Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 W 9/13 (PKH), 1 W 9/13

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 13. Dezember 2012 abgeändert.

Dem Antragsteller wird für die Rechtsverteidigung in erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt M. S. aus Ü. zur Vertretung beigeordnet.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

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Die Klägerin nimmt den Beklagten und Antragsteller als Bürgen in Anspruch. Sie verlangt auf Grundlage eines Bierlieferungsvertrages vom 18.09.2000 und späterer Nachtragsvereinbarungen Schadensersatz wegen Minderabnahmen von Bier durch die inzwischen insolvente Hauptschuldnerin.

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Der Beklagte hält die Vertragsklausel (§ 3 Abs. 4), auf der der geltend gemachte Schadensersatzanspruch beruht, für sittenwidrig und hält sie auch wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB für unwirksam. Er bestreitet mit Nichtwissen die behaupteten Mindermengen und meint u.a., der Klägerin stehe grundsätzlich kein pauschaler Schadensersatz zu.

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Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 13.12.2012 zurückgewiesen, da es keine Zweifel an der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Vertragsklausel und an der Haftung des Bürgen gebe.

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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 24.01.2013, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, und die der Klägerin am 06.02.2013 zum Zwecke rechtlichen Gehörs übersandt wurde.

II.

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Die sofortige Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig.

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Sie hat auch in der Sache Erfolg.

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Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der §§ 114, 115 ZPO sind erfüllt. Der Beklagte ist nach den von ihm dargestellten und als wahr versicherten Angaben nicht in der Lage, die Prozesskosten auch nur ratenweise aufzubringen.

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Die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung hat das Landgericht in einem Punkt zu Unrecht verneint. Wie der Beschwerdeführer insoweit zu Recht vorgetragen hat, steht § 3 Abs. 4 des Bierlieferungsvertrages vom 18.09.2000 zu den Anforderungen im Widerspruch, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung an die formularmäßige Begründung eines Schadensersatzanspruchs gestellt werden.

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1. Indes hat das Landgericht die Aktivlegitimation der Klägerin zu Recht bejaht. Hieran bestehen auf Grund der getroffenen Nachtragsvereinbarungen keine Zweifel.

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2. Gleiches gilt auch für die Wirksamkeit der Bürgschaft des Beklagten.

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Der Beschwerdeführer beruft sich in erster Linie auf eine vermeintliche Unwirksamkeit der formalen Zweckbestimmung der Bürgschaft gemäß § 305 c Abs. 1 BGB. Danach werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Zu Recht weist der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin, wonach die Klausel in einem Bürgschaftsformular, die die Haftung des Bürgen auf alle bestehenden Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erstreckt, ohne die verbürgten Forderungen näher zu bezeichnen, grundsätzlich eine den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechende, unangemessene Benachteiligung des Bürgen darstellt und deswegen unwirksam ist (BGH, NJW 2000, 658, zum damaligen § 9 Abs. 1 AGBG). Es kommt deshalb darauf an, ob die geltend gemachten Forderungen noch vom Sicherungszweck umfasst sind.

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Das ist hier der Fall. Mit der Bürgschaftserklärung vom 20.09.2000 hat sich der Antragsteller, der damals Geschäftsführer der Hauptschuldnerin war, für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Brauerei gegenüber der Hauptschuldnerin verbürgt. Diese Erklärung bezog sich nicht nur auf Forderungen aus der am 18.09.2000 vom Beklagten selbst unterzeichneten Vereinbarung, sondern ausdrücklich auch auf „etwaige Nachtrags- und Folgevereinbarungen, insbesondere auch Vertragsverlängerungen“. Erfasst ist also auch die Nachtragsvereinbarung Nr. 3 vom 08.09.2004, mit der der Hauptschuldnerin ein zusätzliches Darlehen gewährt wurde.

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3. Diese Nachtragsvereinbarung hält der Beschwerdeführer aus zwei Gründen ebenfalls für unwirksam. Auch insoweit kann ihm aber nicht gefolgt werden.

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a) Im Nachtrag, so meint der Antragsteller, liege zum einen eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307, Abs. 1 und 2 S. 2 BGB, weil nicht nur ein zusätzliches Darlehen vereinbart, sondern auch die Fälligkeitsregelung geändert worden sei. Auch insoweit kann dem Antragsteller jedoch nicht gefolgt werden, weil von Anfang an nicht nur die Gewährung weiterer Darlehen, sondern auch die Vertragsverlängerung von der Zweckerklärung der Bürgschaft umfasst war. In dem Umstand, dass bei einer Erhöhung der Darlehen auch eine Vertragsverlängerung vereinbart wird und die Tilgungsregelungen angepasst werden, liegt keine unangemessene Benachteiligung des Hauptschuldners oder des Bürgen, der die Haftung für Forderungen aus Vertragsverlängerungen und Folgevereinbarungen ausdrücklich übernommen hat.

