Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 7 U 87/14

Tenor

1 Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 09.04.2014, 3 O 21/13, wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 5.340,89 für entgangene Rentenversicherungsbeiträge des Jahres 2010 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2013 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Rahmen der Übergangsfähigkeit nach § 116 SGB X die schadensbedingten Aufwendungen zu erstatten, die diese zukünftig an den Versicherten S. O. auch aufgrund neuer Gesetze, längstens bis zum 31.12.2054 (Erreichen der Altersgrenze am 01.01.2055 für besonders langjährig Versicherte, die am 01.01.1990 geboren sind, vgl. § 38 SGB VI) zu erbringen hat.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die weiteren unfallbedingten Ausfälle der Beitragsleistungen ab 01.01.2011 an die Rentenversicherung, die vom mutmaßlichen Bruttoverdienst des Versicherten S.O., auch aufgrund neuer Gesetze abzuführen wären, durch Zahlung an die Klägerin im Sinne des Beitragsregresses nach § 119 SGB X, längstens bis zum 31.12.2054 (Erreichen der Altersgrenze am 01.01.2055 für besonders langjährig Versicherte, die am 01.01.1990 geboren sind, vgl. § 38 SGB VI) zu ersetzen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil, soweit es aufrecht erhalten wurde, sind vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Der klagende Rentenversicherungsträger macht übergegangene Schadensersatzansprüche in Form ausgefallener Rentenversicherungsbeiträge nach einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung geltend.
Der beklagte Kreis haftet dem Grunde nach als Krankenhausträger für den auf einem ärztlichen Versäumnis beruhenden Hirnschaden des S.O., den dieser im Zusammenhang mit seiner Geburt am 01.01.1990 erlitt.
S.O. nahm in den Jahren 2008 und 2009 in streitigem Umfang an einer Berufsbildungsmaßnahme in der Werkstatt der Lebenshilfe in S. teil. Sie endete am 15.09.2009 vorzeitig, weil S.O. nicht werkstattfähig war.
Die Parteien haben erstinstanzlich darüber gestritten, ob und für welchen Zeitraum Pflichtversicherungsbeiträge bezahlt wurden und ob für den Erwerbsschaden unterstellt werden kann, dass S.O. ohne die Schädigung im Februar 2010 eine Ausbildung als Mechatroniker abgeschlossen und mit einem Jahreseinkommen von EUR 29.821,50 bei den Firmen LUK oder Bosch in Bühl eine Anstellung gefunden hätte, mit der Folge, dass bei einem Beitragssatz von 19,9% für das Jahr 2010 Rentenversicherungsbeiträge von EUR 5.934,48 hätten bezahlt werden müssen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO verwiesen wird, hat antragsgemäß wie folgt erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 5.934,48 für entgangene Rentenversicherungsbeiträge des Jahres 2010 nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 12.02.2013 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Rahmen der Übergangsfähigkeit nach § 116 SGB X die schadensbedingten Aufwendungen zu erstatten, die diese zukünftig an den Versicherten S.O. auch aufgrund neuer Gesetze, längstens bis zum 31.12.2056 (Erreichen der Regelaltersgrenze am 01.01.2057 für Versicherte, die am 01.01.1990 geboren sind, vgl. § 35 SGB VI) zu erbringen hat.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die weiteren unfallbedingten Ausfälle der Beitragsleistungen ab 01.01.2011 an die Rentenversicherung, die vom mutmaßlichen Bruttoverdienst des Versicherten S.O. auch aufgrund neuer Gesetze abzuführen wären, durch Zahlung an die Klägerin im Sinne des Beitragsregresses nach § 119 SGB X, längstens bis zum 31.12.2056 (Erreichen der Regelaltersgrenze am 01.01.2057) zu bezahlen.
Das Landgericht ist dabei davon ausgegangen, dass ein Forderungsübergang nach § 119 SGB X (Fassung ab 01.01.2001) stattfand, weil S.O. in der Zeit vom 01.09.2008 bis 14.09.2009 pflichtversichert gewesen sei und Rentenversicherungsbeiträge für ihn bezahlt worden seien. Als Bemessungsgrundlage für die im Jahr 2010 geschuldeten Beträge sei zu unterstellen, dass S.O. eine Ausbildung als Mechatroniker bis Februar 2010 absolviert und danach bei der Firma LUK in Bühl zu arbeiten begonnen hätte. Von dem dort fiktiv erzielten Arbeitseinkommen sei kein Abschlag für ein Arbeitsplatzrisiko wegen der günstigen Wirtschaftslage des genannten Arbeitsgebers zu machen.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er sein Klageabweisungsinteresse weiter verfolgt. Er bringt hierfür vor, S.O. habe stets eine 1:1 Betreuung gebraucht und sei daher zu keinem Zeitpunkt werkstattfähig gewesen. Er habe somit nicht in die Werkstatt der Lebenshilfe aufgenommen werden dürfen. Die Versicherungspflicht sei demnach zu Unrecht entstanden. § 119 SGB X sei deshalb teleologisch zu reduzieren, so dass vorliegend nicht von einem Anspruchsübergang auszugehen sei. Da auch eine Ersatzpflicht im Rentenalter bestünde, sei die Begründung von Rentenansprüchen bei der Klägerin auch nicht nötig. Im Übrigen sei zwar anzunehmen, dass S.O. zum Mechatroniker ausgebildet worden wäre, von einem fiktiven Gehalt sei aber ein Abschlag für ein Arbeitsplatzrisiko zu machen.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
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Für das weitere Berufungsvorbringen wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, für die Formulierung der Berufungsanträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2014 (II 63) verwiesen.
