Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-6 U 86/15
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 12.05.2015 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und auch im Hinblick auf eine teilweise Antragsrücknahme wie folgt neu gefasst:
Unter Abänderung der einstweiligen Verfügung der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 17.04.2015 wird dem Verfügungsbeklagten bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31.12.2016 untersagt, mittelbar oder unmittelbar steuerberatende Mandate der nachfolgend bezeichneten Personen (soweit nicht durchgestrichen) anzunehmen oder auszuführen:
- diverse Mandanten -
Dem Verfügungsbeklagten wird im Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,- ersatzweise für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden kann, die Anordnung von Ordnungshaft angedroht.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: „Klägerin“), eine Steuerberaterpartnergesellschaft, nimmt den Verfügungsbeklagten (im Folgenden: „Beklagter“) als ihren ehemaligen Partner im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Abwerbung ihrer Mandanten in Anspruch.
4Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils insoweit Bezug genommen, als diese den Feststellungen des Senats nicht widersprechen.
5Zu den Zeiten, als der Beklagte noch mit einem Geschäftsanteil von 90 % an der Klägerin beteiligt war, verfügte die Klägerin über ca. 600 - 700 Mandate, erzielte einen Jahresumsatz von zuletzt € 1,3 Mio. und erwirtschaftete Gewinne in Höhe von € 600.000,- bis € 650.000,-. Der Kaufpreis von € 600.000,- resultierte aus Differenz von € 800.000,- abzüglich € 200.000,- Überzahlungen von Vergütungen, die der Beklagte bereits erhalten hatte.
6Das Landgericht hat mit Verfügung vom 03.06.2015 der Klägerin aufgegeben, das Verfahren in der Hauptsache zu betreiben. Mit Schreiben vom 24.06.2015 hat die Klägerin ein entsprechendes schiedsgerichtliches Verfahren eingeleitet.
7Das Landgericht hat auf den Widerspruch des Beklagten mit der angefochtenen Entscheidung seine einstweilige Verfügung vom 17.04.2015 aufrechterhalten, mit der es dem Beklagten untersagt hat, „in der Zeit bis zu Entscheidung in der Hauptsache, spätestens bis zum 31.12.2016, mittelbar oder unmittelbar steuerberatende Mandate (dies gilt für sämtliche Möglichkeiten der Berufsausübung) von natürlichen oder juristischen Personen anzunehmen, die am 31.12.2014 Mandanten bzw. Auftraggeber der Klägerin waren.“ Der Klägerin stehe ein Verfügungsanspruch zu, da sie gemäß § 19 Abs. 3 des Partnerschaftsvertrags (im Folgenden: „PV“) einen Anspruch darauf habe, dass der Beklagte für die Dauer von 24 Monaten keine Mandate der Klägerin annehme. Der Beklagte sei nämlich im Sinne von § 19 Abs. 3 PV aus der Sozietät ausgeschieden. Mit dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 05.09.2014 und dem freien Mitarbeitervertrag vom 05.09.2014 sei das Ausscheiden des Beklagten aus der Sozietät geregelt worden, das im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den vorgenannten Verträgen gemäß § 17 Abs. 3 PV am 31.08.2014 wegen der Vollendung des 60. Lebensjahres des Beklagten angestanden habe. Für eine solche Sichtweise spreche zunächst, dass in § 7 des Kauf- und Übertragungsvertrags ausdrücklich von dem „Ausscheiden“ des Beklagten die Rede sein, wenn auch nur im Zusammenhang mit dem Recht der Klägerin, dessen Namen weiterhin zu nutzen. Bestätigt werde diese Auslegung auch durch die spätere Handhabung der Klägerin, die Übernahme einiger Mandanten gegen die Zahlung eines Ausgleichsbetrags zu gestatten. Entgegen der Meinung des Beklagten könne darin keine rechtsmissbräuchliche Verhaltensweise erblickt werden. Es bestehe auch ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO. Der Verfügungsgrund sei insbesondere nicht durch langes Zuwarten widerlegt worden. Der Umstand, dass bereits im Januar 2015 drei Mitarbeiter der Klägerin zu dem Beklagten gewechselt seien, sei unschädlich, da die Mandantenschutzklausel es dem Beklagten nicht untersage, in Ratingen weiterhin als Steuerberater tätig zu sein. Allein die Mitteilung eines Mandanten, der Beklagte habe versucht, ihn abzuwerben, stelle noch keinen belegten Verstoß gegen die Mandantenschutzklausel dar. Darüber hinaus habe die Klägerin auf die Einhaltung der Mandantenschutzklausel vertrauen dürfen, weil der Beklagte mit E-Mail vom 27.01.2015, Schreiben vom 24.02.2015 und Schreiben vom 17.03.2015 wiederholt die Bindungswirkung dieser Vereinbarung ausdrücklich bestätigt habe. Eine andere Situation sei erst eingetreten, als der Beklagte der Klägerin Ende März/Anfang April mehrere Mandanten abgeworben habe. Schließlich sei entgegen der Meinung des Beklagten die einstweilige Verfügung auch bestimmt genug, da der Beklagte unschwer durch Nachfrage bei dem jeweiligen Mandanten in Erfahrung bringen könne, ob dieser am 31.12.2014 Mandant der Klägerin gewesen sei.
