Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (Kartellsenat) - 2 U 144/12 Kart

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.10.2012 verkündete Urteil der 36. Zivilkammer – 4. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Magdeburg abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf ... Euro festgesetzt.

Gründe

A.

1

Im Jahre 1998 schlossen die mit der Klägerin verbundene M. GmbH und die Beklagte einen Kooperationsvertrag, demzufolge die Beklagte für die Klägerin gekühlte, mit verschiedenen Butter- und Würzzubereitungen gefüllte Baguettes produzieren sollte. Zu diesem Zeitpunkt hielt die Klägerin einen Anteil von 24,9 % - im Wert von ... Euro (Seite 4 der Berufungserwiderung) - an der Beklagten.

2

Im Jahre 2006 verkaufte die Klägerin ihren Anteil an der Beklagten an die sog. H.-Gruppe. Anlässlich des Verkaufs schlossen die Parteien dieses Rechtsstreits am 25.09.2006 einen - auch von der Käuferin unterzeichneten - neuen Kooperationsvertrag, in welchem sich die Beklagte verpflichtete, exklusiv für die Klägerin bestimmte, im Einzelnen aufgelistete Backwaren für das Kühlregal herzustellen, während sich die Klägerin zur Abnahme dieser Backwaren verpflichtete. Die Produktion tiefgekühlter Waren und anderer als der aufgelisteten Waren blieb unberührt. In Nr. 7 Abs. 6 des Kooperationsvertrages heißt es u. a.:

3

„Wird der Vertrag aufgelöst, so gelten die folgenden Bestimmungen:

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Das Know-how zur Herstellung der Produkte gemäß Anhang 1 gehört M. und steht ohne zeitliche und geografische Einschränkung M. zu.

5

F. darf während 10 Jahren nach Ablauf des Vertrages keine gekühlten Backwaren mit Butter- und Würzzubereitung wie sie in Anlage 1 mit Ausnahme von Croissants/Gipfel aufgelistet sind, für sich selbst oder verwandte Unternehmen, andere Hersteller und Vertreiber oder Lizenznehmer produzieren, es sei denn, die Waren sind für das nicht geschützte Vertragsgebiet bestimmt. Das geschützte Vertragsgebiet wird verstanden, als die Gebiete, in denen die M.-Gruppe direkt oder indirekt zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung tätig ist. Diese Ein- bzw. Beschränkungen sind in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und im Kaufpreis (siehe Vorb. B) berücksichtigt.

6

Im Gegenzug verpflichtet sich M. für die Dauer der Kooperationsvereinbarung, für die Herstellung von Backwaren mit Butter- und Würzzubereitungen ausschließlich Backwaren von F. einzusetzen sowie auch keine eigenen Backwaren zu produzieren. …!“

7

Das in der Klausel benannte Vertragsgebiet umfasst Deutschland, Österreich und einige südosteuropäische Länder.

8

Die Klägerin kündigte den Kooperationsvertrag zum 31.12.2009.

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Jedenfalls seit April 2012 werden in Lebensmittelmärkten von der Beklagten – ohne Produkte der Klägerin – hergestellte gekühlte Baguettes unter der Bezeichnung „K. Baguette“ angeboten.

10

Aufgrund dessen erteilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 08.05.2012 eine Abmahnung.

11

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte gegen die im Jahre 2006 im Kooperationsvertrag geschlossenen Vereinbarungen verstoße.

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Die Klägerin hat beantragt,

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I. die Beklagte zu verurteilen,

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1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen, gekühlte Baguettes mit Butter- und Würzzubereitung, insbesondere Knoblauchbutter und Kräuterbutter-Baguettes für sich selbst oder verwandte Unternehmen und andere Hersteller und Vertreter oder Lizenznehmer, insbesondere die F. GmbH, N. Straße 66, B., für den deutschen Markt zu produzieren;

15

2. der Klägerin für die Zeit ab dem 02.01.2011 Auskunft über die Vertriebswege der unter vorstehend zu Ziff. I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber;

16

3. der Klägerin über den Umfang der in der vorstehenden Ziff. I. 1. bezeichneten und seit dem 02.02.2010 begangenen Verletzungshandlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe

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a) der Herstellungsmengen und -zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

18

b) der einzelnen Liefermengen, aufgeschlüsselter Artikelnummern, Lieferzeiten, Lieferpreis und der Namen und Anschrift der Abnehmer,

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c) der Gestehungskosten und der Nennung der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert werden darf, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den zu Ziff. 1. genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden,

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d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Artikelnummern, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

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II. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziff. I. 1. selbst zu vernichten und der Klägerin hierüber Nachweis zu erteilen oder nach ihrer Wahl dies auf Kosten der Beklagten an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben;

22

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die zwischen den Parteien getroffene Abrede nach § 1 GWB und Art. 101 AEUV kartellrechtswidrig sei.

