Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-18 U 153/13
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.07.2013 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin trägt diese selbst.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
I.
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 25.611,39 € nebst Zinsen im Zusammenhang mit einem behaupteten Transportgeschäft in Anspruch.
3Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 306 ff. GA) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
4Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen H..., A...-T... und S... mit Urteil vom 30.07.2013 stattgegeben. Der Klägerin komme der begehrte Anspruch gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation in voller Höhe zu. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Transport beauftragt habe. Unstreitig habe die Klägerin die Beklagte am 20.05.2010 mit der Durchführung von Transporten von zwei verschiedenen Ladestellen zu drei verschiedenen Entladestellen beauftragt, ohne dass die konkret zu transportierenden Waren schon bezeichnet gewesen seien. Lediglich deren maximaler Umfang sei festgeschrieben worden. Wie die Beweisaufnahme ergeben habe, sei die Beklagte bei der späteren Konkretisierung nicht nur mit dem Transport der Waren, über die Frachtbriefe ausgestellt worden seien, sondern zugleich mit dem Transport der streitgegenständlichen Ware beauftragt worden, welche der Zeuge H... am 21.05.2010 auch tatsächlich aufgenommen habe. Aufgrund der Vernehmung sämtlicher Zeugen bestehe kein Zweifel daran, dass der Zeuge H... die Anlage K 1, deren widersprüchliche Angaben die Klägerin zuletzt plausibel erklärt habe, unterzeichnet und in diesem Zusammenhang die streitgegenständliche Palette aufgenommen habe. Die Zeugen S... und A...-T... hätten auch nachvollziehbar erläutert, weshalb die in der Anlage K 1 aufgeführten Daten mit den tatsächlichen Be- und Entladedaten nicht übereinstimmten. Diese hätten zudem plausibel dargestellt, dass die Ausstellung eines CMR-Frachtbriefes zum fraglichen Zeitpunkt systembedingt nicht möglich gewesen sei. Der Zeuge H... sei im Rahmen des Transportrahmenvertrages auch ermächtigt gewesen, die Ware aufzunehmen. Unstreitig sei er hierzu bezüglich der weiteren Waren befugt gewesen. Weshalb sich das hinsichtlich der streitgegenständlichen Ware anders verhalten haben solle, obgleich diese vom Rahmenvertrag ebenfalls umfasst gewesen sei, lege die Beklagte nicht dar. Ebenso fehle es an Vortrag dazu, dass sie die Klägerin darauf hingewiesen habe, dass der Unterfrachtführer bzw. Zeuge H... nur eingeschränkt annahmeberechtigt gewesen sein soll. Von daher habe die Klägerin zumindest unter Heranziehung der Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht von einer Berechtigung, die Ware entgegenzunehmen, ausgehen dürfen. Demgegenüber fehle es am beklagtenseits zu erbringenden Nachweis, dass die Beklagte die Ware abgeliefert habe. Die Anlage B 7 stelle mangels Unterschrift keine Ablieferungsquittung dar. Die Beweiswirkungen einer Urkunde kämen ihr nicht zu. Der Zeuge H... habe an den konkreten Vorgang keine Erinnerung gehabt. Hinzu komme, dass nicht plausibel sei, weshalb die Streithelferin die Entgegennahme auf den Frachtbriefen nicht nur mittels Stempels sondern auch mit Unterschrift bestätigt habe, auf der Anlage B 7 aber lediglich einen Stempel aufgebracht haben soll. Die Beklagte hafte wegen qualifizierten Verschuldens ihrer Unterfrachtführerin im Sinne von Art. 29 CMR unbeschränkt. Dieses sei zu Lasten der Beklagten zu vermuten, da der Schadenshergang völlig im Dunkeln liege und die Beklagte ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei. Ein etwaiges Mitverschulden komme nicht in Betracht. Die Nichtausstellung eines Frachtbriefes sei nicht vorwerfbar, da eine entsprechende