Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 15 U 32/10
Tenor
I.Die Berufung gegen das am 28. Juli 2020 verkündete Urteil der 4c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.Die Beklagten haben auch die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz zu tragen.
III.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.
V.Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 742 XXA (Anlage K10; im Folgenden: Klagepatent). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagten auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der deutsche Teil des Klagepatents ist Gegenstand eines von den Beklagten angestrengten Nichtigkeitsverfahrens (Az. 1 Ni 29/19 (EP)). In diesem Verfahren hat das Bundespatentgericht am 10.06.2021 darauf hingewiesen, dass es das Klagepatent für patentfähig halte (vgl. Bl. 400 ff. eA).
4Das Klagepatent betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung. Der in diesem Rechtsstreit wesentliche Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
5„Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragendem Außenteil, bestehend aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen, zumindest bestehend aus einem Druckelement, das im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverläuft und an beide Bauteile zumindest mittelbar anschließbar ist, wobei das Druckelement ein Zusatzelement (11) aufweist, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt, wobei das Druckelement an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil aufweist, wobei das Druckelement unter Verwendung einer verlorenen Gießform (1, 11b, 11d) hergestellt ist und wobei das Zusatzelement zwei- oder mehrteilig ausgebildet ist und zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform besteht, dadurch gekennzeichnet, dass die Gießform (1, 11b, 11d) im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet ist und sie im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial besteht.“
6Kern der Erfindung ist das zwei- oder mehrteilig ausgebildete Zusatzelement. Dieses wird in den nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1a und 1c der Klagepatentschrift anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels veranschaulicht:
7Mit der Bezugsziffer 1 ist die Gießform bezeichnet, die zwei Hohlräume (2, 3) für die Druckelemente bildet. An ihren Stirnseiten (2a, 2b, 3a, 3b) weisen die Hohlräume Gleitelemente (4) auf. Diese bilden im eingebauten Zustand den Anlagebereich zwischen dem Druckelement einerseits und den angrenzenden Bauteilen andererseits.
8Die Klägerin entwickelt und vertreibt Bauprodukte, insbesondere Produkte zur Wärme- und Schalldämmung. Die Beklagte zu 2) stellt unter anderem Produkte im Bereich der Abdichtung, Schalung und Wärmedämmung her. Sie ist neben der A -GmbH mit 50% an der in B sitzenden Beklagten zu 1) beteiligt, die als Vertriebsgesellschaft für die Beklagte zu 2) fungiert.
9Die Beklagten unterhielten im Januar 2019 einen gemeinsamen Stand (A2.319) auf der für die Bereiche Architektur, Materialien und Systeme führenden Messe BAU 2019, die alle zwei Jahre in München stattfindet. Auf ihrem Stand präsentierten sie unter anderem unter der Bezeichnung „C“ ein tragendes Wärmedämmelement (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagten zeigten die einzelnen Elemente der angegriffenen Ausführungsform anhand des nachfolgend abgebildeten Modells:
10Die angegriffene Ausführungsform wurde auch in einer über die Internetseite der Beklagten zu 1) abrufbaren Produktbroschüre mit dem Titel „D“ beworben (vgl. Anlage K 5), in der sich auf den Seiten 16/17 nachfolgende Abbildung findet:
11Die Klägerin ist in der Vergangenheit bereits aus dem parallelen EP 1 225 XXB gegen die Beklagten und insbesondere gegen die auch hier streitgegenständliche angegriffene Ausführungsform vorgegangen. Ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist erst- (LG Düsseldorf, Az: 4c O 7/19, vorgelegt als Anlage K9) und zweitinstanzlich (OLG Düsseldorf, Az: I-2 U 23/19, vorgelegt als Anlage NK14) stattgegeben worden. Die Nichtigkeitsklage gegen das EP XXB ist durch Urteil vom 26.09.2013 (Az: 10 Ni 27/11 (EP), vorgelegt als Anlage PBP01) abgewiesen worden.
12In dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26.09.2019 wird die Herstellung und konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform wie folgt beschrieben:
13„Zunächst wird ein Bauteil aus Isoliermaterial wie aus der nachfolgenden Abbildung ersichtlich geschäumt:
14Anschließend werden in dieses Bauteil aus Isoliermaterial (orange) Querstäbe gesteckt und die Hohlräume an ihren Stirnseiten mit konvex gewölbten Kunststoffkappen (grün) verschlossen. Im Anschluss werden die Hohlräume mit Beton verfüllt.
15Nach dem Aushärten des Betons wird die Vorrichtung gewendet und auf der Oberseite mit einer Abdeckplatte aus Dämmstoff verklebt. Zwischen den einzelnen Betonelementen werden ggf. zusätzliche Abstandsdämmstoffblöcke eingefügt. Außerdem wird auf der Unterseite ein weiteres, nicht näher bezeichnetes Bauteil angebracht.“
16Diese Feststellungen sind auch zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits unstreitig, wobei ergänzend festzustellen ist, dass die auf der Unterseite der Betonelemente angebrachte Platte aus Wärmedämmmaterial besteht (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2021, S. 2, Bl. 563 eA).
17Mit Schreiben vom 17. April 2019 (vgl. Anlagenkonvolut K7) mahnte die Klägerin die Beklagten unter Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab. Für die Abmahnschreiben macht die Klägerin jeweils vorprozessuale Kosten in Höhe von 9.012,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozent über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung geltend.
18Die Klägerin sieht in der Herstellung, im Angebot und im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Vor dem Landgericht hat sie geltend gemacht, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1. Insbesondere bilde das zum Einfüllen des Betons vorgesehene Bauteil aus Isoliermaterial (in obiger Darstellung orange eingefärbt) zusammen mit den Kunststoffkappen (in obiger Darstellung grün eingefärbt) die erfindungsgemäße Gießform und damit das (zweiteilige) Zusatzelement.
19Die Beklagten, die Klageabweisung beantragt haben, haben eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt und erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die angegriffene Ausführungsform weise keine verlorene Gießform im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre auf. Die Druckelemente der angegriffenen Wärmedämmelemente seien vielmehr unmittelbar in den Isolierkörper eingegossen. Der Isolierkörper müsse aber nach dem Klagepatent ein von der verlorenen Gießform unabhängiges Bauteil sein.
20Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 28.07.2020 antragsgemäß stattgegeben und in der Sache wie folgt erkannt:
21Die Beklagten werden verurteilt,
221. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, gegenüber der Klägerin jeweils zu unterlassen,
23Bauelemente zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragendem Außenteil, bestehend aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen, zumindest bestehend aus einem Druckelement, das im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverläuft und an beide Bauteile zumindest mittelbar anschließbar ist, wobei das Druckelement ein Zusatzelement aufweist, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt, wobei das Druckelement an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil aufweist, wobei das Druckelement unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt ist und wobei das Zusatzelement zwei- oder mehrteilig ausgebildet ist und zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform besteht, in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wobei sich der vorliegende Tenor zu Ziff. I.1. hinsichtlich des Herstellens ausschließlich auf die Beklagte zu
242) bezieht, dadurch gekennzeichnet, dass die Gießform im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet ist und sie im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial besteht;
252. jeweils an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 9.012,- nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.
26August 2019 zu zahlen.
27Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
28Das Klagepatent erfordere zwar sowohl einen Isolierkörper als auch eine (im Bauelement vorhandene) verlorene Gießform, letztere könne aber durchaus (zumindest teilweise) aus Dämmmaterial hergestellt sein. Auch der Isolierkörper könne aus Dämmmaterial hergestellt sein, also ggf. aus dem gleichen Material wie die Gießform. Dies zugrunde gelegt verwirkliche die angegriffene Ausführungsform die klagepatentgemäße Lehre wortsinngemäß. Insofern würden die Dämmstoffsegmente mit den integrierten Betondruckelementen zusammen mit der Abdeckplatte aus Dämmmaterial den Isolierkörper bilden.
29Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts (Bl. 144 ff. GA) Bezug genommen, § 540 ZPO.
30Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens begründen sie die Berufung im Wesentlichen wie folgt:
31Sie machen geltend, das Landgericht habe den Begriffen „Isolierkörper“, „Druckelement“, „verlorene Gießform“ und „Zusatzelement“ einen unzutreffenden Bedeutungsgehalt zugeordnet, der den räumlich-körperlichen Vorgaben des Patentanspruchs sowie dem einheitlichen Offenbarungsgehalt der Patentbeschreibung zuwiderlaufe.
32Der Anspruch sehe ein Bauelement vor, das aus einem Isolierkörper und Bewehrungselementen bestehe. Die Bewehrungselemente wiederum bestünden aus mindestens einem Druckelement. Das Druckelement sei ein separates und insbesondere vom Isolierkörper zu unterscheidendes Bauteil. Es weise ein mehrteiliges Zusatzelement auf. Dieses bestehe zumindest teilweise aus einer verlorenen Gießform, die wiederum aus einer Gleitschicht und Wärmedämmmaterial gebildet werde. Dieser Aufbau zeige deutlich, dass die verlorene Gießform und das zumindest teilweise aus ihr gebildete Zusatzelement vom Isolierkörper zu unterscheiden seien; diese beiden Bauteile dürften nicht identisch sein.
33Die angegriffene Ausführungsform hingegen weise lediglich drei Bestandteile auf, nämlich einen Isolierkörper, Bewehrungselemente einschließlich Druckelement und Gleitkappen auf dem Druckelement. Das Landgericht habe unzutreffend einen Teil des Isolierkörpers mit der verlorenen Gießform bzw. dem Zusatzelement gleichgesetzt. Die verwendeten Dämmstoffsegmente könnten nicht zugleich die verlorene Gießform bilden und Teil des Isolierkörpers sein. In der vom Landgericht herangezogenen Abbildung der angegriffenen Ausführungsform sei der „graue Block“ Bestandteil des Isolierkörpers und nicht das Druckelement. Letzteres könne schon deshalb nicht angenommen werden, weil er nicht der Druckübertragung diene, sondern eine isolierende Funktion habe. In dem auf der Messe präsentierten Modell (Foto s.o.) sei das Druckelement ganz rechts dargestellt. Dieses bestehe nur aus einem Betonstück und (grünen) Gleitkappen; es fehle aber an dem mehrteiligen Zusatzelement.
34Würde man – der Auffassung des Landgerichts folgend – den „grauen Block“ dem Druckelement zuordnen, so würde dies nicht horizontal und quer zur horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurch verlaufen. Im Übrigen fehle es an einem erfindungsgemäßen Kontaktprofil an den Stirnseiten des Druckelementes und der Anlagebereich zwischen Zusatzelement und Bauteil sei nicht (vollständig) als Gleitform ausgebildet.
35Auch funktional erziele die angegriffene Ausführungsform keinen der im Klagepatent hervorgehobenen Vorteile. So werde die Modulbauweise nicht verwirklicht. Das Druckelement könne nur (durch Einguss) mit dem Isolierkörper zusammen hergestellt werden und nicht als eigenständiges Modul. Eine bereichsspezifische Anpassung des Zusatzelementes im Bereich des Isolierkörpers (z.B. zur besseren Lagefixierung oder Beweglichkeit im Isolierkörper) sei nicht möglich. Die Beweglichkeit im Isolierkörper sei durch den Einguss unwiederbringlich vorgegeben. Der bewährte Vorteil aus dem Stand der Technik, wonach das Druckelement mit der verlorenen Gießform in den Isolierkörper einsetzbar sei, sei nicht realisierbar, weil das Druckelement in den Isolierkörper eingegossen werde. Die Mehrteiligkeit des Zusatzelementes mit einem Wärmedämmstoff entfalle, weil es eine durch das Zusatzelement gebildete „Brücke“ nicht gebe, wenn der Beton direkt in den Isolierkörper eingefüllt werde.
36Jedenfalls aber sei der Rechtsstreit bis zum Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens gegen das Klagepatent auszusetzen. Bei Zugrundelegung der vom Landgericht vertretenen Auslegung fehle es dem Klagepatent an der Neuheit gegenüber den Druckschriften NK3 (EP 0 933 XXC), NK4 (DE 10 2007 014 XXD) und NK 5 (EP 1 225 XXB). Hilfsweise beruhe die Lehre des Klagepatents ausgehend von der NK4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
37Die Beklagten beantragen, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent (Az. 1 Ni 29/19 (EP)) auszusetzen.
38Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
39Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags wie folgt entgegen:
40Der neue Vortrag der Beklagten zum fachmännischen Verständnis der Begriffe „Isolierkörper“, „Druckelement“ und „Zusatzelement“ sei verspätet und daher zurückzuweisen. Gleiches gelte für das erstmalige Bestreiten der Verwirklichung der mit diesen Begriffen verbundenen Merkmale des Klagepatents.
41Im Übrigen habe das Landgericht zu Recht die Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform bejaht. Patentanspruch 1 erfordere weder, dass ausschließlich der Isolierkörper eine wärmedämmende Funktion übernehme – vielmehr könne dies auch die Gießform tun , noch müssten sämtliche Bestandteile des Druckelements ausschließlich der Druckübertragung dienen. In der vom Landgericht herangezogenen Abbildung der angegriffenen Ausführungsform sei der „graue Block“ das erfindungsgemäße Zusatzelement, das aus Wärmedämmmaterial und Kunststoffkappen bestehe und damit als zweiteilige Gießform ausgebildet sei.
42In dem von den Beklagten auf der Messe gezeigten Modell sei das Zusatzelement nicht ganz rechts, sondern an zweiter Stelle von links zu finden. Im Übrigen werde bei der angegriffenen Ausführungsform nach dem Aushärten der Druckelemente nicht nur an der Oberseite eine Dämmstoffplatte aufgeklebt, sondern auch das in erster Instanz nicht näher bezeichnete Bauteil, das an der Unterseite der Druckelemente angebracht werde, bestehe – insoweit unstreitig – aus Dämmmaterial.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
44II.
45Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagten gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 und 2 PatG, §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB wegen Verletzung des Klagepatents zur Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents Gebrauch.
461.
47Das Klagepatent betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung, wie es beispielsweise zwischen einem Balkon und der zugehörigen Geschossdecke eingebaut wird, um in diesem Bereich weitestgehend eine Kältebrücke zu vermeiden. Für die nötige Übertragung der auftretenden Zug-, Quer- und Druckkräfte sorgen Bewehrungsstäbe, die an beide Gebäudeteile, also an den Balkon und an die Geschossdecke, unter Durchquerung des Isolierungskörpers angeschlossen sind.
