Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 19 W 62/21 (Wx)

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 09.04.2021, 2 UR II 57/20, wird aufgehoben.

2. Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag des Antragstellers auf Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs der im Grundbuch von Pforzheim Blatt X1 unter Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Grundschuld über DM 135.000,00 für die D-Bank Aktiengesellschaft Filiale P., P., - Zweigniederlassung der D-Bank AG (…) - nicht aus den im aufgehobenen Beschluss angeführten Gründen zurückzuweisen.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, der im Wege der Erbfolge Eigentümer des Grundstücks B-Str. 2, P., geworden ist, beantragt die Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1162 BGB. Im Grundbuch ist eine Grundschuld zugunsten der D. Bank AG Filiale P., (…)- eingetragen. Rechtsnachfolgerin der Grundschuldgläubigerin ist die C. Aktiengesellschaft. Die Erteilung eines Briefs ist nicht ausgeschlossen.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 09.04.2021, 2 UR II 57/20, zurückgewiesen. Der Antragsteller habe seine Antragsberechtigung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Insbesondere könne er nicht glaubhaft machen, dass die verstorbene Voreigentümerin des Grundstücks bei ihrem Tod noch Inhaberin der Grundschuld gewesen sei und der Antragsteller diese als Erbe erworben habe. Der Verbleib des Grundschuldbriefs sei ungeklärt. Es sei denkbar, dass die C- AG den Grundschuldbrief an die früheren Grundstückseigentümer zurückgesandt und diese die Grundschuld, die sich in eine Eigentümergrundschuld gewandelt habe, an einen anderen, unbekannten Gläubiger abgetreten hätten. Dass dies nicht geschehen sei, habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht und mangels eigener Wahrnehmung auch nicht glaubhaft machen können. Der Antragsteller müsse daher ein - von ihm nicht beantragtes - Gläubigeraufgebot gemäß §§ 1170, 1171 BGB durchführen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Die vormaligen Eigentümer seien nicht Inhaber der Briefgrundschuld geworden, da es an einer Abtretungserklärung durch die C-Bank fehle. Aus diesem Grund hätten sie auch nicht über die Grundschuld verfügen können, ein gutgläubiger Erwerb sei ausgeschlossen.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1, 3 FamFG eingelegt. Der Antragsteller ist gemäß § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt, da sein Antrag mit der Begründung zurückgewiesen wurde, er sei nicht antragsberechtigt. Dies kann mit der Beschwerde überprüft werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.07.2017, 34 Wx 110/17 - juris, Rn. 16); insofern genügt eine formelle Beschwer (OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 134 - juris, 15).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens nach §§ 1192 Abs. 1, 1162 BGB zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller mache ein eigenes Recht geltend und habe seine Antragsberechtigung nicht glaubhaft gemacht.
a. Das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines abhanden gekommenen Grundpfandrechtsbriefs nach § 1162 BGB dient der Wiederherstellung des Grundpfandrechts (vgl. OLG Düsseldorf, Rpfleger 2019, 706 - juris, Rn. 17). Es richtet sich nach §§ 466ff. FamFG. Antragsberechtigt ist derjenige, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann, § 467 Abs. 2 FamFG, also der Inhaber des dinglichen Rechts, gegebenenfalls auch der Eigentümer des Grundstücks, auf den das Eigentum am Brief übergeht, § 952 BGB, oder der persönliche Schuldner nach Rechtsübergang, §§ 1163, 1164 BGB (OLG Düsseldorf, Rpfleger 2019, 706 - juris, Rn. 20).
Dagegen dient das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung unbekannter Grundpfandrechtsgläubiger nach §§ 1170, 1171 BGB dazu, dem Grundstückseigentümer den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit zu erleichtern (vgl. OLG Düsseldorf, Rpfleger 2019, 706 - juris, Rn. 16). Dem Ausschließungsbeschluss nach § 1170 Abs. 2 BGB kommt gestaltende Wirkung zu; durch ihn erwirbt derjenige das aufgebotene Grundpfandrecht, dem das belastete Grundstück bei Erlass des Ausschlussbeschlusses gehört (BGH NJW-RR 2009, 660 - juris, Rn. 28; OLG Bremen, Beschluss vom 28.07.2014, 1 W 22/14 - juris, Rn. 20). Dieses Verfahren richtet sich nach §§ 447ff. FamFG, antragsberechtigt ist insbesondere der Eigentümer des belasteten Grundstücks, § 448 Abs. 1 FamFG.
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b. Im vorliegenden Fall stellt der Antragsteller einen Antrag nach § 1162 BGB. Dabei behauptet er allerdings selbst nicht, Inhaber der Grundschuld geworden zu sein, sondern vielmehr, dass Grundschuldgläubigerin weiterhin die C-Bank sei; er macht also ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend. Dies ist zulässig. Eine gewillkürte Verfahrensstandschaft ist auch in Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.07.2017, 34 Wx 110/17- juris, Rn. 18; OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 134 - juris, Rn. 22 und Beschluss vom 07.05.2013, 25 Wx 21/13 - juris, Rn. 15; KG MDR 2015, 362 - juris, Rn. 10; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 23 Rn. 52). Der Eigentümer, dem der Gläubiger einer Grundschuld eine Löschungsbewilligung erteilt hat, ist berechtigt, das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs in gewillkürter Verfahrensstandschaft zu beantragen. Denn in der Überlassung der Löschungsbewilligung durch den Grundschuldgläubiger liegt das Einverständnis, mit der Grundschuld nach Belieben zu verfahren (OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 134 - juris, Rn. 22 und Beschluss vom 07.05.2013, 25 Wx 21/13 - juris, Rn. 15; vgl. auch Staudinger/Wolfsteiner, BGB (2019), § 1162 Rn. 11). Der Antragsteller hat als Grundstückseigentümer auch ein berechtigtes Interesse, das Recht im eigenen Namen geltend zu machen.