Verpflichtung – auch im internationalen Transportgeschäft – nicht bestanden habe. Etwaige Organisations- und Transportpflichten, welche die Klägerin gegenüber ihrer Auftraggeberin gehabt hätte, wirkten nicht zu Gunsten der Beklagten. Wegen der Schadenshöhe sei deutsches Recht anwendbar, nachdem die Parteien unstreitig einen deutschen Gerichtsstand gewählt und die ADSp in den Vertrag einbezogen hätten und damit eine stillschweigende Rechtswahl im Sinne von Art. 3 Rom I-VO getroffen hätten. Wegen der Schadenshöhe greife zu Gunsten der beweispflichtigen Klägerin ein Anscheinsbeweis. Denn bei kaufmännischen Absendern spreche ein solcher dafür, dass verschlossene Behältnisse, die in dem Lieferschein und der korrespondierenden Rechnung aufgeführte Ware enthielten, wobei es nicht zwingend sowohl der Vorlage von Lieferscheinen als auch der Rechnungen bedürfe. Vorliegend ergäben sich hier an der Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorgelegten Unterlagen keine Bedenken, da sich die Einzelpositionen der vorgelegten Rechnungen ohne Weiteres über die Transportnummer dem Quittungsschein (Anlage K 1) zuordnen ließen. Gesichtspunkte, welche durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Zuordnung begründen könnten, seien ebenso wenig vorgetragen wie sonstige Aspekte, welche die Vermutungswirkung erschüttern könnten. Angesichts des anzunehmenden qualifizierten Verschuldens der Beklagten sei nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR auch keine Verjährung eingetreten. Ebenso gehe der Verwirkungseinwand ins Leere. Allein der Umstand, dass die Klägerin den Zeitraum der Verjährung lange ausgenutzt habe, genüge hierfür nicht. Die Klägerin habe der Beklagten weiterhin nicht die Möglichkeit eines Regresses gegen den Unterfrachtführer genommen, da der Beklagten aufgrund der binnen nicht rechtsverjährter Zeit erhobenen Klage dieselben Möglichkeiten des Regresse gegen ihre Unterfrachtführerin zugestanden hätten. Ohne Bedeutung sei, dass der Klägerin noch kein Schaden entstanden sei, da sie bislang keine Zahlung an den Versicherer ihrer Auftraggeberin geleistet habe, weil ihr die Ansprüche nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation zukämen. Die Zinsforderung rechtfertige sich aus Verzug.
5Hiergegen hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Sie mache als Absenderin mit der Behauptung, einen Drittschaden zu liquidieren, einen Anspruch gemäß Art. 17 CMR geltend, weil sie angeblich von der Transportversicherung in Regress genommen werde. Tatsächlich sei ihr jedoch kein Schaden entstanden, der im Wege der Drittschadensliquidation geltend gemacht werden könne. Die CMR regele nicht, wer Gläubiger des Ersatzanspruchs nach Art. 17 CMR sei. Der zur Verfügung über das Transportgut berechtigte Absender und Vertragspartner des Frachtführers könne diesen Anspruch jedoch geltend machen, wenn ihm nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht die Aktivlegitimation zustehe. Soweit die Klägerin die Beklagte aus einem – bestrittenen – Transportauftrag in Anspruch nehmen könne, könne ihr Anspruch daher lediglich auf Freistellung nach § 257 BGB gerichtet sein. Überdies sei die Beweiswürdigung in Bezug auf die Anlage K 1 bzw. B 7 und die hieraus abgeleitete Feststellung, die streitgegenständliche Ware sei dem Zeugen H... am 21.05.2010 übergeben worden, nicht haltbar. Gemäß § 416 ZPO begründeten Privaturkunden, die vom Aussteller unterschrieben seien, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden seien. Wenn das Landgericht dies trotz der ausschließlichen Fremdsprachigkeit des Zeugen H... bejahe, so hätte es in der Person des Zeugen ermitteln müssen, ob die Angabe des Verladedatums von der Unterschrift gedeckt war oder nicht. Bestünden Zweifel, dass der gesamte Inhalt der Urkunde vom Äußerungswillen des Ausstellers gedeckt ist, so könnten sich diese mangels anderer Anhaltspunkte nur auf die Urkunde in ihrer Gesamtheit beziehen und nicht nur auf Teile derselben, wenn der Aussteller sich nicht in der Lage sähe zu bestätigen, was er seinerzeit quittiert haben wollte. Nicht gewürdigt habe das Landgericht zudem den widersprüchlichen Prozessvortrag der Klägerin, die sogar unter anderem auf Nachfrage des Gerichts im Termin zur Beweisaufnahme vom 21.08.2012 klargestellt habe, dass der Zeuge A...