48Entsprechende Wärmedämmelemente waren aus dem Stand der Technik bekannt. So benennt das Klagepatent einleitend in Abs. [0002] der Klagepatentschrift die EP-A-1 2XXE. Diese beschreibt ein aus Beton hergestelltes Druckelement, das in einer verlorenen Gießform gegossen wird, wobei die Gießform zusammen mit dem Druckelement in das Bauelement eingesetzt wird, um die beabsichtigte Wärmedämmung zu erzeugen. Dabei umgibt die Gießform im eingebauten Zustand das Betondruckelement und bildet so, da die Gießform aus Kunststoff hergestellt wird, insbesondere an den den angrenzenden Bauteilen zugewandten Stirnseiten eine Gleitschicht für das Betondruckelement.
49Eine ähnliche Lösung beschreibt auch die in der Klagepatentschrift ebenfalls genannte EP-A-1 8XXF. Die Form bzw. Gießform besteht in diesem Fall aus Kunststoff oder Metall, insbesondere aus Stahlblech und bevorzugt aus Edelstahlblech.
50Die Klagepatentschrift erläutert in Abs. [0003] weiter, dass die vorbeschriebene Gleitschicht zwischen dem Betondruckelement und den angrenzenden Bauteilen nicht zwingend aus einem Gleitkörper bestehen muss, der an der eigentlichen Herstellung des Druckelementes, mithin dem Gießen, beteiligt war. Vielmehr wurde es bereits im Stand der Technik als ausreichend erachtet, dass der Gleitkörper hinsichtlich seiner Form der für die Herstellung des Druckelementes verwendeten Gießform weitestgehend entspricht. Denn durch diese Formidentität wird sichergestellt, dass der Gleitkörper vollflächig am Druckelement anliegt und dieselben optimierten Gleiteigenschaften zur Verfügung stellen kann wie die Gießform selbst.
51Vor dem geschilderten Hintergrund liegt dem Klagepatent das technische Problem zugrunde, ein Bauelement zur Wärmedämmung der eingangs genannten Art weiter zu verbessern und insbesondere hinsichtlich seiner Gebrauchs- und Wärmedämmeigenschaften zu optimieren (Abs. [0005] der Klagepatentschrift].
52Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
531. Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude (A) und einem vorkragenden Außenteil (B).
542. Das Bauelement besteht aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen.
553. Die Bewehrungselemente bestehen aus zumindest einem Druckelement.
563.1. Das Druckelement verläuft im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurch.
573.2. Das Druckelement ist an beide Bauteile (A, B) zumindest mittelbar anschließbar.
583.3. Das Druckelement weist an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil auf.
593.4. Das Druckelement ist unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt.
603.5. Das Druckelement weist ein Zusatzelement auf, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt.
613.5.1 Das Zusatzelement ist zwei- oder mehrteilig ausgebildet und besteht zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform.
623.5.2 Die Gießform ist im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet und besteht im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial.
63Das erfindungsgemäße Bauelement besteht ausweislich Merkmal 2 aus einem zwischen den beiden Bauteilen anzuordnenden Isolierkörper und aus Bewehrungselementen. Soweit Patentanspruch 1 nach seinem Wortlaut weiterhin „bestehend aus zumindest einem Druckelement“ vorsieht, bezieht sich dies – etwas unglücklich formuliert – auf die zuvor genannten Bewehrungselemente (so auch: BPatG, Hinweis vom 10.06.2021, S. 4, Bl. 403 eA). Diese müssen mindestens ein Druckelement aufweisen. Im Weiteren beschäftigt sich der Patentanspruch 1 ausschließlich mit der besonderen Ausgestaltung des Druckelementes (als Teil des Bewehrungselementes); der anspruchsgemäße Isolierkörper hingegen wird nicht näher beschrieben.
642.
65Dies vorausgeschickt sollen im Hinblick auf den Streit der Parteien die Merkmale nachfolgend im Einzelnen näher erläutert werden.
a)
66Das Klagepatent geht im Hinblick auf den Isolierkörper von dem bekannten Stand der Technik aus. Abgesehen davon, dass der Isolierkörper nach Merkmal 3.1 eine horizontale Längserstreckung hat, ist er in seiner räumlich-körperlichen Ausgestaltung nicht beschränkt. Auch die Materialwahl überlässt das Klagepatent dem Fachmann, wobei dieser erkennt, dass ein Material gewählt werden muss, das Isoliereigenschaften aufweist, da andernfalls die Funktion des Isolierkörpers, nämlich die Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, nicht erfüllt werden kann (vgl. hierzu auch den Hinweis des BPatG vom 10.06.2021, dort S. 4, Bl. 403 eA).
b)
67Die Ausgestaltung der den Kern der Erfindung bildenden Druckelemente wird in der Merkmalsgruppe 3 genauer beschrieben.
aa)
68Hinsichtlich deren konstruktiver Gestaltung legt sich Patentanspruch 1 dahingehend fest, dass sie im eingebauten Zustand des Bauelements im Wesentlichen horizontal (und damit letztlich parallel zum Boden) und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurch verlaufen, Merkmal 3.1. Mit diesem Merkmal übernimmt die Klagepatentschrift die bereits aus dem Stand der Technik – das Klagepatent nennt hier explizit die EP-A-1 2XXE – bekannte Ausrichtung der Druckelemente im Verhältnis zum Isolierkörper.
69Der angesprochene Durchschnittsfachmann – als solcher kann hier im Anschluss an die von den Parteien nicht beanstandeten Ausführungen des Bundespatentgerichts in seinem Hinweis vom 10.06.2021 (dort S. 1, Bl. 400 eA) ein Bauingenieur angesehen werden, der auf dem Gebiet der Entwicklung von vorgefertigten Bauelementen zur Wärmedämmung zwischen verschiedenen Bauteilen seit mehreren Jahren tätig ist – erkennt, dass die in Merkmal 3.1 enthaltene räumlich-körperliche Vorgabe – wie schon in dem in der Klagepatentschrift zitierten Stand der Technik – dazu dient, die Anschließbarkeit der Druckelemente an beide angrenzenden Bauteile zu gewährleisten (vgl. EP 1 225 XXB, Abs. [0001]). Erreicht wird dies durch die besondere Ausrichtung der Druckelemente, die im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers angeordnet sind.
70Soweit Merkmal 3.1 darüber hinaus vorgibt, dass die Druckelemente durch den Isolierkörper „hindurch verlaufen“, werden hierdurch jedenfalls Ausgestaltungen aus dem Wortsinn des Anspruchs ausgeschlossen, in denen das Druckelement lediglich oberhalb, unterhalb oder neben dem Isolierkörper verläuft. Ob der Isolierkörper die Druckelemente vollständig umschließen muss bzw. die Druckelemente stiftartig in den Isolierkörper eingesteckt sein müssen, kann dahinstehen, da diese Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht relevant ist (s.u. unter Ziffer 3.).
bb)
71Die Druckelemente sollen jeweils an beide Bauteile (A, B) zumindest mittelbar anschließbar sein (Merkmal 3.2.). Dazu weist das Druckelement gemäß Merkmal 3.3 an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil auf. Die konstruktive Ausgestaltung dieses Kontaktprofils überlässt das Klagepatent dem Fachmann. Allerdings ergibt sich aus dem Zusammenspiel mit Merkmal 3.5.2, dass das Kontaktprofil, das sich im Anlagebereich zwischen dem Druckelement und dem Bauteil befindet, Teil der Gießform ist und nach Art eines Gleitelementes in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet ist.
cc)
72Merkmal 3.4 verlangt insoweit, dass die Druckelemente unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt sind. Bei der Erschließung des Sinngehalts dieses Merkmals darf der Fachmann zunächst nicht aus dem Blick verlieren, dass es sich bei Patentanspruch 1 um einen Vorrichtungs- und keinen Verfahrensanspruch handelt. Unter Schutz gestellt ist kein Verfahren zur Herstellung der Betondruckelemente bzw. eines Bauelements. Soweit Patentanspruch 1 auf das die Betondruckelemente betreffende Herstellungsverfahren rekurriert, dient dies ausschließlich der Charakterisierung des Bauelements im „fertigen“ Zustand, das heißt, nachdem die Betondruckelemente in das Bauelement integriert wurden (vgl. hierzu auch: OLG Düsseldorf, Urteil vom
7326.09.2019, - I-2 U 23/19 -, S. 5 unten).
dd)
74Nach Merkmal 3.5 weist das Druckelement ein Zusatzelement auf, welches das Druckelement zumindest in Teilbereichen und zumindest mittelbar umgibt.