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c. Da das Amtsgericht - obwohl es ausdrücklich die Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Verfahrensstandschaft zitiert - davon ausgeht, der Antragsteller mache ein eigenes Recht geltend, stellt es in der Folge unzutreffend darauf ab, dass dieser nicht glaubhaft gemacht habe oder - entsprechend der für diese Konstellation häufig angenommenen Schwierigkeiten - nicht machen könne, dass die Erblasser nach Rückerhalt des Grundschuldbriefs die Grundschuld nicht anderweitig übertragen hätten.
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Dies verkennt jedoch, dass der Antragsteller gerade nicht behauptet, dass die Erblasser Inhaber der Briefgrundschuld geworden seien. Gegen diese Annahme spricht auch, dass die Grundschuld nur dann auf den Grundstückseigentümer übergeht und dort zur Eigentümergrundschuld wird, wenn der Eigentümer auf das dingliche Recht leistet und die Grundschuld damit ablöst (unzutreffend insofern die vom Amtsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Beschlüsse des OLG Düsseldorf vom 07.05.2013, 25 Wx 21/13 - juris, Rn. 18ff. und vom 12.06.2019, 3 Wx 39/19, Rn. 23). Bei der Leistung des persönlichen Schuldners auf die Forderung erlischt diese zwar nach § 362 BGB, die zu sichernde Grundschuld bleibt jedoch aufgrund der fehlenden Akzessorietät zur Forderung unberührt (BGH NJW-RR 2003, 11 - juris, Rn. 11). In diesem Fall hat der Grundstückseigentümer gegen den Grundschuldgläubiger regelmäßig einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld aus dem der Grundschuldbestellung zugrundeliegenden Sicherungsvertrag, weil der Sicherungszweck mit der Forderung weggefallen ist (BGH a. a. O.). Der Rückgewähranspruch ist nach Wahl des Sicherungsgebers auf Abtretung der Grundschuld, deren Aufhebung oder den Verzicht auf das dingliche Recht gerichtet (BGH NJW 2013, 1676 - juris, Rn. 16; BGH NJW-RR 1996, 234 - juris, Rn. 14; Staudinger/Wiegand, BGB (2019), vor §§ 1191ff. Rn. 170). Im vorliegenden Fall spricht alles dafür, dass die Zahlungen - wie üblich - auf die Darlehensforderung geleistet wurden und zwischen den Voreigentümern und der Bank im Sicherungsvertrag oder später eine Rückgewähr gemäß § 875 BGB durch Aufhebung vereinbart wurde. Denn die C-Bank hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 13.10.2020 mitgeteilt, es sei bereits am 17.03.2006 eine Löschungsbewilligung erteilt und der Grundschuldbrief zurückgegeben worden, „somit sind wir dem Anspruch auf Rückgewähr nachgekommen (siehe beigefügte Kopien)“. Eine schriftliche Abtretungserklärung wird darin weder erwähnt noch war sie nach den Angaben des Antragstellers im Archiv der Bank aufzufinden. Mit der Löschungsbewilligung und der Übersendung des Grundschuldbriefs wären hingegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 875 BGB geschaffen worden. Macht der Sicherungsgeber einen Anspruch auf Abgabe einer grundbuchrechtlichen Löschungsbewilligung geltend und gibt der Sicherungsnehmer die entsprechende Erklärung ab, enthält diese gleichzeitig die grundbuchrechtliche Erklärung der Aufgabe des Rechts nach § 875 BGB (BGH NJW 2013, 1676 - juris, Rn. 16). Kommt es - wie hier - dann nicht zur Löschung des Rechts im Grundbuch, besteht das Recht des bisherigen Grundpfandrechtsgläubigers fort (vgl. BGH NJW-RR 2015, 915 - juris, Rn. 11). Für diesen Fall kommt es jedoch entgegen der Auffassung des Amtsgerichts gerade nicht darauf an, ob die Erblasser die Grundschuld anderweitig abgetreten haben, sondern allenfalls, ob die C-Bank oder ihre Rechtsvorgängerin dies getan haben. Dagegen spricht jedoch, dass ein Anlass hierzu nicht ersichtlich ist und sie in ihrem Schreiben vom 13.10.2020 im Übrigen keine anderweitige Abtretung behauptet, sondern gerade mitteilt, den Grundschuldbrief mit Schreiben vom 17.03.2006 an die Erblasser zurückgegeben zu haben.
Einer wirksamen Abtretung der Grundschuld durch die Erblasser steht wiederum entgegen, dass die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs gemäß § 892 BGB i. V. m. §§ 1192 Abs. 1, 1155 BGB nicht vorliegen, wenn keine auf den eingetragenen Grundschuldgläubiger zurückführende Reihe öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen vorliegt (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.07.2017, 34 Wx 110/17 - juris, Rn. 22; vgl. auch OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 134 - juris, Rn. 26). Für eine solche besteht kein Anhaltspunkt.
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3. Die Sache wird daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG an das Amtsgericht zurückverwiesen.
III.
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Für das erfolgreich eingelegte Rechtsmittel fallen Gerichtskosten nicht an, § 25 GNotKG.

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