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b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann sich auch aus § 767 Abs. 1 S. 3 BGB eine Unwirksamkeit dieser Klausel in dem vorliegenden Fall nicht ergeben. Das darin enthaltene Verbot der Fremddisposition schließt selbstverständlich solche Änderungen oder Erweiterungen nicht aus, die - wie hier - schon von der Bürgschaftserklärung erfasst waren (vgl. Palandt-Sprau, 72. Aufl. 2013, § 767 Rdn. 3). Wer für alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus einem Vertragsverhältnis, einschließlich etwaiger Nachtrags- und Folgevereinbarungen bürgt, muss diesen Folgevereinbarungen gerade nicht mehr nach § 767 Abs. 1 S. 3 BGB zustimmen, weil sie schon von der Bürgschaftserklärung umfasst sind. Es kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt auf die oben schon beantwortete Frage an, ob die Änderungen noch vom Sicherungszweck der Bürgschaftserklärung umfasst sind.

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Da dies von der Auslegung des im Einzelfall konkret vereinbarten Bürgschaftsinhalts abhängt, geht auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf in anderen Fällen ergangene Entscheidungen ins Leere, solange dort keine wortgleichen Bürgschaften abgegeben worden waren und keine identischen Nachträge vereinbart wurden.

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4. Ein weiterer Schwerpunkt der Beschwerdebegründung betrifft die Frage der Sittenwidrigkeit der Regelungen des § 3 Ziff. 4 des Vertrages, die der Antragsteller aus unterschiedlichen, bereits in seinem Schriftsatz vom 03.09.2012 ausführlich erörterten Gründen, für gemäß § 138 BGB für unwirksam hält. Das ist jedoch hier nach dem derzeitigen Sachstand nicht der Fall.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Bierlieferungsverträge nichtig, wenn sie die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts, seine Selbständigkeit und die Möglichkeit, sich verändernden Umständen in seiner Betriebsführung anzupassen, in einer Weise einengen, die mit den Anschauungen eines redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht zu vereinbaren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009, Az. 22 U 71/09, zitiert nach juris, m.w.N.). Maßgeblich ist dabei die Frage, ob die beiderseitigen Leistungen nicht in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Wird der Gastwirt erst durch eine Darlehensgewährung in die Lage versetzt, einen Betrieb zu eröffnen, können selbst lange und unkündbare Bindungen noch angemessen sein (vgl. BGH, Urteil v. 25.04.2001, Aktenzeichen VIII ZR 135/00, zitiert n. juris., Rdn. 14, 19).

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b) Hieran gemessen ist der streitgegenständliche Vertrag mit einer ursprünglichen Laufzeit von etwas weniger als 10 Jahren - jedenfalls nach derzeitigem Stand des Vortrages des Antragstellers - nicht als sittenwidrig einzustufen. Erfüllt der Gastwirt seinen Vertrag nicht, so kann die Brauerei auf Grund des Bierlieferungsvertrages Schadensersatz verlangen. Die in der Praxis häufigen Schadensersatzpauschalierungen (hier 20 % vom Listenpreis) sind grundsätzlich ebenso zulässig, wie die Mindestabnahmeverpflichtung. Der Anspruch stellt auch keine unangemessene Benachteilung der Hauptschuldnerin dar, sondern einen angemessenen Ausgleich des Nachteils, der der Brauerei durch den Minderumsatz an Bier entsteht, für den sie mit ihren Vertragsleistungen, insbesondere den Darlehen, in Vorleistung getreten ist.

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5. Im Ergebnis zu Recht, wenn auch teilweise mit unzutreffenden Präzedensentscheidungen belegt, hat der Antragsteller mehrfach darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel insoweit bestehen, als der Ausgleichsanspruch ausdrücklich verschuldensunabhängig sein sollte.

