Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (Kartellsenat) - U 678/19 Kart

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 05.04.2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, mit der ...[A] Netz AG auf der Grundlage des Beschlusses des Gemeinderats ...[Z] vom 11.10.2018 einen Wegenutzungsvertrag über den Betrieb des Stromverteilnetzes der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet ...[Z] für die Zeit ab dem 01.01.2019 oder ab einem späteren Zeitpunkt abzuschließen, bis in einer neuen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuführenden Auswahlentscheidung über die Vergabe der Stromkonzession entschieden ist.

Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs festzusetzendes Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft jeweils am gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist.

2. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens erster und zweiter Instanz werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Darstellung tatsächlicher Feststellungen bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

II.

2

Die Berufung ist begründet.

3

Der Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) steht gegen die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) gemäß § 33 GWB i.V.m. §§ 19 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB sowie § 46 Abs. 1 EnWG ein Anspruch auf Unterlassung der Vergabe einer Konzession zum Betrieb des Stromnetzes im Gebiet der Beklagten an die ...[A] Netz AG zu.

4

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass Gemeinden wie die Beklagte als marktbeherrschender Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB) gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG verpflichtet sind, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen, wobei die Auswahl in einem transparenten Verfahren erfolgen muss und vorrangig an Kriterien auszurichten ist, die das Ziel des § 1 EnWG (Gewährleistung einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas) konkretisieren. Genügt die Konzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 17.12.2013 - KZR 66/12 - Stromnetz Berkenthin, BGHZ 199, 289, Rdnr. 16 ff.; alle Entscheidungen zitiert nach juris). Da der Beklagten bei der Bewertung der Angebote im Rahmen der Wegerechts-Konzessionsvergabe ein Beurteilungsspielraum zusteht, kann die Auswahlentscheidung gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und sich die Wertungsentscheidung im Rahmen der Gesetze und der allgemeingültigen Beurteilungsmaßstäbe - d.h. Besseres besser, Schlechteres schlechter, Gleiches gleich zu werten und Minder- oder Mehrbemessungen nur bei bedeutsamen Abweichungen vorzunehmen - hält; der Senat darf nicht seine Bewertung an die Stelle derjenigen der Beklagten setzen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 16.04.2018 - 16 U 110/17 Kart, Rdnr. 80, 86 m.w.N.).

5

2. Bei Anwendung dieser Beurteilungsmaßstäbe erweist sich die Auswahlentscheidung der Beklagten als fehlerhaft. Die Beklagte hat das Angebot der Klägerin mit lediglich 84 von 100 Punkten bewertet, während das Angebot der ...[A] Netz AG mit 90,5 Punkten bewertet wurde. Bei zutreffender Anwendung der von der Beklagten selbst vorgegebenen Zuschlagskriterien (vgl. Anlage ASt 3) ist nicht auszuschließen, dass das Angebot der Klägerin besser hätte bewertet werden müssen als das Angebot der ...[A] Netz AG. Im Hinblick auf die acht zwischen den Parteien hinsichtlich ihrer Bewertung noch streitigen Auswahlkriterien gilt im Einzelnen Folgendes:

6

a) Auswahlkriterium 1.1 (Technische Leistungsfähigkeit)

7

Insoweit ist die Entscheidung der Beklagten, beide Angebote gleich mit - gewichtet - 15 Punkten zu bewerten, nicht zu beanstanden; der der Beklagten zuzugestehende Beurteilungsspielraum ist gewahrt.

8

aa) Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung darauf abgestellt, dass die sehr umfangreiche Sachausstattung der ...[A] Netz AG, die zahlenmäßig über mehr Geräte verfügt als die Beklagte und darüber hinaus auch über zusätzliche Arten von Gerätschaften verfügt, zugunsten des Angebots der ...[A] Netz AG spricht. Zwar mag sich die zahlenmäßig umfangreichere Sachausstattung daraus erklären, dass die ...[A] Netz AG über ein vielfach größeres Netz als die Klägerin verfügt, doch ist die Erwägung der Beklagten, die höhere Anzahl an Gerätschaften werde nicht durch das größere Netz neutralisiert, sondern komme ihr im Krisenfall dadurch zugute, dass die Gerätschaften auch im streitgegenständlichen Konzessionsgebiet zum Einsatz gebracht werden können, nach dem oben unter 1. dargelegten Überprüfungsmaßstab als zumindest vertretbar zu bezeichnen.

9

bb) Der SAIDI-Wert der ...[A] Netz AG, der Auskunft über die durchschnittliche Dauer von Stromversorgungsunterbrechungen gibt, liegt zwar lediglich im Bundesdurchschnitt, während der SAIDI-Wert der Klägerin unterhalb des Bundesdurchschnitts liegt, doch ist die Annahme der Beklagten vertretbar, dass der schlechtere Wert der ...[A] Netz AG durch deren bessere Sachausstattung ausgeglichen wird. Es stellt auch keine sachwidrige Erwägung dar, wenn die Beklagte dem SAIDI-Wert aufgrund der unterschiedlichen Größe der betriebenen Netze (geringere Fehleranfälligkeit des kleineren Netzes der Klägerin) und wegen der begrenzten Aussagekraft des SAIDI-Werts (Erfassung nur von Unterbrechungen ab drei Minuten Dauer) keine höhere Bedeutung als der Sachausstattung beimisst.

10

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, die Entscheidung der Beklagten sei intransparent, weil die SAIDI-Werte im Wertungsvermerk (Anlage ASt 11) nicht konkret (in Zahlen) benannt würden. Der SAIDI-Wert des klägerischen Netzes ist der Klägerin bekannt und ergibt sich ebenso wie der Bundesdurchschnitt des SAIDI-Werts aus dem Konzept der Klägerin für den Betrieb des streitgegenständlichen Stromversorgungsnetzes (Anlage ASt 14, dort Seite 4). Danach lag der SAIDI-Wert im Jahr 2016 im Bundesdurchschnitt bei 2,1 und der SAIDI-Wert im Netz der Klägerin bei 1,0. Da der SAIDI-Wert der ...[A] Netz AG „im Bundesdurchschnitt“ liegen soll, lässt sich hinreichend nachvollziehen, von welchem SAIDI-Wert des Konkurrenzangebots die Beklagte bei ihrer Bewertung ausgegangen ist.

11

b) Auswahlkriterium 1.2 (Betriebsstandort/Wartungs- und Servicearbeiten, Erreichbarkeit und Reaktionszeit Störungsdienst)

12

Hier hat die Beklagte das Angebot der ...[A] Netz AG mit der Höchstpunktzahl von - gewichtet - sechs Punkten bewertet (vier Punkte x 1,5); das Angebot der Klägerin erhielt lediglich - gewichtet - drei Punkte (zwei Punkte x 1,5). Diese Entscheidung der Beklagten hält sich ebenfalls in dem ihr zuzubilligenden Beurteilungsspielraum; Bewertungsfehler sind nicht feststellbar.