II.
13 
Die zulässige Berufung hat im tenorierten Umfang Erfolg.
14 
1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Klägerin für fiktive Rentenversicherungsbeiträge aktivlegitimiert ist. Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 1 HS 2. Alt. SGB X sind nämlich Schadensersatzansprüche S.O. auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung auf sie übergangen, nachdem er zeitlich nach dem schädigenden Ereignis durch die Aufnahme in die Werkstatt der Lebenshilfe am 01.09.2008 pflichtversichert geworden ist. Der Klägerin ist dieser Anspruch auf Ersatz des Beitragsschadens als Treuhänderin übertragen. Sie hat die Beiträge einzuziehen und zugunsten S.O. gemäß § 119 Abs. 3 SGB X als Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung zu verbuchen.
15 
a) Gemäß § 120 Abs. 1 SGB X ist § 119 SGB X in der Fassung vom 01.01.2001 auf den konkreten Fall anzuwenden. Die Verletzungshandlung vom 01.01.1990 (BGH, Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 318/94, NJW 1996, 1674) lag zwischen dem Stichtag für den Anwendungsbeginn, dem 30.06.1983, und dem Inkrafttreten des § 119 Abs. 1 SGB X in der Fassung vom 01.01.2001, ohne dass eine abschließende Entscheidung über den Anspruch vorlag. Unter Entscheidungen im Sinne des § 120 SGB X sind Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren zu verstehen (BT-Drs. 14/4375 S. 61), wobei dahinstehen kann, was genau erfasst sein soll, da im vorliegenden Fall weder zwischen den Parteien noch S.O. und dem Beklagten ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren über die Haftung oder diese Schadensposition zu einem rechts-/bestandskräftigen Abschluss gekommen war.
16 
b) S.O. ist aufgrund seines geburtlichen Hirnschadens nicht erwerbsfähig. Der ihm hieraus erwachsende wirtschaftliche Nachteil in seiner künftigen beruflichen Entwicklung (Erwerbs- und Fortkommensschaden) ist nach §§ 842, 843 BGB von der Schadensersatzpflicht des Beklagten umfasst. Zu diesem ersatzpflichtigen Verdienstausfallschaden gehören auch Beiträge zur Sozialversicherung, da anzunehmen ist, dass S. O. ohne die Schädigung zum Mechatroniker ausgebildet worden wäre und als solcher angestellt gearbeitet hätte. Er wäre dann nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig gewesen.
17 
c) S.O. ist nach dem Schadensereignis versicherungspflichtig geworden. Behinderte Menschen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen i.S. des § 136 SGB IX, wie der Werkstatt der Lebenshilfe in S., tätig sind, unterliegen nach § 1 Satz 1 Nr. 2a SGB VI der Rentenversicherungspflicht. Der Träger der Werkstatt führt gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI die Beiträge ab. S.O. war in der S.er Lebenshilfewerkstatt tätig im Sinne des § 136 SGB IX. Bei den Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen besteht ein Stufenverhältnis im Rahmen der Leistungserbringung, das über das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB IX) bis zum Arbeitsbereich (§ 41 SGB IX) reicht. Demgegenüber sollen behinderte Menschen, die nicht in eine Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen werden können, nach § 136 Abs. 3 SGB IX in Einrichtungen oder Gruppen betreut oder gefördert werden, die der Werkstatt (nur) angegliedert, nicht aber Teil von ihr sind (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27.08.2009, L 7 SO 25/09 B ER, juris). Tätig im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 2a SGB VI in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen sind nicht nur die dem Arbeitsbereich (§ 41 SGB IX), sondern auch die dem Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich zugeordneten (BSG, Urteil vom 14.02.2001, SozR 3-2500 § 44 Nr 8; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.02.2010, L 10 AL 225/08 KL, juris Rn 22). Dies ergibt sich klar aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/4124 S. 148).
18 
Entgegen dem Berufungsvortrag, wonach kein Eingangsverfahren stattgefunden habe, wurde S.O. auch in das Eingangsverfahren aufgenommen. Das hat die Beweisaufnahme erster Instanz erbracht. Die Zeugin H. sagte aus, die Maßnahme sei für 2 Jahre und 3 Monate bewilligt worden. Dies entspricht der gesetzlich vorgesehenen Dauer des Eingangsverfahrens von 3 Monaten (§ 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB IX) und des sich anschließenden Berufsbildungsbereichs von 2 Jahren (§ 40 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 SGB IX). Den Leistungen im Berufsbildungsbereich sind diejenigen des Eingangsverfahrens zwingend vorgeschaltet (BT-Drs. 14/5800 S. 27). Anders ist auch die Aussage der Zeugin, der Erprobungsversuch heiße offiziell „Teilnahme am Eingangsverfahren im Berufsbildungsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen“, nicht zu verstehen.
