Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 U 201/04

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil des Landgerichts Mannheim vom 3. September 2004 - 9 O 231/04 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Widerspruch der Klägerin gegen den Teilungsplan des Amtsgerichts Mannheim vom 5. Mai 2004 im Verteilungsverfahren 4 K 436/02 wird insoweit für begründet erklärt, als das Deckungskapital für den erloschenen Nießbrauch auf mehr als 11.795,12 EUR festgesetzt wurde.

b) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Landgerichts Mannheim vom 3. September 2004 - 9 O 231/04 - wird zurückgewiesen.

3. Nachdem die Klägerin ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 3. März 2005 - 9 O 231/04 - zurückgenommen hat, wird sie des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt.

4. Die Klägerin trägt die Kosten der ersten Instanz. Von den Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin 90 %, die Beklagte 10 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

7. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis zum 20. Juni 2005 auf 88.417,61 EUR, für die Zeit danach auf 16.753,44 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Klägerin und Beklagte sind Stieftochter und Stiefmutter. Die Parteien waren hälftige Miteigentümer des Hausgrundstücks D. 5 in M. Der Miteigentumsanteil der Klägerin war aufgrund notariellen Übergabevertrags vom 8. April 1971 (Anlage B 2) mit einem lebenslänglichen Nießbrauch zugunsten der Beklagten belastet. Der notarielle Übergabevertrag sah unter anderem folgendes vor: "Abweichend von § 1050 BGB wird vereinbart, dass die Nießbraucherin auch die Veränderung und Verschlechterung des belasteten Grundstücks zu vertreten hat. Sie ist berechtigt, hieran sämtliche Reparaturen und sonstige baulichen Änderungen vorzunehmen und die steuerliche Absetzung für Abnutzung geltend zu machen."
Das Grundstück war vermietet. Die Beklagte betrieb die Teilungsversteigerung. Am 26. Februar 2004 wurde der Zuschlag in der Zwangsversteigerung zu einem Bargebot in Höhe von 164.100 EUR verkündet. Das Nießbrauchsrecht ist durch die Zwangsversteigerung erloschen. Am 5. Mai 2004 beschloss das Amtsgericht Mannheim als Vollstreckungsgericht einen vorläufigen Teilungsplan (Anlage B 1). Nach Abzug der Verfahrenskosten verblieb ein zu verteilender Erlös von 160.081,71 EUR. Das Vollstreckungsgericht setzte das Deckungskapital für den erloschenen Nießbrauch auf 16.753,44 EUR fest und teilte diesen Betrag der Beklagten zu. Die Klägerin erhob gegen diese Festsetzung und die Zuteilung Widerspruch. Der streitige Betrag blieb daraufhin unter Az. 1 HL 61/04 hinterlegt. Da sich die Klägerin und die Beklagte im Verteilungstermin auch nicht über die Verteilung des Übererlöses in Höhe von 143.328,27 EUR einigten, hinterlegte das Vollstreckungsgericht den Übererlös zugunsten von Klägerin und Beklagter unter Az. 1 HL 103/04 (Anlage B 5).
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage ihren Widerspruch gegen die Zuteilung des Deckungskapitals für den Nießbrauch weiter. Die Beklagte hat widerklagend Zustimmung zur hälftigen Auskehr des Übererlöses, verlangt.
Die Klägerin hat behauptet, das Nießbrauchsrecht sei zu hoch bewertet. Es komme nicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete, sondern auf die tatsächlich erzielten Mieteinnahmen an. Danach betrage das Deckungskapital nur 10.642,69 EUR. Hiervon sei ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.500 EUR abzuziehen. Die Beklagte schulde aufgrund des notariellen Übergabevertrages auch die Instandhaltung des Grundstücks. Sie habe ihre Verpflichtung zur Reparatur und Instandhaltung schuldhaft verletzt, so dass zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung ein wertmindernder Renovierungsstau in Höhe von 15.000 EUR vorgelegen habe. Um diesen Betrag sei das Grundstück zu billig versteigert worden.
