Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 22 U 2/02 Baul

Gründe

 
I.
Zum Parteivorbringen in erster Instanz und zu den dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Auszug aus dem erstinstanzlichen Urteil:
Der Beteiligte Ziffer 1 hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Er hält daran fest, dass als Entschädigung für die auf der veräußerten Teilfläche seines Grundstücks seinerzeit aufstehenden Gebäude und Anlagen ein Betrag von 343.350,00 DM (= 175.552,06 Euro) festzusetzen sei entsprechend dem zweiten Wertermittlungsgutachten der Oberfinanzdirektion F. vom 09.07.1992. Der Beteiligte Ziffer 1 und die Beteiligte Ziffer 3 hätten sich seinerzeit rechtswirksam auf dieses Wertermittlungsgutachten geeinigt.
Dieses Wertermittlungsgutachten bleibe hinter dem wirklichen Wert sogar noch zurück, der wahre Wert betrage 250.000,00 Euro. Insoweit bleibe Klageerweiterung vorbehalten, der jetzige Antrag umfasse lediglich einen Teilbetrag.
Ein Wertabzug wegen Altlasten (Schadstoffbelastung) dürfe nicht erfolgen. Nach §§ 2, 7 des notariellen Kaufvertrages habe allein die Beteiligte Ziffer 3 als Käuferin das Risiko verborgener Schadstoffbelastungen zu tragen. Ohnehin sei davon auszugehen, dass bei der Beteiligten Ziffer 3 schon bei Vertragsschluss ein allgemeiner Altlastverdacht vorgelegen habe; der Kenntnis hiervon habe sie sich jedenfalls vorsätzlich verschlossen. Somit folge aus § 460 BGB a. F. ebenfalls, dass der Beteiligte Ziffer 1 für etwa vorhandene Schadstoffe nicht einzustehen habe. Schließlich seien etwaige Ansprüche der Beteiligten Ziffer 3 verjährt (§ 477 BGB a. F.).
Da das Gelände bis zum Abbruch im Jahre 1995 im hinteren Bereich nicht eingezäunt gewesen sei, müsse vorgetragen werden, dass Müll und Schutt von Unbekannten abgelagert worden seien.
Die von der Beteiligten Ziffer 3 geltend gemachten Kosten für die Ermittlung und Beseitigung der schadstoffbelasteten Bauteile in Höhe von 401.116,29 DM (= 205.087,50 Euro) würden nunmehr bestritten (im Einzelnen wird insoweit auf die Berufungsbegründungsschrift vom 06.08.2002, S. 6 ff. - AS II 93 ff. - Bezug genommen). In den Rechnungen enthaltene, das Grundstück (den Boden) betreffende Positionen dürften ohnehin nicht berücksichtigt werden, da es nur um die Entschädigung für Aufbauten gehe. Mehrkosten für die Entsorgung der Bauteile könnten nur abgesetzt werden, wenn eine Verseuchung so stark sei, dass auch für den bisherigen Eigentümer sinnvollerweise nur ein Abbruch der Gebäude und nicht mehr eine Weiternutzung in Betracht gekommen wäre.
Der Beteiligte Ziffer 1 beantragt:
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Die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe - 16. Kammer für Baulandssachen - vom 15.03.2002 - 16 O 14/00 Baul - wird unter Aufrechterhaltung im Übrigen insoweit abgeändert, als der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen wurde:
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Die Entschädigung für die ehemals auf der veräußerten Teilfläche des Grundstücks Flst. Nr. 1813 (nach Vermessung 1813/3) der Gemarkung Achern aufstehenden Gebäude und Anlagen wird auf 175.552,06 Euro (= 343.350,00 DM) festgesetzt.
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Hilfsweise:
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Die Beteiligte Ziffer 3 - höchst hilfsweise die Beteiligte Ziffer 2 - wird verurteilt, an den Antragsteller einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 38.934,88 Euro (= 76.150,00 DM) nebst 2 % Zinsen über den jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab 21.05.1991 zu bezahlen.
