Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (10. Zivilsenat) - 10 U 49/12
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Oktober 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das am 16. Oktober 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren beträgt 62.666,00 €.
Gründe
I.
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Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, die deutschen Gerichte seien für die Entscheidung des Rechtsstreits international nicht zuständig.
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Der Kläger ist Landwirt. Die Beklagte ist einerseits unter der im Rubrum genannten Firma und Anschrift als Maklerin in A. tätig, andererseits aber in Polen wohnhaft. Zwischen dem Kläger, der in Polen investieren wollte, und der unter der Fa. B. e.K. firmierenden Vorgängerin der Beklagten als Maklerin in A. bestanden seit 1996 geschäftliche Kontakte. Die Beklagte war damals als Angestellte der Fa. B. e.K. tätig. Eine von dem Kläger vorgelegte Melderegisterauskunft vom 26.10.2011 weist seit 1999 eine Hauptwohnung der Beklagten in A. sowie seit 2002 eine Nebenwohnung in H. aus.
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Die Parteien waren zudem Gesellschafter der polnischen Kapitalgesellschaft „N.“ (im Folgenden: „N.“), welche in der Landwirtschaft tätig ist. Dabei hielt nach dem erstinstanzlichen Vortrag die Beklagte 51 % der Anteile und der Kläger 49 %. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz ist diese nunmehr Alleingesellschafterin der „N.“. Der Kläger war zumindest bis 2007 Geschäftsführer der „N.“; nunmehr ist dies der Ehemann der Beklagten, F. B. . Die Beklagte war außerdem Eigentümerin von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken in einer Größe von 182 ha, welche in der polnischen Gemeinde R. M. (deutscher Ortsname: R., welchen der Senat entsprechend der Diktion der Parteien im Folgenden verwendet) belegen sind. Die Beklagte hat diesen Grundbesitz im Jahr 2006 an einen Dritten verkauft.
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Die Parteien hatten im Jahr 2004 zunächst vor einem deutschen Notar eine Vereinbarung dahin getroffen, dass der Kläger der Beklagten ein Darlehen über 700.000 € gewährt, welches in der Weise zurückgeführt werden sollte, dass die Beklagte, die damals sämtliche Anteile der „N.“ hielt, dieser zunächst den vorbezeichneten Grundbesitz in R. überträgt und dann die Geschäftsanteile auf den Kläger übertragen sollte. Diese Vereinbarung ist dann in Polen dahin geändert worden, dass das Darlehen nicht der Beklagten, sondern der „N.“ gewährt und durch jährliche Zahlungen von 70.000 € zurückgeführt werden sollte.
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Der Kläger fordert von der Beklagten die Rückzahlung von 50.000 €, welche er ihr am 22.04.2005 in Deutschland in bar ausgezahlt hat, sowie vorgerichtlicher Zinsen auf diesen Betrag für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.10.2011 in Höhe von 4 % bzw. beziffert in Höhe von 12.666,00 €. Der Anlass dieser Zahlung sowie die dabei getroffenen Absprachen sind streitig. Die über die Auszahlung des Betrages von 50.000 € errichtete Quittung besagt: „Für Ankauf R. am 22.04.2005 gezahlt“.
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Der Kläger meint, er habe einen Rückzahlungsanspruch aus einem mit der Beklagten geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag, hilfsweise aus ungerechtfertigter Bereicherung und weiter hilfsweise aufgrund deliktischer Haftung der Beklagten.
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Der Kläger hat hierzu im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
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Der vormals im Eigentum der Beklagten stehende Grundbesitz in R. habe durch die „N.“ bewirtschaftet werden sollen. Da die Flächen jedoch an den Zeugen Bn. verpachtet gewesen seien, habe die Beklagte für die 50.000 € Austauschflächen in der Nähe von K. erwerben sollen, die sodann dem Zeugen Bn. zum Tausch angeboten werden sollten. Als dieses Geschäft nicht zustande gekommen sei, sei er davon ausgegangen, dass die Beklagte den Geldbetrag als Darlehen in die „N.“ eingebracht habe. Erst als er die „N.“ wegen der hierauf entfallenden Zinsen vor einem Gericht in Polen in Anspruch genommen habe, habe er der dortigen Einlassung der Beklagten entnommen, dass dies unzutreffend gewesen sei; vielmehr habe sie, was unstreitig blieb, im dortigen Verfahren als Zeugin vernommen, ihre Bereitschaft zur sofortigen Rückzahlung bekundet. Da die Beklagte hinsichtlich des Grundbesitzes in R. vermittelnd habe tätig werden sollen, sei ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit ihr als Maklerin zustande gekommen, wofür gem. § 344 HGB im Übrigen eine gesetzliche Vermutung spreche. Sei dem nicht so, hafte sie aus § 812 Abs. 1 S.1 1. Alt. BGB auf Rückzahlung des Geldes; für den Fall, dass das avisierte Ziel, der Erwerb der Grundstücke in Polen, ihrem Vortrag entsprechend von vornherein gar nicht erreichbar gewesen sei, wegen arglistiger Täuschung aus Delikt (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB).