13

aa) Das Vorhandensein einer Hotline zur Störungsmeldung ist im Wertungsvermerk (Anlage ASt 11) ausdrücklich zwar nur zugunsten der ...[A] Netz AG aufgeführt worden, doch hat die Beklagte schon in ihrer Nichtabhilfeentscheidung vom 06.02.2019 (Anlage ASt 13, dort Seite 6) dargelegt, dass das Vorhandensein einer Hotline bei der Klägerin gesehen und im Rahmen der Gesamtbetrachtung berücksichtigt worden sei. Entgegen der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast (vgl. Emmerich in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 33 GWB, Rdnr. 82) hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Beklagte die Existenz der klägerischen Hotline tatsächlich nicht berücksichtigt hätte; insbesondere ergibt sich aus der im Wertungsvermerk niedergelegten vergleichenden Bewertung nicht, dass dieser Gesichtspunkt zulasten der Klägerin berücksichtigt worden wäre. Unter diesen Umständen ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Beklagte bei ihrer Wertungsentscheidung im Hinblick auf die Hotline von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist.

14

bb) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Fahrzeit vom jeweiligen Betriebsstandort der konkurrierenden Anbieter zur Beklagten als nicht wesentlich voneinander abweichend und damit nicht ausschlaggebend für die Bewertung behandelt worden ist. Ausweislich des Wertungsvermerks ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die in ...[Y] ansässige Klägerin im Störungsfall das Gemeindegebiet in weniger als 15 Minuten erreichen kann, während die ...[A] Netz AG ein eigenes Netzteam in ...[X] unterhält. Aus der Nichtabhilfeentscheidung vom 06.02.2019 (Anlage ASt 13, dort Seite 7) ergibt sich, dass die Beklagte die Angabe der ...[A] Netz AG zu einer Erreichbarkeit binnen 10 bis 20 Minuten anhand der bei Google Maps angegebenen Daten (Fahrzeit von ...[X] nach ...[Z]: 20 Minuten) überprüft hat und den geringen zeitlichen Unterschied (auch nach Darstellung der Klägerin: fünf Minuten) als so gering erachtet hat, dass eine bessere Bewertung des Angebots der Klägerin nicht zwingend sei. Dies ist in Anbetracht des objektiv geringfügigen Unterschieds bei Anlegung des allgemeinen Beurteilungsmaßstabs, Minder- oder Mehrbemessungen nur bei bedeutsamen Abweichungen vorzunehmen, jedenfalls unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums der Beklagten nicht zu beanstanden.

15

cc) Ohne Erfolg rügt die Klägerin, die Beklagte hätte das Vorhandensein eines Betriebshandbuchs positiv würdigen und - wäre ihr die Vorlage eines Handbuchs wichtig gewesen - hierzu eine Nachfrage stellen müssen.

16

(1) Die Beklagte hat mit dem Verfahrensbrief vom 17.08.2018 (Anlage ASt 2) im Rahmen der Erläuterung ihrer Zuschlagskriterien (Anlage ASt 3) ausdrücklich um die Vorlage beispielhafter Prozessanweisungen gebeten (“Die Erläuterung sollte die Vorlage beispielhafter Prozessanweisungen ... einschließen.“). Die Klägerin hat jedoch ihr Betriebshandbuch bei der Bewerbung um die Konzessionsvergabe nicht eingereicht und die Existenz eines Betriebshandbuchs nicht im Rahmen ihrer Ausführungen zum Auswahlkriterium 1.2 aufgeführt, wo es verlangt war, sondern lediglich an anderer Stelle - zum Auswahlkriterium 1.1 (vgl. Seite 7 des Konzepts der Klägerin für den Betrieb des streitgegenständlichen Stromversorgungsnetzes, Anlage ASt 14) - erwähnt. Da die Beklagte bereits im Verfahrensbrief deutlich gemacht hatte, besonderen Wert auf die Vorlage derartiger Unterlagen zu legen, bestand kein Anlass, die Klägerin - erneut - zur Einreichung des Betriebshandbuchs aufzufordern, zumal dieses im Rahmen des Auswahlkriteriums 1.2 keinerlei Erwähnung gefunden hat. Aus der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (Urteil vom 16.04.2018 - 16 U 110/17 Kart, Rdnr. 336) ergibt sich nichts anderes.

17

(2) Es ist der Beklagten auch nicht zuzumuten, im Rahmen der Prüfung jedes einzelnen Zuschlagskriteriums das 29 Seiten nebst Anlagen umfassende Konzept der Klägerin darauf zu untersuchen, ob an irgendeiner Stelle Informationen aufgeführt sind, die für das jeweilige Auswahlkriterium von Bedeutung sind. Die Beklagte hatte in dem Verfahrensbrief vorgegeben, dass ein mit dem jeweiligen Angebot vorzulegendes Konzept möglichst anhand des Kriterienkatalogs gegliedert werden soll (Ziffer 8 der Anlage ASt 2). Auch wenn es sich dabei nur um eine Soll-Vorgabe handelte, hat sich die Klägerin darauf eingelassen und in ihrem Anschreiben zum Angebot vom 17.09.2018 (Anlage ASt 4) ausdrücklich angegeben, ihr Angebot enthalte ein entsprechend dem Kriterienkatalog gegliedertes Konzept. Darauf durfte sich die Beklagte verlassen.

18

dd) Es begegnet schließlich keinen Bedenken, dass die Beklagte das Angebot der Klägerin als deutlich hinter dem der ...[A] Netz AG zurückbleibend gewertet hat mit der Begründung, das Angebot der ...[A] Netz AG biete einen deutlich höheren Standard für Wartungs- und Servicearbeiten unter anderem durch einen eigenen Wartungsdienst, während die Klägerin auf einen externen Wartungsdienst zurückgreifen müsse. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Beklagte insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Entgegen der Annahme der Klägerin sind die Ausführungen auf Seite 9 f. ihres Konzepts (Anlage ASt 14) insoweit nicht hinreichend klar, denn es wird nicht beschrieben, dass Wartungs- und Servicearbeiten im Regelfall durch eigene Mitarbeiter ausgeführt würden. Das Konzept stellt lediglich dar, dass bei der Vergabe von Bauleistungen und in besonderen Fällen auch von Montageleistungen geprüft und berücksichtigt werde, ob der Dienstleister entsprechende Zertifikate für die Sicherheit im Tiefbau etc. aufweisen könne; die Dienstleister würden bei Ausschreibung und Vergabe auf ihre Eignung geprüft und müssten eine Präqualifikation durchlaufen haben. Es würden regelmäßig Kontrollen der Baustellen und ggf. der Dienstleister durch eigene qualifizierte Mitarbeiter durchgeführt. Aus dieser Darstellung geht nicht hervor, dass Wartungs- und Servicearbeiten „im Übrigen“ - d.h. im Regelfall - von eigenen Mitarbeitern erledigt werden; ausdrückliche Angaben enthält das Konzept lediglich zu den Tätigkeiten externer Dritter, nicht aber zu eigenen Mitarbeitern der Klägerin und deren Tätigkeitsfeld.

19

c) Auswahlkriterium 1.3 (Personelle und organisatorische Entwicklung)

20

Bei diesem Zuschlagskriterium hat das Angebot der ...[A] Netz AG die Höchstpunktzahl von - gewichtet - sechs Punkten erreicht (vier Punkte x 1,5); das Angebot der Klägerin hat die Beklagte mit nur 1,5 Punkten (ein Punkt x 1,5) bewertet. Diesen großen Bewertungsabstand, der nach dem von der Beklagten vorgegebenen Bewertungsschema ein erhebliches Zurückbleiben des klägerischen Angebots gegenüber demjenigen der ...[A] Netz AG bedeutet, vermag der Senat auf der Grundlage des von der Beklagten mitgeteilten Inhalts des Angebots der ...[A] Netz AG nicht nachzuvollziehen. Mit Recht rügt die Klägerin deshalb eine intransparente Bewertung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Angebot der Klägerin objektiv nur geringfügig hinter demjenigen der ...[A] Netz AG zurückbleibt und daher mit - gewichtet - bis zu 4,5 Punkten hätte bewertet werden müssen und nicht lediglich mit 1,5 Punkten (Punktedifferenz: drei Punkte).