19 
d) Die Berufung meint, § 119 SGB X erfordere, dass die versicherungspflichtige Tätigkeit schädigungsbedingt wieder aufgegeben werde (so auch Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 11. Aufl., Rn 771; Waltermann in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. § 119 SGB X Rn 3). Dieses Erfordernis erschließt sich dem Senat weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn. Die in § 119 Abs. 1 SGB X angeordnete Legalzession dient dazu sicherzustellen, dass der Schaden des Verletzten, der in der Störung seines Versicherungsverlaufs durch das Ausbleiben von Beitragszahlungen liegt, ausgeglichen wird (BGH, Urteil vom 18.12.2007, VI ZR 278/06, MDR 2008, 383). Solange ein solcher Schaden eintritt, ist sein Ausgleich nach § 249 BGB Inhalt der Wiederherstellungspflicht des Schädigers. Zu einem solchen teilweisen Ausbleiben kommt es aber auch, wenn für die nach dem Schadensereignis aufgenommene versicherungspflichtige Tätigkeit geringere Beiträge als für die fiktiv ohne die Schädigung ausgeübte erbracht werden unabhängig von der Frage, ob diese spätere Tätigkeit überhaupt wieder aufgegeben wird. Im Ergebnis kann dieses Erfordernis aber dahinstehen, weil S.O. die Tätigkeit in der Werkstatt abbrechen musste, da seine schädigungsbedingte Behinderung einen Verbleib dort nicht zuließ.
20 
e) Die von § 119 Abs. 1 Satz 1 1 HS 2. Alt. SGB X formulierten Voraussetzungen für den Forderungsübergang liegen damit vor.
21 
Entgegen der Ansicht der Berufung ist diese Bestimmung nicht im vorliegenden Fall wider ihren Wortlaut einschränkend auszulegen. Eine solche teleologische Reduktion kommt nur in Betracht, wenn der Wortlaut einer Norm auch Lebenssachverhalte erfasst, die nach Sinn und Zweck der Norm nicht erfasst werden sollen, und in diesen Fällen eine buchstabengetreue Anwendung der Norm ihrem Zweck zuwider liefe. Das ist nicht der Fall.
22 
aa) Die Berufung meint zum einen, ein Anspruchsübergang sei vorliegend deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte den Schaden von S.O. vollständig auch dann ersetzen müsse, wenn dieser sich im Rentenalter befinde, er also auf die Begründung von Rentenansprüchen zu seiner Versorgung nicht angewiesen sei. Das verkennt schon im Ausgangspunkt, dass die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nicht nach der Bedürftigkeit des Versicherten fragt. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gehören zum Arbeitseinkommen des pflichtversicherten Arbeitnehmers. Der Schaden des Verletzten liegt in der Störung seines Versicherungsverlaufs durch das Ausbleiben von Beitragszahlungen, was im Wege der Naturalrestitution auszugleichen ist (BGH, Urteil vom 18.12.2007, VI ZR 278/06, MDR 2008, 383). Es ist somit ein gegenwärtiger Schaden, der genau so wenig von der Bedürftigkeit des Arbeitnehmers abhängt, wie sein sonstiger Anspruch auf Lohn. Zudem nimmt die Begründung eigener Versorgungsanwartschaften dem Geschädigten insoweit das Risiko einer Insolvenz des Schädigers zum Zeitpunkt des späteren Rentenbezugs. Das mag bei der beklagten Gebietskörperschaft praktisch keine Rolle spielen, zeigt aber, dass, selbst wenn Schadensersatzansprüche für den Rentenschaden im Rentenalter bestehen, eigene Ansprüche des Verletzten gegen die Rentenversicherung ihren Sinn behalten.
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bb) Die Berufung meint zum anderen, § 119 SGB X solle für Fälle, wie den vorliegenden, teleologisch reduziert werden, in denen ein nicht werkstattfähiger Mensch in eine solche Werkstatt aufgenommen worden sei und so eine Versicherungspflicht begründet worden sei. Auch dies ist kein Fall der teleologischen Reduktion. Denn die von der Berufung gesehene Gefahr einer Anwendung der Norm auf einen Personenkreis, für den sie nicht bestimmt ist, beruht nicht auf ihrer zu weiten Fassung, sondern darauf, dass im Rahmen einer ihrer Voraussetzungen im Einzelfall ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sein könnte. Einer solchen Fallgestaltung ist nicht durch eine teleologische Reduktion der Norm, sondern durch ihre Nichtanwendung im Einzelfall gemäß § 242 BGB zu begegnen.