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Die Beklagte hat erstinstanzlich zum einen die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Sie habe ihren Wohnsitz ausschließlich in Polen. Sie hat vorgetragen, die „N.“ habe die Grundstücke von ihr persönlich erwerben sollen. Für eine vermittelnde Tätigkeit als Maklerin habe daher kein Anlass bestanden. Dementsprechend habe der Kläger in einem in Polen geführten Prozess vor dem Berufungsgericht in Danzig in Abänderung seines ursprünglichen Vorbringens vorgetragen, dass er die 50.000 € an die (hiesige) Beklagte als natürliche Person, nicht als Firmeninhaberin gezahlt habe. Zum anderen hat sie die Einrede der Verjährung erhoben und sich hilfsweise damit verteidigt, der Anspruch sei durch die Aufrechnung mit Gegenforderungen erloschen. So habe sie die Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen aus den diversen in Polen geführten Prozessen in Höhe von 13.683,13 € erklärt. Diese schon außergerichtlich erklärte Aufrechnung wiederholt sie vorsorglich als Hilfsaufrechnung. Ferner verteidigt sie sich mit der Aufrechnung mit einer ihr abgetretenen, durch Versäumnisurteil des Bezirksgerichts in Gdansk titulierten Forderung der „N.“ gegen den Kläger in Höhe von 36.316,69 €.
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Das Landgericht hat die Parteien persönlich angehört und sodann die Klage mit der Begründung abgewiesen, es fehle an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Eine Zuständigkeit aus § 21 ZPO sei nicht begründet, denn die zuletzt erfolgte Schilderung des Klägers, die Beklagte habe die 50.000 € als Vorschuss benötigt, da ein Grundstück eines Herrn R. erworben werden sollte, um es dann mit dem Grundstück in R. zu tauschen, sei nicht glaubhaft, weil ein Direkterwerb der Flächen von der Beklagten möglich gewesen wäre und der potentielle Tauschpartner, Herr Bn., nur Pächter der Flächen in R. gewesen sei. Auch könne die Beklagte in Polen nicht als Maklerin tätig werden. Es gebe vielmehr Indizien dafür, dass der Kläger das Grundstück direkt von der Beklagten habe erwerben wollen. So enthalte die vorgelegte Quittung keinen Hinweis auf die Firma der Beklagten, sondern nenne nur deren Namen. Nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 EuGVVO sei die Klage gegen Personen, welche ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, vor dessen Gerichten zu erheben. Ob ein Wohnsitz der Beklagten in Deutschland bestehe, sei nach § 7 ZPO zu beurteilen. Dies sei, wie schon das Landgericht Hildesheim im dortigen Vorprozess festgestellt habe, nicht der Fall; eine polizeiliche Meldung sei insoweit nicht ausreichend, sondern es komme auf den Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse an. Dieser liege nach den Feststellungen des Landgerichts Hildesheim in Polen. Dorthin seien in den in Polen geführten Prozessen auch die außergerichtlichen Schriftsätze des dortigen Bevollmächtigten der Beklagten gerichtet.
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Mit der Berufung hält der Kläger an dem erstinstanzlichen Klageziel fest und vertritt weiterhin die Auffassung, angesichts der Vermutung aus § 344 HGB greife eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Daher sei es Sache der Beklagten, näher darzutun, weshalb es sich nicht um ein Geschäft im Rahmen ihrer einzelkaufmännischen Tätigkeit in A. gehandelt habe, welche auf die Vermittlung und Vermarktung landwirtschaftlicher Flächen gerichtet sei. Da ihr dies nicht gelungen sei, sei eine Zuständigkeit aus § 21 ZPO begründet. Entgegen dem Vortrag beider Parteien habe das Landgericht unzutreffend angenommen, dass der Kläger den Grundbesitz in R. unmittelbar von der Beklagten habe erwerben wollen; dies sei nach polnischem Recht weder damals noch heute möglich. Auch die Annahme des Landgerichts, die Beklagte habe als in Deutschland tätige Maklerin keine landwirtschaftlichen Flächen in Polen vermitteln können, sei unzutreffend; das entsprechende Beklagtenvorbringen sei bereits erstinstanzlich bestritten worden. Schon 1996 habe die Beklagte ihm landwirtschaftliche Flächen in Polen vermittelt.