8Diese rechtliche Würdigung greift der Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung an. Entgegen der Meinung des Landgerichts sei er nicht gemäß § 17 Abs. 3 PV aus der Sozietät ausgeschieden, vielmehr hätten er und die beiden anderen Partner K. und P. gemäß § 17 Abs. 3 2. Halbsatz PV eine andere Regelung getroffen, indem er mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 05.09.2015 seine Anteile an der Gesellschaft den beiden anderen Partnern verkauft habe. Die Übertragung von Anteilen sei jedoch kein Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft. Dementsprechend hätten diese ihm auch einen Kaufpreis und keine Abfindung gezahlt. So sei auch gegenüber den Mitarbeitern und den Kunden kommuniziert worden, dass er über den 31.08.2014 Partner der Sozietät bleibe. Gegen ein „Ausscheiden“ von ihm im Sinne des § 19 Abs. 3 PV spreche auch, dass er für die Überleitung mehrerer Mandate eine Abfindung in entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 4 PV gezahlt habe. Diese Klausel setze, wie ihre Bezugnahme auf § 19 Abs. 1 PV belege, gerade das Fortbestehen der Partnerschaft voraus. Im Übrigen verhalte sich die Klägerin rechtsmissbräuchlich, wenn sie einerseits Mandanten gegen Zahlung von Ausgleichsbeträgen übertrage, andererseits aber auf die starre Einhaltung des Wettbewerbsverbots beharre. Die Zahlung der Ausgleichsbeträge habe er in der irrigen Annahme geleistet, hierzu verpflichtet zu sein. Auch seinem Schreiben vom 24.02.2015 wie auch den Schreiben seines damaligen Rechtsanwalts A. habe der Irrglauben zu Grunde gelegen, dass er an die Mandantenschutzklausel gebunden sei. Die Parteien hätten sich zudem konkludent darauf verständigt, dass jederzeit die Übertragung eines Mandats gegen Zahlung eines Nettojahresumsatzes auf Basis des Durchschnitts der letzten drei Jahre möglich sei. Des Weiteren liege kein Verfügungsgrund vor, weil bereits im Januar 2015 drei Mitarbeiter zu ihm gewechselt seien und zudem der Mandant E. der Klägerin, wie sie selbst vorgetragen habe, schon am 20.01.2015 ihr berichtet habe, dass er, der Beklagte, versucht habe, ihn abzuwerben. Die Klägerin habe dennoch erst 3 Monate später den Erlass der einstweiligen Verfügung beantragt. Zudem sei die einstweilige Verfügung nicht hinreichend bestimmt, da es ihm unzumutbar sei, jeden Mandanten zu fragen, ob er am 31.12.2014 in einer Mandatsbeziehung zu der Klägerin gestanden habe. Schließlich sei § 17 Abs. 3 Satz 3 PV, der sein Ausscheiden bei Vollendung des 60. Lebensjahres vorsehe, wegen Verstoßes gegen das AGG unwirksam.
