Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (9. Zivilsenat) - 9 U 173/19

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1), 2) und 4) wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.07.2019, Az. 310 O 321/18, soweit es nicht die Entscheidung im Verhältnis zum Beklagten zu 3) betrifft, abgeändert:  Die Klage gegen die Beklagten zu 1), 2) und 4) wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Gerichtskosten nach Kopfteilen, mit Ausnahme eines Viertels der Gerichtskosten der ersten Instanz, die entsprechend dem insoweit rechtskräftigen Urteil des Landgerichts der Beklagte zu 3) zu tragen hat.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), 2) und 4) tragen die Kläger nach Kopfteilen. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen diese selbst, soweit die Kosten nicht entsprechend dem insoweit rechtskräftigen Urteils des Landgerichts vom Beklagten zu 3) zu tragen sind.

2. Die angefochtene Entscheidung ist nach Maßgabe der Ziffer 1 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten zu 1), 2) und 4) wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 1), 2) und 4) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Kläger, die Versorgung der Grundstücke der Beklagten mit Strom durch auf dem Grundstück der Kläger befindliche Einrichtungen und Leitungen dulden zu müssen.

2

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, dass diese zulässig und begründet sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

4

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten zu 1), 2) und 4) form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet.

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Die Beklagten zu 1), 2) und 4) sind unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens der Ansicht, dass die Feststellungsklage der Kläger unzulässig, aber auch unbegründet sei. Die angefochtene Entscheidung beruhe zum einen auf Fehlern in der Tatbestandsermittlung, zum anderen auf Fehlern in der Rechtsanwendung. Auch sei eine Verletzung des materiellen Rechts festzustellen.

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Die Feststellungsklage sei als rein subsidiär zu führende Klageart unzulässig; die Kläger hätten sie, die Beklagten, im Wege einer insoweit vorrangigen Leistungs-/Verpflichtungsklage dazu verpflichten lassen müssen und können, den gemeinschaftlichen Stromversorgungskasten aus ihrem Keller zu entfernen. Die Klage sei auch deshalb unzulässig, weil die Kläger nicht alle Nachbarn, durch deren Reihenhäuser die Stromleitung verlaufe, gleichzeitig verklagt hätten.

7

Die Beklagten erheben die Einrede der Verwirkung wegen widersprüchlich gezeigten Verhaltens der Kläger. Sie sind der Ansicht, die Kläger könnten nicht wegen eines plötzlichen „nicht mehr Wollens“ als einzige der 5 Reihenhauseigentümer an einer Gemeinschaftsstromleitung und -anlage, die allen Eigentümern der Reihenhausanlage anteilig zu 1/5 gehöre und die lediglich auf einer Länge von 2 Metern durch den Keller der Kläger führe, nach 63 Jahren dortigen Verlaufs eine Entfernung des Versorgungskastens nebst Leitung für sich beanspruchen, nur weil diese einfach nur störten und dadurch unangemessen hohe Kosten für sie, die Beklagten, auslösen. Die Verlegung neuer eigener Hausanschlüsse sei aufgrund der damit verbundenen Folgekosten für sie, die Beklagten, unzumutbar. Die Beklagten behaupten insofern erstmals mit der Berufung, dass bei einer Umstellung der Stromversorgung die gesamte Elektrik, d.h. die gesamten Stromleitungen in den betroffenen Häusern vom Keller bis zum Dachgeschoss neu verlegt werden müssten. Es müssten alle Wände bis zu jeder Steckdose in allen Räumen aufgehauen, neu verputzt, tapeziert und gestrichen werden. Hinsichtlich des Reihenhauses 14 e müsste dazu ein kompletter Aus-, Um- und Einzug erfolgen einschließlich der dortigen Mieterin, der Rechtsanwaltskanzlei; Akten und Inventar müssten gesichert zwischengelagert werden. Auch ein neuer Sicherungskasten müsste verbaut werden. Die Kosten der vollständigen Umstellung der Stromversorgung würden sich hinsichtlich des Hauses der Beklagten zu 1)/2) auf rund € 14.000,00, hinsichtlich des Hauses der Beklagten zu 4) auf rund € 50.000,00 belaufen.