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Auf den Hinweis des Senats vom 26.04.2013 führt er ergänzend aus, die Beklagte habe ihren Wohnsitz ausweislich der erstinstanzlich vorgelegten Meldebescheinigung in Deutschland. Ein Wohnsitz in Polen sei nicht nachgewiesen. Die deutschen Gerichte seien nach Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVVO zuständig, denn die aus einem vertraglichen Schuldverhältnis, hier einem Auftrag, resultierende Rückzahlungsverpflichtung sei gemäß § 269 Abs. 2 BGB am Ort der gewerblichen Niederlassung zu erfüllen. Nichts anderes gelte für den Fall einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung. Zudem bestehe eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, denn die Beklagte habe sich dadurch, dass sie das Geld nicht zweckentsprechend für den Erwerb des Grundbesitzes in R. verwendet habe, wegen Untreue gem. § 266 StGB strafbar gemacht und hafte deliktisch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, weil sie ihn zur Erlangung des Geldes darüber getäuscht habe, dass er 2005 in Polen ein Grundstück käuflich erwerben könne.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 16.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 62.666,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält daran fest, nie als Maklerin für den Kläger tätig geworden zu sein. Vermittlerin in dem von dem Kläger angesprochenen früheren Fall sei die Fa. B. gewesen, bei welcher sie als kaufmännische Angestellte tätig war. Bis zur Erhebung der hiesigen Klage habe der Kläger denn auch stets vorgetragen, bei den 50.000 € habe es sich um ein Darlehen an die „N.“ gehandelt, um den Vertrag vom 22.03.2004 hinsichtlich der Übertragung der Flächen in R. an die „N.“ zu erfüllen. Dies habe der Kläger in den Verfahren vor den polnischen Gerichten selbst so geschildert. Auch aus seiner Einlassung in einem weiteren, gegen die Eheleute B. in Polen geführten Verfahren, er sei anlässlich des Verkaufs der Flächen in R. an Frau W. durch die Beklagte als Gesellschafter nicht darüber informiert worden, dass er das Vorkaufsrecht habe, zeige, dass er sich lediglich als Gesellschafter der „N.“ um das Vorkaufsrecht für die Flächen gebracht sehe, mithin diese durch die „N.“ hätten erworben werden sollen. Demgegenüber habe er zuvor nie behauptet, dass die Beklagte als Maklerin tätig geworden sei. Selbst in einem vor der hiesigen Klage angebrachten und sodann zurückgenommenen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gegenüber dem Amtsgericht Uelzen vom 03.11.2011 sei, was unstreitig blieb, die dort (ebenfalls) geltend gemachte Hauptforderung von 50.000 € als „Darlehensrückzahlung wegen Barzahlung vom 22.04.2005“ bezeichnet worden.
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Im Ergebnis zweier Hinweise des Senats haben die Parteien ihr Vorbringen zu den zwischen ihnen in Polen geführten Prozessen präzisiert. Danach sind bzw. waren seit 2008 im weiteren Zusammenhang mit dem Engagement des Klägers bei der „N.“ vor polnischen Gerichten insgesamt neun Zivilprozesse anhängig. Nur einer dieser Prozesse wurde jedoch zwischen den hiesigen Parteien geführt, während im Übrigen jeweils die „N.“ auf Kläger- oder Beklagtenseite die Prozessgegnerin des hiesigen Klägers war. In einem vor dem Bezirksgericht Koszalin (Geschäftsnummer I C 206/10) geführten Prozess streiten die hiesigen Parteien um Ansprüche aus einem „Bewirtschaftungsvertrag“. In keinem der Verfahren war über einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der hier streitgegenständlichen 50.000 € zu befinden. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den vor polnischen Gerichten geführten Verfahren nimmt der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug.
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Der Kläger sowie die „N.“ hatten die Beklagte im Jahr 2007 vor dem Landgericht Hildesheim (6 O 34/07) zunächst auf die Übertragung ihrer Gesellschaftsanteile an der „N.“ sowie von Grundbesitz in K. und später auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht Hildesheim hat die Klage durch Urteil vom 30.01.2008 wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Beklagte unterhalte keinen doppelten Wohnsitz, sondern habe sämtliche wesentliche Lebensumstände wie Eheleben, Wohnung, Grundbesitz, Arbeit in einem selbständigen Betrieb sowie anderweitige Geschäftstätigkeit und daher auch ihren Wohnsitz in Polen. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf die bei den Akten befindliche Urteilsabschrift Bezug genommen (Bd. I Bl. 39 ff. d.A.). Die Berufung des Klägers ist durch Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 26.05.2008 (16 U 31/08) zurückgewiesen worden.
II.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den klageweise geltend gemachten Anspruch nicht eröffnet ist.
