Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-3 U 31/15
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 27. Mai 2015 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen, soweit der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Auszahlung von je 1/5 des zum Aktenzeichen 17 HL 204/13 beim Amtsgericht Duisburg hinterlegten Betrages zuzüglich anteiliger Zinsen an die Beteiligten B. S. und A. E. zuzustimmen.
Die Beklagte wird verurteilt, der Auszahlung eines Anteils in Höhe von 30.940,12 € des zum Aktenzeichen 17 HL 204/13 beim Amtsgericht Duisburg hinterlegten Betrages zuzüglich anteiliger Zinsen an den Kläger zuzustimmen Zug um Zug gegen Zustimmung zur Auszahlung eines Anteils in Höhe von 77.944,51 € zuzüglich anteiliger Zinsen an die Beklagte.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits einschließlich des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger 90 % und der Beklagten 10 % zur Last.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 139.587,06 €.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung von je 1/5 eines beim Amtsgericht Duisburg hinterlegten Betrages an sich und seine beiden Schwestern B. S. und A. E..
4Der Kläger, seine beiden Schwestern B. S. und A. E., eine aus der Beklagten und ihrer Schwester G. B. bestehende Erbengemeinschaft sowie G. B. waren in einer Bruchteilsgemeinschaft zu je 1/5 Miteigentümer des Grundstücks … in Essen-Borbeck, das einen Verkehrswert von einer Million Euro hatte.
5In Abteilung III des Grundbuchs war an erster Rangstelle zugunsten der Volksbank Rhein-Ruhr eine Grundschuld in Höhe von 700.000 DM entsprechend 357.904,31 € eingetragen, die noch mit einem Betrag in Höhe von 203.203,70 € (Konto-Nr. x: 102.705,33 € und Konto-Nr. xx: 100.498,37 €) valutierte.
6Mit Beschluss vom 18. Januar 2010 ordnete das Amtsgericht Essen auf Antrag der Beklagten zum Zwecke der Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft die Teilungsversteigerung des Grundstücks an. Das geringste Gebot wurde unter Berücksichtigung des Nennwerts der zugunsten der Volksbank Rhein-Ruhr eingetragenen Grundschuld als bestehen bleibenden Rechts auf insgesamt 645.342,14 € festgesetzt. Im Versteigerungstermin erhielt die Beklagte den Zuschlag, da sie mit einem Betrag in Höhe von 745.000,-- € das höchste Bargebot abgegeben hatte. Nachdem die Beklagte ihr Bargebot gezahlt hatte, veranlasste das Amtsgericht im Teilungsverfahren die Hinterlegung des nach Abzug der Kosten verbliebenen Restbetrages zugunsten der früheren Grundstückseigentümer.
7Darüber hinaus zahlte die Beklagte weitere 440.755,98 € an die Volksbank Rhein-Ruhr, um die zu deren Gunsten bestehen gebliebene Grundschuld abzulösen. Die Volksbank Rhein-Ruhr verwendete den von der Beklagten gezahlten Betrag, um ihre noch offen stehenden Forderungen zu befriedigen und die ihr im Teilungsversteigerungsverfahren entstandenen Kosten auszugleichen. Den danach verbleibenden Restbetrag in Höhe von 232.645,12 € hinterlegte sie zum Aktenzeichen 17 HL 204/13 beim Amtsgericht in Duisburg.
8Mit Schreiben vom 8. April 2014 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 22. April 2014 dazu auf, zu seinen Gunsten und zu Gunsten seiner beiden Schwestern der Freigabe eines Betrages in Höhe von je 46.529,02 € zuzustimmen. Eine solche Freigabeerklärung gab die Beklagte nicht ab.