Das Landgericht hat zunächst ein Versäumnis-Teil-Urteil über die Widerklage erlassen und die Klägerin dazu verurteilt, einer Auszahlung des beim Amtsgericht Mannheim zu Az. 1 HL 61/04 hinterlegten Übererlöses von 143.328,27 EUR in Höhe des hälftigen Betrages von 71.664,17 EUR zuzüglich angefallener Hinterlegungszinsen an die Beklagte zuzustimmen. Gegen dieses ihr am 19. August 2004 zugestellte Versäumnis-Teil-Urteil hat die Klägerin am 2. September 2004 Einspruch eingelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. der Widerspruch der Klägerin gegen den Teilungsplan des Amtsgerichts Mannheim vom 5. Mai 2004 im Verteilungsverfahren Az. 4 K 436/02 ist begründet. Der Teilungsplan wird dahingehend geändert, dass an die Beklagte nicht wie unter Abschnitt D 3 und E 4 des Teilungsplans festgelegt, ein Betrag (Deckungskapital) in Höhe von 16.753,44 EUR zugeteilt wird.
2. das Versäumnis-Teil-Urteil vom 6. August 2004 aufzuheben und die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
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1. die Klage abzuweisen.
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2. das Versäumnis-Teil-Urteil vom 6. August 2004 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass das Aktenzeichen der Hinterlegungsstelle 1 HL 103/04 lautet.
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Die Beklagte hat behauptet, der Wert des Nießbrauches sei zutreffend ermittelt worden. Gegenansprüche der Klägerin bestünden nicht. Sie sei ihrer Instandhaltungspflicht stets nachgekommen. Sie hat gemeint, dass eine Aufrechnung mit den behaupteten Schadensersatzansprüchen im Erlösverteilungsverfahren nicht zu berücksichtigen sei.
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Das Landgericht hat die Klage mit Schlussurteil vom 3. September 2004 abgewiesen. Auf den Einspruch der Klägerin hat das Landgericht das Versäumnis-Teil-Urteil mit Urteil vom 3. März 2005 aufrecht erhalten. Gegen diese ihr am 9. September 2004 bzw. 8. März 2005 zugestellten Urteile richten sich die Berufungen der Klägerin. Der Senat hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin hat ihre Berufung gegen das Schlussurteil des Landgerichts Mannheim vom 3. März 2005 zurückgenommen.
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Die Parteien wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Nießbrauch nach objektiven Kriterien bewertet worden sei. Richtigerweise dürfe der Wert jedoch nur nach Lage des Einzelfalls bestimmt werden. Daher hätte im vorliegenden Fall die aufgrund der Vermietung tatsächlich erzielte Nettomiete zugrunde gelegt werden müssen. Zudem sei bei der Bewertung des Nießbrauchs außer Acht gelassen worden, dass die Beklagte im vorliegenden Fall die Bewirtschaftungskosten zu tragen habe.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
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unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils wird festgestellt, dass der Widerspruch der Klägerin gegen den Teilungsplan des Amtsgerichts Mannheim vom 5.Mai 2004 im Verteilungsverfahren, Az. 4 K 436/02, begründet ist. Der Teilungsplan wird dahingehend abgeändert, dass an die Beklagte nicht, wie unter Abschnitt D3 und E4 des Teilungsplans festgestellt, ein Betrag (Deckungskapital) in Höhe von EUR 16.753,44 zugeteilt wird.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Landgericht den Nießbrauch zutreffend nach der erzielbaren Miete bewertet habe. Die Beklagte habe keine Bewirtschaftungskosten zu tragen. Die behaupteten Gegenansprüche wegen eines Renovierungs- und Instandhaltungsrückstaus müsse sie sich schon aus Rechtsgründen nicht entgegenhalten lassen.
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II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend unbegründet.
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1. Die Klage ist überwiegend unbegründet. Das Vollstreckungsgericht hat zu Recht ein Deckungskapital für den erloschenen Nießbrauch in den Teilungsplan aufgenommen (§ 121 Abs. 1 ZVG). Das Deckungskapital beträgt allerdings nur 11.795,12 EUR. Da die Klägerin nur ihren Widerspruch gegen die Zuteilung des Deckungskapitals weiterverfolgt und auch auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung keine anderen Anträge gestellt hat, hatte der Senat nur über die Höhe des für den erloschenen Nießbrauch in den Teilungsplan aufzunehmenden Deckungskapitals zu entscheiden. Soweit der Widerspruch danach Erfolg hat, greift daher die vom Vollstreckungsgericht vorgenommene Hilfszuteilung (§ 124 ZVG, § 880 ZPO).