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1. Der Rechtsstreit ist nicht schon gem. Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) wegen einer anderweitigen Rechtshängigkeit des Verfahrensgegenstandes vor Gerichten in Polen auszusetzen.
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Nach der Vertiefung des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz zu den Beteiligten und dem Verfahrensgegenstand der vor polnischen Gerichten zwischen ihnen anhängigen oder anhängig gewesenen Verfahren steht fest, dass zu der zum hiesigen Streitstoff gehörenden Zahlung von 50.000 € an die hiesige Beklagte und deren rechtliche Bewertung zwar in mehreren der in Polen anhängig gewesenen Verfahren in weiterem Zusammenhang mit der dort jeweils geltend gemachten Hauptforderung vorgetragen worden ist, die Forderung auf Rückzahlung dieses Betrages aber weder Streitgegenstand eines aktuell noch rechtshängigen Verfahrens vor polnischen Gerichten ist noch hierüber bereits in Polen rechtskräftig entschieden worden ist. Zudem sind die vor den polnischen Gerichten anhängig gewesenen oder noch anhängigen Verfahren überwiegend nicht zwischen den hier streitenden Parteien, sondern unter Beteiligung der „N.“ geführt worden. Nur eines der in Polen noch anhängigen Verfahren wird überhaupt zwischen den hier streitenden Parteien geführt, in den weiteren Verfahren ist jeweils aktiv oder passiv die „N.“ Partei. In jenem Verfahren geht es jedoch um vertragliche Ansprüche aus einem „Bewirtschaftungsvertrag“, mithin jedenfalls nicht um die Rückzahlung der hier im Streit stehenden 50.000 € oder Zinsen hierauf. Anlass für eine Aussetzung des hiesigen Rechtsstreits gem. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO oder eine bereits feststehende vorrangige Zuständigkeit der polnischen Gerichte im Sinn von Art. 27 Abs. 2 EuGVVO bestehen daher nicht.
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2. Soweit der Kläger in den beiden vor dem Bezirksgericht Slupsk (Az. 1 C 317/09 und 1 C 332/10) anhängig gewesenen Prozessen gegen die „N.“ wegen der Zinsen auf das dieser gewährte Darlehen von 700.000 € für die Jahre 2006 und 2007 zur Begründung seiner Zinsforderung auch die hier in Rede stehende Zahlung von 50.000 € eingeführt hatte, steht die Rechtskraft der Entscheidungen der polnischen Gerichte hierüber der erneuten Entscheidung auch über den Zinsanspruch nicht entgegen, da der Kläger den diesbezüglichen Vortrag im Verlauf der dortigen Prozesse dahin abgeändert hatte, dass die Auszahlung dieser 50.000 € nicht als Darlehen, sondern als Vorschuss für den Erwerb des Grundbesitzes in R. erfolgt sei. Der hier in Rede stehende, der Beklagten in bar ausgehändigte Geldbetrag von 50.000 € war danach nicht mehr Grundlage für die dortige Entscheidung über den Zinsanspruch.
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3. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die deutschen Gerichte für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch international nicht zuständig sind. Anders als das Landgericht gemeint hat, könnte indessen § 21 ZPO die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch dann nicht zu begründen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorlägen, denn diese Bestimmung wird insoweit durch die Regelungen des EuGVVO verdrängt. Im Anwendungsbereich der EuGVVO kann die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht auf Vorschriften des nationalen Rechts gestützt werden (vgl. etwa Stein/Jonas-Wagner, Rn. 31 d. Einl. zu EuGVVO).
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Gem. Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 EuGVVO sind grundsätzlich die Gerichte in Polen zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch international zuständig, da die Beklagte dort ihren Wohnsitz hat. Eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte könnte nur nach den besonderen Bestimmungen in Abschnitt 2 bis 7 EuGVVO begründet sein. Keiner der dortigen Ausnahmetatbestände ist jedoch erfüllt:
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a) Für das Berufungsverfahren hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen, dass die Beklagte über keinen Wohnsitz in Deutschland verfügt, sondern ihren Wohnsitz in Polen hat.