21

aa) Allerdings durfte die Beklagte zugunsten der ...[A] Netz AG deren großen Mitarbeiterbestand berücksichtigen und diesen als einen Grund dafür nennen, dass die ...[A] Netz AG die beste personelle und organisatorische Entwicklung verspricht. Zwar sollte im Rahmen dieses Auswahlkriteriums die Anpassung der personellen und organisatorischen Entwicklung an sich verändernde Anforderungen dargestellt werden, doch ist es nicht sachfremd, bei der Prognose über eine Entwicklung wegen sich verändernder Anforderungen (auch) die Zahl der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Ein großer Mitarbeiterstab kann sich bei sich verändernden Anforderungen besser entwickeln als ein kleiner, denn es ist möglich, aus dem eigenen Mitarbeiterbestand die geeignetsten Mitarbeiter, deren Fähigkeiten man kennt, zu fördern und so zielgerichtet und sachgerecht auf die geänderten Anforderungen reagieren (vgl. auch OLG Schleswig, a.a.O., Rdnr. 101).

22

bb) Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe Ausführungen in ihrem Angebot zu den Aspekten Ausbildung, Mitarbeiter, Arbeitssicherheit und Organisation nicht berücksichtigt, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Wie bereits oben unter b) cc) dargelegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich die verstreuten, anderen Gliederungspunkten zugeordneten Angaben der Klägerin zu diesen Aspekten zusammenzusuchen. Der Beklagten kann unter diesen Umständen nicht der Vorwurf gemacht werden, von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen zu sein.

23

cc) Zu Recht hat die Beklagte das Angebot der Klägerin im Hinblick auf die personelle und organisatorische Entwicklung als durch eine lediglich oberflächliche Darstellung gekennzeichnet eingestuft. Die Ausführungen der Klägerin auf Seite 10 f. ihres Konzepts etwa zur Aus- und Weiterbildung enthalten keine konkreten Angaben und erscheinen phrasenhaft. Es ist für den Senat jedoch nicht nachvollziehbar, ob das Angebot der ...[A] Netz AG insoweit erheblich bessere Ausführungen enthält. In der vergleichenden Bewertung des Wertungsvermerks (Anlage ASt 11) teilt die Beklagte lediglich mit, dass „die gegenwärtigen und in Bezug auf die Energiewende umgesetzten organisatorischen und personellen Maßnahmen schlüssig und nachvollziehbar dargestellt“ worden seien. Den Inhalt dieser Darstellung hat die Beklagte nicht in einer Weise mitgeteilt, die eine Prüfung dahin erlaubt, ob der erhebliche Bewertungsabstand nachvollziehbar ist. Es fehlt an der Angabe von Tatsachen, die den Wertungsunterschied plausibilisieren könnten, weil offenbleibt, was die ...[A] Netz AG angeboten haben. Damit hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt, präzise darzulegen, wie sie die Auswahlentscheidung getroffen hat (vgl. Wegner in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 47 EnWG, Rdnr. 42; § 46 EnWG, Rdnr. 152 a.E.). Dies hat zur Folge, dass eine (deutlich) bessere Bewertung des Angebots der Klägerin nicht ausgeschlossen erscheint. Wäre das Angebot der Klägerin nach dem Bewertungsschema der Beklagten - was möglich erscheint - als lediglich geringfügig schlechter zu bewerten als das Angebot der ...[A] Netz AG, ergäbe sich daraus eine Bepunktung des Angebots der Klägerin von 4,5.

24

(1) Die Beklagte kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, nähere Angaben zum Inhalt des Angebots der ...[A] Netz AG schon deshalb nicht machen zu müssen, weil ein Recht der Klägerin auf Akteneinsicht gemäß § 47 Abs. 5 EnWG präkludiert sei.

25

(a) Nach § 47 Abs. 5 EnWG können am Bewerbungsverfahren beteiligte Unternehmen gerügte Rechtsverletzungen, denen die Gemeinde nicht abhilft, nur innerhalb von 15 Kalendertagen ab Zugang der Nichtabhilfeentscheidung vor den ordentlichen Gerichten geltend machen. Hier hatte die Klägerin unter dem 22.10.2018 eine ungenügende Akteneinsicht gerügt, woraufhin die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 25.10.2018 (Anlage ASt 10) eine weniger geschwärzte Version des Wertungsvermerks zur Verfügung gestellt, die Rüge hinsichtlich einer weitergehenden Einsicht in das Angebot der ...[A] Netz AG jedoch zurückgewiesen hat. Im Hinblick auf das Konkurrenzangebot liegt darin eine Nichtabhilfeentscheidung, gegen die sich die Klägerin nicht innerhalb der in § 47 Abs. 5 EnWG genannten Frist gerichtlich zur Wehr gesetzt hat.

26

(b) Die Rügepräklusion nach § 47 Abs. 5 EnWG gilt allerdings nur für „gerügte Rechtsverletzungen“; hiervon dürfte der Vorwurf mangelnder Akteneinsicht nicht erfasst sein. Nach der Systematik des § 47 EnWG bezieht sich dessen Absatz 5 nur auf Rechtsverletzungen im Sinne von Abs. 1 dieser Vorschrift, d.h. auf Rechtsverletzungen, die sich aus dem Verfahren nach § 46 Abs. 1 bis 4 EnWG ergeben. Das Akteneinsichtsrecht beruht indes auf § 47 Abs. 3 EnWG und dient lediglich zur Vorbereitung einer Rüge i.S.d. §§ 47 Abs. 1, 46 Abs. 1 bis 4 EnWG. Auch nach Sinn und Zweck von § 47 Abs. 5 EnWG ist die Einleitung einstweiligen Rechtsschutzes isoliert bezogen auf die Akteneinsicht weder geboten noch zweckmäßig. Ob und in welchem Umfang die Akteneinsicht erforderlich ist, kann stets nur bezogen auf die inhaltliche Rüge betreffend die Vergabeentscheidung geltend gemacht werden (vgl. §§ 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG: „Zur Vorbereitung einer Rüge nach Abs. 2 Satz 3 ...“). In einem allein auf die Akteneinsicht bezogenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren müsste dann inzident bereits jede einzelne inhaltliche Rüge geprüft werden, ohne dass diese eigentlicher Gegenstand des Verfahrens wäre.

27

(c) Letztlich kann diese Frage dahinstehen, denn jedenfalls obliegt es der Beklagten aufgrund ihrer sekundären Darlegungslast, im vorliegenden Rechtsstreit im Einzelnen darzulegen, auf welcher Grundlage sie ihre Auswahlentscheidung getroffen hat (vgl. Wegner, a.a.O.).