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Die Beteiligte Ziffer 2 stellt keinen Antrag.
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Die Beteiligte Ziffer 3 beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beteiligte Ziffer 3 verteidigt das angegriffene Urteil. Eine Einigung der Parteien auf eines der beiden Wertermittlungsgutachten der Oberfinanzdirektion F. sei nicht erfolgt. Insoweit sei auf das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Vorprozess zu verweisen. Die Entschädigungshöhe sei von der Enteignungsbehörde im Verfahren gem. § 27 Abs. 3 Landesenteignungsgesetz (LEntG) zutreffend festgesetzt worden. Bei der Beteiligten Ziffer 3 habe weder beim Vertragsschluss noch beim Eigentumsübergang hinsichtlich des Teilgrundstücks Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis vom Vorhandensein von Altlasten vorgelegen. Die Schadstoffbelastungen hätten schon bei Eigentumsübergang vorgelegen. Das Bestreiten des Beteiligten Ziffer 1 hinsichtlich der Entsorgungskosten sei als verspätet zurückzuweisen. Die tatsächlichen Kosten des Rückbaus einschließlich der Untersuchungsarbeiten hätten 662.146,17 DM (= 338.549,96 Euro) betragen, hiervon entfielen auf Mehrkosten für den Abbruch der Gebäude wegen Schadstoffbelastung - wie im Rahmen der Entschädigungsfestsetzung von der Enteignungsbehörde bereits zu Grunde gelegt - 401.116,29 DM (= 205.087,50 Euro) (im Einzelnen wird insoweit auf die Berufungserwiderung vom 16.10.2002, S. 4 ff. - AS II 121 ff. - Bezug genommen). Die von der Schadstoffbelastung betroffenen Gebäude seien so stark verseucht gewesen, dass diese nur abgerissen werden und in diesem Zustand keiner anderen Nutzung hätten zugeführt werden können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten des Regierungspräsidiums F. - Enteignungsbehörde -, Az.: 1064/562, sowie des Landgerichts Freiburg, Az.: 1 O 496/92, und des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Az.: 13 U 74/93, waren beigezogen und zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
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Die zulässige Berufung des Beteiligten Ziffer 1 ist nicht begründet.
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Der mit dem Hauptantrag in der Berufungsinstanz weiter verfolgte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig gem. §§ 41 LEntG, 232 BauGB. Er ist aber, soweit ihm nicht bereits durch das angegriffene Urteil stattgegeben wurde, nicht begründet. Die Festsetzung der Entschädigung für die aufstehenden Gebäude und Anlagen auf 0,00 DM durch das Regierungspräsidium F. - Enteignungsbehörde - war rechtmäßig. Eine höhere Entschädigung steht dem Beteiligten Ziffer 1 nicht zu.
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Zu Recht wurde antragsgemäß über die Höhe der dem Beteiligten Ziffer 1 zustehenden Entschädigung im Verfahren nach § 27 Abs. 3 LEntG entschieden. Der notariell beurkundete Kaufvertrag vom 29.08.1991 stellt eine Einigung der Beteiligten außerhalb des Enteignungsverfahrens gem. § 27 Abs. 3 LEntG dar. Da das im Vertrag vorgesehene Verfahren zur Einigung über den Kaufpreis ohne Ergebnis blieb, war in Übereinstimmung mit § 3 Nr. 1 b des Kaufvertrages das Entschädigungsfestsetzungsverfahren durchzuführen.