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Das Landgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass gem. Art. 59 EuGVVO für die Frage, ob in dem Mitgliedsstaat, dessen Gericht angerufen wird, ein Wohnsitz besteht, dessen Recht anzuwenden ist. Entscheidend ist insoweit gem. § 7 ZPO, ob dort der räumliche Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse der Person liegt. Hierfür genügt eine Meldeanschrift für sich allein nicht. Schon das Landgericht Hildesheim hat im dortigen Urteil vom 30.01.2008 festgestellt, dass die Beklagte ihren ständigen Wohnsitz weder in A. noch in H. habe, sondern in Polen. Dem ist der Kläger nicht erheblich entgegen getreten. Insbesondere lässt die Berufungsbegründung nicht erkennen, weshalb die zugrunde liegende tatsächliche Feststellung unzutreffend sein soll, wonach die Beklagte ungeachtet der Meldeanschriften aus den schon im Urteil des Landgerichts Hildesheim genannten tatsächlichen Gründen ihren Lebensmittelpunkt in Polen habe, oder ob insoweit zwischenzeitlich eine Veränderung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist. Soweit er darauf abstellt, die Schreiben des polnischen Bevollmächtigten seien an die Geschäftsanschrift der „N.“ gerichtet, mag dies zutreffen; es handelt sich dabei aber nur um ein verstärkendes Hilfsargument des Landgerichts. Auch mit seinen weiteren, in Reaktion auf den Hinweis des Senats erfolgten Ausführungen zeigt der Kläger keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit dieser Feststellung auf, sondern wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag zur Meldeanschrift der Beklagten in A. und H. . Soweit er daneben ausführt, die Beklagte habe ihren Wohnsitz in Polen nicht nachgewiesen, bedurfte es dessen nicht, denn dass die Beklagte zumindest auch über einen Wohnsitz in Polen verfügt, stand zwischen den Parteien nicht im Streit.
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b) Auch Art. 60 EuGVVO führt nicht dazu, dass aufgrund der Eintragung der Firma der Beklagten im Handelsregister zumindest von einem Geschäftssitz der Beklagten in Deutschland auszugehen wäre. Diese Vorschrift betrifft den Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen, mithin rechtsfähige Vermögensmassen. Die Firma eines Kaufmanns ist jedoch nur der Name, unter welchem jener im Geschäftsverkehr auftritt, nicht aber eine rechtlich verselbständigte Vermögensmasse (vgl. etwa Stein-Jonas/Bork, Rn. 26 zu § 50 ZPO).
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4. Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist auch nicht über einen der in Art. 5 EuGVVO genannten Gerichtsstände begründet:
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a) Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Ziffer 1 lit. a) EuGVVO liegt in Polen.
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Insoweit kommt es nicht auf den Ort an, an dem die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen ist, sondern auf den Ort, an dem gerade diejenige Verpflichtung zu erfüllen wäre, auf welche der Kläger seine Klage materiell-rechtlich gestützt ist (Zöller-Geimer, Rn. 1c) zu Art. 5 EuGVVO; EuGH, Urt. v. 06.10.1976, Rs. 14/76, Slg. 1976, 1497). Hierbei ist auf die ursprüngliche vertragliche Primärpflicht abzustellen, nicht hingegen auf Sekundäransprüche (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29.06.2001, 4Z AR 56/01, hier zitiert nach juris, veröffentlicht u.a.: BB 2001, 1923), so dass es für die Bestimmung des Erfüllungsortes unerheblich ist, dass der Kläger einen auf die Nichterfüllung einer Vertragspflicht gestützten Rückforderungsanspruch geltend macht.
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Nach dem insoweit maßgeblichen Klägervortrag hätte die Erfüllung der Vertragspflicht der Beklagten darin bestanden, mittels des ihr überlassenen Geldbetrags die Ausgleichsflächen bei K. zu beschaffen, welche dann dem Zeugen Bn. anstatt der bisher von ihm gepachteten und bewirtschafteten Grundstücke in R. angeboten werden sollten, damit schließlich die von ihm bewirtschafteten Flächen in R. der „N.