75Dieses Zusatzelement ist nach Merkmal 3.5.1 zwei- oder mehrteilig ausgebildet und besteht zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform. Hierin liegt der Kern der Erfindung. Der Sinn dieser Anordnung erschließt sich aus den Absätzen [0008] und [0009] der Klagepatentschrift, wo erläutert wird, dass die zwei- oder mehrteilige Ausbildung des Zusatzelementes eine Modulbauweise und dadurch eine exakte Anpassung an die in den jeweiligen Druckelementbereichen bestehenden Anforderungen ermöglicht. So kann etwa an den für die Kraftübertragung wesentlichen Stirnseiten des Druckelementes zur Verbesserung der Gleiteigenschaften ein gleitfähiges Material gewählt werden, an den seitlich, oberhalb und/oder unterhalb liegenden Teilbereichen hingegen ein isolierendes Material zur Verbesserung der Wärmedämmeigenschaften.
76Merkmal 3.5.1 lässt dabei zunächst unterschiedliche Ausgestaltungen zu. So kann zum einen die Gießform selbst aus zwei (oder mehr) unterschiedlichen Materialen bestehen und so allein das erfindungsgemäße Zusatzelement bilden (Abs. [0013] der Klagepatentschrift). Eine andere Möglichkeit besteht darin, zusätzlich zu der Gießform ein Ergänzungselement vorzusehen, das gemeinsam mit der Gießform das erfindungsgemäße Zusatzelement bildet (vgl. Abs. [0012] der Klagepatentschrift).
77Durch Merkmal 3.5.2 wird die verlorene Gießform in Patentanspruch 1 näher konkretisiert. Hiernach soll sie im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet sein und im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus einem Wärmedämmmaterial bestehen.
78Der genannte Anlagebereich zwischen dem Druckelement und dem Bauteil entspricht dabei dem in Merkmal 3.3 definierten Kontaktprofil (so auch: Hinweis des BPatG vom
7910.06.2021, dort S. 6, Bl. 405 eA). Dies ergibt sich unmittelbar daraus, dass Merkmal 3.5.2 die Bereiche „im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil“ und „außerhalb des Kontaktprofils“ als Gegensatzpaar gegenüberstellt.
80Das Kontaktprofil befindet sich nach Merkmal 3.3 an der Stirnseite des Druckelementes. Dass sich das Kontaktprofil über die gesamte Stirnseite der Gießform erstreckt, verlangt der Anspruch – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht. Merkmal 3.3 nimmt nicht die Stirnseite der Gießform in Bezug, sondern (allein) die Stirnseite des Druckelementes. Dieses wiederum ist „nur“ unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt. Druckelement und Gießform sind nicht identisch, es handelt sich um unterschiedliche Bauteile.
81Hinzu tritt Merkmal 3.5.2 und der technische Sinn des Kontaktprofils: Die Stirnseiten des Druckelements dienen zur Krafteinleitung und Kraftübertragung an das angrenzende Bauteil (so ausdrücklich Abs. [0025] der Klagepatentschrift, vgl. auch Abs. [0022] der Klagepatentschrift). Dort, wo es zur Anlage des Druckelements an das Bauteil kommt, ist das Kontaktprofil vonnöten, da es die Beweglichkeit sicherstellen und die Gleitfähigkeit (durch Ausgestaltung gemäß Merkmal 3.5.2) gewährleisten soll (vgl. Abs. [0011] der Klagepatentschrift). Etwaige Relativbewegungen zwischen Druckelement und angrenzendem Bauteil sollen begünstigt werde (vgl. Abs. [0015] der Klagepatentschrift). Wo es nicht zum Kontakt bzw. zur Anlage an das angrenzende Bauelement – und damit zu keiner Kraftübertragung – kommt, bedarf es keines Kontaktprofils.
82Die Auswahl des Materials für das Kontaktprofil bleibt dem Fachmann überlassen, lediglich beispielhaft schlägt die Klagepatentschrift in Absatz [0015] die Verwendung von HD-Polyethylen vor.
83Demgegenüber trägt die Wahl eines Wärmedämmmaterials für die Gießform im Bereich außerhalb des Kontaktprofils funktional dem Umstand Rechnung, dass an den Seitenflächen des Druckelementes keine Relativbewegungen stattfinden, die das Zwischenfügen einer Gleitschicht erforderlich machen. Dort kommt es stattdessen auf eine besonders gute Wärmedämmung an. Diese kann optimaler Weise dadurch erreicht werden, dass Wärme- bzw. Kältebrücken durch die Gießform vollständig vermieden werden, indem die Gießform selbst hier aus einem Wärmedämmmaterial gebildet wird (vgl. Abs. [0016] der Klagepatentschrift). Als Beispiel für ein mögliches Wärmedämmmaterial benennt die Klagepatentschrift im vorgenannten Absatz Polyurethan- oder Polystyrolschaum.
84Aus dem Vorstehenden ergibt sich unmittelbar, dass die verlorene Gießform – als Teil des erfindungsgemäßen Zusatzelementes – als solche im Bauelement vorhanden sein muss, da nur dann die vorstehend beschriebenen funktionalen Vorteile der Erfindung erzielt werden können. Hieraus wiederum kann der Rückschluss gezogen werden, dass das erfindungsgemäße Bauelement aus zumindest drei separaten Bauteilen bestehen muss: dem Isolierkörper, dem Druckelement (als Teil des Bewehrungselementes) und der verlorenen Gießform (als Teil des Zusatzelementes), wobei das Klagepatent das Zusatzelement wiederum dem Druckelement und dieses den Bewehrungselementen zuordnet, woraus sich die Zweiteiligkeit des Bauelementes in Merkmal 2, bestehend aus dem Isolierkörper und den Bewehrungselementen, ergibt.
85Zugleich wird nur durch das Verständnis von separaten Bauteilen – einerseits der Isolierkörper, andererseits die verlorene Gießform – dem Merkmal 3.1 entsprochen, wonach das Druckelement im eingebauten Zustand des Bauelementes in räumlich-körperlich näher konkretisierter Weise durch diesen hindurch verläuft. Dies setzt voraus, dass das dem Druckelement zugeordnete Zusatzelement, das zumindest teilweise aus der verlorenen Gießform besteht, nicht identisch ist mit dem Isolierkörper.