24 
f) Der Beklagte kann dem Anspruchsübergang aber auch gemäß § 242 BGB keine Einwendung entgegenhalten. Zwar ergeben sich aus dem in dieser Norm festgeschriebenen Gebot von Treu und Glauben Grenzen für die Ausübung von Rechten. So ist die Ausübung eines Rechts in der Regel missbräuchlich, wenn der Berechtigte es durch einen Verstoß gegen ein Gesetz erworben hat. Hier könnte eine Unredlichkeit darin liegen, dass einerseits vom Schädiger erfolgreich der Ersatz eines ungewöhnlich hohen Betreuungsmehraufwands verlangt wird, weil der Geschädigte unter anderem wegen Eigen- und Fremdgefährdung 22 Stunden am Tag eine 1:1 Betreuung benötigt (vgl. 7 U 109/14), aber andererseits auch erfolgreich der Ersatz von Rentenversicherungsbeiträgen geltend gemacht wird, was voraussetzt, dass der Geschädigte nicht im Sinne des § 136 Abs. 2 SGB XI besonders pflegebedürftig ist. Von einem Rechtsverstoß, der entgegengehalten werden könnte, ist aber nicht auszugehen.
25 
aa) Allerdings scheitert die Einwendung noch nicht daran, dass ein Dreipersonenverhältnis, Schädiger, Geschädigter, Rentenversicherung, besteht. Denn nach dem Rechtsgedanken des § 404 BGB kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Geschädigten auch dem Zessionar entgegengehalten werden.
26 
bb) Vorliegend ist aber bereits zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen nicht vorlagen.
27 
(1) Der Gesetzgeber hat klar formuliert, dass behinderte Menschen versicherungspflichtig sind, wenn sie in das Eingangsverfahren einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen worden sind (BT-Drucks. 11/4124 S. 148). Die Beitragspflicht ist dabei von der Erzielung eines Arbeitsentgelts abgekoppelt (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). S.O. durfte daher in das Eingangsverfahren aufgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für den Zugang zu dieser Stufe vorlagen, unabhängig davon, welche Voraussetzungen für den Zugang zu den weiteren Stufen zu erfüllen sind.
28 
Im Eingangsverfahren wird festgestellt, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben ist, sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen oder Leistungen zur Eingliederung in das Arbeitsleben in Betracht kommen und um einen Eingliederungsplan zu erstellen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Im Rahmen des Eingangsverfahrens wird somit geprüft, ob der behinderte Mensch in der Lage ist, sich unter Anleitung in einer Werkstatt für behinderte Menschen zurecht zu finden (Jabben in Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm/ Udsching, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.06.2014, § 40 Rn 3 mwN).
29 
Zutreffend weist die Berufung darauf hin, dass § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB IX eine Prognose des vom behinderten Menschen durch die Maßnahmen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich zu erwartenden Leistungsvermögens verlangt. Ist zu erwarten, dass der Leistungsempfänger spätestens nach der Teilnahme an der Maßnahme im Berufsbildungsbereich in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, so ist der Förderungsanspruch begründet. Ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung ist zu erwarten, wenn der behinderte Mensch an der Herstellung der von der betreffenden Werkstatt für Behinderte vertriebenen Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann (Luik in: jurisPK-SGB IX, § 40 SGB IX Rn 15). Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen (§ 136 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Dann fehlt die sogenannte Werkstattfähigkeit.
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Das Eingangsverfahren dient, wie dargestellt, auch der Beurteilung der Werkstattfähigkeit. Zugang zu ihm besteht demnach nur dann nicht, wenn bereits gesichert und zweifelsfrei feststeht, dass der behinderte Mensch ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht wird erbringen können. Liegt hingegen ein Zweifelsfall vor, ist der Zugang zum Eingangsverfahren nach § 40 Abs 1 Nr 1 SGB IX eröffnet, damit festgestellt werden kann, ob die Werkstatt für behinderte Menschen die geeignete Einrichtung für die Teilhabe am Arbeitsleben ist (SG Dresden, Beschluss vom 11.07.2003, S 6 AL 1041/03 ER, juris, Luik in: jurisPK-SGB IX, 1.Aufl., § 40 SGB IX Rn 26).
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Demnach könnte überhaupt nur dann von einer unter Verstoß gegen § 40 SGB XI erfolgten Aufnahme S.O. in das Eingangsverfahren ausgegangen werden, wenn unzweifelhaft wäre, dass er nicht werkstattfähig war.