9Der Senat hat den Parteien mit Beschluss vom 03.12.2015 Hinweise zum Sach- und Streitstand erteilt. Daraufhin hat die Klägerin die Stellung eines Hilfsantrags angekündigt. Nach erneuten Hinweis in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin der Sache nach ihren bisherigen (Haupt-)antrag im Wege der teilweisen Antragsrücknahme sinngemäß dahin neugefasst, dass
10es dem Beklagten bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31.12.2016 untersagt wird, mittelbar oder unmittelbar steuerberatende Mandate (dies gilt für sämtliche Möglichkeiten der Berufsausübung) von natürlichen oder juristischen Personen anzunehmen, die am 31.12.2014 Mandanten bzw. Auftraggeber der Klägerin waren, soweit diese natürlichen oder juristischen Personen in der nachfolgenden Liste nicht durchgestrichen sind:
11- diverse Mandanten -
12Der Beklagte beantragt sinngemäß abändernd,
13den Antrag vom 16.04.2015 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
14Die Klägerin beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Die Klägerin verteidigt die rechtliche Würdigung des Landgerichts vor den Angriffen der Berufung. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass mit dem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 05.09.2015 das Ausscheiden des Beklagten geregelt worden sei. Dementsprechend habe man den Kaufpreis so berechnet, wie nach dem Vorvertrag vom 17.03.2004 die Abfindung zu berechnen gewesen sei. Auch aus dem Verlauf der Vertragsverhandlungen ergebe sich, dass mit dem Kauf- und Übertragungsvertrag das in § 17 Abs. 3 PV vorgesehene Ausscheiden des Beklagten aus der Sozietät habe geregelt werden sollen. Nicht zuletzt wegen der E-Mail des Beklagten vom 27.01.2015 habe sie darauf vertrauen dürfen, dass er sich entsprechend seinen Beteuerungen an die Mandantenschutzklausel halte. Gegen Ausgleichszahlung seien nur solche Mandanten übergeleitet worden, zu denen der Beklagte ein besonderes persönliches und familiäres Verhältnis gehabt habe. Bei den diesbezüglichen Absprachen sei die Geltung der Mandantenschutzklausel ausdrücklich anerkannt worden. Die Bestimmtheit der einstweiligen Verfügung könne nicht angezweifelt werden, da sich der Beklagte auch bei ihr eine entsprechende Mandantenliste besorgen könne. Im Übrigen würde der Beklagte spätestens bei der Übernahme der Daten von DATEV erkennen, ob es sich um einen Mandanten von ihr handele.
17Ergänzend wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
18Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 die Partner der Klägerin, Herr K. und Herr P., persönlich angehört und die Zeugen N. und T. vernommen.
19II.
20Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 17.04.2015 ist, soweit sie nicht ohnehin infolge der gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässigen teilweisen Antragsrücknahme schon aus Gründen der Klarstellung neu zu fassen war, aufgrund der Berufung in dem Umfang abzuändern gewesen, wie er sich aus den „Streichungen“ ergibt, die in dem Tenor der Entscheidung aufgelistet sind, wobei wegen der von dem Beklagten in seinem Schriftsatz vom 05.01.2016 geäußerten Zweifel ausdrücklich klargestellt wird, dass als „durchgestrichen“ alle Personen anzusehen sind, deren Namen (und ggf. Anschrift) mit einen horizontalen Strich versehen sind, auch wenn darunter ggf. eine weitere mehrfach unterbrochene Linie gesetzt sein sollte und unabhängig davon, ob sich in der Nähe eine oder mehrere schräge Striche befinden. Die in dem Hinweisbeschluss des Senats vom 03.12.2015 unter Nr. 1. angeführten Zulässigkeitsbedenken haben sich infolge der bereits mit der teilweisen Antragsrücknahme vorgenommenen Konkretisierung des Unterlassungsantrags auf namentlich bezeichnete und mit Anschriften identifizierbare Mandanten der Klägerin weitestgehend erledigt. Nur hinsichtlich der Personen „B.“, „C.“ und „D.“ ist der Antrag nach wie vor zu unbestimmt, weil die Klägerin zu diesen Namen nicht die für die Identifizierung dieser Personen unerlässlichen Anschriften mitgeteilt hat. Dementsprechend sind diese Namen in dem Tenor im vorgenannten Sinne „durchgestrichen“ worden. Weitere Streichungen hat der Senat wegen der nachfolgend unter Nr. 2. b. genannten Personen vorgenommen. Hinsichtlich der übrigen in dem Tenor nicht durchgestrichenen Personen ist jedoch der Antrag zulässig und auch begründet, da insoweit die Klägerin einen Verfügungsanspruch (s. hierzu Nr. 1. und 2.b.) und einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht hat (s. hierzu Nr. 3.).