9Der Kläger hat vorgetragen, ihm und seinen beiden Schwestern gebühre als ehemaligen Miteigentümern des streitgegenständlichen Grundstücks nicht nur ein ihrem Miteigentumsanteil entsprechender Bruchteil des im Teilungsversteigerungsverfahren erzielten Erlöses, sondern in gleicher Weise auch des von der Volksbank Rhein-Ruhr hinterlegten Betrages, der zwar zum Zwecke der Ablösung der Grundschuld gezahlt, jedoch nicht in vollem Umfang zur Befriedigung der dadurch gesicherten Forderungen des Geldinstitutes benötigt worden sei. Diese Differenz zwischen dem Nennwert der Grundschuld und dem Betrag, mit dem sie zum Zeitpunkt der Teilungsversteigerung noch valutiert habe, stehe den ehemaligen Miteigentümern im Verhältnis ihrer jeweiligen Miteigentumsanteile zu, da sich der Nominalbetrag der Grundschuld wertmindernd auf das Grundstück ausgewirkt habe.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, der Auszahlung von je 1/5 des zum Aktenzeichen 17 HL 204/13 beim Amtsgericht Duisburg hinterlegten Betrages zuzüglich anteiliger Zinsen an die Beteiligten B. S., A. E. und den Kläger zuzustimmen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat vorgetragen, der von der Volksbank Rhein-Ruhr hinterlegte Betrag stehe ihr alleine zu, da die Grundschuld der Sicherung von Forderungen gegen die Firma Geflügelhof E. GbR gedient habe, für deren Verbindlichkeiten nach den zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen zwar der Kläger, nicht jedoch auch sie einstehen müsse. Durch ihre zum Zwecke der Ablösung der Grundschuld geleistete Zahlung an die Volksbank Rhein-Ruhr sei der Kläger daher insoweit bereichert, als er die Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt habe, für die er ansonsten mit eigenen Mitteln hätte einstehen müssen. Daher schulde ihr der Kläger die Rückzahlung eines seinem Haftungsanteil an den Verbindlichkeiten der Firma Geflügelhof E. GbR entsprechenden Betrages in Höhe von 40.640,74 €. Dieselbe Situation sei auch bei einem anderen Grundstück gegeben, das nicht Gegenstand des klägerischen Zustimmungsbegehrens im vorliegenden Verfahren sei. Denn im Zuge der Teilungsversteigerung dieses zweiten Grundstückes habe sie ebenfalls eine Grundschuld abgelöst, die der Sicherung von Forderungen gegen die Firma Geflügelhof E. GbR gedient habe. Dadurch sei der Kläger auf ihre Kosten von weiteren Verbindlichkeiten in Höhe von rund 35.000,-- € befreit worden, so dass er ihr auch diesen Betrag zu erstatten habe. Wegen dieser Gegenforderungen hat sich die Beklagte gegenüber dem klägerischen Zustimmungsbegehren auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.
15Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der von der Volksbank Rhein-Ruhr hinterlegte Betrag stamme allein aus der Vermögenssphäre der Beklagten. Nur ihr stehe daher auch der überschießende Betrag zu, den die Volksbank Rhein-Ruhr nicht zur Befriedigung ihrer Forderungen benötigt habe. Die Hinterlegung dieses Überschusses habe mithin auch nicht zu einer Bereicherung der Beklagten auf Kosten des Klägers führen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
16Gegen dieses Urteil, das seiner Prozessbevollmächtigten am 2. Juni 2015 zugestellt worden ist, wendet sich der Kläger mit der am 18. Juni 2015 beim Oberlandesgericht eingelegten und mit am Montag, dem 3. August 2015, eingegangenem Schriftsatz begründeten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiterverfolgt.
17Zur Begründung trägt er vor, der von der Volksbank Rhein-Ruhr hinterlegte Betrag sei ein Surrogat für das durch die Teilungsversteigerung verloren gegangene Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück, so dass es den früheren Grundstückseigentümern im Verhältnis ihrer ehemaligen Miteigentumsanteile zustehe. Bei der bestehen gebliebenen Grundschuld handele sich daher um einen Teil des im Teilungsversteigerungsverfahren abgegebenen Meistgebotes, das den den Grundstückseigentümern gebührenden Versteigerungserlös darstelle. Das bestehen bleibende Recht umfasse nicht nur den Nennbetrag der Grundschuld von 357.904,32 €, sondern auch die im Grundbuch eingetragenen dinglichen Zinsen. Der von der Beklagten gezahlte Betrag i.H.v. 440.755,88 € enthalte daher neben dem Nennbetrag der Grundschuld und Kosten i.H.v. 4.212,03 € noch einen Betrag von 78.639,53 €, der auf die Zinsen (14 % für den Zeitraum 17. Januar bis 12. August 2013) entfalle. Die Zinsen seien ebenso wie der Nennwert der Grundschuld Preisbestandteil, den die Beklagte durch den Zuschlag übernommen habe. Die Bruchteilsgemeinschaft setze sich nach Beendigung der Versteigerung an dem auf diese Weise zusammengesetzten Versteigerungserlös fort. Der bei dem Amtsgericht Duisburg hinterlegte Betrag stehe daher den Beteiligten der Bruchteilsgemeinschaft nach Befriedigung der Ansprüche der Gläubigerbank in voller Höhe zu.