28

(aa) Die Klägerin hat keine Kenntnis vom konkreten Inhalt des Angebots der ...[A] Netz AG. Dieses ist der Klägerin nur auszugsweise zugänglich gemacht worden; sämtliche Angaben zu den einzelnen Auswahlkriterien sind geschwärzt bzw. dem der Klägerin übersandten Exemplar des Konkurrenzangebots entheftet worden (vgl. Anlage ASt 8). Da die Beklagte jedoch Kenntnis vom Inhalt des Angebots der ...[A] Netz AG hat, trifft sie eine sekundäre Darlegungslast (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., vor § 284, Rdnr. 34), die zu einer Verpflichtung der Beklagten führt, die Bewertung der Angebote im Vergleich untereinander näher zu erläutern (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.06.2018 - VI-2 U 7/16 [Kart], Rdnr. 127).

29

(bb) Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht - wie geschehen - pauschal auf die Pflicht zur Wahrung des Geheimwettbewerbs sowie den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des obsiegenden Bieters berufen, denn dies würde dem verfassungsrechtlich zu leistenden berechtigten Ausgleich zwischen dem Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz im Rahmen des allgemeinen Justizgewähranspruchs und dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in einem mehrpoligen Rechtsverhältnis nicht gerecht (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rdnr. 128). Insbesondere genügt es nicht, dass sich die ...[A] Netz AG ausweislich der mit Schriftsatz vom 20.08.2019 vorgelegten E-Mail vom selben Tag (Anlage AG 11, Bl. 410 d. A.) pauschal und umfassend auf die Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen hat. Vielmehr bedarf es eines substantiierten Sachvortrags der Beklagten dazu, bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse die ...[A] Netz AG welche Nachteile befürchtet; erst dann ist eine Abwägung zwischen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes und dem verfassungsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die auf einen bestmöglichen Ausgleich zwischen den betroffenen Verfassungsgütern gerichtet sein muss, möglich (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 11.12.2018 - EnVR 1/18, Rdnr. 34 m.w.N.; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rdnr. 129).

30

(cc) Dementsprechend reicht allein das Bestehen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nicht aus, um eine Akteneinsicht nach § 47 Abs. 3 Satz 3 EnWG zu versagen; die Einsicht in Unterlagen ist lediglich zu verwehren, soweit dies zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten ist (Hervorhebung durch den Senat). Dies bedeutet, dass eine Abwägung zwischen dem Interesse an der Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen auf der einen Seite und dem Interesse des unterlegenden Bewerbers an der Akteneinsicht auf der anderen Seite vorzunehmen ist, und zwar durch die Beklagte (vgl. Wegner, a.a.O., § 47 EnWG, Rdnr. 38); nichts anderes gilt im Bereich des Vergaberechts, das mit § 165 Abs. 2 GWB eine § 47 Abs. 3 Satz 3 EnWG weitgehend entsprechende Formulierung enthält (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16, BGHZ 214, 11, Rdnrn. 48 ff.).

31

(2) Anders als die Klägerin meint, führt der Bewertungsfehler der Beklagten jedoch nicht dazu, dass für die Beurteilung seiner Entscheidungserheblichkeit rechnerisch der theoretisch maximal mögliche Unterschied zwischen den beiden Angeboten zugrunde zu legen ist (hier: Bewertung des Angebots der Klägerin mit - gewichtet - sechs Punkten und null Punkten für das Angebot der ...[A] Netz AG).

32

(a) Eine unbillige Behinderung durch ein fehlerhaftes Auswahlverfahren ist zu verneinen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sich die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens nicht auf dessen Ergebnis ausgewirkt haben kann, weil derselbe Bewerber die Konzession auf jeden Fall auch ohne den Verfahrensfehler erhalten hätte (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 - KZR 66/12 - Stromnetz Berkenthin, BGHZ 199, 289, Rdnr. 99). Zutreffend ist im Ausgangspunkt auch die Annahme der Klägerin, das Gericht dürfe keine Bewertung der Angebote anstelle der zur Entscheidung berufenen Gemeinde (Beklagte) vornehmen.

33

(b) Dies führt indes nicht dazu, dass für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit eines Bewertungsfehlers der theoretisch maximal mögliche Unterschied zwischen den Bewertungen der beiden Angebote zugrunde gelegt werden müsste. Vielmehr hat die Beklagte eine Gewichtung der Zuschlagskriterien vorgegeben (vgl. Anlage ASt 3), nach der die Bewertung eines Angebots mit null Punkten im Rahmen zahlreicher Auswahlkriterien nur dann in Betracht kommt, wenn das Angebot überhaupt keine Ausführungen zu diesem Aspekt enthält. Diese Wertungsvorgabe würde übergangen, wenn man nach Feststellung eines Bewertungsfehlers das Angebot der ...[A] Netz AG im Hinblick auf das Auswahlkriterium 1.3 mit null Punkten bewerten würde, obwohl es unstreitig Ausführungen zu der personellen und organisatorischen Entwicklung enthält. Es widerspräche der Wertungsvorgabe ebenfalls, wenn Angebote, die in der Qualität dicht beieinander liegen - wie etwa nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ihr eigenes Angebot und das der ...[A] Netz AG im Hinblick auf das Auswahlkriterium 1.1 -, dennoch mit der theoretisch maximal möglichen Punktdifferenz bewertet würden. Andere Auswahlkriterien enthalten Bewertungsstufen, die nach zahlenmäßig konkret festgelegten Unterschieden zum besten Angebot gestaffelt sind (vgl. etwa Auswahlkriterien 2.1 und 2.2 in der Anlage ASt 3). Es ist nicht einzusehen, warum im Rahmen dieser Auswahlkriterien ein schlechteres Angebot mit null Punkten bewertet werden soll, wenn ein konkret bezifferter Unterschied feststellbar ist, der zu einer bestimmten anderen Bewertung führt.

34

(c) Sachgerecht ist deshalb allein eine Betrachtung, die die von Beklagtenseite vorgegebenen Kriterien für die Gewichtung berücksichtigt, ohne dass der Senat seine eigene Bewertung an die Stelle derjenigen der Beklagten setzt. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass unter Beachtung des Bewertungsspielraums der Beklagten auf den Punkteabstand abgestellt wird, den der unterlegene Bieter ohne den Bewertungsfehler bestenfalls (nicht ausschließbar) hätte erreichen können. Soweit sich dagegen zweifelsfrei feststellen lässt, dass auch ohne den Bewertungsfehler ein Punkteabstand verblieben wäre (vgl. BGH, a.a.O.), muss der unterlegene Bieter dies hinnehmen.