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Für die Höhe der festzusetzenden Entschädigung hatte die Enteignungsbehörde gem. § 9 LEntG vom Verkehrswert auszugehen. Der Verkehrswertermittlung ist der Zustand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Enteignungsantrag zu Grunde zu legen (§ 7 Abs. 4 LEntG); dem entspricht im Falle einer Einigung der Beteiligten der Zeitpunkt des notariell beurkundeten Vertragsschlusses. Da die Enteignungsentschädigung einen angemessenen, der erlittenen Einbuße entsprechenden Wertausgleich darstellen soll (Aust/Jacobs/Pasternak, Die Enteignungsentschädigung, 5. Auflage, Rdnr. 196), kann es für die Bemessung der Entschädigung nur auf den damaligen objektiven Zustand, nicht aber auf die subjektiven Kenntnisse und Vorstellungen der Beteiligten ankommen. Damals vorhandene Schadstoffbelastungen sind deshalb zu berücksichtigen, ohne dass es darauf ankäme, ob eine oder beide Seiten Kenntnis hiervon hatten.
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Der Verkehrswert der aufstehenden Gebäude und Anlagen ist mit 0,00 DM anzunehmen.
24 
Bei der Wertermittlung sind vorhandene Schadstoffbelastungen durch einen Abzug zu berücksichtigen, da deren Vorhandensein die Beschaffenheit und die tatsächlichen Eigenschaften des Grundstückes (§ 5 Abs. 5 WertV - zur Maßgeblichkeit der Vorschriften der WertV auch für Bewertungsverfahren außerhalb des BauGB vgl. BGH, NJW-RR 2001, 732) mit prägt (Zimmermann/Heller, Der Verkehrswert von Grundstücken, 2. Auflage, A. 2 Rdnr. 48; Nolte, Der Einfluss von Altlasten auf die Wertermittlung, 2003; Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 2. Aufl. 1994, § 5 WertV Rdnr. 149; vgl. auch BGH, NJW-RR 2002, 1240 ff.). Die Wertermittlung erfolgt in diesen Fällen regelmäßig in der Weise, dass vom fiktiven Wert ohne Kontaminationen die Kosten der Erfassung, Gefährdungsabschätzung, Sanierung und Überwachung in Abzug gebracht werden (Kleiber/Simon/Weyers, § 5 WertV Rdnr. 150; Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 5 WertV [Stand November 1990] Rdnr. 110).
25 
Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist davon auszugehen, dass bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages Schadstoffbelastungen der Gebäude und Anlagen vorlagen, deren spätere Erkundung und Beseitigung für die Beteiligte Ziffer 3 Zusatzkosten in Höhe von 401.116,29 DM (= 205.087,50 Euro) verursacht hat.
26 
Diese Tatsachen waren in erster Instanz unstreitig (S. 5 des Tatbestandes des angegriffenen Urteils). Da sich bei den Akten der Enteignungsbehörde (AS. 317 ff.) entsprechende detaillierte Belege befanden, bestand für die Kammer für Baulandsachen kein Anlass, insoweit gem. § 221 Abs. 2 BauGB von Amts wegen in eine Überprüfung einzutreten.
27 
Das erstmalige Bestreiten des Beteiligten Ziffer 1 in der Berufungsinstanz ist gem. §§ 221 BauGB, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Das Vorhandensein von Schadstoffbelastungen im Zeitpunkt des notariellen Vertragsschlusses und die Angaben zur Höhe der Erkundungs- und Beseitigungskosten der Beteiligten Ziffer 3 hätte der Beteiligte Ziffer 1 ohne weiteres schon im ersten Rechtszug streitig stellen können. Hinreichende Gründe dafür, warum dies nicht geschehen ist, sind nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, dass dies nicht auf einer Nachlässigkeit des Beteiligten Ziffer 1 oder seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO - auch unter der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes anwendbar, vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 60 Rdnr. 20) beruht.
28 
Zwar sind die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens im Baulandverfahren, welches in beschränktem Umfang dem Untersuchungsgrundsatz unterliegt (§ 221 Abs. 2 BauGB), nicht uneingeschränkt anwendbar (Kalb, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 221 [Stand Februar 2000], Rdnr. 11). Soweit aber selbst im Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung eine Zurückweisung zu erfolgen hätte, steht der Untersuchungsgrundsatz einer Anwendung der Verspätungsvorschriften der ZPO im Baulandverfahren nicht entgegen.