21- 22
1. Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, gemäß § 19 (3) PV gegenüber dem Beklagten einen bis zum 31.12.2016 befristeten Anspruch auf Schutz all ihrer Mandanten zu haben, zu denen sie am 31.12.2014 in Geschäftsbeziehung gestanden hat. Da bei einer Sozietät von Freiberuflern der in den Beziehungen zu den Mandanten bestehende "good will" in aller Regel den entscheidenden Wert der Gesellschaft ausmacht, hat eine diesen Wert einbeziehende Abfindungsklausel grundsätzlich zur Voraussetzung, dass der ausscheidende Gesellschafter den Mandantenstamm seinen bisherigen Partnern belassen muss; anderenfalls erhielte er eine überhöhte Abfindung, weil die übernommenen Mandate dann doppelt - einmal durch die Beteiligung an dem in der Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens einbezogenen "good will", zum anderen durch die Übernahme der Mandate selbst - berücksichtigt würden (BGH, Urteil vom 08.05.2000 – II ZR 308/98, Rz. 10). Dementsprechend hätte es streng genommen noch nicht einmal der förmlichen Vereinbarung einer Mandantenschutzklausel bedurft, um der Klägerin einen entsprechenden Unterlassungsanspruch zu verschaffen. Verträge sind gemäß §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Bei dieser Auslegung ist nur im ersten Schritt von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen, sodann sind auch die für den Erklärungsempfänger erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 19.01.2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, S. 1002, 1003) und schließlich ist vor allem eine den beiderseitigen Interessen gerechte Auslegung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 03.04.2000 – II ZR 194/98, NJW 2000, S. 2099). Nach dieser Maßgabe haben die beiden anderen Partner, Herr K. und Herr P., mit dem Beklagten schon deshalb eine von § 17 Abs. 3 PV abweichende Vereinbarung getroffen, als nach dem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 05.09.2011 der Kläger erst zum 02.01.2015 aus der Partnerschaftsgesellschaft ausscheiden sollte. Entgegen der Meinung des Beklagten steht jedoch dem Anspruch der Klägerin auf Mandantenschutz nicht entgegen, dass die beiden anderen Partner und er dabei eine andere Vertragstechnik für den Übergang seiner Gesellschaftsanteile gewählt haben. Während in § 17 Abs. 3 PV die Gesellschafterstellung des Beklagten befristet war und in § 18 PV auch für diesen Art des Verlusts der Gesellschafterstellung eine Abfindung unter Einschluss des „good will“ vorgesehen war, einigten sich der Beklagte und seine Mitgesellschafter darauf, dass ihnen der Beklagte seine Geschäftsanteile gegen Zahlung eines Kaufpreises von € 600.000,- übertrug. Die für die Geltung der Mandantenschutzklausel maßgebliche Interessenlage hat sich dadurch nicht verändert. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass mit dem Kaufpreis insbesondere der „good will“ der Praxis abgegolten werden sollte.
Der vorgenannte innere Zusammenhang zwischen dem Preis für den „good will“ der Praxis und der Mandantenschutzklausel zeigt sich auch in der ausnahmsweisen Überleitung bestimmter Mandanten gegen eine dafür gesondert vereinbarte Ausgleichszahlung. Der durch die Überleitung dieser Mandanten verminderte Gegenwert wird dadurch kompensiert, dass wirtschaftlich gesehen durch die von dem Beklagten zu erbringende Ausgleichszahlung der von den Beklagten zu zahlende Preis reduziert wird. Diesem Vorgehen widerspricht es auch nicht, dass die Klägerin hinsichtlich aller übrigen Mandanten auf der Einhaltung der Mandantenschutzklausel beharrt. Wie sich aus der E-Mail vom 31.01.2015 der Ehefrau des Beklagten ergibt, sollte die vorgenannte Vorgehensweise nur eine Ausnahme für solche Mandanten sein, mit denen der Beklagte in besonderer Weise familiär oder freundschaftlich verbunden ist. Wie Frau E. in ihrer E-Mail ausdrücklich festgestellt hat, sollte davon die Wettbewerbsklausel im Übrigen unberührt bleiben. Selbiges ergibt sich aus dem anwaltlichen Schreiben des Beklagten vom 25.02.2015.