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Die Beklagten zu 1), 2) und 4) beantragen,

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das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.7.2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Klage für begründet halten sollte, beantragen die Beklagten zu 1), 2) und 4),

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1) Es wird festgestellt, dass die Kläger zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch dazu verpflichtet sind, alle Kosten zu tragen, die aus ihrem Wunsch resultieren, den bestehenden Gemeinschaftsstromanschluss der Reihenhausanlage 14 A – E auf ihrem Grundstück aufzulösen und den Beklagten zu 1), 2) und 4) eine Stromversorgung mit Einzelstromanschlüssen, für die Beklagten zu 1) und 2) betreffend das Reihenhaus 14 C und für die Beklagte zu 4) betreffend das Reihenhaus 14 E, nach Stand der Technik ausgeführt durch das örtlich zuständige Energieversorgungsunternehmen soweit möglich, im Übrigen durch Fachfirmen ausgeführt, herzustellen.

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2) Es wird festgestellt, dass die Kläger zu 1) und 2) ferner gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, alle notwendigen Genehmigungen und die Zustimmung des örtlich zuständigen Energieversorgers zur Abänderung des Gemeinschaftsanschlusses sowie zur Herstellung der notwendigen Einzelanschlüsse auf ihre Kosten einzuholen.

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Die Kläger beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen sowie die hilfsweise Widerklage abzuweisen.

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Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil. Im Übrigen bestreiten Sie, dass für eine Umstellung der Stromversorgung bzw. das Einrichten eigener Hausanschlüsse die von den Beklagten angeführten Kosten erforderlich seien. Die Kläger meinen, der neue Vortrag der Beklagten zu den angeblichen Kosten sei im Berufungsverfahren schon nicht zu berücksichtigen. Die Widerklage sei bereits unzulässig, zudem unbegründet. Eine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Kosten sei weder dargelegt noch ersichtlich. Da sie, die Kläger, zu einer Aufrechterhaltung der Stromweiterleitung nicht verpflichtet seien, bestehe auch kein Anspruch auf Ersatz von Umbaukosten oder anderen Kosten. Es liege keine Bruchteilsgemeinschaft an der streitgegenständlichen Stromleitung vor. Die Leitung stehe nicht im Miteigentum der Grundstücksnachbarn; vielmehr handele es sich jeweils um Alleineigentum. Außerdem könne eine Aufhebung der Gemeinschaft jederzeit verlangt werden.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

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Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1), 2) und 4) hat in der Sache Erfolg.

18

1. Die Klage ist allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten als negative Feststellungsklage zulässig.

19

Der Senat schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den Ausführungen unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils an. Der Klagantrag ist insbesondere hinreichend bestimmt. Es ist in Verbindung mit dem Tatsachenvortrag klar, dass keine Stromversorgung durch die Kläger gemeint ist, sondern eine Versorgung der Beklagten im Sinne einer Durchleitung des vom Energieversorgungsunternehmen gelieferten Stroms ab dem Hausanschluss durch die im Keller des klägerischen Reihenhauses befindliche Hauptstromleitung. Die Kläger haben insoweit klargestellt, dass es ihnen im vorliegenden Rechtsstreit nur um die erst ab dem Hausanschluss der Kläger beginnende Stromweiterleitung gehe, nicht um die „möglicherweise im Eigentum der Stromnetzbetreiberin befindliche“ Stromleitung bis zum Hausanschluss.

20

Anders als die Beklagten meinen, mussten die Kläger nicht gleichzeitig alle übrigen Reihenhauseigentümer, die, wie sich aus nachstehenden Ausführungen ergibt, Bruchteilseigentümer der gemeinschaftlichen Hauptstromleitung sind, verklagen. Eine notwendige Streitgenossenschaft i.S.v. § 62 ZPO mit der Folge, dass zur Aufhebung der Gemeinschaft alle, insbesondere alle aufhebungsunwilligen Mitglieder verklagt werden müssen, besteht nicht. Es handelt sich nicht um eine Gestaltungsklage; ein Fall des § 747 BGB liegt nicht vor (vgl. OLG Celle, Urt. v. 12.12.2012, 4 U 70/12, RN 16).

21

2. Die hiernach zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.

22

Die Kläger sind zur Duldung des bestehenden Zustands verpflichtet. Sie müssen weiterhin eine Durchleitung des vom Energieversorgungsunternehmen gelieferten Stroms durch die auf ihrem Grundstück befindliche Hauptstromleitung zu den Grundstücken der Beklagten dulden.