35

(3) Unter Zugrundelegung dieser Berechnungsweise ermittelt sich im Rahmen des Auswahlkriteriums 1.3 ein für die Klägerin erreichbarer Wert von 4,5 Punkten statt lediglich 1,5 Punkten; mithin ist der Bewertungsfehler der Beklagten in Höhe von drei Punkten entscheidungserheblich. Das im Hinblick auf die Angaben zur personellen und organisatorischen Entwicklung sehr im Allgemeinen gehaltene Angebot der Klägerin rechtfertigt nicht die Annahme, dass es bei einer fehlerfreien Bewertung dieselbe Punktzahl erreicht hätte wie das Angebot der ...[A] Netz AG, bei dem die Beklagte unter Benennung immerhin einzelner wertungsrelevanter Gesichtspunkte eine schlüssige, eingehende und nachvollziehbare Darstellung der personellen und organisatorischen Maßnahmen hervorgehoben hat. Letztlich rügt die Klägerin auch lediglich, dass das Landgericht die Bewertung der Angebote zum Kriterium 1.3 mit einem derart großen Punkteabstand als Rechtsverletzung hätte feststellen müssen (vgl. Seite 51 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 235 d. A.; Hervorhebung durch den Senat), weil das Angebot der Klägerin mit mehr Punkten hätte bewertet werden müssen (vgl. Seite 50 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 234 d. A.). Es kann aber andererseits nicht ausgeschlossen werden, dass das Angebot der Klägerin bei zutreffender Vergleichsbewertung nur geringfügig hinter dem Angebot der ...[A] AG zurückbleibt. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen des vorliegenden Verfahrens davon auszugehen ist, dass das Angebot der Klägerin statt mit nur einem von vier Punkten jedenfalls mit drei Punkten hätte bewertet werden können. Durch die Gewichtung der Punktzahl mit 1,5 ergibt sich eine gewichtete Bewertungsdifferenz von drei Punkten gegenüber der Bewertung durch die Beklagte (drei Punkte x 1,5 = 4,5 Punkte statt lediglich ein Punkt x 1,5 = 1,5 Punkte).

36

d) Auswahlkriterium 1.4 (Nachhaltige Investitionen ins Netz)

37

Hier hat die Beklagte sowohl das Angebot der Klägerin als auch das Konzept der ...[A] Netz AG mit der Höchstpunktzahl von sechs Punkten bewertet. Zu Recht rügt die Klägerin, dass die Beklagte nicht nachvollziehbar begründet hat, warum beide Angebote gleich zu bewerten sind. Die von der Beklagten mitgeteilten Merkmale des Konzepts der ...[A] Netz AG erlauben es nicht, dieses Konzept als mit dem Angebot der Klägerin gleichwertig einzustufen; es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Angebot der ...[A] Netz AG als geringfügig schlechter mit einem Punkt - gewichtet 1,5 Punkte - weniger hätte bewertet werden müssen.

38

aa) Die Beklagte hat im Wertungsvermerk (Anlage ASt 11) als Merkmal des Angebots der ...[A] Netz AG den Erhalt eines Q-Elements (Qualitätselement) für die Jahre 2012 bis 2016 für die Netzebene Niederspannung durch die Bundesnetzagentur hervorgehoben. Dabei handelt es sich um eine sachwidrige Erwägung, weil kein Zusammenhang zwischen dem Q-Element und dem Auswahlkriterium 1.4 (Nachhaltige Investitionen ins Netz) besteht.

39

(1) Nach der eigenen Darstellung der Beklagten ist das Q-Element ein Parameter für den sicheren Netzbetrieb, der auf einer Bewertung der Netzzuverlässigkeit beruht (vgl. § 19 ARegV), bei der insbesondere Dauer und Häufigkeit der Unterbrechung der Energieversorgung, die Menge der nicht gelieferten Energie sowie die Höhe der nicht gedeckten Last zu berücksichtigen sind.

40

(2) Die von der Beklagten als für den Erhalt des Q-Elements maßgebend bezeichneten Umstände betreffen sämtlich die technische Leistungsfähigkeit (Auswahlkriterium 1.1), nicht hingegen die mit dem Verfahrensbrief zum Auswahlkriterium 1.4 erfragten Kriterien. Danach waren nachhaltige Investitionen ins Netz erwartet worden, um die Versorgungssicherheit dauerhaft - d.h. für die Zukunft - auch unter Aus- und Umbau des Netzes für weitere Anschlüsse regenerativer Energien, Speicher usw. beizubehalten sowie eine Erneuerung nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik. Dargestellt werden sollten insbesondere die Grundzüge der Investitionsplanung, die aktuelle Erneuerungsquote der betriebenen Netze sowie die erwartete Erneuerungsquote des zu übernehmenden Netzes. Des Weiteren sollte dargestellt werden, nach welchen Prämissen die Investitionen in den betriebenen Netzen in der Vergangenheit erfolgten. Der Umstand, dass die ...[A] Netz AG in der Vergangenheit für die Jahre 2012 bis 2016 von der Bundesnetzagentur ein Q-Element erhalten haben, wird von diesem Kriterienkatalog nicht erfasst; insbesondere liegt darin nicht die Darstellung, nach welchen Prämissen die Investitionen in der Vergangenheit erfolgt sind.

41

bb) Darüber hinaus hat die Beklagte in ihrer vergleichenden Bewertung zum Auswahlkriterium 1.4 ausgeführt, dass das Angebot der ...[A] Netz AG über eine schlüssige und nachvollziehbare Darstellung der Investitionsplanung und des Investitionskonzepts verfüge. Diese Wertung ist für den Senat mangels Mitteilung der Tatsachen (Inhalt des Angebots der ...[A] Netz AG), auf denen die Bewertung beruht, bereits nicht nachvollziehbar mit der Folge, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat (vgl. oben c) cc)). Dies gilt umso mehr, als die Beklagte im Widerspruch zu dieser Bewertung im Wertungsvermerk ausgeführt hat, dass das Angebot der ...[A] Netz AG keine Darstellung der aktuellen Erneuerungsquote und der erwarteten Erneuerungsquote in dem zu übernehmenden Netz der Beklagten enthalte. Nach diesen Kriterien ist in den mit dem Verfahrensbrief übersandten Unterlagen ausdrücklich gefragt worden. Das Angebot der Klägerin hingegen weist nach der Beurteilung der Beklagten eine sehr umfangreiche Darstellung zu den nachhaltigen Investitionen auf; es werden konkrete Maßnahmen für Erneuerungen im Bereich des Netzes der Beklagten detailliert beschrieben (vgl. Seite 14 f. des Konzepts der Klägerin, Anlage ASt 14).

42

cc) Aus den genannten Gründen spricht einiges dafür, das Angebot der Klägerin besser zu bewerten als das der ...[A] Netz AG; jedenfalls ist anhand der von der Beklagten mitgeteilten Wertungsgesichtspunkte nicht nachvollziehbar, weshalb das Angebot der ...[A] Netz AG trotz der vorgenannten Defizite als gleichwertig behandelt worden ist. Die Bewertungsfehler der Beklagten führen nach den oben unter c) cc) (2) dargelegten Grundsätzen dazu, dass entsprechend dem Begehren der Klägerin das Angebot der ...[A] Netz AG um - gewichtet - 1,5 Punkte schlechter zu bewerten sein kann als das der Klägerin.

43

Dementsprechend kann - als Zwischenergebnis - das Angebot der ...[A] Netz AG lediglich mit 89,0 statt 90,5 Punkten zu bewerten sein, während das Konzept der Klägerin aufgrund der Unterbewertung um drei Punkte im Rahmen des Auswahlkriteriums 1.3 zunächst mit 87,0 Punkten zu bewerten sein kann.