86Soweit der 2. Senat in seinem Urteil vom 28.09.2019 zum EP XXB (Az: I-2 U 23/19, vorgelegt als Anlage NK14, S. 6) entsprechendes festgestellt hat, ist dies zwar nicht unmittelbar übertragbar, da der Senat seine Argumentation auf den Begriff des „Einsetzens“ der Gießform in das Bauelement gestützt hat, der im hiesigen Klagepatent keine Erwähnung findet, nichtsdestotrotz spricht diese Einschätzung aber für ein einheitliches Verständnis des den beiden parallelen Erfindungen zugrundeliegenden
87Grundgedankens (vgl. hierzu auch das Urteil des BPatG zum EP XXB, Anlage PBP01, S. 8).
88Der Umstand, dass der Isolierkörper und die verlorene Gießform als zwei separate Bauteile in dem erfindungsgemäßen Bauelement vorhanden sein müssen, hindert nicht die Annahme, dass beide aus dem gleichen (Wärmedämm-) Material hergestellt sein können. Denn das Klagepatent kennt grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten der erfindungsgemäßen „Mehrteiligkeit“: Entweder ist hierunter das Vorliegen räumlich-körperlich selbstständiger Einheiten zu verstehen oder die Wahl unterschiedlicher Materialien bei einstückiger Bauweise (Abs. [0009] der Klagepatentschrift).
89Dabei müssen die verlorene Gießform und der Isolierkörper im fertigen Bauelement zwar separat voneinander vorhanden sein, dies muss aber – insbesondere bei identischer Materialwahl – nicht unmittelbar erkennbar sein. Steht fest, dass zunächst zwei separate Bauteile vorlagen, die erst anschließend durch Verbindung, Verklebung oder ähnliches zusammengefügt wurden, so reicht dies für die Annahme von räumlich-körperlich selbstständigen Einheiten im Sinne des Klagepatents aus. Denn funktional will das Klagepatent mit dem Erfordernis separater Bauteile die Möglichkeit der Modulbauweise eröffnen, deren Vorteile in gleicher Weise auch dann erzielt werden, wenn zunächst separate Bauteile zur Herstellung des Wärmedämmelementes fest miteinander verbunden werden. Ein dauerhaftes „Entkoppeln“ der verlorenen Gießform vom Isolierkörper – wie von den Beklagten angenommen – verlangt der Klagepatentanspruch 1 demgegenüber nicht.
903.
91Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht ausgehend von einem solchen Verständnis des Klagepatents eine unmittelbar wortsinngemäße Verwirklichung sämtlicher Merkmale des streitgegenständlichen Patentanspruchs 1 durch die angegriffene Ausführungsform bejaht.
a)
92Dabei ist von einer Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform auszugehen, wie sie im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26.09.2019 (Az: I-2 U 23/19, vorgelegt als Anlage NK14) festgestellt und eingangs unter Ziffer I. beschrieben wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das unter den Druckelementen befindliche, in erster Instanz nicht näher beschriebene Bauteil ebenfalls aus Wärmedämmmaterial besteht.
93Soweit die Klägerin letzteres erst in zweiter Instanz vorgetragen hat, kommt eine Anwendung von § 531 Abs. 2 ZPO schon deshalb nicht in Betracht, weil der diesbezügliche Vortrag der Klägerin von den Beklagten nicht angegriffen worden ist und damit unstreitig geblieben ist. Das Präklusionsrecht und damit auch der grundsätzliche Ausschluss neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsrechtszug findet auf unstreitige Tatsachen keine Anwendung. Unstreitiges und damit nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohne Weiteres nach § 529 Abs. 1 zugrunde zu legen (BGH, NJW 2008, 3434; BGH, NJW 2009, 2532; BGH, FamRZ 2010, 636; BGH, WuM 2016, 98).
94Soweit die Beklagten in zweiter Instanz nicht nur das Vorhandensein einer „verlorenen Gießform“, sondern auch die Verwirklichung weiterer Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 bestreiten, kommt eine Anwendung von Präklusionsvorschriften ebenfalls nicht in Betracht. Denn das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten stellt keinen neuen Tatsachenvortrag dar, insbesondere enthält es kein geändertes oder neues Sachvorbringen zu der tatsächlichen Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform. Vielmehr bezieht sich das Vorbringen ausschließlich auf die vom Landgericht vorgenommene Zuordnung einzelner Begrifflichkeiten des Klagepatents zu den Bauteilen der angegriffenen Ausführungsform. Welche Bauteile der angegriffenen Ausführungsform unter welche Begriffe des Klagepatentanspruchs 1 zu subsumieren sind, ist eine rein rechtliche Fragestellung, die in jeder Instanz vom Gericht eigenständig zu prüfen ist. Die Anwendung von Präklusionsregelungen scheidet insofern aus (Schilling in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage 2018, § 282 Rn 6).
b)
95Die angegriffene Ausführungsform weist eine verlorene Gießform im Sinne von Merkmal 3.4 der obigen Merkmalsgliederung auf.
96Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Parteien wird das Druckelement dergestalt hergestellt, dass in einen aus Isoliermaterial geschäumten Körper, der an seinen Stirnseiten mit (grünen) Plastikkappen versehen ist, Beton eingefüllt wird. Beide Bauteile zusammen – der aus Isoliermaterial geschäumte Hohlkörper und die an seinen (offenen) Enden befindlichen Plastikkappen – bilden die erfindungsgemäße Gießform, nämlich einen (geschlossenen) Hohlkörper, der durch seine Form die Form des darin gegossenen Druckelementes bestimmt. Die Gießform ist auch im Sinne des Patentanspruchs 1 „verloren“, weil sie im Bauelement verbleibt. In der nachfolgenden Abbildung ist die erfindungsgemäße Gießform mit dem innenliegenden Druckelement als zweites von links erkennbar.
97Bei dem in der vorstehenden Modelldarstellung an zweiter Stelle von links wiedergegebenem „grauen Block“ handelt es sich zugleich um das klagepatentgemäße Zusatzelement, welches hier nur aus der Gießform besteht. Deutlich zu erkennen und zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die verlorene Gießform – und damit auch das Zusatzelement – aus Wärmedämmmaterial und den an den Stirnseiten erkennbaren (grünen) Plastikkappen besteht und damit im Sinne von Merkmal 3.5.1 mehrteilig ausgebildet ist.
98Soweit die Beklagte meint (vgl. Schriftsatz v. 26.10.2020, S. 17, Bl. 115 eA), der „graue Block“ könne nicht dem Zusatzelement zugeordnet werden, weil er Teil des Isolierkörpers sei, verfängt dies nicht. Die verlorene Gießform – als Bestandteil des erfindungsgemäßen Zusatzelementes – besteht aus eben den Bauteilen, die die Form für das Eingießen des aushärtbaren Materials bilden, das in der Folge das Druckelement darstellt. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform eben der in der zweiten Abbildung von links gezeigte „graue Block“. Die beiden Abbildungen rechts davon zeigen das Druckelement als solches, nicht aber diejenigen Bauteile, in denen es gegossen wurde.