24Gegen die vorgenannte rechtliche Würdigung greift nicht die Einwendung des Beklagten durch, § 17 Abs. 3 Satz 3 PV sei als altersdiskriminierende Regelung unwirksam. Dem steht schon entgegen, dass der PV die Zustimmung des Beklagten gefunden hat, der auf die Gründung der Klägerin mit seiner Beteiligung von 90 % einen absolut beherrschenden Einfluss gehabt hat. Angesichts dieser Begleitumstände muss davon ausgegangen werden, dass es gerade im damaligen Interesse des Beklagten gelegen hat, frühzeitig in den Ruhestand gehen zu können. An dieser Interessenlage, die durch die beherrschende Stellung des Beklagten und seine Absicht, die Möglichkeit einen vorzeitigen Ruhestand zu haben, geprägt wird, ändert sich nichts dadurch, dass der Beklagte und die beiden anderen Partner der Klägerin am Tag der Gründung der Klägerin einen „Vorvertrag über den Verkauf von Geschäftsanteilen“ (Anklage K14) unterzeichnet haben, in dem sich der Beklagte eine Verkaufsoption einräumen ließ, die erst mit der Vollendung seines 65. Lebensjahres endete. Der Optionszeitraum begann nämlich schon mit der Vollendung seines 55. Lebensjahres.
25Im Übrigen hat der Beklagte die Verbindlichkeit der Mandantenschutzklausel gegenüber der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 25.02.2015 gemäß §§ 780, 781 BGB anerkannt. Entgegen der Meinung der Beklagten hat die Klägerin das in diesem Schreiben liegende deklaratorische Schuldanerkenntnis eines bis zum 31.12.2016 befristeten Mandantenschutzes auch angenommen, indem sie entsprechend dem darin geäußerten Vorschlag des Beklagten hinsichtlich einiger ausgesuchter Mandanten eine Vereinbarung dahin getroffen hat, diese gegen Zahlung einer Abfindung freizugeben.
26- 27
2. Wie die Beweisaufnahme vor dem Senat ergeben hat, trifft der vorgenannte Anspruch der Klägerin auf Mandantenschutz nur auf die Personen zu, die in dem Tenor mit Namen und Anschrift bezeichnet und nicht durchgestrichen sind. Nur dieses hat die Klägerin durch von ihren Partnern K. und P. unter dem 10.12.2015 abgegebene eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, nach denen die Klägerin zu allen in ihrem zuletzt gestellten Antrag bezeichneten und nicht durchgestrichenen Personen am 31.12.2014 ein Mandatsverhältnis gehabt haben soll.
- 29
a. Grundsätzlich sind diese eidesstattlichen Versicherungen durch die vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 durchgeführte Beweisaufnahme nicht erschüttert worden.
(1) Sowohl der Zeuge N. als auch der Zeuge T. waren bei der Klägerin als Sachbearbeiter tätig und haben infolge der arbeitsteiligen Organisation der Klägerin keinen Gesamtüberblick über die bestehenden Mandate gehabt. Es steht daher der vorgenannten Glaubhaftmachung nicht entgegen, dass dem Zeugen N. nach dem schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten etliche der in der Liste geführten Personen gänzlich unbekannt sind.
31(2) So konnte der Zeuge N. hinsichtlich Frau G. nicht sagen, ob ihr die Klägerin die von Frau H. erledigten Arbeiten in Rechnung gestellt hatte oder nicht.