29 
§ 531 ZPO ist deshalb im Baulandverfahren jedenfalls dann anwendbar, wenn auch die Voraussetzungen für eine Zurückweisung im Verwaltungsprozess gem. § 128 a VwGO vorliegen. Dies ist hier der Fall. Dem Beteiligten Ziffer 1 war mit Verfügung des Vorsitzenden der Kammer für Baulandsachen vom 15.08.2000 (AS. I 3) Frist zur Begründung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gesetzt worden. Hierbei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vorbringen, welches nach Ablauf der gesetzten Frist eingeht, nur berücksichtigt werden darf, wenn dadurch die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert wird oder die Verspätung genügend entschuldigt ist. Innerhalb der Frist hat der Beteiligte Ziffer 1 die dem Bescheid der Enteignungsbehörde zu Grunde gelegten Tatsachen zum Vorhandensein von Schadstoffbelastungen und zu den Kosten der Beteiligten Ziffer 3 für die Erkundung und Entsorgung nicht bestritten. Die Verspätung ist nicht genügend entschuldigt. Es ist nicht erkennbar, warum er oder sein Prozessbevollmächtigter sich mit dieser Frage nicht bereits in diesem Stadium des Rechtsstreits auseinandergesetzt hat, denn die maßgeblichen Informationen und Unterlagen lagen schon zum damaligen Zeitpunkt vor. Schließlich würde die Zulassung des neuen Vortrags in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit verzögern, da dann über das Vorhandensein der damaligen Altlasten nicht nur der nunmehr von der Beteiligten Ziffer 3 angebotene Zeugenbeweis (Dr. G., Z. und Z.), sondern zu den Auswirkungen auf den Verkehrswert ein Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Die Verzögerung war auch nicht durch zumutbare prozessleitende Maßnahmen des Senats zu vermeiden. Es ist nicht geboten, die Verspätung von Parteivorbringen durch Einholung eines umfangreichen Sachverständigengutachtens vor dem Verhandlungstermin auszugleichen (Prütting, in MünchKomm-ZPO, 2. Auflage, § 296 Rdnr. 119).
30 
Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist weiter davon auszugehen, dass die von der Beteiligten Ziffer 3 aufgewendeten schadstoffbedingten Abbruch- und Entsorgungsmehrkosten den Sanierungskosten entsprechen, wie sie im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (vgl. § 9 Abs. 1 Satz LEntG) bei der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt worden wären. Der in zweiter Instanz erstmals vorgebrachte Einwand des Beteiligten Ziffer 1, diese Kosten dürften nur als Abzug berücksichtigt werden, wenn - ohne Inanspruchnahme für den Straßenbau - eine weitere Nutzung des Gebäudes wegen der Schadstoffbelastungen wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll war, kann ebenfalls gem. § 531 Abs. 2 ZPO nach den oben dargestellten Grundsätzen keine Berücksichtigung mehr finden.
31 
Schon im Festsetzungsbescheid der Enteignungsbehörde wurde davon ausgegangen, dass die Sanierungskosten für die Gebäude den von der Beteiligten Ziffer 3 geltend gemachten Mehrkosten entsprechen. Die Enteignungsbehörde folgte hiermit den Ausführungen des Sachverständigen S. im Schreiben vom 21.10.1996 (Akte der Enteignungsbehörde, AS 475), wonach die Höhe des Abschlags sich „im konkreten Fall nach den Entsorgungskosten“ bemisst. Diese Annahme war auch plausibel, da es sich bei den Schadstoffbelastungen weitgehend um kontaminierte Bausubstanz (Bodenplatten, Putz, Bauholz) sowie Spritzasbestisolierung handelte, so dass sich eine Entsorgung der kontaminierten Bauteile auch im Fall der Weiternutzung der Gebäude geradezu aufdrängte. Dafür, dass die von der Beteiligten Ziffer 3 geltend gemachten Sanierungskosten rein abbruchbedingt waren, im Fall einer möglichen Weiternutzung der Gebäude somit nicht angefallen wären, sprach nichts. Dieser Einwand wurde im Entschädigungsfestsetzungsverfahren auch nicht erhoben.