99Diese Zuordnung ignoriert auch keineswegs – wie von den Beklagten vorgetragen – die jeweilige Funktion der Bauteile. Denn weder darf nach dem Klagepatentanspruch 1 allein der Isolierkörper eine wärmedämmende Funktion übernehmen, noch legt der Anspruch einschränkend fest, dass das Druckelement keiner anderen Funktion dienen darf als ausschließlich der Druckübertragung. Einer solchen einschränkenden Auslegung steht bereits Merkmal 3.5.2 entgegen, wonach die Gießform – als Teil des Zusatzelementes, dieses wiederum als Bestandteil des Druckelementes – im Bereich außerhalb des Kontaktprofils aus Wärmedämmmaterial besteht und damit eine wärmedämmende Funktion erfüllt. Im Bereich der verlorenen Gießform kann damit stellenweise auch (nur) eine Wärmedämmung erfolgen. Insofern ordnet das Klagepatent keineswegs jedes Bauteil, das aus Wärmedämmmaterial besteht, automatisch und zwangsläufig dem Isolierkörper zu.
c)
100Das Druckelement weist an seiner Stirnseite ein dem Bauteil zugewandtes Kontaktprofil im Sinne von Merkmal 3.3 auf und ist durch dieses im Sinne von Merkmal 3.2 an beide angrenzenden Bauteile (A, B) anschließbar.
101Das Kontaktprofil wird gebildet durch die in der obigen Abbildung erkennbaren konvex ausgebildeten grünen Plastikkappen an den beiden Stirnseiten des Druckelementes. Wie in der obigen Abbildung ganz rechts gut zu erkennen ist, erstrecken sich die grünen Plastikkappen über die gesamte Stirnseite des Druckelementes und umschließen dieses noch ein Stück weit in der Längserstreckung des Druckelementes. Dass die Plastikkappen sich nicht (auch) über die gesamte Stirnseite der Gießform erstrecken (vgl. die zweite Abbildung von links), hindert – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht die Verwirklichung von Merkmal 3.5.2. Dieses verlangt lediglich, dass die Gießform „im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelementes in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet“ ist. Der hier angesprochene „Anlagebereich“ meint dabei nicht die gesamte Stirnseite der Gießform, sondern (nur) den Bereich des Kontaktprofils (s.o.). Die Gleitfähigkeit des verwendeten Materials ist funktional nur dort von Bedeutung, wo es tatsächlich zu einer „Anlage“ zwischen dem Druckelement und dem angrenzenden Bauteil kommt. Dies ist zwingend im Bereich des Kontaktprofils der Fall. Ist dieses – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – konvex gewölbt und steht dadurch gegenüber der Stirnseite der Gießform hervor, findet allein im Bereich des (über dem Druckelement befindlichen) Kontaktprofils eine „Anlage“ zu dem angrenzenden Bauteil statt.
d)
102Die angegriffene Ausführungsform weist neben der verlorenen Gießform auch einen Isolierkörper im Sinne von Merkmal 2 auf.
103Wie oben unter Ziffer 2. ausgeführt, handelt es sich bei dem Isolierkörper um ein separates, insbesondere von der Gießform zu unterscheidendes Bauteil. Hieraus folgt unmittelbar, dass der gesamte, in der Modelldarstellung der Beklagten in der zweiten Abbildung von links gezeigte Bestandteil des Bauelementes nicht zum Isolierkörper gehören kann, da es sich hierbei – wie vorstehend unter lit. a) ausgeführt – um die verlorene Gießform mit dem darin befindlichen Druckelement handelt.
104Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die verlorene Gießform zum Teil aus Wärmedämmmaterial besteht. Denn wie die Modelldarstellung der Beklagten anschaulich verdeutlicht, sind die verschiedenen Bereiche des gezeigten Bauelementes, auch wenn sie in großen Teilen aus Wärmedämmmaterial bestehen, deutlich voneinander unterscheidbar und als separate Bestandteile des Bauelementes vorhanden.
105Insofern ergibt sich aus dem gezeigten Modell, nunmehr aus der ganz linken Abbildung, dass sich oberhalb der verlorenen Gießform weiteres Dämmmaterial befindet, das erfindungsgemäß dem Isolierkörper zuzuordnen ist. Gleiches gilt für die zusätzlichen Abstandsdämmstoffblöcke, die zwischen den einzelnen Druckelementen eingefügt werden. Entsprechend besteht der erfindungsgemäße Isolierkörper nach Merkmal 2 bei der angegriffenen Ausführungsform aus den in der nachstehenden Abbildung rot eingefärbten Bereichen.
106Außerdem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich unter den Betondruckelementen eine weitere (dünne) Platte aus Wärmedämmmaterial befindet. Diese ist ebenfalls dem Isolierkörper zuzurechnen. Besser erkennbar ist sie in der nachfolgend wiedergegebenen, von der Klägerin nicht kolorierten Abbildung aus der Produktbroschüre der Beklagten, in der die obere und untere Abdeckplatte im gleichen Farbton erscheinen:
107Zugleich ist offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform die vom Klagepatentanspruch 1 vorausgesetzte Modulbauweise umsetzt. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 26.10.2020, S. 20, Bl. 118 eA) kann das Druckelement mit der verlorenen Gießform als Modul hergestellt und im Anschluss mit dem Isolierkörper zu dem erfindungsgemäßen Bauelement verbunden werden. Dabei ist selbstverständlich die bereichsspezifische Anpassung des Zusatzelements möglich, wie geschehen durch die unterschiedliche Materialwahl im Bereich der Stirnseiten der Druckelemente einerseits und der Seitenwände des Druckelementes andererseits. Der Beton wird bei der angegriffenen Ausführungsform gerade nicht in den Isolierkörper, sondern in die verlorene Gießform eingegossen. Dass dabei die verlorene Gießform (in Teilbereichen) und der Isolierkörper aus einem identischen Wärmedämmmaterial hergestellt sind, hindert diese Einordnung nicht. Eine solche Ausgestaltung ist zur Erreichung der gestellten Aufgabe (Optimierung der Gebrauchs- und Wärmedämmeigenschaften) vielmehr sogar vorteilhaft. Es gehört zum Kern der Erfindung, dass die Entstehung von Wärme- bzw. Kältebrücken ausgeschlossen wird, indem die Gießform selbst aus Wärmedämmmaterial hergestellt wird. Dies wird möglich durch die Erkenntnis des Klagepatents, dass an den Seitenflächen des Druckelementes keine Relativbewegungen stattfinden, die das Zwischenfügen einer Gleitschicht erforderlich machen (vgl. Abs. [0016] der Klagepatentschrift).
108Auch der Umstand, dass das zusätzliche Wärmedämmmaterial, das nach den vorstehenden Ausführungen dem Isolierkörper zuzuordnen ist, ggf. fest mit dem der verlorenen Gießform zuzuordnenden Wärmedämmmaterial verklebt wird, hindert die Annahme separater Bauteile nicht. Denn das Klagepatent erfordert nicht die dauerhafte „Entkoppelung“ des Isolierkörpers von der verlorenen Gießform, sondern lediglich das Vorhandensein separater Bauteile zur Ermöglichung einer Modulbauweise (s.o. unter Ziffer 2. b) dd)).
e)
109Soweit die Beklagten bei dieser Zuordnung der Bauteile der angegriffenen Ausführungsform unter die Begrifflichkeiten des Klagepatentanspruchs 1 die Frage aufwerfen, ob die Druckelemente im eingebauten Zustand im Sinne von Merkmal 3.1 im Wesentlichen horizontal und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverlaufen, ist diese zu bejahen.