32(3) Zwar hat der Zeuge T. hinsichtlich der Frau I. bekundet, es habe sich um eine von ihm betreute Mandantin gehandelt, die seiner Erinnerung nach schon seit dem Jahr 2013 keine Unterlagen mehr zur Bearbeitung gebracht habe. Dem konnte allerdings Herr K. unwiderlegt entgegensetzen, dass er für Frau I. im Jahr 2014 noch einen Schätzbescheid vom Finanzamt erhalten habe. Die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 05.01.2016 vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Frau I. (Anlage BK26) ist gemäß § 296a ZPO als verspätet zurückzuweisen. Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung stellt sie gemäß §§ 156, 580, 581 ZPO nicht dar.
33(4) Hinsichtlich des Herrn J. hat der Zeuge N. zwar bekundet, er habe dieses Mandat vor vielen Jahren das letzte Mal bearbeitet. Herr K. konnte dem jedoch nachvollziehbar entgegen halten, dass er persönlich im Jahr 2014 für Herrn J. eine Abfindungsberechnung durchgeführt habe.
34(5) Ähnlich verhält es sich bei der Mandantin L.. Der Zeuge N. hat zwar überzeugend bekundet, schon viele Jahre keine Arbeiten mehr für diese Person erledigt zu haben. Herr K. hat jedoch glaubhaft erklärt, dass er persönlich von November 2014 bis Februar 2015 damit befasst gewesen sei, für Frau L. die Verteilung von Freistellungsaufträgen auf verschiedene Kreditinstitute vorzunehmen.
35(6) Hinsichtlich des Herrn M. hat zwar der Zeuge T. glaubhaft bekundet, dass er selbst als Sachbearbeiter die letzte Steuerklärung für Herrn M. für den Veranlagungszeitraum 2011 gefertigt habe. Herr K. hat jedoch glaubhaft erklärt, es habe noch im Jahr 2014 einen Anruf von Herrn M. gegeben, der wegen einer damaligen Erkrankung des Beklagten an ihn weitergeleitet worden sei. Die von Herrn M. gewünschte Auskunft habe dann er, Herr K., persönlich erteilt. Die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 05.01.2016 vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Herrn M. (Anlage BK24) ist gemäß § 296a ZPO als verspätet zurückzuweisen. Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung stellt sie gemäß §§ 156, 580, 581 ZPO nicht dar.
36(7) Nach dem für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und Streitstand vom 10.12.2015 hat die Klägerin auch glaubhaft gemacht, zu den Personen Ü., O. und Q. am 31.12.2014 ein aktives Mandatsverhältnis gehabt zu haben. Dieser Glaubhaftmachung steht nicht entgegen, dass in der als Anlage BK16 vorgelegten Liste Herr Ü. als verstorben und das Mandatsverhältnis zu Herrn Q. als beendet bezeichnet werden, da dieser Parteivortrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft gemacht worden ist. Die ergänzend zur Anlage BK16 vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Zeugen N. vom 09.12.2015 (Anlage BK15) bezieht sich nämlich inhaltlich nur auf die Personen, die in der Liste BK16 als „unbekannt“ bezeichnet worden sind. Soweit der Beklagte erst mit Schriftsatz vom 05.01.2016 durch Vorlage der Todesanzeige glaubhaft gemacht hat, dass Herr Ü. im Laufe des Jahres 2015 verstorben ist, ist dies gemäß § 296a ZPO als verspätet zurückzuweisen. Selbiges gilt für die erst mit diesem Schriftsatz vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Herren O. und Q.. Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt darin gemäß §§ 156, 580, 581 ZPO nicht.
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b. Hinsichtlich der folgenden Personen sind allerdings die eidesstattlichen Versicherungen von Herrn K. und Herrn P. soweit in Zweifel gezogen worden, dass ein zu diesen Personen am 31.12.2014 noch bestehendes Mandatsverhältnis der Klägerin als nicht glaubhaft gemacht angesehen werden muss:
(1) Zu Herrn S. hat der Zeuge N. glaubhaft bekundet, dass er für diesen zwar der Sachbearbeiter gewesen ist, aber von diesem nach dem Veranlagungszeitraum 2011 keine Unterlagen mehr erhalten hat.
40(2) Wegen des Herrn U. hat der Zeuge T. überzeugend erklärt, dass dessen Mandat bereits im Jahr 2013 beendet worden ist, weil Herr U. in diesem Jahr eine Tankstelle gepachtet hatte und die damit zusammenhängenden steuerlichen Fragen für die Bearbeitung durch die Klägerin zu kompliziert gewesen sind.