-T... weiterhin zu dem Thema gemäß Beweisbeschluss vom 17.04.2012 benannt bliebe. Auch vor diesem Hintergrund erscheine die Aussage des Zeugen S..., der für die Klägerin arbeite, zweifelhaft. Dieser wolle sich zudem einerseits daran erinnern, die Palette am 21.05.2010 verladen zu haben, habe aber nicht bestätigen können, dass er sie dem im Termin anwesenden Zeugen H... übergeben habe. Auch habe der Zeuge keine Erinnerung daran gehabt, weswegen die Daten in dem als Anlage K 1 bzw. B 7 vorgelegten Dokument nicht handschriftlich korrigiert worden seien. Zudem sei unberücksichtigt geblieben, dass die Klägerin den Transport völlig sorglos und unzureichend organisiert habe und das Papier gemäß Anlage K 1 bzw. B 7 kein Übernahmepapier habe darstellen können. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht weiterhin die Unterschriftsleistung des Zeugen H... als Annahme eines etwaigen Transportauftrags durch die Beklagte gewertet habe. Über die streitgegenständliche Sendung seien – anders als für die übrige Fracht - keinerlei Frachtpapiere ausgestellt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im grenzüberschreitenden Verkehr ohne die Ausstellung von Frachtbriefen bereit gewesen sei, eine zusätzliche Beauftragung und damit Konkretisierung ihres Frachtauftrages durch den Fahrer ihres Unterfrachtführers entgegenzunehmen, gäbe es nicht. Der Zeuge A...-T... habe im Gegenteil ausgesagt, dass es nur deshalb entbehrlich gewesen sei, vorab den konkreten Umfang eines Transportauftrages zu bestimmen, weil darüber immer ein CMR-Frachtbrief ausgestellt werde. Ferner habe er bekundet, dass die Konkretisierung regelmäßig erst am Ladetag erfolge, soweit keine Besonderheiten gegeben seien, die bereits vorab aufgenommen würden. Solche hätten hier vorgelegen, da für die Entladung im konkreten Fall ein Hydraulic-Lift bereit zu halten gewesen sei. Überdies hätten die Parteien die Geltung der ADSp vereinbart. Nach Ziffer 6 ADSp habe der Auftraggeber aber bei besonders wertvollen oder diebstahlsgefährdeten Gütern bzw. solchen mit einem Wert von 50 € pro kg oder mehr, den Spediteur rechtzeitig vor Übernahme schriftlich zu informieren, damit dieser die Möglichkeit habe, über die Annahme des Gutes zu entscheiden und Maßnahmen für eine sichere und schadenfreie Abwicklung des Auftrages zu treffen. Zu Unrecht habe das Landgericht weiterhin angenommen, die Klägerin habe nach den Grundsätzen der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht von einer weiteren Konkretisierung des Frachtauftrages durch den Fahrer allein durch die Übernahme der Palette ausgehen dürfen. Hierfür gebe der Sachverhalt nichts her. Es fehle vor allem an einen Rechtsschein, der regelmäßig nur durch ein Verhalten von einiger Häufigkeit und Dauer erzeugt werden könne. Entsprechend fehle es auch an Sachvortrag zu den Voraussetzungen einer Duldungsvollmacht. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht ferner ein qualifiziertes Verschulden vermutet, da eine dahin gehende Vermutung voraussetze, dass der Absender überhaupt einen Sachverhalt darlege, der den Frachtführer veranlassen könne, sich um eine diesbezügliche Aufklärung zu bemühen. Hier habe sich die Klägerin indes mit einer Haftbarhaltung mit zudem fehlerhaften Angaben begnügt. Auch der Umstand, dass der Zeuge H... den Quittungsstempel als ausreichenden Ablieferungsbeleg angesehen habe, könne angesichts der Tatsache, dass sich die Streithelferin nicht dazu erklärt habe, dass sie den „Speditionsauftrag“ mit einem Quittungsstempel versehen habe, nicht als qualifiziertes Verschulden gewertet werden. Letztlich könne sich die Klägerin schon deshalb nicht auf ein qualifiziertes Verschulden berufen, weil sie sich selber in hohem Maße leichtfertig verhalten habe. Der Sachvortrag zur Schadenshöhe sei unzureichend. Es sei weder Aufgabe des Gerichts noch der Beklagten zu rekonstruieren, inwiefern die als Wiederholungsausdrucke vorgelegten Auftragsbestätigungen mit den 20 Positionsnummern in den Anlagen K 1/B 7 korrespondieren. Zudem lasse sich weder dem Vorbringen der Klägerin noch dem Anlagenkonvolut K 2 entnehmen, was mit den Positionsnummern bezeichnet sei. Sofern es sich hierbei um Lieferscheinnummern handeln sollte, sei festzuhalten, dass z.B. die Positionsnummern 8…. und 8…. nicht als Lieferscheinnummern in der Anlage K 2 aufzufinden seien. Zudem beträfen die Auftragsbestätigungen häufig dieselbe Lieferscheinnummer, so dass ohne Vorlage der Lieferscheine der Warenwert dessen, was angeblich verladen worden sein soll, nicht plausibel sei. Mangels qualifizierten Verschuldens greife auch der Verjährungseinwand. Schließlich hätte das Landgericht mangels Unschlüssigkeit der Klage auch keinen Zeugenbeweis erheben dürfen, so dass die hierdurch entstandenen Kosten nach § 21 GKG niederzuschlagen seien.
6Die Klägerin möchte die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wissen und verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Zutreffend habe das Gericht eine Übernahme der Palette durch den Zeugen H... festgestellt. So habe der Zeuge H... die als Anlage K 1/B 7 vorgelegte Urkunde vorbehaltlos gezeichnet und damit die Übernahme bestätigt. Ferner sei eine Übernahme auch durch die Aussagen der Zeugen S... und A...-T... bestätigt worden. Eine Ablieferung habe die Beklagte nicht nachgewiesen. Ein etwaiges Fehlverhalten ihrer Unterfrachtführerin müsse sich die Beklagte nach Art. 3 CMR zurechnen lassen. Als Auftraggeberin der Beklagten sei die Klägerin auch aktivlegitimiert, da sie als solche sowohl den eigenen als auch vorsorglich jeden Drittschaden geltend machen könne. Trotz ordnungsgemäßer Übergabe der Güter habe die Beklagte bis heute ferner nicht dargelegt, was mit den Gütern passiert sei, so dass die Grundsätze der sekundären Darlegungslast Anwendung fänden.
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
8Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er den Nachweis, dass die streitgegenständliche Palette bei der Streithelferin abgeliefert worden ist, als erbracht ansieht.
9II.
10Die zulässige Berufung hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
111.
12Die – auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 31 Abs. 1 Satz 1 lit. b) CMR, der auf die Frachtverträge der Parteien nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 CMR Anwendung findet. Denn die Parteien streiten um Forderungen aus einem Vertrag über eine entgeltliche Beförderung, da die tatsächliche Übernahme des Beförderungsguts in Deutschland erfolgt ist und die Ablieferung der streitgegenständlichen Ware in Tschechien stattfinden sollte, also einem anderen CMR-Vertragsstaat. Unerheblich für die Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 1 Abs. 1 CMR ist vorliegend, ob die Beklagte als Frachtführerin oder Spediteurin tätig geworden ist, da sie aufgrund der Vereinbarung eines festen Preises von 1.100,00 € jedenfalls als Fixkostenspediteurin nach § 459 HGB tätig geworden wäre und damit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in Erfüllung ihrer Verpflichtungen als Spediteurin dem Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 CMR unterfiele (BGH, TranspR 2008, 323 ff.).
132.