44

e) Auswahlkriterium 2.1 (Prognose der erwarteten Netznutzungsentgelte für Haushaltskunden)

45

Im Hinblick auf dieses Kriterium hat die Beklagte das Angebot der Klägerin mit der Höchstpunktzahl von sechs Punkten (gewichtet) bewertet, während das Konzept der ...[A] Netz AG lediglich - gewichtet - 4,5 Punkte erreichte. Nach den mit dem Verfahrensbrief übermittelten Zuschlagskriterien (Anlage ASt 3) müssten nach dieser Bewertung die prognostizierten Netznutzungsentgelte der ...[A] Netz AG bis maximal 10 % höher liegen als bei der Klägerin. Auch insoweit ist die Beklagte allerdings nicht ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen; aus dem von ihr mitgeteilten Inhalt des Angebots der ...[A] Netz AG lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb der Abstand zwischen den beiden Angeboten lediglich maximal 10 % betragen soll. Die Klägerin hat vielmehr glaubhaft gemacht, dass die prognostizierten Netznutzungsentgelte bei einem Betrieb des Stromnetzes durch die ...[A] Netz AG um mehr als 10 % bis maximal 30 % höher ausfallen als nach dem Konzept der Beklagten. Sofern dies zutrifft - was der Senat auf der Grundlage des von der Beklagten (lediglich) offengelegten Inhalts des Angebots der ...[A] Netz AG nicht abschließend prüfen kann -, ergäbe sich daraus eine weitere Abwertung des Angebots der ...[A] Netz AG um einen Punkt, gewichtet 1,5 Punkte, auf 87,5 Punkte.

46

aa) Im Rahmen dieses Auswahlkriteriums sollte - ausgehend von den aktuellen Netznutzungsentgelten - der Mittelwert der erwarteten Netznutzungsentgelte für den Zeitraum von 2018 bis 2022 angegeben werden. Bei einer Änderung der Höhe der Netznutzungsentgelte von mehr als 7 % sollte eine ausführliche und plausible Darstellung angefügt werden, die diesen Sprung erläutert. Der konkrete Wert des erwarteten Netznutzungsentgelts (Mittelwert für die Jahre 2018 bis 2022), der sich aus dem Angebot der ...[A] Netz AG ergibt, ist im Wertungsvermerk geschwärzt; die Beklagte hat diesen Wert auch nicht auf andere Weise mitgeteilt. Der Mittelwert des Konzepts der Klägerin beläuft sich auf 173,50 € netto.

47

bb) Die Klägerin hat in Übereinstimmung mit den Vorgaben in den Zuschlagskriterien (Jahresarbeitsmenge von 3.115 kWh) aufgrund der veröffentlichten Preisblätter für das Jahr 2018 einen Gesamtpreis (Arbeits- und Grundpreis netto) bei der ...[A] Netz AG von 222,06 € ermittelt und unwidersprochen ausgeführt, dass dieses Netzentgelt um ca. 22 % über demjenigen ihrer Kunden liege. Danach müsste das Netzentgelt bei der ...[A] Netz AG jedes Jahr um 7,6 % absinken, um einen Mittelwert von 190,77 € (richtig gerechnet: 190,85 €) für die Jahre 2018 bis 2022 zu erreichen. Der Mittelwert von 190,85 € liegt um 10 % über dem von der Klägerin prognostizierten Nutzungsentgelt (Mittelwert) von 173,50 € netto.

48

cc) Die nach den Ausführungen unter bb) für die Bewertung durch die Beklagte erforderliche Entwicklung des Netznutzungsentgelts bei der ...[A] Netz AG ist nicht plausibel. Die Reduktion der Kosten um jährlich 7,6 % hätte ausführlich begründet werden müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass das Angebot der ...[A] Netz AG eine „ausführliche und plausible Darstellung“ enthält, die einen solchen Sprung erläutern würde. Hinzu kommt, dass nach dem Wertungsvermerk das Konzept der ...[A] Netz AG einen Hinweis auf die „fehlende Prognostizierbarkeit über die tatsächliche Entwicklung“ enthielt. Bei der vergleichenden Bewertung hat die Beklagte ausgeführt, dass die ...[A] Netz AG mit Hinweis auf die fehlende Prognostizierbarkeit trotz sinkender Netzentgelte keine Abstufungen vorgenommen habe, weshalb von einem gleichbleibenden Netzentgelt auszugehen sei (Hervorhebung durch den Senat). In Anbetracht dessen ist es nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte zu einer Bewertung gelangt, nach der die Netzentgelte der ...[A] Netz AG im Verlauf der Jahre 2018 bis 2022 um jährlich 7,6 % absinken, d. h. von 222,06 € im Jahr 2018 auf einen Wert von 161,86 € im Jahr 2022 sinken müssten. Dies entspricht einer Reduktion um mehr als 27 %. Auch die für das Jahr 2019 mitgeteilten Preise der ...[A] Netz AG liegen um 18,08 % über denjenigen der Klägerin (vgl. die Anlagen AG 5 und AG 6 unter Zugrundelegung einer Jahresarbeitsmenge von 3.115 kWh).

49

dd) In Anbetracht der für die Jahre 2018 und 2019 ermittelten Differenz zwischen den Netznutzungsentgelten der Klägerin und der ...[A] Netz AG (22 % bzw. 18,08 %) ist nicht auszuschließen, dass bei zutreffender Bewertung durch die Beklagte das Angebot der ...[A] Netz AG in die nächstniedrigere Bewertungsstufe eingeordnet worden wäre (mehr als 10 % bis maximal 30 % Abweichung).

50

f) Auswahlkriterium 3.1 (Darstellung des Kundenservice und der Informationspolitik für Verbraucher)

51

Bei diesem Auswahlkriterium hat die ...[A] Netz AG die Höchstpunktzahl von sechs Punkten (gewichtet) erreicht; das Konzept der Klägerin hat die Beklagte mit - gewichtet - 4,5 Punkten bewertet. Dieser Bewertungsunterschied ist nach dem von der Beklagten mitgeteilten Inhalt des Konkurrenzangebots der ...[A] Netz AG nicht plausibel dargelegt; es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Angebot der Klägerin nicht schlechter hätte bewertet werden dürfen als das Konzept der ...[A] Netz AG. Hieraus kann sich eine Steigerung der Gesamtbewertung des klägerischen Angebots auf 88,5 Punkte ergeben, während das Konzept der ...[A] Netz AG weiterhin mit 87,5 Punkten zu bewerten sein kann.

52

aa) Die Beklagte hat bei ihrer vergleichenden Bewertung Aspekte berücksichtigt, nach denen im Rahmen des Auswahlkriteriums 3.1 ausweislich der Zuschlagskriterien nicht gefragt war und die keinen Netzbezug aufweisen. Darin liegt ein Wertungsfehler.

53

(1) Nach den mit dem Verfahrensbrief übersandten Zuschlagskriterien (Anlage ASt 3) sollte zum Auswahlkriterium 3.1 dargestellt werden, wie der Kundenservice vor Ort sichergestellt werden soll; darüber hinaus sollte dargestellt werden, wie Bürger über netzbezogene Aspekte informiert werden sollen (Hervorhebung durch den Senat). In ihrem Wertungsvermerk hat die Beklagte als Merkmale des Angebots der ...[A] Netz AG unter anderem hervorgehoben, dass eine Onlineplanauskunft seit 2017 verfügbar sei, Unterstützung beim Aufbau eines Solarkatasters geleistet werde und eine Beteiligung bei der ...[A] AG - der Muttergesellschaft der ...[A] Netz AG - möglich sei. In der vergleichenden Bewertung hat die Beklagte das Konzept der ...[A] Netz AG als das im Vergleich beste Angebot bezeichnet mit der Begründung, die dargestellten Maßnahmen böten den besten Kundenservice (sehr kurze Bearbeitungszeiten bei Beschwerden) und die beste Informationspolitik (Mitsprache durch Kundenbeirat, Unterstützung beim Aufbau eines Solarkatasters etc. - Hervorhebung durch den Senat). Im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung vom 06.02.2019 (Anlage ASt 13, dort Seite 9) hat die Beklagte geltend gemacht, die ...[A] Netz AG habe „generelle Beteiligungsmöglichkeiten der Kunden aufgezeigt.“ Im vorliegenden Rechtsstreit hat sich die Beklagte darauf berufen, (lediglich) das Solarkataster und den Kundenbeirat als „Add-ons“ bei der Bewertung herangezogen zu haben; das Solarkataster diene der Darstellung der für die Nutzung von Sonnenenergie geeigneten Flächen und weise (damit) einen Netzbezug auf.