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a) Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller allerdings an erster Stelle auf ein Urteil des OLG Nürnberg vom 05.02.2002, das er mit dem Aktenzeichen 1 U 3214/01 bezeichnet. Gemeint ist offenbar die Entscheidung 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917 f. Zieht man sie heran, so erkennt man leicht, dass es sich um einen anderen Fall handelte. In der Tat hat das Oberlandesgericht Nürnberg in jenem Fall die Klausel eines Bierlieferungsvertrages als unwirksam angesehen, weil sie eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe enthielt „und nicht nur eine Regelung pauschalierten Schadensersatzes getroffen“ worden war. Das OLG Nürnberg begründete seine Entscheidung also schon in der ersten Subsumtionsstufe damit, dass nicht nur eine Regelung pauschalierten Schadensersatzes vorlag, sondern eine Vertragsstrafenregelung. Der Fall des Antragstellers liegt aber genau umgekehrt. Hier wurde gerade keine Vertragsstrafe vereinbart, sondern unter § 3 Ziff. 4 a) des Vertrages vom 18.09.2000 nur ein Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz formuliert, der bei Unterschreitung der Mindestmenge entsteht. Ein solcher Anspruch war auch nicht Gegenstand der Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 08.06.2007 (NZM 2008, 611), auf die der Antragsteller sich in zweiter Linie beruft. Auch hier ging es ausdrücklich nur um eine Vertragsstrafe.

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b) § 3 Ziff. 4 des Vertrages enthält aber kein Vertragsstrafeversprechen, sondern die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes. Von einem Vertragsstrafeversprechen ist auszugehen, wenn die Vereinbarung hauptsächlich darauf abzielt, die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit als Zwangsmittel zu sichern und daneben im Falle der Leistungsstörung den Schadensnachweis entbehrlich zu machen, während die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes lediglich der Vereinfachung der Beweisführung im Falle der Nichterfüllung dient (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 276, Rdn. 26). Hieran gemessen stellt sich die streitgegenständliche Klausel des Bierlieferungs- und Darlehensvertrages eindeutig als Regelung eines pauschalierten Schadensersatzes dar, denn auch wenn allein das Bestehen der Regelung faktisch einen gewissen Druck zur Erreichung der Mindestabnahmemengen erzeugen dürfte, steht im Vordergrund deutlich die Pauschalierung des Schadensersatzes für den Fall, dass die Hauptschuldnerin ihrer Abnahmeverpflichtung nicht oder nicht vollständig nach kommt. Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung der fälligen Zahlung als "Ausgleichszahlung", aber auch aus dem Umstand, dass der Ausgleichsanspruch laut Nachtrag Nr. 3 Ziff. III.1. zum Vertrag kalenderjährlich abzurechnen war und danach keine weitere Sanktion folgen sollte.

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c) Ferner folgt eine Unwirksamkeit der Regelung auch nicht, wie der Antragsteller meint, aus § 309 Nr. 5 b) BGB. § 309 Nr. 5 b) BGB, der die Unwirksamkeit einer allgemeinen Geschäftsbedingung anordnet, die einen pauschalierten Schadensersatz vorsieht und dem Schuldner nicht ausdrücklich den Nachweis gestattet, dass ein geringerer Schaden eingetreten ist, ergibt im Umkehrschluss, dass grundsätzlich ein solcher pauschalierter Schadensersatz durchaus auch formularmäßig vereinbart werden kann. Insoweit aber ist die hier verwendete Klausel nicht zu beanstanden, denn sie lässt den Nachweis eines geringeren Schadens durch den Schuldner unberührt.

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d) Die Klausel ist aber gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie die Verpflichtung des Antragstellers zum Schadenersatz unabhängig von einem Verschulden vorsieht.

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aa) Bei dem in Rede stehenden Bierlieferungsvertrag handelt es sich um ein Schuldverhältnis, welches vor dem 1.1.2002 begründet wurde, so dass gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB an sich das AGB-Gesetz Anwendung fände. Gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB gilt diese Regelung allerdings für Dauerschuldverhältnisse wie den hier in Rede stehenden Bierlieferungsvertrag nicht. Seit dem 1.1.2003 sind insoweit die Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes anwendbar. An dem Charakter einer einschlägigen Formularklausel, also einer allgemeinen Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 ff. BGB bzw. des damals gültigen AGBG, bestehen keine Zweifel. Das Formular enthält sogar in der Fußzeile die allgemeine Bezeichnung „Bier12/98“.

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bb) Die gesetzliche Regelung des § 307 gilt auch für die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmern, § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis. Auf solche Verträge sind gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die Vorschriften des BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung anzuwenden (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O., vor § 305 Rn. 2; OLG Bamberg Urteil vom 08.03.2006, Aktenzeichen 3 U 213/ 05, zitiert nach juris, dort Rdn. 37).