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a) Der Nießbrauch der Beklagten am Miteigentumsanteil der Klägerin ist durch die Teilungsversteigerung erloschen. Mit dem Zuschlag erlöschen die Rechte, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben (§ 91 Abs. 1 ZVG). Dies trifft hier auf den Nießbrauch zu, weil es sich um eine Teilungsversteigerung handelt und der Nießbrauch nur auf dem Anteil des Antragsgegners lastet (§ 182 Abs. 1 ZVG; Stöber, ZVG 17. Aufl. § 182 Anm. 2.13.b).
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b) Das Deckungskapital richtet sich nach der Summe aller zukünftigen Leistungen, die der Berechtigte aus dem erloschenen Recht zu erwarten hatte (§ 121 Abs. 1 ZVG). Hierbei ist gemäß § 92 Abs. 2 ZVG zunächst die Geldrente zu errechnen, die dem Jahreswert des Nießbrauchs gleichkommt. Dieser Betrag ist sodann mit der Dauer des Rechts zu multiplizieren.
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 Der Jahreswert des Nießbrauchs ist nach Lage des Einzelfalles zu ermitteln (Stöber, ZVG 17. Aufl. § 92 Anm. 6.7). Ziel der §§ 92, 121 ZVG ist es, dem Berechtigten Wertersatz für diejenigen Rechte zu geben, die durch die Zwangsversteigerung erloschen sind (vgl. Stöber, ZVG 17. Aufl. § 92 Anm. 1.1). Die jährliche Rente soll den Berechtigten so stellen, als ob das erloschene Recht weiter bestünde. Ein Nießbrauch berechtigt den Nießbraucher, die Nutzungen der Sache zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB). Damit kommt es darauf an, welche Früchte und welche Vorteile die Beklagte aus dem Gebrauch des Grundstücks ziehen konnte (§ 100 BGB). Die Bewertung solcher Gebrauchsvorteile richtet sich nach dem objektiven Wert (BGH, NJW 1995, 2627, 2628; Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 100 Rn. 2). Bemessungsgrundlage ist in der Regel der übliche Pacht- oder Mietzins. Bei reinen Wohngrundstücken - wie hier - kommt eine Bemessung nach der ortsüblichen Miete in Betracht (Stöber, ZVG 17. Aufl. § 92 Anm. 6.7). Dabei müssen jedoch immer die tatsächlichen Umstände des Rechts berücksichtigt werden. Der Berechtigte soll nicht besser, aber auch nicht schlechter als ohne die Zwangsversteigerung stehen. Bei einem lebenslangen Nießbrauch - wie hier - ist daher eine Prognose über eine zukünftige Entwicklung erforderlich. Diese muss sich aber umso mehr an den tatsächlichen Verhältnissen orientieren, je kürzer die verbliebene Laufzeit des Nießbrauchs ist. Vor diesem Hintergrund sind die Angriffe auf die Bemessung des Wertes des Nießbrauchs zum Teil berechtigt.
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aa) Das Vollstreckungsgericht hat den Nießbrauch ausgehend von den Feststellungen des Sachverständigen R. W. bewertet und das erforderliche Deckungskapital auf 16.736,62 EUR festgesetzt. Der Sachverständige hat in seinem Verkehrswertgutachten zum Wertermittlungsstichtag 3. Juli 2003 einen Wert des Nießbrauchs von 15.000 EUR angenommen (Gutachten S. 29). Hierzu hat der Sachverständige die tatsächlich erzielte Nettokaltmiete für die Wohnung im OG/DG mit Doppelgarage in Höhe von 261 EUR (Gutachten S. 27) zuzüglich eines möglichen Erhöhungsbetrags von 26 EUR ab 1. Januar 2004 angesetzt. Für die Wohnung im Erdgeschoß hat der Sachverständige die von ihm ermittelte ortsübliche Nettokaltmiete in Höhe von 260 EUR zugrunde gelegt.