18Der Kläger beantragt,
19das am 27. Mai 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Duisburg (Aktenzeichen 3 O 262/14) zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Auszahlung von je 1/5 des zum Aktenzeichen 17 HL 204/13 beim Amtsgericht Duisburg hinterlegten Betrages zuzüglich anteiliger Zinsen an die Beteiligten B. S., A. E. und den Kläger zuzustimmen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie vertritt die Auffassung, der Kläger verlange zu Unrecht eine Beteiligung an der von ihr übernommenen Grundschuld über den Nennbetrag hinaus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei davon auszugehen, dass der Ersteher deshalb ein geringeres Bargebot bei der Versteigerung abgebe, weil die Grundschuld bestehen bleibe. Deshalb sei dem Bargebot das Grundschuldkapital hinzuzurechnen, nicht aber Zinsen und sonstige Nebenleistungen. Anderenfalls wäre die Höhe der Forderung im Hinblick auf den Abrechnungszeitraum vom Zufall abhängig. Eine Verzögerung der Abrechnung dürfe aber nicht zu einer zusätzlichen Forderung des Grundstückseigentümers führen. Dem Kläger stehe daher nur eine anteilige Beteiligung am Grundschuldkapital zu, nicht aber an den Zinsen. Der über das Grundschuldkapital hinausgehende Betrag stehe dagegen allein der Beklagten zu. Im Hinblick auf die insoweit vom Kläger abzugebende Freigabeerklärung beruft sich die Beklagte auf ein Zurückbehaltungsrecht.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
24II.
25Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur im tenorierten Umfang Erfolg.
261.
27Soweit der Kläger die Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung von je 1/5 des von der Volksbank Rhein-Ruhr beim Amtsgericht in Duisburg hinterlegten Betrages nebst anteiligen Zinsen an seine beiden Schwestern B. S. und A. E. begehrt, bleibt seinem Rechtsmittel schon deshalb der Erfolg versagt, weil seine Klage in diesem Umfang unzulässig ist. Insoweit fehlt es dem Kläger an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis, da er fremde Rechte in eigenem Namen geltend macht, ohne dazu berechtigt zu sein.
28a.
29Die Prozessführungsbefugnis ist eine Prozessvoraussetzung, deren Fehlen zur Abweisung der Klage als unzulässig führt (vgl. Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, Rn. 19 vor § 50 ZPO m.w.N.). Sie ist in jeder Lage des Verfahrens und daher auch noch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH NJW 2010, 3033 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat selbstständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Das ist hier indessen nicht der Fall, da weder die Voraussetzungen einer gesetzlichen noch diejenigen einer gewillkürten Prozessstandschaft erfüllt sind.
30b.
31Die Prozessführungsbefugnis des Klägers ergibt sich nicht aus einer gesetzlichen Prozessstandschaft.
32aa.
33Eine solche folgt insbesondere nicht daraus, dass der Kläger nach seinem Vortrag hinsichtlich der Auszahlungsforderung gegen die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts in Duisburg Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB ist. Denn auch als Mitberechtigter einer Bruchteilsgemeinschaft ist er als Prozessstandschafter der übrigen Mitberechtigten nur insoweit zur Prozessführung befugt, als die Klageerhebung eine notwendige Verwaltungsmaßnahme gemäߧ 744 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rn. 23 vor § 50 ZPO). Davon wäre dann auszugehen, wenn die Klageerhebung als Erhaltungsmaßnahme für den gemeinsam gehaltenen Gegenstand notwendig wäre (vgl. BGH NJW 2011, 1667). Ein solcher Fall liegt hier indessen ersichtlich nicht vor.
34bb.
35Eine gesetzliche Prozessstandschaft folgt darüber hinaus auch nicht aus dem Vortrag des Klägers zu seiner Rechtsstellung und derjenigen seiner beiden Schwestern als Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft in Bezug auf die Forderung gegen die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts in Duisburg auf Herausgabe des von der Volksbank Rhein-Ruhr hinterlegten Betrages. Denn Gegenstand dieser Forderung ist eine teilbare Leistung im Sinne des § 420 BGB, so dass sie jedem Teilhaber nur anteilmäßig gemäß seiner Beteiligungsquote zusteht (vgl. BGH NJW 1984, 2526). Anders als im Falle einer unteilbaren Leistung im Sinne des § 432 BGB bedarf es daher zur Aufteilung des Hinterlegungsbetrages nicht der gemeinsamen Einziehung der Forderung und der anschließenden Auseinandersetzung des herausgegebenen Betrages. Vielmehr kann jeder Teilhaber von den anderen die gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1HintG NRW erforderliche Einwilligung in die Herausgabe des auf ihn entfallenden Teils des hinterlegten Geldbetrages verlangen, wenn aus dem hinterlegten Betrag – wie vorliegend – keine Verbindlichkeiten mehr zu berichtigen sind (vgl. BGH FamZ 2014, 285 m.w.N). Für die Annahme einer gesetzlichen Prozessstandschaft ist vor diesem Hintergrund von vornherein kein Raum.