23

Allerdings ergibt sich ein Anspruch auf Duldung, wie das Landgericht im angefochtenen Urteil ausgeführt hat, weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis noch aus § 12 Abs. 1 S. 1 NAV. Den Beklagten steht aber als Teilhaber der hinsichtlich der Hauptstromleitung bestehenden Gemeinschaft, deren Mitglieder sowohl die Kläger als auch die Beklagten sind, ein Recht zu, sich durch diese Leitung mit Strom versorgen zu lassen.

24

a) Entgegen der Ansicht der Kläger besteht zwischen den Parteien an der Hauptstromleitung, die auf dem klägerischen Grundstück an der Hausanschlusssicherung im Hausanschlusskasten beginnt und durch alle Keller der auf den real geteilten Grundstücken B.-S.-Straße 14 a bis 14 e befindlichen Reihenhäuser verläuft, eine Rechtsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB.

25

Das Vorhandensein von Leitungen, die Grundstücksgrenzen überschreiten und der Versorgung verschiedener Grundstücke dienen, begründet zwar für sich genommen noch keine Rechtsgemeinschaft zwischen den Grundstückeigentümern. Es muss vielmehr für die Annahme einer Gemeinschaft ein Recht existieren, das den Beteiligten zu ideellen Bruchteilen gemeinschaftlich zusteht (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2018, V ZR 308/17, RN 20f.). Das ist hier aber der Fall.

26

Die durch alle Keller der Reihenhäuser B.-S.-Straße 14 a bis 14 e verlaufende Hauptstromleitung wurde unstreitig beim Bau der Reihenhausanlage im Jahr 1957 abgehend von dem vom Elektrizitätsversorgungsunternehmen an der Giebelseite des Reihenhauses 14 a aufgestellten gemeinschaftlichen Stromanschlusskastens als einheitliche gemeinschaftliche Anlage aller Reihenhauseigentümer installiert, um hierdurch alle Grundstücke mit Strom zu versorgen. Da diese Leitung damit zur Herstellung aller fünf Reihenhäuser eingefügt wurde, ist sie nach § 94 Abs. 2 BGB zum wesentlichen Bestandteil eines jeden Reihenhauses geworden und jeder Grundstückseigentümer zum Miteigentümer dieser gemeinschaftlichen Leitung. Dass die Leitung nicht nur in dem Gebäude liegt, das sie versorgt, ist unerheblich. Denn zu wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes können auch Leitungen gehören, die ganz oder teilweise außerhalb dieses Gebäudes verlegt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2018, V ZR 308/17, RN 25). Da die Hauptstromleitung seinerzeit auch als wesentlicher Bestandteil in das von den Klägern erworbene Reihenhaus 14 a eingefügt worden ist, bleibt sie selbst dann weiter dessen wesentlicher Bestandteil, wenn die Kläger sie nicht mehr für ihre eigene Stromversorgung nutzen, sondern ihr Reihenhaus durch eine neue/andere Leitung mit Strom versorgen lassen. Insofern würde auch ein Verzicht oder eine beabsichtigte Aufgabe des Miteigentums analog § 928 BGB der Kläger an ihrem Anteil am gemeinschaftlichen Hauptstromkabel nichts ändern, da immer noch § 94 BGB greift (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 26.1.2012, 5 U 133/11, RN 46).

27

Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofes in seinem Urteil vom 10.6.2011, V ZR 233/10. Diesem Urteil lag ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. In jenem Fall war die Versorgungsleitung, die durch den Keller des klägerischen Hauses verlief, nicht zur Herstellung des Gebäudes des dortigen Klägers eingefügt worden, sondern diente allein der Versorgung der Anwesen des dortigen Beklagten und stand deshalb nur in dessen Eigentum, nicht aber im Miteigentum beider Parteien.

28

Unerheblich ist, dass die Beklagten in erster Instanz das Bestehen einer Gemeinschaft und Miteigentum an der Stromleitung in Abrede gestellt haben. Soweit die Beklagten damit erstinstanzlich aus dem unstreitigen Tatsachenvortrag rechtlich andere rechtliche Schlüsse gezogen haben als der Senat, sind sie schon nicht gehindert, ihre Rechtsauffassung im Laufe des Rechtsstreits zu ändern. Im Übrigen hat das Gericht die rechtliche Beurteilung auf der Grundlage des hier hinsichtlich des Einbaus der Leitung unstreitigen Tatsachenvortrags selbst vorzunehmen und zwar auch dann, wenn die Parteien - ggf. sogar übereinstimmend - andere Rechtsauffassungen vertreten.