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Hieraus hat der Sachverständige eine monatliche Nettokaltmiete für das gesamte Haus in Höhe von insgesamt 547 EUR errechnet, also eine Jahresmiete von 6.564 EUR. Die Bewirtschaftungskosten hat der Sachverständige pauschal mit 22% der Nettojahresmiete veranschlagt und insoweit einen Betrag von 1.444 EUR angegeben. Daraus errechnet der Sachverständige einen jährlichen Mietwert von 8.008 EUR. Der Wert des Nießbrauchs am hälftigen Miteigentumsanteil der Klägerin beträgt dann 16.736,72 EUR (4.004 EUR x 4,18 Jahre statistische Lebenserwartung der Beklagten).
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Die Klägerin nimmt die Berechnungsweise grundsätzlich hin. Sie will jedoch für die Erdgeschoßwohnung nur eine Kaltmiete von 163,35 EUR berücksichtigt wissen, weil insoweit die gleiche qm-Miete wie für die Dachgeschoßwohnung von 3,30 EUR zugrunde zu legen sei. Bewirtschaftungskosten erhöhen den Wert des Nießbrauchs nach Ansicht der Klägerin nicht. Insofern handele es sich um durchlaufende Posten; diese Kosten würden an die Mieter weiter berechnet. Sie errechnet daher eine Jahresmiete von 5.092,12 EUR. Der hälftige Anteil betrage 2.546,10 EUR, multipliziert mit der statistischen Lebenserwartung der Beklagten (4,18 Jahre gemäß Sterbetafel) habe der Nießbrauch daher einen Wert von 10.642,69 EUR.
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bb) Die Parteien und das Vollstreckungsgericht gehen zunächst zutreffend davon aus, dass der Nießbrauch am Miteigentumsanteil der Klägerin entscheidend von den Mieteinnahmen bestimmt wird, weil das Haus insgesamt vermietet ist. Hinsichtlich der einzelnen Faktoren ist jedoch folgendes zu berücksichtigen:
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Grundsätzlich ist zwar auf die nachhaltig zu erzielenden Einnahmen und daher bei einem vermieteten Grundstück auf die ortsübliche Miete abzustellen. Damit ist auch dem Gebot der Einzelfallbetrachtung in der Regel genüge getan. Sofern jedoch die Dauer des Rechts nur noch eine begrenzte und überschaubare Zeit beträgt, ist stärker auf die tatsächlich erzielten Einnahmen abzustellen, wenn - wie hier - das Haus vermietet ist und realistischerweise nur eingeschränkte rechtliche Möglichkeiten bestehen, innerhalb der verbleibenden Dauer des Rechts höhere Einnahmen zu erzielen. Das Vollstreckungsgericht ist von einer durchschnittlichen Lebenserwartung der bei Erlöschen des Nießbrauchs 90-jährigen Beklagten von 4,18 Jahren ausgegangen. Dies ist nicht zu beanstanden; dieser Zeitraum ist für die Frage, welchen Wert der Nießbrauch hatte, als überschaubar anzusehen. Damit kommt es in erster Linie auf die tatsächlichen Verhältnisse, d.h. die tatsächlich von der Beklagten gezogenen Nutzungen (§ 1030 Abs. 1 BGB) an. Hinsichtlich der Wohnung im Obergeschoß/Dachgeschoß hat der Sachverständige die tatsächlich erzielte Nettokaltmiete und die Hälfte des rechtlich zulässigen Erhöhungsbetrags berücksichtigt. Dies ist einwandfrei und wird auch von der Klägerin hingenommen.