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(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Zivilgericht eine Prüfung der „fehlenden Werkstattfähigkeit“ nicht deshalb versagt ist, weil S.O. tatsächlich in das Eingangsverfahren aufgenommen wurde und der Sozialleistungsträger, hier die Bundesagentur für Arbeit, eine positive Förderungsentscheidung traf. Dieser Verwaltungsakt dürfte zumindest nach Ablauf der Widerspruchs- und Klagefrist bestandskräftig sein. Zwar sind nach § 118 SGB X Gerichte, wenn sie über einen nach § 116 SGB X übergegangenen Anspruch zu entscheiden haben, an eine unanfechtbare Entscheidung, dass und in welchem Umfang der Leistungsträger zur Leistung verpflichtet ist, gebunden. Auch wird eine ausweitende Auslegung dieser Norm für richtig gehalten (Peters-Lange in: jurisPK-SGB X, Stand 1.12.2012, § 118 SGB X Rn 5), so dass die systematische Stellung von § 119 SGB X hinter § 118 SGB X einer analogen Anwendung nicht entgegenstehen müsste. § 116 SGB X, an den § 118 SGB X anknüpft, setzt aber für den Forderungsübergang des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten auf den Sozialversicherungsträger voraus, dass letzterer kongruente Sozialleistungen zu erbringen hat. In diesen Fällen sollen aus Gründen der Rechtssicherheit und Prozessökonomie divergierende Entscheidungen vermieden werden (BGH, Urteil vom 05.05.2009, VI ZR 208/08, VersR 2009, 995). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin als weiterer Sozialversicherungsträger neben der Bundesagentur für Arbeit aber als Treuhänder Rentenversicherungsbeiträge für einen anderen Zeitraum als den des Werkstattaufenthaltes geltend. Damit dürfte es an der (zeitlichen) Kongruenz fehlen. Die Werkstattfähigkeit ist vielmehr eine tatsächliche Vorfrage für die Aufnahme in das Eingangsverfahren, an die die Rentenversicherungspflicht anknüpft, die zum Anspruchsübergang nach § 119 SGB X führt. § 118 SGB X bewirkt aber keine Bindungswirkung hinsichtlich tatsächlicher und rechtlicher Vorfragen für den Anspruch wie hinsichtlich der Art und dem Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Soweit diese nicht rechtskraftfähigen Feststellungen zu Anspruchsvoraussetzungen auch im Zivilrechtsstreit erheblich werden, entscheidet das Zivilgericht in eigener Zuständigkeit (Peters-Lange in: jurisPK-SGB X, Stand 1.12.2012, § 118 SGB X Rn 14). Die Frage bedarf aber im Hinblick auf das unter Ziffer (4) und cc) Ausgeführte keiner abschließenden Entscheidung.
33 
(3) Der Beklagte behauptet, dass S.O. generell nicht werkstattfähig ist. Es kann daher auch außer Acht bleiben, dass sich die Frage, ob der Betreffende in das Eingangsverfahren einer Werkstatt aufgenommen werden kann, nach der konkret gewählten Einrichtung beurteilt (BSG, Urteil vom 30.11.2011, B 11 AL 7/10 R, BSGE 109, 293).
34 
(4) Aus den beigezogenen Akten des Verfahrens S.O. gegen die Beklagte wegen Erstattung des Betreuungsmehraufwands seiner Eltern (LG Baden-Baden 3 O 152/13; Senat 7 U 109/14), dessen Beweisaufnahme mit Zustimmung der Parteien im hiesigen Verfahren verwertet werden kann, ergibt sich folgendes Bild zur Werkstattfähigkeit S.O.: Er weist ein organisches Psychosyndrom auf, das bei einer leichten Intelligenzminderung mit einer psychomotorischen Retardierung, einer cerebelläre Ataxie, einem seit ca 2000 ohne Medikation anfallsfreiem cerebralen Anfallsleiden und einer schweren und durchgängigen sozialen Beeinträchtigung bei beträchtlichem Betreuungsbedarf einhergeht (AB 3 O 152/13 K 3, 4). Nach dem von Eltern und Mitarbeitern eines psychiatrischen Fachkrankenhauses bearbeiteten Heidelberger-Kompetenz-Inventar für geistig Behinderte, das den Probanden mit der Population der geistig behinderten der gleichen Altersgruppe vergleicht, lag S.O. knapp im Durchschnitt der Vergleichsgruppe. Dipl. Psych. K.-S. beschreibt S.O. in anderem Zusammenhang dahin, dass sämtliche Arbeitsabläufe und -ergebnisse engmaschig kontrolliert werden müssen, er bei ihn nicht interessierenden Tätigkeiten in hohem Maße ablenkbar ist und ein extrem geringes Durchhaltevermögen zeige. Er habe große Schwierigkeiten, Regeln einzuhalten und Anweisungen zu befolgen, zeige eine starke körperliche Unruhe und einen ständigen und ausgeprägten Rededrang, zugleich sei er hilfsbereit, beteilige sich freudig an hauswirtschaftlichen Aufgaben, zeige Interesse am Lesen, Schreiben und Rechnenlernen und nehme seine Arbeit ernst (AB 3 O 152/13 S. 189). In einem Papier über die Förderziele und Maßnahmen im Förder- und Betreuungsbereich für das