36c.
37Schließlich sind auch die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht erfüllt. Gewillkürte Prozessstandschaft liegt vor, wenn der Prozessführende ermächtigt ist, den geltend gemachten Anspruch im eigenen Namen einzuklagen, und er ein eigenes rechtliches Interesse an der Prozessführung hat (vgl. BGH NJW 2009, 1213 m.w.N.). Beides ist vorliegend nicht gegeben.
38So hat der Kläger zwar in der Klageschrift angekündigt, dass seine Schwestern der gewillkürten Prozessstandschaft zustimmen würden. Dass dies jedoch inzwischen tatsächlich geschehen ist, ist weder vorgetragen noch in der analog § 80 ZPO erforderlichen Form (vgl. hierzu Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rn. 45 vor § 50 ZPO m.w.N.) nachgewiesen.
39Davon abgesehen fehlt es jedoch auch an dem erforderlichen eigenen rechtlichen Interesse des Klägers an der Prozessführung. Ein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat (vgl. BGH NJW-RR 1987, 126). Das ist hier indessen in Bezug auf die begehrte Zustimmung der Beklagten zur anteiligen Auszahlung des von der Volksbank Rhein-Ruhr hinterlegten Betrages an die Schwestern des Klägers schon deshalb nicht der Fall, weil der Kläger seinen Anteil an der Herausgabeforderung gegen die Hinterlegungsstelle – wie dargelegt – auch unabhängig von den übrigen Mitberechtigten einfordern kann. Ein anderweitiges eigenes rechtliches Interesse des Klägers an der Prozessführung im eigenen Namen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allenfalls in Betracht zu ziehende Gründe der Prozessökonomie oder der technischen Erleichterung der Prozessführung genügen insoweit nicht (vgl. BGHZ 78, 1; BGH NJW-RR 2002, 1377).
402.
41Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abgabe der nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HintG NRW erforderlichen Einwilligung in die Auszahlung seines Anteils an dem von der Volksbank Rhein-Ruhr beim Amtsgericht in Duisburg hinterlegten Geldbetrag nebst Zinsen aus §§ 749 Abs. 1, 752 Satz 1 BGB.
42a.Der Kläger ist ebenso wie die Beklagte hinsichtlich des Hinterlegungsbetrages Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft. Diese Teilhaberschaft geht auf die Miteigentumsanteile der Parteien an dem streitgegenständlichen Grundstück … in Essen-Borbeck zurück. Denn als Miteigentümer dieses Grundstücks waren die Parteien und die übrigen Miteigentümer gemeinschaftlich Sicherungsgeber der zugunsten der Volksbank Rhein-Ruhr bestellten Grundschuld.
43Diese Grundschuld war als dingliches Recht von einer etwa bestehenden persönlichen Forderung unabhängig, auch wenn sie im vorliegenden Fall der Sicherung einer solchen Forderung zu dienen bestimmt gewesen ist. Aus diesem Grunde stand sie der Volksbank Rhein-Ruhr als Gläubigerin der Grundschuld auch dann noch zum vollen Nominalwert zu, als die zugrunde liegenden Forderungen bereits teilweise erfüllt waren.
44Diese „Übersicherung“ der Grundschuldgläubigerin wurde allerdings dadurch wieder kompensiert, dass die Miteigentümer gegen die Gläubigerin aus dem mit dieser geschlossenen Sicherungsvertrag einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Abtretung oder Aufhebung des nicht valutierten Teils der Grundschuld oder auf einen entsprechenden Verzicht hatten (vgl. BGH NJW 1986, 2108; OLG München NJW 1980, 1051).