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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in I. Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 25 – 27, II).

27

Mit am 10.10.2012 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben und hierbei - unter Zugrundelegung einer Zulässigkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbots für die Dauer von drei Jahren - die Klageanträge zu I. 1. bis 3. jeweils hinsichtlich des Zeitraums bis zum 31.12.2012 sowie die Klageanträge zu II. und zu III. in vollem Umfang als begründet erachtet. Wegen der Gründe wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen (Bl. 27 – 31, II).

28

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

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Die Beklagte beantragt,

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das am 10.10.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Klage abzuweisen;

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hilfsweise,

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das Verfahren auszusetzen (§ 148 ZPO analog) und die Sache dem EuGH mit den Vorlagefragen gemäß Schriftsatz vom 04.09.2012, Abschnitt VII., vorzulegen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

35

Die Klägerin trägt vor, dass die Veräußerung ihres Geschäftsanteils nicht das Know-how umfasst habe. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei ausdrücklich in den Kooperationsvertrag eingepreist worden. Ferner habe die Beklagte, um dem im Kooperationsvertrag geregelten Wettbewerbsverbot zu entgehen, an ihrem Standort eine Schwestergesellschaft, die S. GmbH gegründet, die die streitgegenständlichen Baguettes hergestellt und vertrieben habe.

B.

36

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

37

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind der Klageantrag zu I.1. - und die hierauf gründenden weiteren Klageanträge - hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

38

1. Nach dem Klageantrag zu I. 1. sind Gegenstand des begehrten Unterlassungsgebots „gekühlte Baguettes mit Butter- und Würzzubereitung, insbesondere Knoblauchbutter und Kräuterbutter-Baguettes“. Im Senatstermin am 05.12.2012 hat die Klägerin klargestellt, dass sich das Unterlassungsbegehren auf Baguettes in diesem weit verstandenen Sinne erstreckt und nicht auf solche Baguettes beschränkt ist, die unter Verwendung eines bestimmten Know-how weitergehende Besonderheiten in Erscheinungsbild und Konsistenz aufweisen. Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner weiteren Konkretisierung der Klageanträge.

39

2. Auch soweit die Baguettes als „gekühlte“ bezeichnet werden, ist ein vollstreckungsfähiger Inhalt des Antrags gegeben. Insoweit hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Senatstermin zutreffend darauf hingewiesen, dass spätestens nach der Beendigung des Verpackungsvorgangs sich aus den auf der Verpackung befindlichen Informationen die Bestimmung der Baguettes zur Kühlung ergibt.

40

3. Schließlich erstreckt sich die Annahme der hinreichenden Bestimmtheit auch auf die Bezeichnung des „deutschen Markts“. Unwidersprochen und nachvollziehbar hat der Prozessbevollmächtigte im Senatstermin vorgetragen, dass es nur um den Schutz auf dem Markt gehe, auf dem die Klägerin tatsächlich vertreten ist. Im Übrigen sind auch insoweit die in deutscher Sprache gehaltenen Informationen auf der Verpackung maßgeblich.

41

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, da das in § 7 Abs. 6 des Kooperationsvertrag vom 25.09.2006 vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot gemäß § 134 BGB i. V. m. § 1 GWB nichtig ist.