14Zu Unrecht hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten bejaht. Der Klägerin kommen keine Schadensersatzforderungen gemäß Art. 17 Abs. 1, 23 Abs. 1, 29 Abs. 1 CMR i.V.m. § 435 HGB, der hier nach Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend Anwendung findet, zu. Ungeachtet der Aktivlegitimation der Klägerin und der Frage, ob die streitgegenständliche Palette vom Transportauftrag umfasst war, kommen Schadensersatzansprüche aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht, da zwar davon auszugehen ist, dass die Unterfrachtführerin der Beklagten die Palette übernommen hat, jedoch weitergehend auch bei der Streithelferin der Klägerin abgeliefert hat.
15Im Einzelnen:
16a.
17Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagte durch ihre Unterfrachtführerin bzw. den Zeugen H..., dessen Verhalten sie sich nach Art. 3 CMR zurechnen lassen muss, die streitgegenständliche Ware am 21.05.2010 übernommen. Der Berufung sind keine konkreten Anhaltspunkte im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu entnehmen, welche Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründen.
18Offen bleiben kann insoweit, ob und welche Wirkungen die als Anlage K 1 vorgelegte Übernahmequittung nach §§ 416, 440 ZPO zeitigt und welche Folgen sich einerseits daraus ergeben, dass die Daten in der Übernahmequittung (Anl. K 1) nicht den tatsächlichen Belade- und Entladedaten entsprechen, und andererseits aus dem Umstand, dass der Zeuge H... der deutschen Sprache nur sehr eingeschränkt mächtig ist und sich daher nach eigenem Bekunden allgemein darauf beschränkt hat, die Sendungsposten und die Posten, die auf den Papieren standen, zu überprüfen.
19Allein die Tatsache, dass der Zeuge H... glaubhaft bestätigt hat, die Quittung unterschrieben zu haben, und weiter angegeben hat, zwar nicht alles auf den von ihm unterzeichneten Papieren zu verstehen, jedoch die Posten abzugleichen, genügt für die Annahme, dass er die streitgegenständliche Ware übernommen hat. Denn ausgehend von Vorstehendem ist davon auszugehen, dass der Zeuge jedenfalls die Lieferscheinnummern auf der Quittung mit der geladenen Ware abgeglichen hat.
20Dessen ungeachtet stützt das Landgericht seine Feststellungen auch auf die Angaben der Zeugen S... und A...-T.... Der Zeuge S... hat explizit bekundet, bei der Beladung des Lkw mit der fraglichen Ware zugegen gewesen sein, und nachvollziehbar erläutert, weshalb er sich an das Geschehen noch erinnern konnte. Seine Angaben korrespondieren auch mit der Aussage des Zeugen A...-T..., der zwar nach eigenen Angaben bei der Verladung nicht zugegen war, jedoch das gesamte Randgeschehen, insbesondere die Besonderheiten, die hier zu einem fehlenden CMR-Frachtbrief geführt haben sollen, identisch und nachvollziehbar schilderte. Gesichtspunkte, welche gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts, welches die Aussagen sämtlicher Zeugen als glaubhaft eingestuft hat, eine erneute Beweisaufnahme gebieten würden, zeigt die Berufung nicht auf.