“ zur Bewirtschaftung überlassen werden könnten. Entgegen der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung handelt es sich dabei nicht um eine vom Sitz des Maklerbüros in A. aus durch telefonische Vermittlung zu erbringende Leistung der Beklagten. Anders als bei einer reinen Vermittlungsleistung einer Maklerin, für welche diese eine Provision hätte beanspruchen können, sollte die Beklagte nach dem Vortrag des Klägers unter Verwendung des ihr zu diesem Zweck ausgehändigten Geldbetrages die zum Austausch vorgesehenen Flächen zunächst beschaffen, um dann mit dem Zeugen Bn. einen Austausch gegen ihre an ihn verpachteten Flächen bei R. auszuhandeln. Es handelt sich daher um ein mehraktiges, komplexes Geschehen, wobei gerade der Teil der Leistung, auf dessen Scheitern das Rückforderungsbegehren gestützt ist, nämlich der Erwerb der Ausgleichsflächen und deren Tausch gegen die von dem Zeugen Bn. bewirtschafteten Flächen, in Polen zu erbringen gewesen wäre. Es handelte sich dabei nicht um eine reine Vermittlungsleistung, sondern die Beklagte hätte mit dem Erwerb der Ausgleichsflächen bei K. zunächst einen in Polen eintretenden Erfolg herbeiführen müssen, bevor sie dann in einem zweiten Schritt den ebenfalls in Polen zu vollziehenden Austausch der Pachtobjekte mit dem Zeugen Bn. hätte verhandeln müssen. Auch der abschließend nach dem Klägervorbringen herbeizuführende Erfolg, die dann „frei“ gewordenen Flächen bei R. der „N.“ zur Bewirtschaftung zur Verfügung zu stellen, wäre in Polen zu bewirken gewesen. Gerade weil zwischen den Parteien nicht im Streit steht, dass ein Direkterwerb der Grundstücke durch den Kläger nicht möglich war, konnte sich die Beklagte nicht, wie bei einem Maklervertrag, darauf beschränken, ihm den Kontakt zu dem Verkäufer der Ausgleichsflächen in K. zu vermitteln, sondern musste, um den angestrebten Erfolg zu ermöglichen, diese selbst erwerben und sie dann ihrem eigenen Vertragspartner, dem Pächter der ihr gehörenden Grundstücke bei R., zum Tausch anbieten, um schließlich die eigenen Grundstücke bei R. in die „N.“ einzubringen. Dieser umfassende, durch mehrere in Polen vorzunehmende Leistungshandlungen und dort zu bewirkende Erfolge geprägte Pflichtenkreis unterscheidet das nach dem Klägervortrag begründete Vertragsverhältnis von einem reinen Maklervertrag. Es handelt sich vielmehr um einen typengemischten Vertrag, der insoweit Elemente des Geschäftsbesorgungsvertrags enthält, als die Beklagte die von ihr mittels des ihr überlassenen Geldbetrags zu bewirkenden Grundstücksgeschäfte mittelbar zur Wahrnehmung nicht nur eigener, sondern auch fremder Vermögensinteressen tätigen sollte, indem ihr eigener Grundbesitz bei R. dadurch im Ergebnis der „N.“ zur Bewirtschaftung zur Verfügung stehen sollte, was auch im Vermögensinteresse des Klägers als deren Gesellschafter lag. Von einem Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinn von § 675 BGB unterscheidet sich die nach dem Klägervortrag vorliegende Vertragskonstellation aber dadurch, dass die Beklagte, die selbst Gesellschafterin der „N.“ war, auch unmittelbar im eigenen Vermögensinteresse gehandelt hätte, indem sie der Gesellschaft die Grundstücke zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt hätte. Angesichts dessen ist auch die von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 17.06.2013 zitierte Rechtsprechung zum Erfüllungsort bei Maklerverträgen auf das vorliegende Vertragsverhältnis nicht übertragbar.
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Soweit der Kläger in seiner Stellungnahme auf den Hinweis des Senats vom 26.04.2013 die Auffassung vertreten hat, der Erfüllungsort für die Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten sei gem. § 269 Abs. 2 BGB am Ort der gewerblichen Niederlassung, mithin in A., begründet, führt auch dies zu keiner anderen Bewertung. Denn § 269 Abs. 2 BGB bestimmt lediglich, dass unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen der Ort der gewerblichen Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes tritt. Die Vorschrift ergänzt damit die Vermutungsregel aus § 269 Abs. 1 BGB, wonach der Leistungsort am Wohnsitz des Schuldners liegt, wenn dieser weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Diese Voraussetzung für das Eingreifen der Vermutungsregel aus § 269 Abs. 1 BGB liegt jedoch aus den vorstehend genannten Gründen nicht vor; vielmehr ergibt sich aus dem Inhalt der von dem Kläger behaupteten vertraglichen Vereinbarung, dass diese in Polen zu erfüllen gewesen wäre.
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Für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ist auf der Grundlage des für die Prüfung der Zuständigkeit maßgeblichen Klägervorbringens kein Raum, da hiernach über die Verwendung des Geldbetrags eine vertragliche Vereinbarung bestanden hätte.
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b) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist auch nicht aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO begründet.
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Der Kläger stützt seine Rückforderung auf einen vertraglichen Anspruch. Sein Tatsachenvorbringen lässt hingegen nicht erkennen, dass die Beklagte auch deliktisch auf Schadensersatz haften könnte.