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cc) Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verpflichtung zum Schadensersatz, die verschuldensunabhängig gestaltet ist, verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie weicht von wesentlichen Rechten und Pflichten der gesetzlichen Regelungen der der §§ 282 BGB a. F., 280, 281 BGB n. F. ab, weil nach den generellen Grundsätzen des Haftungsrechts der Schuldner nur haftet, wenn er den Schaden zu vertreten hat (vgl. dazu allg. BGH, Urteil vom 09.07.1992, NJW 1992, 3158-3163, BGH NJW 1998, 602; BGH ZIP 2005, 798; NJW 2006, 47; speziell für Bierbezugsverträge: OLG München OLG-Report 1995, 145; Paulusch/Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 10. Aufl., Rdn. 519). vgl.). Dieser Grundsatz ist ein wesentlicher Grundgedanke des bürgerlichen Rechts und gilt als Ausdruck der Gerechtigkeit. Das Verschuldenserfordernis gehört bei Schadenersatzverlangen wegen Verletzung vertraglicher Pflichten (§§ 280, 281 BGB) zum gesetzlichen Leitbild, welches auch im Rahmen von Bierlieferungsverträgen zu beachten ist (vgl. Bühler, a.a.O., Rn. 763). Ist in solchen Verträgen vorgesehen, dass die Brauerei berechtigt ist, für nicht abgenommenes Bier einen Ausgleichsbetrag zu berechnen, liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, wenn die Zahlungspflicht verschuldensunabhängig bestehen soll (so OLG München, a.a.O.; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 13.11.2007, Az. 11 U 24/07, zitiert nach juris, i. Ü. die einzige vom Antragsteller zitierte Entscheidung, die auch tatsächlich die Frage der Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten, verschuldensunabhängigen Schadensersatzverpflichtung in einem Bierlieferungsvertrag betraf).

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cc) So liegt der Fall hier, denn die Ausgleichsklausel knüpft lediglich an den Minderbezug an. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die im Vertrag verwendete Formulierung eindeutig. Bei Unterschreitung der Mindestbezugsmenge

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„ist die Brauerei unabhängig von einem Verschulden des Kunden (…)“

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berechtigt, einen Ausgleichszahlung zu verlangen. Dies hat sich auch mit den Nachtragsvereinbarungen Nr. 3 und 4 nicht geändert.

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Soweit das Landgericht demgegenüber ausführt

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„Selbstverständlich besteht ein derartiger Anspruch nur im Falle des Verschuldens. Dieses ist entgegen der Behauptung des Antragstellers auch nicht abbedungen“,

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kann dem nicht gefolgt werden. Eine Erklärung für seine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut der Klausel enthält der angegriffene Beschluss des Landgerichts jedenfalls nicht.

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Ein Verschulden des Vertragspartners blieb hier nicht nur unerwähnt, wie dies in vielen vergleichbaren Verträgen der Fall war, sondern ist sogar ausdrücklich als Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ausgeschlossen worden. Der Kläger würde danach selbst dann haften, wenn eine Bewirtung etwa infolge von Feuer-, Wasser- oder Sturmschäden nicht möglich gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass das Verschuldenserfordernis zum Kernbereich der Schadenersatzhaftung gehört, ist dies im Formularwege nicht zulässig. Höherrangige Interessen der Klägerin, die ausnahmsweise ein Abweichen von dem Verschuldenserfordernis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

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6. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatz kann daher nur auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 280, 281 BGB gestützt werden. Dies macht die Klägerin auch hilfsweise geltend (s. S. 7 Abs. 3 der Klageschrift), allerdings ohne zum Verschulden vorzutragen. Daher ist ihre Klage derzeit nicht schlüssig. Sollte sie hierzu noch vortragen, wird das Landgericht zu entscheiden haben, ob eine pauschale Schadensberechnung möglich ist. Aber auch wenn hiergegen keine grundlegenden Bedenken bestehen dürften, setzt eine schlüssige abstrakte Schadensberechnung zumindest voraus, dass die Klägerin darlegt, dass die Quote von 20 % des Listenpreises des Einzelhandels dem „gewöhnlichen Lauf der Dinge“ i. S. d. § 252 S. 2 BGB entspricht. Andernfalls bedarf es einer konkreten Schadensberechnung. Sollte die Klägerin ihren Vortrag entsprechend ergänzen, wird das Landgericht auch die Frage beantworten müssen, ob der Beklagte, der als Bürge in Anspruch genommen wird, die Mindermengen mit Nichtwissen bestreiten darf. Allein seine Stellung als Bürge rechtfertigt diese rein prozessuale Folge wohl nicht, wenn der Beklagte als ehemaliger Geschäftsführer der Hauptschuldnerin die tatsächlichen Liefermengen kennt.

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Jedenfalls kann der Rechtsverteidigung des Beklagten nach dem derzeitigen Klägervortrag die Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO nicht versagt werden.

III.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.


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