29

Als Teilhaber der an der Hauptstromleitung bestehenden Gemeinschaft steht den Beklagten das Recht zu, sich durch diese Leitung mit Strom versorgen zu lassen. Gemäß § 743 Abs. 2 BGB ist jeder Teilhaber zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes berechtigt, somit also im vorliegenden Fall gerade dazu, die gemeinschaftliche Hauptstromleitung entsprechend dem Zweck, für den diese installiert worden ist, zu nutzen, nämlich für die Durchleitung des vom Elektrizitätsversorgungsunternehmens gelieferten Stroms vom Hauptanschluss zu den Grundstücken/Reihenhäusern der Beklagten.

30

b) Das Recht der Beklagten, sich durch diese Leitung mit Strom versorgen zu lassen, ist nicht durch eine Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 749 BGB entfallen.

31

Nach § 749 Abs. 1 BGB kann zwar grundsätzlich jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft verlangen. Dies gilt jedoch nicht, wenn dieses Recht ausgeschlossen ist (§ 749 Abs. 2 BGB). Davon ist hier aber auszugehen. Allerdings haben die ursprünglichen Grundstückseigentümer und Begründer der Gemeinschaft diesbezüglich seinerzeit offenbar keine ausdrückliche oder schriftliche Regelung getroffen; etwas anderes wird auch von keiner Partei vorgetragen. Diese rechtsgeschäftliche Beschränkung folgt im streitgegenständlichen Fall aber aus der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Gegenstandes anlässlich der Begründung der Gemeinschaft. Denn wenn, wie hier, Reihenhäuser von Anfang an mit einer gemeinsamen Hauptstromleitung errichtet werden, dann ist diese grundsätzlich auf Dauer angelegt. Das heißt, die an der Hauptstromleitung begründete Gemeinschaft sollte so lange Bestand haben, wie die Häuser stehen und eine Versorgung mit Strom erforderlich ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.10.2017, 5 U 147/16, RN 84). Für die Beurteilung dieser Frage ist im Übrigen nicht etwa auf den jetzigen Zeitpunkt abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Begründung der Gemeinschaft bei Installierung des Stromanschlusses mit der alle Grundstücke versorgenden gemeinschaftlichen Stromleitung im Jahre 1957. Es liegt auf der Hand und ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch offensichtlich, dass seinerzeit nicht gewollt war, dass die Gemeinschaft durch bloße Erklärung eines Teilhabers jederzeit wieder zwingend aufzuheben wäre (vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 12.12.2012, 4 U 70/12, RN 15).

32

Die hiernach seinerzeit zumindest konkludent getroffene Vereinbarung, nach der das Recht zur Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen sein soll, wirkt gemäß § 746 BGB gegenüber Sonderrechtsnachfolgern, mithin auch gegenüber den Klägern. Diese haben das Grundstück B.-S.-Straße 14 a mit dem darauf errichteten Reihenhaus und dessen wesentlichen Bestandteilen, zu denen die im Keller verlegte Hauptstromleitung gehört, erworben und sind hierdurch Miteigentümer der Stromleitung und damit Mitglieder der Bruchteilsgemeinschaft geworden.

33

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, ausgeschlossen ist, kommt eine Aufhebung der Gemeinschaft nur einvernehmlich oder aber aus wichtigem Grund in Betracht (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.10.2017, 5 U 147/16, RN 85).

34

Eine einvernehmliche Aufhebung der Gemeinschaft ist hier nicht erfolgt. Die Kläger haben zwar gegenüber den Beklagten erklärt, dass sie „nunmehr die Stromversorgung auf Eigenversorgung der übrigen Eigentümer umstellen wollen“ und diese aufgefordert, zu bestätigen, dass sie – die Kläger – nicht verpflichtet seien, die Beklagten mit Strom zu versorgen und somit zumindest konkludent eine Kündigung der Gemeinschaft ausgesprochen. Mit einer Kündigung bzw. Aufhebung der Gemeinschaft haben sich die Beklagten jedoch nicht einverstanden erklärt, sondern beansprucht, auch weiterhin über den auf dem Grundstück der Kläger befindlichen Gemeinschaftsstromanschluss durch die gemeinschaftliche Hauptstromleitung mit Strom versorgt zu werden.