42

1. a) Die Auffassung der Klägerin, dass vorliegend ein Verstoß gegen § 1 GWB deshalb ausscheide, weil die Parteien keine Wettbewerber seien (vgl. Seite 12 der Berufungserwiderung, Seite 3 der Berufungsbegründung und Seite 6 des Schriftsatzes der Beklagten vom 27.11.2012), teilt der Senat nicht. Zum Einen diente die Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gerade dazu, der Beklagten einen Wettbewerb - nach Beendigung des Kooperationsvertrags - zu untersagen. Zum Anderen hat die Klägerin auf das Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin bereits Ende 2008 einen eigenen Produktionsbetrieb im Rahmen der B. GmbH für gekühlte und gefüllte Baguettes aufgebaut hat (Seite 3 der Berufungsbegründung, dort Ziff. 2), lediglich ausgeführt (Seite 13 der Berufungserwiderung):

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„ Dass die Klägerin, nachdem die Beklagte die Vertragsbeziehung belastet hat, Alternativen erwogen hat, um die Produktion ihrer Premiumprodukte nach Beendigung des Vertrags fortsetzen zu können, ist eine ganz normale und auch notwendige wirtschaftliche Verhaltensweise. Aus einer Wettbewerbsklausel lässt sich nicht ableiten, dass der Berechtigte des Wettbewerbsverbotes in irgendeiner Form gebunden wäre, auf welche Weise und mit wem er nach Beendigung des Austauschvertrags die Produktherstellung sicherstellt.“

44

Dieses Vorbringen ist bereits deshalb unerheblich, weil der Kooperationsvertrag unstreitig durch von der Klägerin erklärte Kündigung erst zum 31.12.2009 beendet worden ist, während der Aufbau der Produktion nach dem vorgenannten, unwidersprochen gebliebenen (§ 138 Abs. 3 ZPO) Vortrag der Beklagten bereits Ende 2008 erfolgt ist.

45

b) Dass es sich, von der Klägerin hervorgehoben, bei dem Kooperationsvertrag um einen Austauschvertrag zwischen den Parteien gehandelt hat (Seite 8, 12 und 13 der Berufungserwiderung), ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn es geht im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Bewertung des Verhältnisses zwischen den Parteien während der Dauer des Kooperationsvertrags, sondern während des nachvertraglichen Zeitraums, in welchem ein Austausch von Leistungen zwischen den Parteien - naturgemäß - nicht mehr erfolgen sollte und auch nicht erfolgt ist.

46

2. a) Der Abschluss des Kooperationsvertrags stand nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien in einem engen Zusammenhang mit der Veräußerung des Geschäftsanteils der Klägerin an der Beklagten an die H. Gruppe. Das kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass auch die H. Gruppe den Kooperationsvertrag unterzeichnet und zudem auch entworfen hat (Seite 6 der Berufungserwiderung). An dem engen Zusammenhang ändert der Umstand nichts, dass der Kooperationsvertrag vor dem Unternehmenskaufvertrag unterzeichnet worden ist (Seite 10 der Berufungserwiderung und Seite 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 27.11.2012). Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, bei der Bewertung der Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die Stellung der Klägerin als Veräußerin der Beklagten zu berücksichtigen.

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b) aa) Im Ausgangspunkt ist die Auffassung der Beklagten zutreffend, dass bei Unternehmensverkäufen die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots primär die Interessen des Erwerbers schützen soll. Denn es würde dessen Interessen erheblich beeinträchtigen, wenn der Veräußerer die Produkte, deren Produktion Gegenstand des veräußerten Unternehmens ist, selbst – im Rahmen eines anderen Unternehmens – weiter produzierte.

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bb) Daran vermag die Bekanntmachung der Europäischen Kommission über Einschränkungen des Wettbewerbs vom 05.03.2005 (Anlage B 11) nichts zu ändern. Dort heißt es unter Nr. 17:

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„Es gilt daher grundsätzlich die Regel, dass Einschränkungen, welche den Veräußerer begünstigen, entweder nicht mit der Durchführung des Zusammenschlusses unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind oder von ihrem Geltungsbereich und/oder ihrer Geltungsdauer her stärker eingegrenzt werden müssen als den Erwerber begünstigende Klauseln.“

50

Zwar ist die klägerische Auffassung wohl zutreffend, dass dieser Bestimmung nicht zu entnehmen ist, „dass Wettbewerbsregelungen nur zum Nachteil des Veräußerers vereinbart werden dürften“ (Seite 11 der Berufungserwiderung). Jedoch ergibt sich aus der Formulierung der Bestimmung, derzufolge den Veräußerer begünstigende Einschränkungen zu beschränken sind, die Wertung, dass den Interessen des Erwerbers der Vorrang einzuräumen ist.