Jahr 2011/2012 heißt es, S.O. sei mittlerweile in der Lage, sich über einen gewissen Zeitraum von 10 bis 40 Minuten selbst zu beschäftigen. Ihm könnten Tätigkeiten, die an die Werkstatt für behinderte Menschen angelehnt seien, wie das Verpacken von Wäscheklammern und Dübeln übertragen werden. Allerdings müsse stets ein Auge und ein Ohr auf ihn gerichtet sein, da sein oft zwanghaftes Verhalten, sich mitzuteilen, aufzustehen und sich durch den Gruppenalltag ablenken zu lassen, ihn unkonzentriert arbeiten ließen (AB 3 O 152/13 S. 195). Diese S.O. in den Jahren 2009 und 2010 beschreibenden Angaben, geben einen groben Anhalt für das Jahr 2008, da sie auch den Feststellungen des Gerichtsgutachters zum Wesen S.O. entsprechen. Hierbei steht fest, dass es im Jahr 2009 zu einer vorübergehenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kam, nachdem er im April probeweise auch nachts in einem Wohnheim untergebracht war (3 O 152/13 AB S. 71; S. 287). Nach den Angaben der Eltern gegenüber dem psychiatrischen Fachkrankenhaus, in dem sich S.O. von August 2009 bis Oktober 2009 aufhielt, ging er anfangs gern in die Werkstatt der Lebenshilfe. Dort sei er zusammen mit 30 anderen Beschäftigten in einer sehr lauten und unruhigen Werkstatt untergebracht gewesen. Im Verlaufe seines Aufenthalts dort sei es immer schwieriger geworden. Nach den Angaben des Vaters ging der Aufnahme in die Lebenshilfewerkstatt eine ärztliche Untersuchung des Kinderarztes voraus, ob ein solcher Aufenthalt für S. in Betracht komme (3 O 152/13 S. 681). Entsprechend den Angaben des Gerichtsgutachters kann S.O. „1:1 in einer Gruppe“ betreut werden. Der Sachverständige führte hierzu aus, dies sei dahin zu verstehen, dass ständig ein Betreuer in der Gruppe anwesend sein müsse, wenn die Unterbringung hinter geschlossenen Türen erfolge. S.O. benötige in erster Linie Überwachung, da er Weglauftendenzen zeige und sich im Straßenverkehr nicht bewegen könne, er zudem übermäßig Wasser trinke und so seine Gesundheit gefährde. Weiter benötige er Hilfe bei der Körperhygiene, beim Essen und Anziehen. Eine solche Unterbringung hinter geschlossenen Türen in einer Gruppe sei aber auf den häuslichen Betreuungsbedarf nicht zu übertragen (3 O 152/13 S. 695), wo eine 1:1 Betreuung, insbesondere zur Überwachung nötig sei. Diese nachvollziehbaren Angaben zeigen, dass der sehr hohe häusliche Betreuungsbedarf nicht zwangsläufig eine werkstatttypische Tätigkeit in einer Gruppe ausschloss. Zwar hat der Beklagte zusätzlich Sachverständigenbeweis und Zeugenbeweis der Mutter dafür angeboten, dass S.O. von Anfang an und dauerhaft nicht werkstattfähig war und ist (II 10). Dass dies unzweifelhaft feststand, erscheint dem Gericht aus dem verwertbaren Sachverhalt aber nicht auf den ersten Blick wahrscheinlich, muss jedoch nicht letztendlich geklärt werden.
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cc) Der Einwand bleibt nämlich auch ohne weitere Beweisaufnahme erfolglos.
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(1) Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs bei der Geltendmachung von Versorgungsansprüche wird vertreten, dass er nur bei besonders groben Pflichtverletzungen in Betracht kommt (Palandt/Grüneberg BGB, 73. Aufl. § 242 Rn 47). Dies wird auf die Rechtsprechung zu Dienst-/Arbeitsverhältnissen gestützt (z.B. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1999 – II ZR 152/98 –, NJW 2000, 1197; Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 16. Oktober 2012 – 17 Sa 461/11 –, juris mwN). Dort wird es damit begründet, dass das Versorgungsversprechen Teil des von dem Dienstberechtigten geschuldeten Entgelts ist und der Dienstberechtigte nicht ohne weiteres von der Verpflichtung befreit werden kann, im Versorgungsfall diesen Teil der geschuldeten und versprochenen Vergütung zu leisten. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn diese Leistung für den Dienstberechtigten unzumutbar ist. Dafür müsse der Versorgungsberechtigte aber seine Pflichten in so grober Weise verletzt haben, dass sich die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue nachträglich als wertlos oder zumindest erheblich entwertet herausstellt. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Begründung aus dem Dienst-/Arbeitsvertragsrecht für eine Beschränkung des Rechtsmissbrauchseinwands auf besonders grobe Pflichtverletzungen auch auf das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem zu übertragen ist. Denn auch bei Anlegung des allgemeinen Maßstabs greift der Einwand nicht.