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Hingegen ist für die Erdgeschoßwohnung nur die tatsächlich erzielte Miete anzusetzen. Die Erdgeschoßwohnung ist seit 1. März 2003 für 235 EUR warm vermietet (Gutachten S. 27). Aufgrund der von den Parteien nicht weiter angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen ist der Senat überzeugt, dass es sich hier um eine Warmmiete handelt. Unstreitig liegt insoweit ein unbefristeter Wohnungsmietvertrag vor. Die Beklagte selbst hat diesen Mietvertrag während des laufenden Teilungsversteigerungsverfahrens und weniger als ein Jahr vor dem Zuschlag abgeschlossen. Die vom Sachverständigen zum Bewertungsstichtag 3. Juli 2003 berücksichtigte ortsübliche Nettokaltmiete von 260 EUR beruht demgegenüber darauf, dass der Sachverständige diejenige Miete angesetzt hat, die sich nach Beseitigung der von ihm festgestellten Schäden/Mängel und des Renovierungsstaus erzielen ließe (Gutachten S. 27). Da der Wohnungsmietvertrag jedoch weder zum Zwecke der Mieterhöhung gekündigt werden kann (§ 573 Abs. 1 Satz 2 BGB) noch andere Kündigungsgründe ersichtlich sind, muss hinsichtlich der aus dem Grundstück zu ziehenden Nutzungen von dem bestehenden und erst kürzlich abgeschlossenen Mietvertrag ausgegangen werden. Zwar wäre ein Mieterhöhungsverlangen gemäß § 558 BGB grundsätzlich möglich; die Parteien haben jedoch nichts dazu vorgetragen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen. Insbesondere sind die Angaben im Wertgutachten zur ortsüblichen Miete nicht geeignet, ein Mieterhöhungsverlangen zu rechtfertigen, weil der Sachverständige ausdrücklich ausgeführt hat, dass es sich dabei um die Miete handelt, die nach Beseitigung der von ihm festgestellten Schäden/Mängel und des Renovierungsstaus zu erzielen wäre. Eine erste Mieterhöhung wäre zudem frühestens zum 1. Juni 2004 möglich gewesen (§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB). Weiterhin wäre bei möglichen Mieterhöhungsverlangen die Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 BGB zu beachten; danach wäre eine Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren und somit bis zum 1. März 2006 nur bis zu 20% der ursprünglichen Miete möglich, d.h. hier maximal 47 EUR. Bei einer Gesamtschau dieser Aspekte geht der Senat davon aus, dass die aufgrund des Nießbrauchs zu erzielenden Nutzungen für die statistische Dauer des Nießbrauchs von 4,18 Jahren ab dem Zuschlag (d.h. bis zum Frühjahr 2008) hinsichtlich der Erdgeschoßwohnung auf der Basis der tatsächlich erzielten Miete zu schätzen sind (§ 287 ZPO). Hingegen ist es nicht möglich, eine fiktive Miete pro m² für die Erdgeschoßwohnung einzusetzen, wie dies die Klägerin mit einer qm-Miete von 3,30 EUR tut. Dies ignoriert die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der Erdgeschoßwohnung.
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Die Bewirtschaftungskosten wirken sich im Rahmen eines Nießbrauchs - anders als Sachverständiger, Vollstreckungsgericht und Landgericht meinen - grundsätzlich nicht werterhöhend aus, weil der Nießbraucher gemäß §§ 1041, 1047 BGB regelmäßig die Erhaltungskosten und die Lasten der Sache zu tragen hat (vgl. Soergel/Stürner, BGB 13. Aufl. § 1047 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Pohlmann, 4. Aufl. § 1047 Rn. 1). Dies ist auch im vorliegenden Fall so. Die Beklagte hat als Nießbraucherin am Miteigentumsanteil der Klägerin mangels abweichender Vereinbarungen für die Erhaltung der Sache zu sorgen und die Lasten der Sache zu tragen. Damit treffen die Bewirtschaftungskosten regelmäßig den Nießbraucher, hier also die Beklagte. Auf § 1050 BGB und die von den Parteien erörterte Vereinbarung im notariellen Vertrag vom 8. April 1971 kommt es insoweit nicht an. Beide beziehen sich auf die Verpflichtungen aus § 1041 BGB; § 1050 BGB schränkt diese Verpflichtung ein (Palandt/Bassenge, BGB 64. Aufl. § 1050 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Pohlmann, 4. Aufl. § 1050 Rn. 1), schafft aber keine über § 1041 BGB hinausgehenden Verpflichtungen. Dementsprechend führt die notarielle Vereinbarung nur dazu, dass die Beklagte die sie nach § 1041 BGB treffenden Lasten nicht unter Berufung auf eine ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs auf die Klägerin als Eigentümerin abwälzen kann. Für die grundsätzliche Lastentragung hat die Regelung keine Auswirkungen.