54

(2) Nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden ist der Umstand, dass die Beklagte die Einrichtung einer Onlineplanauskunft bei der ...[A] Netz AG berücksichtigt hat. Diese ermöglicht es Interessierten, sich - etwa vor Durchführung von Bauarbeiten - über die Lage der Versorgungsleitungen im Erdreich zu informieren, und vermittelt damit eine Information über netzbezogene Aspekte. Im Hinblick auf die Unterstützung beim Aufbau eines Solarkatasters und die Möglichkeit, sich als Aktionär bei der ...[A] AG zu beteiligen, fehlt es hingegen an einem solchen Netzbezug. Das Solarkataster dient lediglich der Darstellung von Flächen, die für die Nutzung von Sonnenenergie geeignet sind; dies mag für einen Verbraucher hilfreich sein, stellt aber keine Information über netzbezogene Aspekte dar. Auch die Möglichkeit, als Aktionär bei der ...[A] AG eine Dividende erwirtschaften zu können, weist keinen Netzbezug auf; hinzu kommt, dass es sich bei der ...[A] AG um die Muttergesellschaft der ...[A] Netz AG handelt, die am Auswahlverfahren nicht beteiligt ist. Zwar hat die Beklagte im Prozess geltend gemacht, bei ihrer Wertung die Möglichkeit einer Beteiligung an der ...[A] AG nicht berücksichtigt zu haben, doch steht dies im Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beteiligungsmöglichkeit im Wertungsvermerk als Merkmal des Angebots der ...[A] Netz AG hervorgehoben ist und bei der vergleichenden Bewertung der Zusatz „etc.“ enthalten ist. Dieser Zusatz betraf nach Lage der Dinge die weiteren, über die Mitsprache durch den Kundenbeirat und die Unterstützung beim Aufbau eines Solarkatasters hinausgehenden Aspekte zur Informationspolitik, die die Beklagte in ihrem Wertungsvermerk als Merkmale des Angebots der ...[A] Netz AG hervorgehoben hat. Dementsprechend hat die Beklagte im Rahmen ihrer Nichtabhilfeentscheidung vom 06.02.2019 sich auch darauf gestützt, dass die ...[A] Netz AG „generelle Beteiligungsmöglichkeiten der Kunden aufgezeigt“ habe. Unter diesen Umständen muss davon ausgegangen werden, dass dieser Aspekt (sachwidrig) berücksichtigt worden ist.

55

bb) Auch die Berücksichtigung der Mitsprache durch einen Kundenbeirat zugunsten der ...[A] Netz AG kann nach dem von Beklagtenseite mitgeteilten Inhalt des Angebots der ...[A] Netz AG nicht als Information über netzbezogene Aspekte berücksichtigt werden; insoweit hat die Beklagte ihre sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Die Klägerin hat dargelegt, ihr sei nicht bekannt, wie der Kundenbeirat bei der ...[A] Netz AG beschaffen sein soll. Falls er so ausgestaltet sein sollte wie im ersten Ausschreibungsverfahren zunächst angeboten, handele es sich nicht um einen Beirat, der von Kunden gewählt werde, sondern von staatlicher Seite, da der Beklagten das Recht zustehe, Bürger und Bürgerinnen zu diesem Beirat einzuladen und selbst an den Treffen des Beirats teilzunehmen. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, es handele sich um Mutmaßungen, denn infolge der Verweigerung einer (effektiven) Akteneinsicht durch die Beklagte vermag die Klägerin keinen näheren Sachvortrag zu halten. Soweit sich die ...[A] Netz AG insoweit auf ein Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis berufen haben mögen, reicht dies nicht aus, um die Beklagte von der Pflicht zu einer näheren sekundären Darlegung zu entbinden, denn es ist eine von der Beklagten vorzunehmende nachvollziehbare Abwägung zwischen dem Interesse der ...[A] Netz AG an der Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen auf der einen Seite und dem Interesse der Klägerin an der Akteneinsicht auf der anderen Seite durchzuführen, an der es hier fehlt (vgl. oben c) cc)).

56

cc) Es kann dahinstehen, ob der Beklagten im Rahmen dieses Auswahlkriteriums weitere Bewertungsfehler im Hinblick auf die Dauer der Bearbeitungszeiten, des Beschwerdemanagements, der Anlaufstelle vor Ort und des Terminbuchungstools sowie der Telefonauskunft der Klägerin unterlaufen sind, denn jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Beklagte zugunsten der ...[A] Netz AG drei Umstände berücksichtigt hat, die nicht hätten gewertet werden dürfen (Solarkataster, Beteiligung bei der ...[A] AG und Kundenbeirat). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Nichtberücksichtigung dieser drei Aspekte entsprechend dem von der Klägerin erstrebten Rechtsschutzziel (vgl. Seite 65 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 249 d. A.) das Angebot der Klägerin ebenso gut bewertet worden wäre wie das Konzept der ...[A] Netz AG. Insbesondere ist der Senat gehindert, selbst eine eigenständige Bewertung dahin vorzunehmen, dass die nach dem Konzept der Klägerin verhältnismäßig lange Bearbeitungszeit von maximal sieben Tagen durch eine bessere Erreichbarkeit vor Ort, über das Internet oder das Telefon ausgeglichen wird. Dies hat zur Folge, dass für die Beurteilung durch den Senat nicht auszuschließen ist, dass das Angebot der Klägerin nunmehr mit 88,5 Punkten und damit besser zu bewerten ist als das Angebot der ...[A] Netz AG, das nur 87,5 Punkte erreicht.

57

g) Auswahlkriterium 4.1 (Effizienzmaßnahmen im Netz)

58

Die Beklagte hat das Angebot der ...[A] Netz AG zu diesem Kriterium mit der Höchstpunktzahl von vier Punkten bewertet, während das Konzept der Klägerin lediglich einen Punkt erhielt. Dies bedeutet nach den Zuschlagskriterien, dass das Angebot der Klägerin gegenüber dem Konzept der ...[A] Netz AG erheblich zurückbleibt. Dieser gravierende Bewertungsunterschied ist für den Senat anhand der von der Beklagten nur kursorisch mitgeteilten Merkmale des Angebots der ...[A] Netz AG nicht nachvollziehbar; auch im Hinblick auf dieses Auswahlkriterium hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt (vgl. oben c) cc)). Daher ist nicht auszuschließen, dass das Angebot der Klägerin um mindestens einen Punkt besser mit insgesamt 88,5 Punkten hätte bewertet werden müssen.