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(2) Maßgeblich ist nämlich eine Betrachtung des konkreten Einzelfalles. Der Schädiger schuldet Ersatz des gegenwärtigen Erwerbsschadens, der eben auch in dem schädigungsbedingt nicht geleisteten Rentenversicherungsbeitrag besteht. Diese Zahlungspflicht aufzuschieben bis in das tatsächliche Rentenalter des Geschädigten ist daher keine Belastung, sondern eine Vergünstigung. Würde diese Vergünstigung gewährt, wenn der Geschädigte so stark geschädigt ist, dass die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit ausgeschlossen ist, würde der Schädiger vom Ausmaß der Schädigung profitieren. Zwar ist anzunehmen, dass er in solchen Fällen etwa auch hohen Betreuungsmehraufwand auszugleichen hat. Gleichwohl bedeutet das Leisten der Rentenversicherungsbeiträge „nur“ eine Art von Sparen für die künftige Belastung aus der Rentenzahlung. So würde etwa ein privater Arbeitgeber für die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung eine Rückdeckungsversicherung abschließen. Und es wäre nicht einmal klar, dass sich dies nicht zu seinen finanziellen Gunsten auswirkt, etwa wenn der Versorgungsberechtigte besonders alt wird. Einem selbständig tätigen Verletzten, der einen privaten Rentensparplan abgeschlossen hätte, müsste auch die hierfür zu zahlende Prämie ersetzt werden, selbst wenn er in den Genuss dieses Teils seines Erwerbseinkommens erst im Rentenalter kommt. Wenn andererseits, wie vorliegend nach den Umständen des Einzelfalles, soweit sie festgestellt sind, jedenfalls nicht auf den ersten Blick davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme S.O. in das Eingangsverfahren zweifelsfrei nicht vorlagen, vermag der Senat einen Rechtsmissbrauch in der Geltendmachung der Versorgungsbeiträge nicht zu sehen.
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2. Allerdings ist das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Höhe der übergegangenen Ansprüche zu korrigieren.
39 
a) (1) Das Landgericht hat, von der Berufung insoweit nicht angegriffen, festgestellt, dass S.O. ohne die Schädigung wohl einen Realschulabschluss erzielt, eine Ausbildung zum Beruf des Mechatronikers absolviert und darin einen Anstellung gefunden hätte. Auf seine Ausführungen, in denen es zutreffend auch auf den Beruf, die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklungen von Geschwistern und anderen nahen Verwandten abgestellt hat (BGH, Urteil vom 05.10.2010, VI ZR 186/08, MDR 2010, 1381), wird verwiesen. Der Senat schließt sich ihnen nach eigener Prüfung an.
40 
(2) Nach Ansicht des Senats ist das Landgericht in der Fiktion eines Lebensweges S.O. hinsichtlich des Grads einer Konkretisierung über das Gebotene hinausgegangen.
41 
(a) Der Verdienstausfall ist Teil des entgangenen Gewinns gemäß § 252 BGB. Nach dessen Satz 2 gilt der Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Da das Schadensereignis S.O. als Neugeborenes betroffen hat, ist über seine eigene berufliche Entwicklung ohne die Schädigung keine Aussage möglich. Besondere Umstände, insbesondere Anstalten und Vorkehrungen die einen konkreten Berufsweg wahrscheinlich machten, liegen damit nicht vor. Es darf dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Beurteilung des hypothetischen Verlaufs mit nicht zu beseitigenden erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Es liegt daher ohne weitere besondere Anhaltspunkte nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen; verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden (BGH, Urteil vom 05.10.2010, VI ZR 186/08, MDR 2010, 1381).
42 
(b) Dem hat das Landgericht durch die Annahme, S.O. würde eine Ausbildung zum Mechatroniker durchlaufen haben, Rechnung getragen. Ausgehend von einem durchschnittlichen Erfolg dieser Tätigkeit, würde er ein durchschnittliches Gehalt eines Mechatronikers erzielt haben. Für die weitergehenden Fiktionen des Landgerichts, S.O. würde auch mit 20 noch bei seinen Eltern wohnen und sich sofort einen gut bezahlenden Arbeitgeber 8 km entfernt gesucht haben, den er ohne ein eigenes Auto (nur unter Aufwendung der Verbrauchskosten) aufgesucht hätte, fehlen nach Ansicht des Senats ausreichende Anhaltspunkte für eine konkreten Lebensweg. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass auch insoweit auf die durchschnittlichen Verhältnisse abzustellen ist.
43 
(c) Die Annahme des Landgerichts, S.O. würde nahtlos und ohne jede Unwägbarkeit Schule und Beruf bis zum 67. Lebensjahr durchlaufen, sieht der Senat als zu weitgehend an. Eine nahtlose Berufstätigkeit zwischen dem 16. und 67. Lebensjahr, ist nicht als durchschnittlich anzusehen. Im Jahr 2013 betrug die durchschnittlichen rentenrelevanten Beitragszeiten in den alten Bundesländern bei Rentenbeginn 40,38 Jahre (http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/rentenversicherungsbericht-2013.pdf?__blob=publicationFile S. 20). Im Jahr 2012 kamen nur 2,6 % der männlichen Rentenbezieher auf mehr als 50 Versicherungsjahre (vgl. http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.rente-mit-63-die-plaene-der-neuen-bundesregierung-neue-regeln-wer-darf-wann-frueher-in-rente.f26d146f-c0a2-4ab9-aabe-5ed6401e3c92.html). Auch wenn eine Entwicklung zu längeren Beitragszeiten zu erwarten ist, nehmen andererseits auch Tendenzen, als junger Mensch ein mit vergleichsweise geringen Rentenversicherungsbeiträgen ausgeglichenes Freiwilligenjahr einzuschieben, zu. Angesichts der Ungewissheiten eines Arbeitslebens in einem Industriebetrieb, die auch in der allgemeinen oder branchenbezogenen Wirtschaftslage oder der speziellen des Anstellungsbetriebs liegen können, erscheint eine abschlagsfreie Schätzung als ungerechtfertigt. So hat die Beweisaufnahme auch ergeben, dass die Firma LUK einen Teil des Gehalts als vom Firmenerfolg abhängige Komponente bezahlt, so dass sich die betriebliche Entwicklung unmittelbar in die Gehälter fortsetzt. Sie ist als Autozulieferer auch konjunkturanfällig, wie viele andere Betriebe mit angestellten Mechatronikern auch. Der Senat sieht daher einen Abschlag vom fiktiven Gehalt von 10% als angemessen an.
