Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (12. Zivilsenat) - 12 Wx 44/13
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. - 4. wird der Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) - Grundbuchamt - vom 04. Juli 2013 aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen, die zugunsten der Beteiligten zu 5. in Abt. II Nr. 1 eingetragene Eigentumsübertragungsvormerkung zu löschen.
Gründe
I.
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Die Beteiligten zu 1. bis 4. sind als Eigentümer in Erbengemeinschaft des im Grundbuch von ..., Blatt ... eingetragenen Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Für die Beteiligte zu 5. ist in Abt. II am 01. August 1996 eine Eigentumsübertragungsvormerkung eingetragen worden.
- 2
Mit notariellen Kaufvertrag des Notars Dr. B. in F. (UR-Nr.: 619/95) vom 21. Dezember 1995 hat der Beteiligte zu 4. das o. g. Grundstück an die GbR „Bauherrengemeinschaft C.“ bestehend aus den Gesellschaftern H. Br., M. Br. und H. Ht. verkauft. In dem Vertrag heißt es u. a, dass die Vertragsparteien unter Verzicht auf ihr eigenes Antragsrecht einseitig unwiderruflich ausschließlich Frau S. R. und die Beteiligte zu 6., beide geschäftsansässig in F., S. Straße 34b, und zwar jede einzeln unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ermächtigten, in ihrem Namen alle Erklärungen und Bewilligungen zum notariellen Protokoll oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben und alle Anträge getrennt oder eingeschränkt zu stellen, abzuändern und in gleicher Weise zurückzunehmen, die für den grundbuchrechtlichen Vollzug dieses Vertrages erforderlich oder zweckmäßig seien. Die Bevollmächtigten seien auch berechtigt, diesen Vertrag inhaltlich zu verändern oder zu ergänzen, wenn ihnen übereinstimmende schriftliche Anweisungen der Vertragsparteien vorlägen. Die Bevollmächtigten seien berechtigt, gegebenenfalls die Auflassungsvormerkung auf den Verkäufer wieder umschreiben zu lassen, sofern der Kaufvertrag nicht zur Durchführung gelange und die Abtretung gemäß § 3 Abs. 1 lit. a) unwirksam werde. Die Bevollmächtigten seien analog dazu auch zur Löschung der im Falle von § 3 Abs. 1 lit. b) zugunsten des Käufers eingetragenen Auflassungsvormerkung berechtigt, sofern der Kaufvertrag nicht zur Durchführung gelange. Der Notar werde mit dem Vollzug dieser Urkunde beauftragt. Er solle insbesondere notwendige Genehmigungen, Zeugnisse und Gläubigererklärungen einholen und entgegennehmen und vorkaufsberechtigten Körperschaften auf Verlangen den Inhalt des Vertrages mitteilen und Negativbescheinigungen zu den Vorkaufsrechten einholen. Genehmigungen sollten mit ihrem Eingang beim Notar allen Beteiligten gegenüber als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein. Jede Vertragspartei sei zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt, wenn ein gesetzlich Vorkaufsberechtigter dieses Recht in Bezug auf das Grundstück oder Teile davon wirksam ausübe.
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Die Beteiligte zu 5. teilte dem Beteiligten zu 4. mit Schreiben vom 10. Dezember 1996 mit, dass sie wegen Nichtdurchführung des Bauprojektes und der Baurealisierung ihren Rücktritt vom Kaufvertrag erklären müsse.
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Mit Schreiben vom 30. Mai 2013 hat die Beteiligte zu 6. beantragt, die Eigentumsübertragungsvormerkung vom 01. August 1996 zu löschen, da die Käufer den Vertrag nicht erfüllt hätten.
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Der Beteiligte zu 4. hat mit Schreiben vom 31. Mai 2013 für die Erbengemeinschaft, bestehend aus den Beteiligten zu 1. bis 4., ebenfalls einen Antrag auf Löschung der Eigentumsübertragungsvormerkung gestellt.
- 6
Mit Beschluss vom 04. Juli 2013 hat der Rechtspfleger des Grundbuchamtes den Antrag der Beteiligten zu 6. zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Eintragungsgrundlage für die Eintragung der Eigentumsübertragungsvormerkung zugunsten der Erwerberin (GbR) die Bewilligung in der Urkunde des Notars B. in F. (UR-Nr.: 619/95) gewesen sei. Dieses Notariat sei bereits aufgelöst worden und Herr Dr. B. nicht mehr als Notar tätig. Frau U. P. habe demnach nicht mehr als bevollmächtigte Notariatsangestellte, sondern als Privatperson gehandelt. Bei einer Bevollmächtigung von Notariatsangestellten stehe in der Regel nicht deren Person, sondern vielmehr deren berufliche Stellung im Vordergrund. Von einer wirksamen Bevollmächtigung könne hier demzufolge nicht mehr ausgegangen werden. Frau U. P. stehe kein eigenes Antragsrecht gemäß § 13 GBO zu und sie sei mangels wirksamer Vollmacht auch nicht mehr zur Abgabe der Löschungsbewilligungen berechtigt. Zur Löschung des Rechtes in Abt. II Nr. 1 bedürfe es einer Löschungsbewilligung der Berechtigten in der Form des § 29 GBO. Diese könne gegebenenfalls im Klagewege durch Urteil ersetzt werden.
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Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 4. als Vertreter der Beteiligten zu 1. bis 4. mit Schreiben vom 18. Juli 2013 „auch im Auftrag von Frau U. P.“ Beschwerde eingelegt.
