefersperre entstehenden Zustand durch vertragsgemäßes Verhalten selbst abwenden oder beseitigen kann (vgl. dazu Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 33 AVBWasserV Rn. 132 a. E., 137), zumal sie hierzu nach eigenem Bekunden (vgl. Berufungsbegründung S. 3 f. = Bl. 263 f. d. A.) finanziell ohne weiteres in der Lage ist.

37

cc) Schließlich ist nach dem Vorbringen der Beklagten auch nicht ersichtlich, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts vorliegend eine unzulässige Rechtsausübung darstellt (vgl. dazu im Überblick Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 33 AVBWasserV Rn. 153 ff.).

III.

38

1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Zahlungsanspruch teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, bedarf es keiner gesonderten Ausführungen dazu, welche Partei insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Selbst wenn dies nämlich die Klägerin wäre, würde es nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dabei bleiben, dass die Beklagte insgesamt zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet wäre.

39

2. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt in Bezug auf den Zahlungsausspruch aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und in Bezug auf die Verurteilung zur Duldung aus § 709 Satz 1 ZPO.

40

3. Die Revision war zuzulassen, soweit die Berufung der Beklagten bezüglich Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Urteils (Zutrittsgewährung und Duldung) zurückgewiesen worden ist. Im Hinblick darauf, dass - wie ausgeführt - in Rechtsprechung und Literatur die Frage unterschiedlich beurteilt wird, ob eine Einstellung der Versorgung auch wegen Rückständen aus anderen Versorgungssparten gerechtfertigt sein kann, erscheint eine höchstrichterliche Klärung erforderlich. Im Übrigen (Verurteilung zur Zahlung) war die Revision nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO insoweit nicht vorliegen.

41

4. Der Streitwertfestsetzung hat der Senat seine Rechtsprechung zugrunde gelegt, dass sich der Anspruch des Versorgers auf Gewährung des Zutritts und Duldung der Sperrung des Zählers regelmäßig nach dem Sechsfachen der monatlichen Abschlagszahlungen bemisst (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 13 W 17/10, juris Rn. 5 f.). Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin bis zum Schriftsatz vom 2. Oktober 2012, eingegangen bei Gericht am 4. Oktober 2012, Abschlagszahlungen für den Wasserbereich von 116 € monatlich und ab diesem Zeitpunkt solche in Höhe von nur noch 70 € geltend gemacht hat.

 


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