45An die Stelle dieses Anspruchs ist durch die Teilungsversteigerung des Grundstücks dann jedoch der auf den nicht valutierten Teil der Grundschuld entfallende „Übererlös“ der Volksbank Rhein-Ruhr als Sicherungsnehmerin getreten, da die Grundschuld einschließlich ihres nicht mehr valutierten Teils von der Beklagten als Ersteherin als bestehenbleibendes Recht übernommen und zum vollen Nennwert abgelöst worden ist. Die gemeinschaftliche Berechtigung der Miteigentümer an dem aus der Sicherungsabrede folgenden Anspruch auf Abtretung, Verzicht oder Aufhebung des nicht valutierten Teils der Grundschuld hat sich mithin an dem entsprechenden Anteil des zur Ablösung des Grundpfandrechts gezahlten Betrages fortgesetzt. Der „Übererlös“ der von der Volksbank Rhein-Ruhr durch die Ablösung auch des nicht mehr valutierten Anteils der Grundschuld erzielt worden ist, steht daher der ehemaligen Miteigentümergemeinschaft zu. Das rechtfertigt sich daraus, dass der „Übererlös“ aus der über den Sicherungszweck hinausgehenden dinglichen Belastung des Grundstücks resultiert. Seine Auskehrung an die Miteigentümergemeinschaft gleicht aus, dass diese bei der Versteigerung des Grundstücks nur einen Erlös erzielt hat, der um den vollen Betrag der Grundschuld einschließlich ihres nicht mehr valutierten Teils gemindert war (vgl. BGH NJW 1981, 1505; BGH NJW-RR1989, 173).
46b.
47Besteht nach alldem an demjenigen Teil des beim Amtsgericht Duisburg hinterlegten Betrages, der der Differenz zwischen dem Nominalwert der Grundschuld und ihrem im Zeitpunkt der Ablösung noch valutierten Teil entspricht, eine Bruchteils-gemeinschaft, der beide Parteien des vorliegenden Rechtsstreit angehören, so kann der Kläger von der Beklagten gemäß § 749 Abs. 1 BGB deren Aufhebung und gemäß § 752 Abs. 2 Satz 1 BGB die Teilung des gemeinschaftlichen Gegenstandes verlangen. Wie oben bereits dargelegt bedarf es hierfür nicht der gemeinschaftlichen Einziehung der Forderung gegen die Hinterlegungsstelle beim Amtsgericht in Duisburg und der anschließenden Auseinandersetzung des herausgegebenen Erlöses. Vielmehr kann der Kläger sofort die Einwilligung in die Herausgabe des auf ihn entfallenden Anteils des hinterlegten Geldbetrages verlangen.
48c.
49Der dem Kläger zustehende Anteil an dem auf den nicht valutierten Teil der Grundschuld entfallenden „Übererlös“ beläuft sich auf 154.700,61 € (Nennbetrag der Grundschuld i.H.v. 357.904,31 € abzüglich Valuta i.H.v. 203.203,70 €). Hiervon steht dem Kläger sein Anteil von 1/5, also 30.940,12 €, zuzüglich der auf diesen Betrag entfallenden anteiligen Hinterlegungszinsen zu (vgl. BGH NJW-RR 1989, 173). Zwar wird gemäß § 12 HintG NRW hinterlegtes Geld nicht verzinst. Das gilt jedoch nur für Hinterlegungen, die nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 15. März 2014 (vgl. das Gesetz zur Änderung des Hinterlegungsgesetzes NordrheinWestfalen vom 25. Februar 2014, GV NRW 2014, 197) vorgenommen worden sind. Zinsansprüche, die nach der zuvor geltenden Rechtslage entstanden sind, bleiben hingegen gemäß § 12 a Abs. 1 HintG NRW unberührt.
50d.Abgesehen von seinem Anteil an dem auf die Grundschuld entfallenden Übererlös steht dem Kläger aus der hinterlegten Summe von 232.645,12 € nichts zu. Insoweit verbleibt nach Abzug des Übererlöses i.H.v. 154.700,61 € ein Betrag i.H.v. 77.944,51 €, der – nachdem die Volksbank Rhein-Ruhr aus der Zahlung der Beklagten die Kosten i.H.v. 4.212,03 € beglichen hat - allein auf die dinglichen Zinsen entfällt. Nachdem die schuldrechtlichen Zinsen bereits in dem vatulierten Teil der Grundschuld i.H.v. 203.203,70 € enthalten waren, betreffen die auf die Zahlung der Beklagten entfallenden Zinsen den Zeitraum ab Zuschlagserteilung, also vom 17. Januar 2012 bis 12. August 2013, was im Übrigen auch unstreitig ist. Diese Zinsen hatte die Beklagte als Ersteherin gem. § 56 S. 2 ZVG zu zahlen, so dass der insoweit überzahlte Betrag allein der Beklagten zusteht. Die ab Zuschlagserteilung vom Ersteher zu zahlenden Zinsen sind nicht mehr Preisbestandteil, sondern betreffen allein die von ihm ab diesem Zeitpunkt zu tragenden Lasten, so dass eine etwaige Überzahlung insoweit nicht an die früheren Eigentümern auszuzahlen ist.