35

Es liegt auch kein wichtiger Grund für eine Aufhebung der Gemeinschaft vor. Die Feststellung eines wichtigen Grundes setzt eine umfassende Würdigung aller Umstände voraus. Dabei gilt ein strenger Maßstab. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind für die Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, nicht die im Recht der BGB-Gesellschaft entwickelten Maßstäbe heranzuziehen, weil es bei der Gemeinschaft nicht um die Verfolgung und Verwirklichung eines gemeinsamen Zwecks geht und die Zusammenarbeit der Gemeinschafter nicht von wechselseitigem Vertrauen getragen sein muss. Unzumutbar ist deswegen die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht bereits dann, wenn Uneinigkeit oder sogar Feindschaft zwischen den Betroffenen besteht. Erforderlich ist vielmehr, dass eine ordnungsgemäße gemeinschaftliche Nutzung und Verwaltung unter Abwägung aller den Einzelfall prägenden Umstände unmöglich ist und der Gemeinschafter, welcher die vorzeitige Aufhebung begehrt, den wichtigen Grund nicht allein oder überwiegend herbeigeführt hat (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.10.2017, Urt. v. 19.10.2017, 5 U 147/16, RN 87 m.w.N.). Nach dieser Maßgabe sind Umstände, die eine gemeinschaftliche Nutzung der Hauptstromleitung unmöglich oder unzumutbar machen, von den Klägern weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

36

Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2019 erklärt haben, dass es ihnen im Hinblick auf den im Stromkasten aufgetretenen Schmorbrand zu gefährlich sei, diesen in ihrem Haus zu haben, wäre dies kein wichtiger Grund für eine Kündigung der Gemeinschaft. Der Hauptstromkasten, in dem sich die Verbindung zwischen dem Versorgungsnetz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens/Netzbetreibers mit der gemeinschaftlichen Hauptstrom-leitung befindet, war ursprünglich außerhalb des klägerischen Hauses an der Giebelwand angebracht. Auf Veranlassung der früheren Eigentümer des klägerischen Hauses ist dieser Übergabepunkt später auf einen im Keller des klägerischen Hauses befindlichen Hausanschluss umgelegt worden. Er könnte unproblematisch wieder an einen Standort außerhalb des klägerischen Hauses verlegt werden. Dies ist nach den Ausführungen des Energieversorgungsunternehmens im Schriftsatz vom 12.12.2019 (Anlage B 21), der im u.a. auch zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits geführten Verfahren 310 O 278/19 beim Landgericht Hamburg eingereicht worden ist, offenbar schon im Jahr 2001 beabsichtigt gewesen, allerdings damals unterblieben - möglicherweise, weil die Verlegung aufgrund der seinerzeit zeitnah erfolgten Veräußerung des Grundstücks in Vergessenheit geraten ist.

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Soweit die Klägerin zu 1) in der Sitzung vom 16.12.2019 erklärt hat, dass auch von der Hauptstromleitung selbst eine Gefahr ausgehe, ist dies nicht nachvollziehbar. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, aufgrund welcher Umstände bzw. in welcher Art und Weise von der Leitung selbst eine Gefahr ausgehen könnte.

38

Dass die Kläger die Anlage nicht mehr nutzen und deshalb keine Kosten hierfür tragen wollen, wäre im Übrigen ebenfalls kein wichtiger Grund, aufgrund dessen eine Aufhebung der Gemeinschaft verlangt werden könnte. Dem insoweit rein wirtschaftlichen Interesse der Kläger könnte auf andere Weise als durch Aufhebung der Gemeinschaft Rechnung getragen werden. Die Kläger könnten von den Beklagten eine Lasten- und Kostentragung verlangen, die nach billigem Ermessen dem gemeinschaftlichen Interesse an der sachgerechten Verwaltung und Nutzung entspricht (§§ 745, 748 BGB). Diese könnte bei Alleinnutzung der Hauptstromleitung durch die Beklagten auch die alleinige Kostentragung durch die Beklagten bedeuten. Denn der Anspruch nach § 748 BGB (Lasten- und Kostentragung) stellt nur die Kehrseite des § 743 BGB (Früchteanteil; Gebrauchsbefugnis) dar (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 26.1.2012, 5 U 133/11, RN 47).

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3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Absatz 1 Satz 1, 100 Absatz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

40

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Absatz 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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