32 
Ausgehend hiervon durfte die Kammer für Baulandsachen ebenfalls die in erster Instanz unstreitigen schadstoffbedingten Mehrkosten der Beteiligten Ziffer 3 als die für die Anwendung der §§ 9 Abs. 1 Satz 2 LEntG, 4 Abs. 5, 24 WertV maßgeblichen Sanierungskosten zu Grunde legen, ohne gemäß § 221 Abs. 2 BauGB zur Amtsermittlung übergehen zu müssen. Das hiergegen gerichtete Bestreiten des Beteiligten Ziffer 1 erfolgt erstmals in der Berufungsinstanz und ist, da nicht entschuldigt, gemäß §§ 221 BauGB, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
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Somit ist auszugehen von den Feststellungen der Baulandkammer, welche auf dem in erster Instanz unstreitigen Parteivortrag beruhen, dass nämlich die Gebäude und Anlagen mit Schadstoffen belastet waren und die hierdurch notwendigen Kosten der Sanierung (einschließlich Erkundung und Überwachung) 401.116,29 DM (= 205.087,50 Euro) betragen. Diese Sanierungskosten sind in Abzug zu bringen von dem in erster Instanz ebenfalls unstreitigen fiktiven (ohne Schadstoffbelastungen gedachten) Verkehrswert der Gebäude und Anlagen von 343.350,00 DM (= 175.552,06 Euro) (Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung, § 5 WertV Rdnr. 150). Es ist offenkundig und ohne Sachverständigenhilfe festzustellen, dass Schadstoffbelastungen, deren Sanierung deutlich über dem fiktiven (ohne Schadstoffbelastung gedachten) Verkehrswert liegen, im Grundstücksverkehr einen Wertverlust auf 0 bewirken.
34 
Dass die Sanierungskosten im vorliegenden Fall in vollem Umfang den Verkehrswert schmälern, weil die Sanierungslast den Grundstückseigentümer traf und nicht auf Dritte oder die öffentliche Hand verlagert war (vgl. hierzu Kleiber/Simon/Weyers, § 5 WertV Rdnr. 1455 ff.), wurde schon im Enteignungsbescheid zutreffend dargelegt. Hierauf wird Bezug genommen.
35 
Nicht durchgreifend ist der Einwand des Beteiligten Ziffer 1, nach dem notariellen Kaufvertrag habe er für das Risiko etwa vorhandener Altlasten nicht einzustehen, weshalb diese auch bei der Entschädigungsfestsetzung unberücksichtigt bleiben müssten.
36 
Insoweit kann offen bleiben, ob sich die Beteiligten im Rahmen einer Einigung außerhalb des Enteignungsverfahrens gem. § 27 Abs. 3 LEntG für die Entschädigungsfestsetzung bindend auf bestimmte Bemessungsgrundsätze einigen können. Denn die Vertragsparteien haben eine Freizeichnung des Beteiligten Ziffer 1 hinsichtlich Sachmängeln, insbesondere auch Schadstoffbelastungen, gerade nicht für den Fall der Entschädigungsfestsetzung vereinbart. Zwar wurde das Grundstück gem. § 2 des Vertrages verkauft „in seinem gegenwärtigen Zustand, wie er von der Käuferin besichtigt ist, bzw. besichtigt werden konnte“, und nach § 7 haftet der Verkäufer bezüglich „Sachmängeln, Beschaffenheit und Flächenmaß des Grundstückes nur insoweit, als er auch im Falle einer Enteignung haften würde“. Diese letztgenannte Einschränkung ist aber bei Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB dahin zu verstehen, dass die Rechte der Beteiligten Ziffer 3 gerade nicht über die ihr bei Durchführung eines Enteignungsverfahrens zukommende Rechtsposition hinaus geschmälert werden sollten. Da aber eine Schadstoffbelastung auch bei Durchführung eines Enteignungsverfahrens entschädigungsmindernd zu berücksichtigen war, gilt dies ohne Einschränkung auch für das Entschädigungsfestsetzungsverfahren.