41(3) Zu Frau V. hat der Zeuge N. nachvollziehbar bekundet, dass die von ihm als Sachbearbeiter betreute Mandantin bereits im Jahr 2013 ihren Betrieb eingestellt hat. Herr K. ist dem nicht hinreichend entgegen getreten, da er lediglich erklärt hat, er habe von der Mandantin V. keine Kündigung erhalten.
42(4) In Bezug auf Herrn W. hat der Zeuge N. glaubhaft bekundet, dass er für Herrn W. der zuständige Sachbearbeiter gewesen sei und dieser das Mandat in dem Zeitraum 2012/2013 gekündigt habe. Soweit Herr K. hierzu erklärt hat, die Klägerin habe auch noch im Jahr 2014 für Herrn W. gearbeitet, reicht dies für eine Glaubhaftmachung nicht aus, weil Herr K. nicht angeben konnte, welcher anderer Sachbearbeiter dies erledigt hat.
43(5) Auch hinsichtlich des Herrn X. hat die Klägerin ein fortbestehendes Mandatsverhältnis nicht glaubhaft gemacht, weil der Zeuge T. überzeugend bekundet hat, dass er Herrn X. schon vor vielen Jahren die Auskunft erteilt hat, dass er wegen der hohen Freibeträge für Schwerbehinderte überhaupt nicht steuerpflichtig sei. Soweit Herr K. hierzu erklärt hat, er habe Herrn X. noch im Jahr 2014 gesehen, wie er in das Büro der Klägerin gekommen sei, reicht das nicht aus, weil sich Herr K. nicht daran erinnern konnte, welcher andere Sachbearbeiter für Herrn X. tätig geworden ist. Allein der Umstand, dass Herr X. das Büro der Klägerin betreten hat, vermag ein Fortbestehen des Mandatsverhältnisses nicht glaubhaft zu machen, weil er das Büro der Klägerin auch in seiner Eigenschaft als Angestellter des Unternehmens Y. aufgesucht haben könnte, das unstreitig von der Klägerin betreut wird.
44- 45
c. Durch die in dem Termin vorgelegten Rechnungen hat die Klägerin glaubhaft gemacht, von Herrn Ä. auch noch im Jahr 2014 mandatiert gewesen zu sein.
- 47
d. Ferner hat die Klägerin im Zusammenhang mit den eidesstattlichen Versicherungen von Herrn K. und Herrn P. vom 10.12.2015, dem im Termin vorgelegten Handelsregisterauszug HRB … des Amtsgerichts Dortmund und den Erläuterungen ihres Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass zu der Z. bereits im Jahr 2014 während deren Gründungsphase ein Mandatsverhältnis bestanden hat.
- 49
3. Der Verfügungsgrund besteht gemäß §§ 935, 940 ZPO, da wegen der unstreitigen Verstöße des Beklagten gegen die Mandantenschutzklausel die Wiederholungsgefahr und damit auch die Dringlichkeit für den Erlass der einstweiligen Verfügung vermutet wird. Diese Dringlichkeitsvermutung ist nicht durch unnötiges Zuwarten der Klägerin entfallen. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin erst Anfang April 2015 davon ausgehen musste, dass sich der Beklagte nicht an die Mandantenschutzklausel hält. Erst durch die Abwerbung einiger Mandanten, die zu diesem Zeitpunkt stattfand, musste die Klägerin erkennen, dass die Zusagen des Beklagten, die Mandantenschutzklausel zu achten, nicht eingehalten werden. Wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 22.09.2015 ausdrücklich eingeräumt hat, hat er seine Haltung zu der Mandantenschutzklausel erst im Laufe der Zeit und nach Wechsel seines anwaltlichen Beraters geändert.
III.
51Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
52Der Streitwert für den Rechtsstreit erster und zweiter Instanz beträgt gemäß §§ 43, 47, 48, 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG, 3 ZPO € 100.000,-. Der vom Landgericht festgesetzte Wert von € 10.000,- ist ersichtlich zu niedrig, da nach Inhalt der Akte mit den Mandanten, die bereits abgeworben worden sind bzw. deren Abwerbung noch droht, weitaus höhere Umsätze zu erzielen sind.
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