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c) aa) Selbst wenn man aber auch im Rahmen des Unternehmensverkaufs ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin in einem Wettbewerbsverbot zu ihren Gunsten annähme, bestünde dies allenfalls für einen Zeitraum von drei Jahren. Der Umstand, dass die H. Gruppe den Kooperationsvertrag mit unterzeichnet hat, lässt den Schluss darauf zu, dass sie der Klägerin – trotz des Verkaufs – weiterhin das Exklusivrecht an der Produktion der Baguettes bzw. das Recht zur Beauftragung eines Drittunternehmens mit dieser Produktion belassen wollte. Hinsichtlich des Zeitraums ist jedoch das eigene Vorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, dass es das Interesse der H. Gruppe war, dass der Beklagten die Herstellung der Baguettes auf drei Jahre gesichert würde, was in der Regelung der Mindestlaufzeit des Kooperationsvertrags von drei Jahren zum Ausdruck kommt (vgl. Seite 6 und 7 der Berufungserwiderung).

52

bb) Für den Beginn des vorgenannten Dreijahreszeitraums ist jedoch nicht das Ende des Kooperationsvertrags, sondern der im Jahre 2006 erfolgte Unternehmensverkauf maßgeblich, so dass der Dreijahreszeitraum spätestens zum 31.12.2009 abgelaufen ist.

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3. Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man die im – wirksam zum 31.12.2009 gekündigten – Kooperationsvertrag enthaltene Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots berücksichtigt. Denn dieses Wettbewerbsverbot ist insgesamt, mithin unabhängig von seiner Dauer, als nichtig zu bewerten.

54

a) Nachvertragliche Wettbewerbseinschränkungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - mit Rücksicht auf die vor allem bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu beachtenden Wertentscheidungen der Verfassung - nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit sie notwendig sind, um den Vertragspartner zu schützen. Sie dürfen insbesondere nicht dazu eingesetzt werden, den Anderen als Wettbewerber auszuschalten. Ihre Wirksamkeit hängt davon ab, dass sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten. Nur wenn eine solche Wettbewerbsklausel ausschließlich die zeitlichen Grenzen überschreitet, im übrigen aber unbedenklich ist, kommt eine geltungserhaltende Reduktion in Betracht; die Missachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen dagegen hat die Nichtigkeit des Verbots zur Folge (BGH, Urteile vom 14.07.1997, II ZR 238/96, NJW 1997, 3089, vom 08.05.2000, II ZR 308/98, NJW 2000, 2584, vom 18.07.2005, II ZR 159/03, NJW 2005, 3061, und vom 10.12.2008, KZR 54/08).

55

b) Die vorliegende Bestimmung geht nicht nur zeitlich (vgl. die angefochtene Entscheidung) weit über das erforderliche Maß hinaus, sondern auch in gegenständlicher Hinsicht.

56

aa) Aufgrund des Umstandes, dass im Vordersatz zu der in § 7 des Kooperationsvertrags enthaltenen Regelung eines - 10-jährigen - nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die Bestimmung enthalten ist, dass „(d)as Know-how zur Herstellung der Produkte gemäß Anhang 1 M. (gehört) und…ohne zeitliche und geografische Einschränkung M. (zusteht)“, ist die Annahme gerechtfertigt, dass insbesondere das Know-how vom Wettbewerbsverbot umfasst sein sollte.

57

bb) Die Auslegung dieser Bestimmung ergibt jedoch, dass sich das zu schützende Know-how und mithin auch das Wettbewerbsverbot auf sämtliche gekühlte Baguettes mit Kräutermischung erstrecken sollte. Die Klausel enthält keine Einschränkung. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Senatstermin - korrespondierend mit seinen vorerwähnten Angaben betreffend die Bestimmtheit der Klageanträge (Ziff. I.1.) - erklärt, dass sich die Klausel auf Baguettes in diesem weit verstandenen Sinne erstreckt und nicht auf solche Baguettes beschränkt ist, die unter Verwendung eines bestimmten Know-how weitergehende Besonderheiten in Erscheinungsbild und Konsistenz aufweisen.