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Mit Vorlageschluss vom 25. Juli 2013 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt. Zur Begründung wird darin ausgeführt, dass die Beschwerde aus den Gründen des Beschlusses vom 04. Juli 2013 nicht abgeholfen werden. Für die im Auftrag der U. P. und für die Erbengemeinschaft A. abgegebenen Erklärungen liege keine Vollmacht vor. Mit der Auflösung des Notariats habe auch das Angestelltenverhältnis der Notariatsangestellten U. P. geendet. Damit seien nach § 168 Abs. 1 Satz 1 BGB auch sämtliche in diesem Zusammenhang erteilten Angestelltenvollmachten erloschen.
- 9
Mit Schreiben vom 25. September 2013 hat die Beteiligte zu 6. mitgeteilt, dass sie den Beteiligten zu 4. bevollmächtige, in ihrem Namen alle erforderlichen Anträge zu stellen, die geeignet sind, die Eigentumsübertragungsvormerkung aus dem Grundbuch zu entfernen.
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Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben mit Schreiben vom 28., 29. und 30. September 2013 mitgeteilt, dass sie den Beteiligten zu 4. bevollmächtigt haben und erneut bevollmächtigten, in ihrem Namen alle erforderlichen Anträge zu stellen, die geeignet sind, die Eigentumsübertragungsvormerkung aus dem Grundbuch zu entfernen.
II.
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Die vom Beteiligten zu 4. im eigenen Namen sowie als Vertreter Beteiligten zu 1. bis 3. und der Beteiligten zu 6. eingelegte Beschwerde ist nach §§ 71 Abs. 1, 73 GBO zulässig und auch begründet. Denn das vom Grundbuchamt angenommene Löschungshindernis besteht nicht.
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Hier wurde schon durch die Einreichung der ersten Urkunde durch den Notar dem Grundbuchamt gegenüber die Vollmacht der Beteiligten zu 6. kundgegeben. Diese Vollmacht ist auch wirksam erteilt und ein Widerruf nicht erklärt worden. Für das Grundbuchamt ist daher deren Bestand offenkundig. Hat - wie hier - ein Vertreter grundbuchrechtlich relevante Erklärungen abgegeben, setzt der Grundbuchvollzug den Nachweis der Vertretungsmacht voraus, weil dem Vertretenen die Erklärungen des Vertreters nur unter dieser Voraussetzung gleichsam als eigene zugerechnet werden und nur so eine Bewilligung des nach § 19 GBO Berechtigten vorliegt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Anforderungen an den Nachweis regelt § 29 Abs. 1 GBO. Danach sind Abgabe und Zugang der Erklärung i. S. v. § 167 Abs. 1 BGB durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen. Die Erteilung einer sog. Angestelltenvollmacht, mit der Notariatsangestellte zur Abgabe rechtsgeschäftlicher oder verfahrensrechtlicher Vertretererklärungen bevollmächtigt werden, richtet sich regelmäßig nach § 171 Abs. 1 BGB (z. B. OLG Brandenburg, NotBZ 2012, 133). Danach wird die Kundgabe einer intern erteilten Vollmacht einer Außenvollmacht gleichgewertet. Die Kundgabe der erfolgten (internen) Bevollmächtigung ist keine rechtsgeschäftliche (externe) Vollmachtserteilung, sondern lediglich ein deklaratorischer Akt. Denn die notarielle Niederschrift selbst ist die „besondere Mitteilung“ über die Vollmachtserteilung.
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Die Vollmacht ist hier auch nicht nach § 168 Satz 1 BGB erloschen. Denn die Erteilung einer Vollmacht (§ 167 Abs. 1 BGB) ist ein abstraktes und in seiner Wirksamkeit von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis grundsätzlich unabhängiges Rechtsgeschäft. Nach § 168 Satz 1 BGB bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Erteilung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis. Erteilt eine Partei zur Durchführung eines Grundstückskaufvertrages einem Dritten eine Vollmacht, so liegt der Vollmachtserteilung regelmäßig ein Auftrag (§ 662 BGB) oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) zugrunde. Der Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Beteiligten zu 1. bis 5. und der Beteiligten zu 6. ist hier nicht erloschen. Vielmehr ergibt sich im Rahmen einer Auslegung hierzu (§§ 133, 157 BGB), dass es vom Bestand eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zwischen der Beteiligten zu 6. als Notariatsangestellter und dem Notar unabhängig ist. Hätten die Vertragsbeteiligten dies nicht gewollt, hätten sie der „jeweiligen Notarangestellten“ Vollmacht erteilen können. Denn auch eine solche N. N.- Angestelltenvollmacht wäre ausreichend gewesen (z. B. OLG Dresden, NotBZ 2012, 135, OLG Brandenburg, NotBZ 2012, 133; Gergaut, NotBZ 2012, 125).
III.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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Referenzen
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- BGB § 168 Erlöschen der Vollmacht 3x
- BGB § 662 Vertragstypische Pflichten beim Auftrag 1x
- GBO § 19 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- BGB § 181 Insichgeschäft 1x
- GBO § 71 1x
- GBO § 13 1x
- GBO § 29 2x
- GBO § 73 1x
- BGB § 675 Entgeltliche Geschäftsbesorgung 1x
- BGB § 167 Erteilung der Vollmacht 2x
- BGB § 164 Wirkung der Erklärung des Vertreters 1x