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Ein als Untreue nach § 266 StGB strafbares Verhalten der Beklagten ist nicht schlüssig dargelegt: Voraussetzung für einen Missbrauch einer ihr eingeräumten Verfügungsmacht über das Vermögen des Klägers wäre, dass sie bislang überhaupt über den ihr - zu welchem Zweck auch immer - anvertrauten Geldbetrag verfügt hätte. Schon das lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen. Der Umstand, dass das aus Sicht des Klägers zunächst erstrebte Ziel, der Erwerb von Ausgleichsflächen zum Tausch mit dem Pächter des Grundbesitzes in R., nicht erreicht worden ist, bedeutet keinesfalls zwingend, dass die Beklagte deshalb anderweitig über das Geld verfügt hat, zumal der Kläger zur Klagebegründung ausdrücklich auf die Zeugenaussage der Beklagten in einem Rechtsstreit vor dem Bezirksgericht K. (Geschäftsnummer 1 C 317/09) Bezug genommen hatte. Dort hatte die Beklagte jedoch ausweislich der als Anlage K 3 vorgelegten Übersetzung ihrer Zeugenaussage erklärt, sie verfüge weiterhin über den in Rede stehenden Geldbetrag und könne diesen jederzeit an den Kläger zurückgeben. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 17.06.2013 meint, der Umstand, dass die Beklagte die Aufrechnung mit eigenen Forderungen erklärt hat, bedeute, dass sie den ihr anvertrauten Geldbetrag in ihr Privatvermögen überführt habe, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Die Aufrechnung mit eigenen Forderungen gegen einen Anspruch auf Rückzahlung der ihr überlassenen 50.000 € würde selbst dann, wenn ihr diese als Maklerin überlassen worden wären, nicht voraussetzen, dass der Geldbetrag zuvor gegenständlich oder buchhalterisch in ihr Privatvermögen übertragen worden wäre, denn die Beklagte haftet für die in ihrem einzelkaufmännisch geführten Gewerbebetrieb gegen sie begründeten Forderungen ohnehin mit ihrem gesamten Vermögen und wäre ohne besondere Abreden, zu denen nichts vorgetragen ist, nicht gehindert, sich von einer solchen Verbindlichkeit im Wege der Aufrechnung mit eigenen Forderungen zu befreien.
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Der Kläger hat auch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB begründet sein könnte. Sein Vorbringen, die Beklagte habe ihn darüber getäuscht, dass er in Polen Grundbesitz erwerben könne, steht in offenem Widerspruch zu dem Berufungsvorbringen, das Landgericht habe zu Unrecht und gegen den Vortrag beider Parteien angenommen, dass ein solcher Direkterwerb beabsichtigt gewesen sei. Insoweit hatte er jedoch mit der Berufungsbegründung zu Recht darauf hingewiesen, dass er im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptet hatte, er habe die Grundstücke in R. direkt von der Beklagten erwerben wollen. War dies nach seinem Vorbringen nicht beabsichtigt, konnte die Beklagte ihn aber auch nicht in einer für die Hingabe des Geldes relevanten Weise darüber täuschen, dass ein solcher Erwerb möglich gewesen wäre. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 17.06.2013 meint, eine Täuschungshandlung habe auch darin gelegen, dass sie ihm zugesagt habe, das Geld in die „N.“ zu investieren, handelt es sich um eine Zusage, die aus dem Zusammenhang mit seinem übrigen Vorbringen nur nach dem Scheitern der ursprünglich vorgesehenen Verwendung des Geldbetrages erfolgt sein kann, mithin für die relevante Vermögensverfügung des Klägers, die Hingabe des Geldbetrages, nicht ursächlich geworden sein kann.
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c) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist auch nicht gem. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO begründet.
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Art. 5 Nr. 5 EuGVVO begründet eine Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung vor dem Gericht an dem Ort, an dem sich diese befindet. Der von dem Kläger für die Zuständigkeit der deutschen Gerichte als maßgeblich angesehene Umstand, dass die Beklagte in Deutschland als Maklerin tätig ist, ein Geschäftslokal in A. unterhält und als e.K. im Handelsregister eingetragen ist, begründet eine solche Zuständigkeit für sich genommen noch nicht. Eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte wäre nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO vielmehr nur unter der weiteren Voraussetzung begründet, dass das Maklerbüro der Beklagten als Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung eines anderweitig belegenen Stammhauses anzusehen wäre. Daran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch. Der EuGH (Urt. v. 22.11.1978, Rs. 33/78, Slg. 1978, 2183) vertritt die Auffassung, dass zur Vermeidung einer Häufung von Zuständigkeiten für ein und denselben Rechtsstreit eine extensive Auslegung der Ausnahmen zu Art. 2 EuGVVO zu vermeiden sei. Er legt die Begriffe „Niederlassung, Agentur oder Zweigniederlassung“ konventionsautonom dahin aus, dass damit ein „Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint (sei), der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit schließen können, der dessen Außenstelle ist.