37 
Schließlich beruft sich der Beteiligte Ziffer 1 ohne Erfolg auf Vorschriften des Gewährleistungsrechts (§§ 460, 477 BGB a. F.). Diese Vorschriften sind für die Bemessung der Enteignungsentschädigung ohne Relevanz, da diese auf einen Ausgleich für den wahren Wertverlust abzielt (Aust/Jacobs/Pasternak a. a. O.), weshalb sämtliche wertbildenden Faktoren auch Berücksichtigung finden müssen.
38 
Die vom Beteiligten Ziffer 1 in der mündlichen Verhandlung zitierten Ausführungen von Kleiber (Kleiber/Simon/Weyers, § 5 WertV Rdnr. 173) betreffen Fälle der Wertermittlung, in denen die Sanierungslast auf Dritte verlagert sein kann, und sind vorliegend nicht einschlägig. Die Enteignungsentschädigung bemisst sich nach dem Verkehrswert des Grundstücks vor Enteignung (bzw. Veräußerung gem. § 27 Abs. 3 LEntG), so dass zu Lasten des Enteignungsbetroffen alle wertmindernden Faktoren Berücksichtigung finden.
39 
Der Beteiligte Ziffer 1 kann sich zur Stützung seines Begehrens auch nicht darauf berufen, die Beteiligten hätten sich entsprechend § 3 Nr. 1 b Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages auf das zweite Gutachten der Oberfinanzdirektion vom 09.07.1992 geeinigt. Zu Recht hat schon die Baulandkammer darauf hingewiesen, dass das Verfahren gem. §§ 41 LEntG, 232 BauGB nur im Hinblick auf eine Entschädigungsfestsetzung nach § 3 Nr. 1 b Abs. 3 des Vertrages eröffnet ist. Zur Begründung einer Entschädigungsfestsetzung, die nach dem Vertrag gerade nur im Falle einer Nichteinigung der Vertragsparteien stattfinden soll, kann sich der Beteiligte Ziffer 1 nicht auf eine angeblich erfolgte Einigung berufen.
40 
Wenn der Beteiligte Ziffer 1 meint, ihm stehe ein Kaufpreis auf Grund Einigung nach § 3 Nr. 1 b Abs. 2 des Vertrages zu, so hat er diesen vor den Zivilgerichten einzuklagen. Eine solche Klage hat der Beteiligte Ziffer 1 auch bereits -erfolglos - erhoben, Streitgegenstand war der Zahlungsanspruch des Beteiligten Ziffer 1 gem. § 3 Nr. 1 b Abs. 2 des Kaufvertrages i. V. m. den Wertermittlungsgutachten der Oberfinanzdirektion.
41 
Die in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge sind bereits unzulässig. Der vor der Kammer bzw. dem Senat für Baulandsachen zur Verhandlung stehende Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat sich ausschließlich gegen die angegriffene Entschädigungsfestsetzung zu richten. Diese bildet, sofern eine Entschädigung festgesetzt wird, einen Vollstreckungstitel gem. § 36 LEntG. Eine unmittelbare Zahlungsklage kann in diesem Verfahren nicht erhoben werden. (vgl. § 41 LEntG).
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 228 BauGB, 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 221 Abs. 1 BauGB, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird gem. §§ 221 Abs. 1 BauGB, 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im Baulandverfahren neues Vorbringen in der Berufungsinstanz zurückzuweisen ist, wurde bisher - soweit ersichtlich - höchstrichterlich nicht entschieden. Es handelt sich um eine Rechtsfrage von Bedeutung, die sich auch künftig in einer Vielzahl von Baulandverfahren stellen kann.

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