110Denn die Druckelemente werden von dem Isolierkörper von vier Seiten „umschlossen“. Anschaulich wird dies anhand der unter lit. d) wiedergegebenen Abbildung aus der Produktbroschüre der Beklagten. Ober- und unterhalb der Druckelemente erstreckt sich jeweils eine Platte aus Dämmmaterial in Längsrichtung horizontal (im Bild von links nach rechts). Beide Platten bilden zusammen mit den zwischen den Druckelementen angeordneten Dämmstoffblöcken den erfindungsgemäßen Isolierkörper. Quer dazu verlaufen durch den Isolierkörper hindurch ebenfalls horizontal die Druckelemente (im Bild von vorne nach hinten).
111Soweit die am Rand des Bauelementes befindlichen Druckelemente jedenfalls an einer Seite nicht von dem Isolierkörper umgeben werden, ist dies für die Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre schon deshalb unbeachtlich, weil die angegriffene Ausführungsform jedenfalls unstreitig in den anderen Bereichen Druckelemente aufweist, die die Vorgaben des Merkmals 3.1 wortsinngemäß verwirklichen, so dass die angegriffene Ausführungsform als solche das Klagepatent verletzt.
1124.
113Im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung bzw. -benutzung sind die Beklagten der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Außerdem haben sie der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. den §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB und § 139 Abs. 2 PatG die im Rahmen der vorprozessualen Rechtsverfolgung entstandenen Kosten zu ersetzen. Diese sind nach den §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Da die Rechtsfolgen der geltend gemachten Patentverletzung mit der Berufung im Übrigen nicht gesondert angegriffen werden, kann auf weitere Ausführungen hierzu verzichtet werden.
1145.
115Zu einer Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit (§ 148 ZPO) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die von den Beklagten gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage besteht keine Veranlassung.
116Für den Patentverletzungsprozess ist anerkannt, dass eine Aussetzung (in erster Instanz) nur dann gerechtfertigt ist, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einem Widerruf oder einer Nichtigerklärung des Klagepatents ausgegangen werden kann (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; BGH, GRUR 2014, 1237 Rn 4 - Kurznachrichten). In zweiter Instanz ist die Frage der Aussetzung des Patentverletzungsstreites unter etwas weniger strengen Gesichtspunkten zu beurteilen, wenn - wie hier – bereits ein erstinstanzliches Urteil zugunsten des Patentinhabers vorliegt, aus dem dieser gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann. Aber auch in diesem Fall ist eine Aussetzung erst dann geboten, wenn die Vernichtung oder der Widerruf des Patents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist (OLG Düsseldorf, Mitt. 1997, 253 – Steinknacker; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 263 - Thermocycler; OLG Düsseldorf, Mitt. 2009, 400, 401 f. – Rechnungslegungsanspruch; OLG Düsseldorf, Urteil vom
11716.07.2020, - I-15 U 38/18 - Schnellwechseldorn).
118Davon ist vorliegend unter Berücksichtigung des Vorbescheides des Bundespatentgerichts vom 10.06.2021 nicht auszugehen. Mit diesem nach § 83 PatG ergangenen qualifizierten Hinweis liegt eine fachkundige Stellungnahme derjenigen Instanz vor, die über den Rechtsbestand des Klagepatents zu entscheiden hat. Diese Stellungnahme ist bei der hier zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen.
a)
119Zwar befasst sich der Vorbescheid des Bundespatentgerichts inhaltlich nicht mit den von den Beklagten im hiesigen Verletzungsrechtsstreit für maßgeblich erachteten Entgegenhaltungen NK 3 (EP 0 933 XXC) und NK 4 (DE 10 2007 014 XXD), sondern macht ausschließlich Ausführungen zu der Entgegenhaltung NK 5 (EP 1 225 XXB). Zugleich stellt das Bundespatentgericht aber fest, dass die anderen Entgegenhaltungen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht näher kommen dürften als der Gegenstand der NK 5, der vom Bundespatentgericht nicht als neuheitsschädlich erachtet wird. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass diese Einschätzung des Bundespatentgerichts ersichtlich unzutreffend ist und die im qualifizierten Hinweis geäußerte Auffassung keinen Bestand haben können wird.
aa)
120Die im Klagepatent als Stand der Technik gewürdigte NK 5 kommt als Grundlage für eine Aussetzung schon aus formalen Gründen nicht in Betracht. Sie stellt geprüften Stand der Technik dar. Im Übrigen wurde sie auch vom Bundespatentgericht nach Vorberatung nicht für neuheitsschädlich erachtet, da sie nicht die Ausbildung der verlorenen Gießform aus wärmedämmendem Material an den Seitenflächen des Druckelementes offenbart (vgl. auch den Hinweis des BPatG vom 10.06.2021, S. 6, Bl. 405 eA).
bb)
121Die NK 3 bezieht sich auf ein Fertigbauteil für eine auskragende Balkonplatte. In den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 sind der Dämmkörper 1 mit Zugstäben 2, Querkraftstäben 3, Drucklagern 5 und eine Fertigteilplatte 6 zu erkennen:
122In ihrem Abs. [0011] sieht die NK 3 zwar vor, dass in Aussparungen im unteren Bereich des Dämmkörpers eine Materialmischung mit hoher Druckfestigkeit eingefüllt werden kann, nicht offenbart wird hierdurch aber die Verwendung einer zwei- oder mehrteiligen verlorenen Gießform als eigenständiges Bauteil neben dem Isolierkörper.
123In dem in den Figuren der NK 3 abgebildeten Bauelement ist bereits nicht unmittelbar und eindeutig ein Hohlkörper erkennbar, der die Form der Betondruckelemente beim Eingießen von flüssigem Beton vorgeben könnte. Insofern sind die Aussparungen 4 an ihren Stirnseiten nicht geschlossen. In Abs. [0026] der NK 3, der eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung nach Figur 2 beschreibt, heißt es in diesem Zusammenhang, dass beim Gießen der Fertigteilplatte 6 so vorgegangen wird, „dass vorher im Bereich der Aussparungen 4 eine Betonmischung zur Ausbildung eines Drucklagers 5 eingesetzt wird“ (Unterstreichung durch den Senat).
124Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die NK 3 Bauteile offenbart, in denen die gezeigten Druckelemente gegossen werden, so würde der Gießvorgang wohl unmittelbar in den Isolierkörper ohne Verwendung einer verlorenen Gießform erfolgen (so auch der Hinweis des BPatG vom 10.06.2021, S. 7 Mitte, Bl. 406 eA). Erst dann, wenn man annehmen wollte, der in der NK 3 offenbarte Isolierkörper sei in unterschiedliche Bereiche aufteilbar, könnte der untere, die Aussparungen 4 umgebende Teil des Isolierkörpers Bestandteil einer verlorenen Gießform sein. Diese allerdings wäre dann jedenfalls nicht mehrteilig ausgebildet.
125Soweit die Beklagten unter Verweis auf Abs. [0013] geltend machen, die NK3 offenbare eine Abdeckung des Drucklagers durch eine Gleitschicht 26, so spricht schon der Begriff des „Abdeckens“ gegen die Offenbarung dieser Gleitschicht als Gießform, da er beinhaltet, dass das Druckelement vorhanden ist, bevor es von der Gleitschicht „abgedeckt“ wird. Auch aus Abs. [0021] der NK 3 ergibt sich nichts anderes. Dieser spricht davon, dass die Gleitschicht 26 „an der zum Gebäude hin gerichteten Seite der Druckkörper 5 angeordnet ist“ (Unterstreichung durch den Senat).