21Der Umstand, dass für die übrige Ware – wie üblich – gegengezeichnete Frachtbriefe existierten, genügt hierfür nicht. Vielmehr haben die Zeugen S... und A...-T..., wie vom Landgericht ausgeführt, nachvollziehbar erläutert, weshalb die Ausstellung eines Frachtbriefs durch den zur maßgebenden Zeit allein anwesenden Zeugen S... nicht möglich war, so dass die Anweisung erteilt worden war, sich eine reine Quittung auf dem Ausdruck des Speditionsauftrags erteilen zu lassen. Weshalb die Daten hierauf nicht den tatsächlichen Daten entsprachen, wurde gleichermaßen plausibel dargestellt. Nichts anderes folgt im Hinblick darauf, dass der Zeuge S... keine Erklärung dafür hatte, weshalb die Daten nicht korrigiert worden waren, und sich nicht an den Zeugen H... zu erinnern vermochte. Ersteres könnte, nachdem oben rechts auf der Quittung das korrekte Datum des Ausdrucks vermerkt war, in der Eile gar nicht aufgefallen sein. Jedenfalls ließe eine Nachlässigkeit nicht darauf schließen, dass der Zeuge falsche Angaben gemacht hat. Auch der Umstand, dass er sich an den Fahrer nicht erinnern konnte, begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Da er sich – gerade im Nachgang – mehrfach mit dem Vorgang befassen musste, mithin auch der konkreten Sendung, leuchtet ein, dass er gerade an die Sendung und deren – unter eher unüblichen Umständen - erfolgte Übergabe eine Erinnerung hatte. Welche Person diese Sendung entgegengenommen hatte, war für ihn indes vermutlich vergleichsweise irrelevant und zudem nicht Gegenstand der wiederholten Befassung mit dem Vorgang, so dass ohne Weiteres einsichtig ist, dass er hierzu keine Angaben machen konnte. Dieser Umstand für sich genommen könnte sogar – im Gegenteil – für die Glaubhaftigkeit der Aussage sprechen, da der Zeuge gerade nicht sämtliche Angaben der Klägern bestätigte, sondern – ebenso wie die übrigen Zeugen – Erinnerungslücken einräumte.
22Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, weshalb das Prozessverhalten der Klägerin die Aussagen der Zeugen in einem anderen Licht erscheinen lassen sollte. Zudem hat die Klägerin nach Vernehmung des Zeugen A...-T... – auch wenn sie zunächst an dem alten Beweisthema festhielt - ihren – möglicherweise auf Fehlinformationen beruhenden Sachvortrag korrigiert, der auch durch die nachfolgenden Angaben der übrigen Zeugen bestätigt worden ist.
23b.
24Vorliegend sind jedoch konkrete Anhaltspunkte im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegeben, welche vorliegend eine Abänderung der landgerichtlichen Feststellungen gebieten, soweit das Landgericht den von der Beklagten zu erbringenden Beweis für die Ablieferung der Ware als nicht erbracht angesehen hat.
25Zwar vermochte sich der Zeuge H... insoweit nicht zu erinnern. Auch ist das als Anlage B 7 (Bl. 53 GA) vorgelegte abgestempelte, aber nicht unterzeichnete Exemplar des „Speditionsauftrages“ allein für sich genommen nicht ausreichend, entsprechenden Beweis zu erbringen. Eine Gesamtwürdigung der Umstände führt jedoch zu der nach § 286 ZPO erforderlichen Überzeugung des Senats, dass die streitgegenständliche Ware bei der Streithelferin abgeliefert worden ist.
26Nach den glaubhaften Angaben der Zeugen A...-T... und S... waren die CMR-Frachtbriefe und Sendelisten für den streitgegenständlichen Transport bereits abschließend erstellt und die gesamte Sendung der Streithelferin bereits avisiert, als sich nachträglich ergab, dass noch Platz auf dem LKW war für eine ebenfalls bereits versandfertige, wenn auch erst für einen späteren Transporttermin vorgesehene Fracht, nämlich die streitgegenständliche Palette mit Elektronikartikeln. Wie die Zeugen A….-T…. und S... bekundet haben, war es in einem solchen Fall üblich, wenn der Sammelgutdisponent nicht mehr im Hause war wie hier, Ersatzfrachtpapiere in Form des Speditionsauftrags (Anl. B 7, Bl. 53 GA, bzw. K 1, Bl. 63 GA) zu erstellen, weil aus dem Lager heraus keine Ergänzung des Frachtbriefs möglich war. Ein Exemplar dieser Papiere ließ man von dem Fahrer als Übernahmequittung unterzeichnen und behielt es ein. Mindestens zwei weitere Exemplare wurden dem Fahrer mitgegeben. So soll es sich jedenfalls nach der glaubhaften Aussage des Zeugen S..., der sich sicher war, dem Zeugen H... als Fahrer mindestens zwei Exemplare übergeben zu haben, im streitgegenständlichen Fall verhalten haben. Tatsächlich muss auch mindestens ein Exemplar bei der Streithelferin angekommen sein, da es keine andere Erklärung für den auf der Anlage B 7 (Bl. 53 GA) aufgebrachten Stempel der Streithelferin gibt. Soweit die Klägerin hierzu auf die Art und Weise der Auftragserteilung verwiesen hat, kann dem nicht gefolgt werden. Diese soll zwar nach Vortrag der Klägerin grundsätzlich dergestalt erfolgen, dass neben einer direkten Beauftragung der Beklagten durch die Klägerin selbst die Beklagte dadurch beauftragt wird, dass die Klägerin die maßgeblichen Aufträge, Speditionsaufträge und CMR-Frachtbriefe der Streithelferin per E-Mail zuleitet, welche die maßgebenden Unterlagen sodann abstempelt und auf Bitten der Klägerin dann an die Beklagte weiterleitet. Die Beklagte erhalte dann in abgestempelter Fassung den entsprechenden Auftrag und führe diesen durch. Der hierzu eigens benannte Zeuge A...-T... hat Dergleichen aber nicht bestätigt. Eine derartige Übung sei ihm nicht bekannt. Damit kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin Aufträge an die Beklagte über die Streithelferin erteilt hat, wo sie abgestempelt wurden. Das wäre zudem völlig untypisch.