“ Es muss sich mithin um eine auf Dauer verselbständigte organisatorische Einheit handeln, die nach außen die Kompetenz zur Wahrnehmung der Belange des Stammhauses beansprucht (Stein/Jonas-Wagner, Rn. 191 zu Art. 5 EuGVVO). Schon dies ist bei der Tätigkeit der Beklagten in A. nicht der Fall, denn es fehlt an der organisatorisch verselbständigten, mit einer eigenen Geschäftsführung versehenen Organisationseinheit, die in Deutschland die Belange eines in Polen ansässigen „Stammhauses“ wahrnimmt. Die Beklagte tritt in Deutschland vielmehr lediglich unter einer hiesigen Firma auf, nimmt also - personenidentisch - hier zulässigerweise unter ihrer Firma am Rechtsverkehr teil. Zu einer Geschäftstätigkeit der Beklagten in Polen lässt sich dem Vortrag der Parteien nur entnehmen, dass sie Gesellschafterin der „N.“ ist. Auch der Kläger behauptet nicht, dass die Beklagte in Polen ein weiteres Maklerbüro unterhielte, welches als Stammhaus des in A. betriebenen Maklerbüros angesehen werden könnte. Eine im zumindest mittelbaren Interesse auch der „N.“ ausgeübte Maklertätigkeit würde indessen für Art. 5 Nr. 5 EuGVVO nicht genügen, da Makler gegenüber dem Auftraggeber nicht weisungsgebunden, sondern selbständig tätig sind (vgl. EuGH, Urt. v. 18.03.1981, Rs. 139/80, Slg. 1981, 819, für einen Handelsvertreter).
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Art. 5 Nr. 5 EuGVVO lässt sich nicht erweiternd dahin auslegen, dass auch dann, wenn ein Unionsbürger von der Niederlassungsfreiheit in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch gemacht hat und nur dort als Einzelkaufmann einen Gewerbebetrieb unterhält, dieser in einem anderen Mitgliedsstaat eingerichtete Gewerbebetrieb als Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung im Sinn von Art. 5 Nr. 5 EuGVVO anzusehen wäre. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO setzt nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des EuGH eine grenzüberschreitende gewerbliche Tätigkeit in mindestens zwei Mitgliedsstaaten voraus, während es bei dem Auseinanderfallen von Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat und Ausübung eines Gewerbes in einem anderen Mitgliedsstaat bei der Grundregel aus Art. 2 Abs. 1 EuGVVO zu verbleiben hat.
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Zudem fehlt es auch daran, dass der geltend gemachte Anspruch auch auf der Grundlage des Klägervorbringens nicht, wie es nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO erforderlich wäre, bei dem Betrieb der Niederlassung begründet worden ist. Erforderlich wäre insoweit, dass es sich entweder um vertragliche oder außervertragliche Rechte und Pflichten in Bezug auf die eigentliche Führung der Niederlassung handeln muss, also z.B. um Ansprüche aus Mietverträgen für das Ladenlokal, oder aber um Rechtsstreitigkeiten, die sich auf Verbindlichkeiten beziehen, welche die Niederlassung im Namen des Stammhauses eingegangen sind und welche in dem Staat zu erfüllen sind, in welchem die Niederlassung sich befindet (EuGH, Urt. v. 22.11.1978, Rs. 33/78 a.a.O.). Ersteres ist nicht der Fall, weil die von dem Kläger behauptete Vereinbarung von der Beklagten allenfalls in Ausübung ihrer Maklertätigkeit begründet worden wäre, nicht aber zum Betrieb ihres Maklerbüros selbst. Letzteres ist nicht der Fall, weil die Verbindlichkeit aus den oben bereits genannten Gründen nicht in Deutschland, sondern in Polen zu erfüllen gewesen wäre.
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Da der Senat bei der hier vertretenen Auffassung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung von Art. 5 Nr. 5 EuGVVO abweicht, ist eine Vorlage gem. Art. 267 AEUV nicht geboten.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Urteils sowie des erstinstanzlichen Urteils erfolgen gem. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Senat hält im Ergebnis der Schlussberatung die Zulassung der Revision des Klägers gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht für geboten. Hinsichtlich der Frage, ob eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO begründet sein könnte, handelt es sich um eine auf den Umständen des Einzelfalls beruhende Entscheidung. Die Entscheidung des Senats beruht auch nicht auf seiner Auffassung dazu, dass die selbständige Tätigkeit der Beklagten als Maklerin in Deutschland nicht als Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung im Sinn von Art. 5 Nr. 5 EuGVVO anzusehen ist. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde es aus den zu Ziffer II. genannten Gründen hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO auch daran fehlen, dass der geltend gemachte Anspruch unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH nicht bei dem Betrieb der Niederlassung im Sinn von Art. 5 Nr. 5 EuGVVO begründet worden ist.
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Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 4 Abs. 1 Satz 1 2. HS ZPO.
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