126Demgegenüber verlangt das Klagepatent in seinem Merkmal 3.5.2 explizit, dass die Gießform im Anlagebereich zwischen Druckelement und Bauteil nach Art eines Gleitelements in Form einer Gleitschicht oder Gleitplatte ausgebildet ist. Dies erfordert, dass die Gleitschicht geeignet ist, an dem das Druckelement hervorbringenden Gießvorgang teilzunehmen und insbesondere das eingegossene, noch nicht ausgehärtete Material in einer bestimmten Form zu halten. Dass die in der NK 3 offenbarte Gleitschicht 26 hierzu gedacht oder zumindest geeignet ist, vermag der Fachmann der NK 3 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Eine solche Annahme erscheint schon deshalb nicht naheliegend, weil die in der NK 3 vorgesehene Gleitschicht mit 0,5 bis 1 mm nur sehr dünn ausgestaltet ist. Selbst bei der Verwendung eines „hochfesten Kunststoffes“ erscheint dem Senat zumindest zweifelhaft, ob der Fachmann diese Gleitschicht als zur Verwendung in einer Gießform geeignet ansehen würde.
127Vor diesem Hintergrund ist nicht mit der für eine Aussetzungsentscheidung erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die NK 3 eine mehrteilige Gießform offenbart.
cc)
128Die NK 4 betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung der auch vom Klagepatent in Bezug genommenen Art. Die nachfolgend abgebildete Figur 5 zeigt ein Ausführungsbeispiel des offenbarten Bauelements 31 in einem Horizontalschnitt. Zu sehen ist ein Isolierkörper 32 sowie ein den Isolierkörper durchquerendes Druckelement 33. Dieses Druckelement weist ein mittleres Teilstück 33a aus faserverstärktem Beton und zwei endseitige Teilstücke 33b, 33c aus einem wärmeisolierenden Material auf. Das mittlere Teilstück ist von einer verlorenen Schalform 39 umgeben.
129Auch mit Blick auf die NK 4 fehlt es jedenfalls an einer hinreichend eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung einer zwei- oder mehrteiligen verlorenen Gießform im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre. In den Absätzen [0025] bis [0029] beschreibt die NK 4 verschiedene Materialien für die Druckelemente selbst, eine „verlorene Schalung“ wird erst in Abs. [0030] und dann nochmals bei der Beschreibung von Figur 5 in Abs. [0048] erwähnt.
130Die verlorene Schalung besteht einteilig bevorzugt aus Kunststoff. Für eine Mehrteiligkeit der Schalung bietet die NK 4 keinen Anhaltspunkt. Vielmehr stellt die NK 5 in Abs. [0031] ausdrücklich auf die Vorzüge des mehrteiligen Aufbaus der Druckelemente ab. Entsprechend zeigt die vorstehend abgebildete Figur 5 endseitige Teilstücke 33b, 33c des Druckelementes, die erst nach dem Gießen und Erhärten des Betons an die Stirnseiten des mittleren Teilstücks 33a angebracht (z.B. angeklebt und/oder angesteckt) werden (vgl. Abs. [0023]: „die mit dem mittleren Teilstück fest verbundenen endseitigen Teilstücke“; Abs. [0033]: „eine kraft- und formschlüssige Verbindung durch Zusammenkleben und/oder –stecken der Teilstücke“). Die endseitigen Teilstücke nehmen daher nicht an dem Gießvorgang für das mittlere Teilstück teil und können somit nicht Teil der verlorenen Schalung sein.
131Soweit die Beklagten meinen, Figur 3 zeige eine Ausführungsform der Erfindung, die eine mehrteilige verlorene Gießform aufweise, überzeugt dies nicht. Auch bei der in Figur 3 gezeigten Ausführungsform werden ausweislich der Patentbeschreibung (vgl. Abs. [0046]) fertige Teilstücke des Druckelementes zusammengesetzt. Soweit beim Einbau des Bauelementes zur Wärmedämmung Beton in die Ausnehmungen 17a, 17b gefüllt wird, werden hierdurch nicht die Druckelemente gegossen, sondern lediglich ein besserer thermischer Schutz der Druckelemente erzielt.
b)
132Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass sich Patentanspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit wahrscheinlich als nicht rechtsbeständig erweisen wird.
133Entsprechender Vortrag der Beklagten ist im parallelen Rechtsbestandsverfahren nicht erfolgt, so dass bereits aus diesem Grund eine auf mangelnde erfinderische Tätigkeit gestützte Nichtigkeitsentscheidung nicht zu erwarten ist.
134Im Übrigen ist für den Senat aber auch nicht ersichtlich, dass die Erfindungshöhe angesichts des Standes der Technik so fragwürdig ist, dass sich kein vernünftiges Argument für die Zuerkennung der erfinderischen Tätigkeit mehr finden lässt (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug II; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2019, 41082 – Reifenreparaturset; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, Mitt. 1997, 253 – Steinknacker).
135Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, der Fachmann erkenne, dass die in Figur 5 der NK 4 abgebildete verlorene Schalung keine Seitenteile aufweise. Aus diesem Grund sei der Fachmann veranlasst, nach einer Ergänzung der Betonschalung zu suchen, weil er jedenfalls eine Seite noch schließen müsse, um den Beton gießen zu können. Dabei liege dem Fachmann die Lösung, das endseitige Teilstück als Ergänzung der Gießform zu verwenden in der Figur 5 unmittelbar vor Augen, weil ihm bewusst sei, dass dieses Teil ohnehin in anderer Form dazu genutzt werde, als „Schalung“ zu dienen, nämlich gegenüber dem anzuschalenden Bauteil.
136Diese Argumentation überzeugt den Senat nicht. Der Figur 5 lässt sich schon nicht entnehmen, dass die verlorene Schalung 39 an den Seiten offen wäre. Vielmehr befinden sich auch dort durchgezogene Linien, die das mittlere Teilstück des Druck-elementes umgeben. Jedenfalls aber wird der Fachmann nicht auf die Idee kommen, die endseitigen Teilstücke des Druckelementes als Teil einer Schalung zu begreifen. Denn die NK 4 geht durchgängig davon aus, dass die einzelnen Teilelemente des Druckelementes separat hergestellt und sodann zusammengefügt werden. Hier einen gänzlich anderen Herstellungsweg zu beschreiten liegt für den Fachmann schon deshalb nicht nahe, weil die NK 4 keinen entsprechenden Anlass bietet.
c)
137Auch eine Interessenabwägung im Übrigen kann eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht rechtfertigen. Der Senat vermag schon nicht zu erkennen, dass die Auslegungspositionen der Klägerin im Nichtigkeitsverfahren signifikant von denjenigen im Verletzungsverfahren abweichen würden. Jedenfalls aber der Senat folgt insofern einer einheitlichen Auslegung und vermag auch unter Zugrundelegung dieser Auslegung keine Wahrscheinlichkeit dahingehend feststellen, dass sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen wird (s.o.).
1386.
139Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
140Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
141Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
142X Y Z
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Referenzen
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 2x
- ZPO § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit 1x
- 15 U 38/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ni 29/19 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 683 Ersatz von Aufwendungen 2x
- PatG § 83 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- 4c O 7/19 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 670 Ersatz von Aufwendungen 2x
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- PatG § 139 3x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 108 Art und Höhe der Sicherheit 1x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- 2 U 23/19 4x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- 10 Ni 27/11 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 677 Pflichten des Geschäftsführers 2x