27Hiervon ausgehend muss ein Exemplar des Speditionsauftrags mit den anderen Frachtpapieren bei der Streithelferin abgegeben worden sein. Dort muss es gestempelt und dem Fahrer des abliefernden Unterfrachtführers, der E…. I… s…., als Quittung überlassen worden sein. Anders ist nicht erklärlich, wie die Unterfrachtführern in den Besitz des abgestempelten Exemplars gelangt ist. Hiermit korrespondiert zudem, dass die Anlage B 7 die Faxkennung der E… I…. s….. und nicht diejenige der Beklagten trägt. Im Übrigen gibt die Beklagte auch eine plausible Erklärung dafür, warum auf der Anlage B 7 - anders als bei den CMR-Frachtbriefen - nur ein Stempel ohne Unterschrift aufgebracht worden ist, indem sie darauf hinweist, wie sich den Anlagen B 5 (Bl. 49 GA) und B 6 (Bl. 51 GA) auch entnehmen lässt, dass zwar die CMR-Frachtbriefe handschriftlich quittiert wurden, nicht aber die Sendungslisten. Gestützt wird die Angabe, dass nicht sämtliche Papiere neben dem Stempel unterzeichnet worden sind auch durch die Angabe des Zeugen H..., den Stempel als wesentlich erachtet zu haben. Hieraus geht jedenfalls hervor, dass – wie den Anlagen B 5 und B 6 zu entnehmen ist -, auch im Übrigen nicht sämtliche der Streithelferin übergebenen Papiere unterzeichnet worden sind. Schließlich hätte die streitgegenständliche Palette dem Zeugen H... spätestens bei der nach der Streithelferin angefahrenen weitere Abladestelle als überzählig auffallen müssen, falls diese versehentlich nicht abgeladen worden sein sollte, so dass er Weiteres veranlasst hätte. Überdies hätte es der Streithelferin oblegen, ihrerseits zu prüfen, ob die Anzahl der abgeladenen Palettten mit den nach den Unterlagen für sie bestimmten Anzahl übereinstimmte.
28Soweit der Klägervertreter auf entsprechenden Hinweis des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die Anlage B 7 der Streithelferin zum Abstempeln „untergejubelt“ worden sein könnte, überzeugt das schon deshalb nicht, weil es sich - wie die Beweisaufnahme ergeben hat – nicht um einen einmaligen Vorgang, sondern eine durchaus übliche Verfahrensweise handelte, mit welcher die Streithelferin mithin vertraut gewesen sein musste.
293.
30Zinsen kann die Klägerin mangels Hauptforderung nicht verlangen.
314.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
335.
34Gründe, nach § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
356.
36Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.611,39 €.
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Referenzen
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- ZPO § 286 Freie Beweiswürdigung 1x
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- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- HGB § 459 Spedition zu festen Kosten 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 21 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- ZPO § 440 Beweis der Echtheit von Privaturkunden 1x
- ZPO § 416 Beweiskraft von Privaturkunden 2x
- BGB § 257 Befreiungsanspruch 1x
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x