58

cc) Ein derart weitreichender Wettbewerbsschutz ist jedoch mit den vorgenannten Grundsätzen unvereinbar. Die vorliegende Klausel geht über die nur eingeschränkt anzuerkennende Erforderlichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung weit hinaus, indem sie der Beklagten jegliche Konkurrenztätigkeit, das heißt die Produktion jeglicher gekühlter Baguettes mit Kräutermischung verbietet, ohne dass es hierbei auf die Verwendung eines besonderen Know-how hinsichtlich weitergehender Besonderheiten in Erscheinungsbild und Konsistenz ankäme. Der vorbeschriebene Zweck einer nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkung wird daher verfehlt und führt zur Nichtigkeit der Klausel.

59

dd) Ungeachtet dessen wäre es der Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben i. S. d. § 242 BGB verwehrt, sich auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu berufen. Die Klägerin hat, wie oben ausgeführt, bereits Ende 2008 und mithin vor Ablauf des Kooperationsvertrags eine Konkurrenzsituation unter den Parteien geschaffen. Der Senat teilt im Ausgangspunkt die landgerichtliche Auffassung (Seite 8 Abs. 2 des Urteils), dass bei einer Bemessung der Dauer des Wettbewerbsverbots zu berücksichtigen ist, dass die Konkurrenzsituation erst nach Beendigung des Vertrags eintreten sollte. Der tatsächliche Eintritt des Interessengegensatzes vor Ablauf der Vertragszeit führt jedoch dazu, dass sich die Klägerin nicht auf ein Wettbewerbsverbot, gleich, für welche Dauer man es – unterstellt – als wirksam erachtete, berufen kann.

60

III. Aus diesen Gründen bestehen auch die weiterhin geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft (Klageantrag zu I.2.), auf Rechnungslegung (Klageantrag zu I.3.), auf Vernichtung (Klageantrag zu II.) und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (Klageantrag zu III.) nicht. Insoweit ist zudem darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich dieser Klageanträge eine Passivlegitimation der Beklagten von vornherein nur ab dem Zeitpunkt hätte in Betracht kommen können, ab welchem die Beklagte die Produktion der Baguettes wieder von der S. GmbH übernommen hat, mithin ab April 2012 (vgl. Seite 17 der Klageschrift und die diesbezügliche Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Senatstermin).

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IV. 1. Der Senat hat in seinem am 05.12.2012 verkündeten Beschluss den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Schriftsatzfrist zu dem im Verhandlungstermin vom selben Tage erteilten Hinweis des Senats betreffend das in Rede stehende Know-how deshalb abgelehnt, weil die Klägerin, wie oben ausgeführt, im Rahmen der Erörterung des Rechtsstreits im Senatstermin klargestellt hat, dass Gegenstand ihres Klagebegehrens die im Klageantrag aufgeführten gekühlten Baguettes mit Butter- und Würzzubereitung, insbesondere Knoblauchbutter und Kräuterbutter-Baguettes sind, ohne dass es hierbei auf ein besonderes Know-how ankäme. Dann aber kann es für die Entscheidung des Senats auf einen über das bisherige Vorbringen hinausgehenden Vortrag zum Know-how nicht ankommen.

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2. Aus den gleichen Gründen gibt auch der Schriftsatz der Klägerin vom 11.12.2012 keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der in der mündlichen Verhandlung zur Herstellung eines gleiches Informationsstandes erwähnte Anruf des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bei dem Senatsvorsitzenden führte nicht zu einer inhaltlichen Erörterung der Angelegenheit – was von dem Senatsvorsitzenden im Übrigen auch abgelehnt worden wäre -, sondern enthielt nur die Mitteilung, dass ungeachtet der Abstandnahme der Klägerin von einer Rechtsmitteleinlegung mit einer vergleichsweisen Einigung der Parteien nicht gerechnet werden könne; hierüber sind die Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung von dem Vorsitzenden unterrichtet worden.

C.

63

I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

64

II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

65

III. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

66

IV. Den Streitwert des Berufungsverfahrens hat der Senat gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO festgesetzt. Er hat hierbei, ausgehend von dem von der Klägerin in der Klageschrift benannten Interesse in Höhe von 3.000.000,00 Euro, dem ein 10-jähriges Wettbewerbsverbot zugrunde lag, berücksichtigt, dass sich die Berufung gegen die vom Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung festgestellte Wirksamkeit eines 3-jährigen Wettbewerbsverbots richtet.


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