51e.
52Soweit sich die Beklagte wegen Gegenansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB beruft, bleibt ihre Rechtsverteidigung ohne Erfolg. Insoweit kann letztlich offen bleiben, ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagten gegen den Kläger Gegenansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zustehen, weil dieser durch ihre Zahlung an die Volksbank Rhein-Ruhr von seiner Haftung für die Verbindlichkeiten der Firma Geflügelhof E. GbR befreit worden ist. Denn die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht ist der Beklagten hier bereits aus einem anderen Grunde verwehrt.
53Anerkanntermaßen darf nämlich das Recht des Teilhabers einer Bruchteilsgemeinschaft, gemäß § 749 Abs. 1 BGB jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, grundsätzlich nicht durch die Geltendmachung von Gegenrechten, die – wie hier – nicht in der Gemeinschaft wurzeln, beeinträchtigt werden (vergleiche BGH NJW 1975, 687; BGH 1984, 2526; BGH FamRZ 1990, 254; BGH FamRZ 2014, 285; Palandt-Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage 2015, § 273 BGB Rn. 16.; MüKo – Schmidt, Bürgerliches Gesetzbuch, 6. Auflage 2013, § 753 BGB Rn. 31 m.w.N.).
54f.Die Beklagte kann sich aber mit Erfolg auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, soweit sie gegen den Kläger einen Anspruch auf Freigabe ihres Anteils an dem hinterlegten Betrag i.H.v. 77.944,51 € hat. Dieser auf die dinglichen Zinsen nach Zuschlagserteilung entfallende Teilbetrag steht, wie unter d. dargelegt, allein der Beklagten zu, die deshalb vom Kläger die Zustimmung zur Auszahlung ihres Anteils an dem hinterlegten Betrag – zuzüglich anteiliger Hinterlegungszinsen – verlangen kann. Insoweit besteht ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB. Verlangt der Teilhaber einer aufgehobenen Gemeinschaft von einem anderen Teilhaber, in die Auszahlung seines Erlösanteils durch die Hinterlegungsstellt einzuwilligen, stimmt er aber seinerseits der Auszahlung des Erlösanteils des anderen Teilhabers nicht zu, so hat dieser an der von ihm abzugebenden Einwilligungserklärung ein Zurückbehaltungsrecht. Dessen Geltendmachung führt dazu, dass die beklagte Partei gem. § 274 Abs. 1 BGB zur Abgabe der verlangten Einwilligung nur Zug um Zug gegen die Zustimmungserklärung des Klägers zu verurteilen ist (BGH NJW-RR 1989, 173).
553.Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Hinblick auf das Zurückbehaltungsrecht, das die Beklagte der Klageforderung mit Erfolg entgegengehalten hat, hat der Senat einen fiktiven Streitwert von 50 % des Freigabeanspruchs des Klägers, also 15.470,06 €, zugrunde gelegt. Der fiktive Streitwert beläuft sich danach insgesamt auf 155.057,13 € (139.587,07 € zuzüglich 15.470,06 €), wobei von einem Obsiegen des Klägers in Höhe des hälftigen Betrages seines Freigabeanspruchs auszugehen war. Danach errechnet sich eine Kostenquote von 90 % zu 10 % zu Lasten des Klägers.
56Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den§§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 432 Mehrere Gläubiger einer unteilbaren Leistung 1x
- BGB § 420 Teilbare Leistung 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- BGB § 752 Teilung in Natur 2x
- § 12 a Abs. 1 HintG 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Landgericht Duisburg - 3 O 262/14 1x
- ZVG § 56 1x
- § 12 HintG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 749 Aufhebungsanspruch 3x
- ZPO § 80 Prozessvollmacht 1x
- BGB § 753 Teilung durch Verkauf 1x
- ZPO § 50 Parteifähigkeit 3x
- BGB § 274 Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HintG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 273 Zurückbehaltungsrecht 3x
- BGB § 812 Herausgabeanspruch 2x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 2 Bedeutung des Wertes 1x
- §§ 741 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- 17 HL 204/13 5x (nicht zugeordnet)