44 
(d) Ausgehend hiervon schätzt der Senat das rentenversicherungspflichtige Bruttogehalt auf die vom Landgericht festgestellten EUR 29.821,50. Die Firmen LUK und Bosch sind nicht untypische Arbeitgeber für Mechatroniker, und das vom Landgericht antragsgemäß zugesprochene Bruttogehalt liegt unter dem von LUK Bezahlten. Da die Berufung dieses fiktive Gehalt auch nicht angreift, bedürfen die Feststellungen keiner Korrektur.
45 
Unter Berücksichtigung eines 10%igen Abschlags für das Arbeitsplatzrisiko ergibt sich ein Bruttogehalt von EUR 26.838,46. Der Rentenbeitragssatz von 19,9% führt zu einem Zahlbetrag von EUR 5.340,85, der zu tenorieren ist.
46 
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 290 BGB, wobei der Verzug am Tag nach der Zustellung beginnt (§ 187 Abs. 1 BGB).
47 
(e) Entgegen der Berufung sind hierauf keine Anrechnungen der von der Lebenshilfe gezahlten Rentenversicherungsbeiträge vorzunehmen.
48 
(aa) Der vorgelegte Rentenversicherungsverlauf (I 119) zeigt, dass für die Zeit, in der für S.O. von der S.er Werkstatt der Lebenshilfe Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden, keine Leistungen von der Beklagten bezahlt oder gefordert wurden.
49 
(bb) Die von der Lebenshilfe bezahlten Rentenversicherungsbeiträge übersteigen zwar aufgrund ihrer besonderen Bemessungsgrundlage des § 162 Nr. 2 SGB VI das, was an Beiträgen auf die Lehrstellenvergütung S.O. während der zeitgleichen fiktiven Ausbildung zum Mechatroniker hätte bezahlt werden müssen. Dieser Mehrbetrag ist aber einem Vorteilsausgleich nicht zugänglich. Ein Vorteilsausgleich setzt nämlich nicht nur voraus, dass der Vorteil, wie hier, durch das schädigende Ereignis verursacht ist. Vielmehr muss der Vorteilsausgleich dem Geschädigten auch zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten. Letzteres wäre der Fall. Denn die Annahme des Gesetzes, ein in einer Werkstatt für Behinderte Beschäftigter, der kein oder ein geringes Entgelt erhält, würde Rentenversicherungsbeiträge aus einem Arbeitsentgelt in Höhe von mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße bezahlen (§ 162 Nr. 2 SGB VI), soll eine angemessene Rentenversorgung dieses Menschen ungeachtet seiner Einschränkungen sichern und nicht einen Schädiger entlasten. Ihm kommt vielmehr der sich daraus ergebende Rentenmehrbetrag im Rentenalter des Geschädigten sogar zugute, wenn sich seine dann bestehende Zahlungspflicht um die dem Geschädigten zufließende Rente verringert. Für einen Ausgleich ist kein Raum.
50 
3. Neben dem Zahlungsantrag sind auch die Feststellungsanträge zulässig und begründet, wobei sich das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO aus der nicht unwahrscheinlichen Möglichkeit ergibt, dass die Klägerin an S.O. als Rentenversicherer Leistungen erbringen wird.
51 
Den Feststellungsanträgen ist aber insoweit nicht stattzugeben, als sie von einer Regelarbeitszeit des § 35 SGB VI bis zum 67. Lebensjahr ausgehen. S.O. hätte bei dem fiktiven Verlauf seines Berufslebens ab dem 16. Lebensjahr im Alter von 65 Jahren über 45 Jahre Wartezeit erfüllt und wäre daher nach § 38 SGB VI berechtigt, ab Vollendung dieses Lebensjahres eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu beanspruchen. Es kann daher als durchschnittlicher Verlauf angesehen werden, wenn S.O. mit 65 Lebensjahren in Rente ginge. Fiktiv ist daher von diesem Renteneintrittsalter auszugehen.
III.
52 
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz richtet sich nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, für die Berufungsinstanz nach §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist, wie von den Parteien auch angeregt, für beide Parteien zuzulassen, weil sie eine Reihe höchstrichterlich nicht entschiedener Rechtsfragen aufwirft und grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 ZPO).

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