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Daher sind Bewirtschaftungskosten in aller Regel bei einem Nießbrauch wertmindernd zu berücksichtigen. Der Wert des Nießbrauchs richtet sich entscheidend danach, was die Beklagte als Berechtigte letzten Endes netto erhält. Es kommt daher auf den auf Dauer zu erzielenden Reinertrag an. Nur diese Vorteile soll die Geldrente nach § 92 Abs. 2 ZVG ersetzen. Wird - wie hier - der Wert des Nießbrauchs ausgehend von der Nettokaltmiete berechnet, kommt es in erster Linie darauf an, ob der Nießbraucher die Bewirtschaftungskosten auf die Mieter abwälzen kann oder nicht. Dies ist hier unstreitig der Fall, weil die Mieter neben der Kaltmiete auch Nebenkosten zu entrichten hatten. Somit dürfen Bewirtschaftungskosten nicht weiter berücksichtigt werden, weil es sich auf Seiten der Beklagten als Nießbraucherin nur um einen durchlaufenden Posten, nicht aber um eine ihr verbleibende Nutzung oder eine ihren Vorteil schmälernde Belastung handelt. Nach Erlöschen des Nießbrauchs ist die Beklagte nicht mehr verpflichtet, das Grundstück instand zu halten. Damit entfällt eine entsprechende Belastung, so dass auch die diese Belastung kompensierenden Vorteile nicht mehr angerechnet werden dürfen. Folglich ist die Warmmiete für die Erdgeschoßwohnung um die auf die Erdgeschoßwohnung entfallenden Bewirtschaftungskosten zu reduzieren. Der Sachverständige ist von einem Anteil von 22% ausgegangen. Dies wird von den Parteien nicht angegriffen und lässt keine Fehler erkennen. Bezogen auf 235 EUR Warmmiete wären dies 51,70 EUR, so dass die geschätzte Nettokaltmiete für die Erdgeschoßwohnung 183,30 EUR beträgt. Dieser Betrag ist der Ermittlung der Jahresrente zugrunde zu legen.
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Schließlich ist bei der Wertermittlung auch zu berücksichtigen, ob die Instandhaltungs- und Bewirtschaftungsaufwendungen der Beklagten die auf die Mieter abgewälzten Bewirtschaftungskosten übersteigen. Sollte dies auf Dauer der Fall sein, wäre die Nettokaltmiete entsprechend zu reduzieren. Der von der Klägerin behauptete Instandhaltungsrückstau genügt hierfür aber grundsätzlich nicht. Im Rahmen der für eine Wertermittlung erforderlichen Prognose geht der Senat im vorliegenden Fall davon aus, dass - soweit diese Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten nicht ohnehin im Rahmen der Nebenkosten auf die Mieter abgewälzt werden können - eine nachgeholte Instandsetzung auch zu Mieterhöhungen hinsichtlich der Erdgeschoßwohnung führen wird. Der Senat schätzt daher (§ 287 ZPO), dass sich diese Positionen hinsichtlich der Wertermittlung für den Nießbrauch die Waage halten. Hierbei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass sich die ortsübliche Kaltmiete für die Erdgeschoßwohnung nach Beseitigung der Mängel und des Reparaturstaus nach den unangegriffenen Feststellungen des Sachverständigen auf 260 EUR beläuft und hinsichtlich der Erdgeschoßwohnung die Bewirtschaftungskosten pauschal mit 22% abgezogen wurden. Auf der anderen Seite ist unklar, welche der vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Maßnahmen im Laufe der verbliebenen Zeit von 4,18 Jahren tatsächlich noch durchgeführt werden müssten. Eine Schadensersatzpflicht des Nießbrauchers trifft diesen persönlich (vgl. Soergel/Stürner, BGB 13. Aufl. § 1041 Rn. 4), beeinflusst aber nicht den objektiv zu bestimmenden Wert (BGH, NJW 1992, 892) der aus dem Grundstück zu ziehenden Nutzungen.
35 
cc) Danach ergibt sich folgende Berechnung, auf deren Basis die dem Jahreswert des Nießbrauchs gleichkommende Rente (§ 92 Abs. 2 ZVG) zu schätzen ist (§ 287 ZPO):
36 
Nettokaltmiete Erdgeschoßwohnung
183,30 EUR
Nettokaltmiete Wohnung im Obergeschoß/Dachgeschoß
261,00 EUR
Zuzüglich Erhöhungsbetrag für Obergeschoß/Dachgeschoß
  26,00 EUR
Summe:
470,30 EUR
Ergibt jährlich
5.643,60 EUR
Davon 1/2, weil nur Miteigentumsanteil Klägerin belastet
2.821,80 EUR
Multipliziert mit Lebenserwartung 4,18 Jahre
11.795,12 EUR
37 
Der Senat hält daher ein Deckungskapital für die zu erwartenden Jahresrenten bis zum statistischen Ablauf des Nießbrauchs in Höhe von 11.795,12 EUR für erforderlich. Soweit das Vollstreckungsgericht einen höheren Betrag als Deckungskapital zugeteilt hat, ist die Differenz von 4.958,32 EUR (16.753,44 abzüglich 11.795,12 EUR) wie vom Vollstreckungsgericht am 5. Mai 2004 beschlossen beiden Parteien als Gesamtberechtigten zuzuteilen.
38 
c) Gegenansprüche kann die Klägerin im Rahmen der Zuteilung auf den Ersatzanspruch für einen erloschenen Nießbrauch nicht geltend machen. Der Widerspruch hat das Ziel, ein besseres Recht des Widersprechenden an dem zugeteilten Betrag geltend zu machen (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZVG i. V. m. § 878 Abs. 2 ZPO; vgl. Zöller/Stöber, ZPO 25. Aufl. § 878 Rn. 7; BGH, NJW 2001, 2477, 2478). Dies hat die Klägerin schon nicht dargetan.
39 
Das Deckungskapital tritt an die Stelle des Nießbrauchs, damit dem Berechtigten die ihm nach § 92 Abs. 2 ZVG zustehenden Ersatzansprüche ausgezahlt werden können. Die Teilungsmasse ist als Versteigerungserlös S. für das versteigerte Objekt (Stöber, ZVG 17. Aufl. § 114 Anm. 1.4). Damit wird innerhalb eines bestehenden Rechtsverhältnisses der Gegenstand, der den Inhalt des Rechtsverhältnisses maßgebend bestimmt, kraft Gesetzes durch einen anderen ersetzt, der in einer Art Rechtsnachfolge in die bestehenden rechtlichen Beziehungen eintritt (Stöber, ZVG 17. Aufl. § 91 Anm. 2.5). An die Stelle des mit dem Nießbrauch belasteten Miteigentumsanteils der Klägerin an dem Grundstück ist hier das Deckungskapital getreten. Wo der Nießbrauch an einem Bruchteil nicht bestehen bleibt, überträgt er sich auf den Erlösanteil (Stöber, ZVG 17. Aufl. § 180 Anm. 7.17 c). Eine Verrechnung von Ansprüchen des Eigentümers gegen den Nießbraucher mit dem Deckungskapital bedeutet dann in der Sache eine Aufhebung des Nießbrauchs. Daher kann im Rahmen eines Teilungsplans ein Widerspruch gegen die Zuteilung auf ein Deckungskapital für einen erloschenen Nießbrauch nur darauf gestützt werden, dass die Berechnung des Deckungskapitals unzutreffend ist, dass der Nießbrauch nicht bestanden hat bzw. anderweitig erloschen ist oder dass ein Anspruch auf Löschung des Nießbrauchs bestanden hat. Schadensersatzansprüche aufgrund des Verhältnisses zwischen Eigentümer und Nießbraucher beeinflussen hingegen den Bestand des Nießbrauchs grundsätzlich nicht und können daher schon deshalb nicht einem an die Stelle des Nießbrauchs getretenen Deckungskapital entgegen gehalten werden. Somit kommt es auf den Vortrag der Klägerin zu einem angeblichen Renovierungsstau und zu Ersatzansprüchen wegen versagter Zustimmung zu einem freihändigen Kauf hinsichtlich der Zuteilung auf das Deckungskapital nicht an.
40 
3. Die Entscheidung über die Verlustigerklärung folgt aus § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO, nachdem die Klägerin ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 3. März 2005 zurückgenommen hat. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 516 Abs. 3 Satz 1, 92 Abs. 1 bzw. 2 Nr. 1 ZPO; der Erfolg der Klägerin war gemessen am gesamten Streitwert verhältnismäßig geringfügig und hat in erster Instanz mangels Kostensprungs keine Mehrkosten verursacht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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