59

aa) Die Beklagte hat im Wertungsvermerk hervorgehoben, dass sich das Angebot der ...[A] Netz AG durch eine umfassende Darstellung der Effizienzmaßnahmen und laufenden Forschungsaktivitäten auszeichne; dies hat die Beklagte auf Seite 25 f. der Berufungserwiderungsschrift (Bl. 318 f. d. A.) näher ausgeführt durch den Hinweis auf die Erforschung neuer Netzbetriebskonzepte, die Entwicklung innovativer Verfahren zur Verminderung von Lastspitzen, die Entwicklung von Mid-Power-LEDs, die Entwicklung eines neuartigen Netzreglers zur Spannungs- und Wirkleistungsregulierung sowie die Entwicklung eines thermischen Speichers. Der weitere Hinweis auf Maßnahmen und Vorgehensweise bei „smart grid“ ist mangels näherer Darlegung der Beklagten, inwieweit dieses Merkmal einen Bezug zu Energieeffizienzmaßnahmen aufweist, dem Auswahlkriterium 1.1 (Technische Leistungsfähigkeit) zuzuordnen, denn der Begriff beschreibt intelligente Stromnetze, die Erzeugung, Speicherung und Verbrauch durch eine zentrale Steuerung optimal aufeinander abstimmen und somit Leistungsschwankungen ausgleichen (vgl. umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-ist-ein-smart-grid). Die von der Klägerin an anderer Stelle benannten, von der Beklagten gleichwohl berücksichtigten Projekte (“Pfaff Reallabor“ und „Smart SCADAMSNS“, vgl. die Anlage zum Konzept der Klägerin, Anlage ASt 14) weisen demgegenüber keinen Bezug zu Energieeffizienzmaßnahmen gerade im Netz - etwa zur Verringerung von Verlusten - auf. Das Projekt Smart SCADAMSNS dient der Vermeidung von Spannungsspitzen, während das Projekt Pfaff Reallabor ein ganzheitliches Konzept zur Entwicklung klimaneutraler Stadtquartiere verfolgt. Es ist daher nachvollziehbar, dass das Angebot der ...[A] Netz AG besser bewertet worden ist als das Konzept der Klägerin.

60

bb) Jedoch hat die Beklagte entgegen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast keine konkreten Einzelheiten und Tatsachen mitgeteilt, aus denen sich ein so gravierender Unterschied zwischen den beiden Angeboten ergibt, dass die Einstufung des klägerischen Angebots als gegenüber dem Konzept der ...[A] Netz AG erheblich zurückbleibend plausibel erscheint. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Angebot der Klägerin etwa unter Außerachtlassung der Darstellung von Maßnahmen und Vorgehensweise bei „smart grid“ zugunsten der ...[A] Netz AG nicht drei, sondern lediglich ein oder zwei Punkte schlechter bewertet worden wäre als das Konzept der ...[A] Netz AG. Damit ist jedenfalls glaubhaft gemacht, dass der von Beklagtenseite ermittelte große Bewertungsabstand nicht gerechtfertigt ist. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Angebot der Klägerin mit ein oder zwei Punkten besser zu bewerten ist als von der Beklagten angenommen, denn schon aufgrund der übrigen unter c) bis f) beschriebenen Bewertungsfehler ist nicht auszuschließen, dass das Angebot der Klägerin besser zu bewerten ist als das Konzept der ...[A] Netz AG. Zumindest kann sich das Bewertungsergebnis für die Klägerin bei zutreffender Würdigung um einen Punkt auf insgesamt 89,5 Punkte gegenüber dem weiterhin mit 87,5 Punkten zu bewertenden Konzept der ...[A] Netz AG erhöhen.

61

h) Auswahlkriterium 5.1 (Umweltfreundliches Bauen und Betreiben)

62

Bei diesem Kriterium haben sowohl das Angebot der Klägerin als auch das Konzept der ...[A] Netz AG die Höchstpunktzahl von - gewichtet - 10 Punkten erreicht (vier Punkte x 2,5). Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Angebot der ...[A] Netz AG geringer hätte bewertet werden müssen. Dies erscheint zumindest im Hinblick auf zwei Aspekte naheliegend, die die Beklagte zugunsten der ...[A] Netz AG sachfremd berücksichtigt hat, denn die Beklagte hat die von der Klägerin vorgebrachten Argumente nicht entkräftet. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass das Angebot der Klägerin ohne die Bewertungsfehler zumindest um einen Punkt besser hätte bewertet werden müssen, d.h. gewichtet um (mindestens) 2,5 Punkte.

63

aa) Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sehr fraglich sei, ob die ...[A] Netz AG tatsächlich über die im Wertungsvermerk hervorgehobenen Ladepunkte für (Elektro-)Kfz im Netzgebiet verfüge oder - wie dies üblicherweise der Fall sei und auch durch die Internetseiten der beiden Unternehmen suggeriert werde - vielmehr die ...[A] AG (Muttergesellschaft) als Vertriebsunternehmen die Ladesäulen betreibt. Sollte Letzteres zutreffen, könnten sich die ...[A] Netz AG die Ladesäulen nicht als eigene Leistung zurechnen lassen. Da die Beklagte keine Stellungnahme hierzu abgegeben hat, ist das Vorbringen der Klägerin als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass die Ladesäulen von der am Vergabeverfahren nicht beteiligten Muttergesellschaft der ...[A] Netz AG betrieben werden und nicht zugunsten der ...[A] Netz AG bei der Vergabeentscheidung berücksichtigt werden dürfen.

64

bb) Außerdem hat die Beklagte als Merkmal des Angebots der ...[A] Netz AG eine Umweltzertifizierung gemäß ÖkoProfit vom 03.06.2013 hervorgehoben. Hierzu hat die Klägerin eingewandt, es handele sich nicht um ein anerkanntes und normiertes Umweltmanagementsystem wie etwa nach der ISO 14001 oder der EMAS-Verordnung; zudem würden Umweltmanagementsysteme jährlich überprüft und spätestens alle drei Jahre rezertifiziert. Selbst ein Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 oder der EMAS-Verordnung aus dem Jahr 2013 wäre ohne aktuelle Rezertifizierung wertlos. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten mit der Folge, dass auch insoweit der Vortrag der Klägerin als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass es sich bei dem zugunsten der ...[A] Netz AG berücksichtigten Umweltzertifikat nicht um ein anerkanntes und normiertes Umweltmanagementsystem handelt, das zudem im Zeitpunkt der Entscheidung über die Konzessionsvergabe im Oktober 2018 abgelaufen war. Die Klägerin hingegen verfügt ausweislich des Wertungsvermerks der Beklagten über ein (anerkanntes) Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001.

65

cc) Es ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht auszuschließen, dass das klägerische Konzept bei zutreffender Würdigung durch die Beklagte mindestens einen Punkt - gewichtet 2,5 Punkte - mehr erreicht hätte. Unter Berücksichtigung des Auswahlkriteriums 5.1 kann sich der Bewertungsabstand zugunsten der Klägerin gegenüber dem Angebot der ...[A] Netz AG im Ergebnis auf mindestens 92,0 zu 87,5 Punkten von 100 vergrößern.

66

Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch darauf, dass die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats eine neue Auswahlentscheidung trifft.

67

3. Ein Verfügungsgrund muss nicht glaubhaft gemacht werden, vgl. § 47 Abs. 5 Satz 3 EnWG.

68

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

69

Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ist im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 708, Rdnr. 8).

70

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen