Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Senat für Familiensachen) - 3 UF 132/16

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird deren Hilfsantrag entsprechend - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen und Abweisung des Hauptantrages - der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Salzwedel vom 14. Juni 2016, Az.: 50 F 134/15 VA, teilweise, nämlich zu Ziffer 5. des Tenors wie folgt abgeändert und neu gefasst:

"5. Die Antragstellerin wird hinsichtlich der zu Gunsten des Antragsgegners bestehenden Schweizer Versorgungsanwartschaften auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen".

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens findet nicht statt.

III. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde gegen die Senatsentscheidung wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat im Hinblick auf ihren Hilfsantrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, während sie mit dem Hauptantrag, den Versorgungsausgleich bezüglich der von ihr erworbenen Versorgungsanrechte wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG zu Lasten des Antragsgegners auszuschließen, nicht durchzudringen vermag.

2

Nach § 27 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich ausnahmsweise dann nicht statt, soweit er grob unbillig wäre, wobei dies nur dann der Fall ist, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

3

Der Sachverhalt des Entscheidungsfalls bietet keinerlei Anlass, vom Regelfall der Halbteilung, den auch das Amtsgericht zutreffend in den Ziffern 1 bis 4 seines Beschlusstenors beachtet hat, abzuweichen.

4

Soweit nämlich die Antragstellerin die Ungewissheit der künftigen Entwicklung der vom Antragsgegner als in der Schweiz arbeitenden Zimmermanns während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte als Argument für eine grobe Unbilligkeit ins Feld führt, ist nämlich Folgendes anzumerken:

5

Zutreffend ist, das das bei einem Schweizer Versorgungsträger bestehende sog. "Freizügigkeitsguthaben" nicht nach den Vorschriften über den Versorgungsausgleich bei der Scheidung intern oder extern ausgeglichen werden können. Denn nach § 19 Abs. 1 VersAusglG findet, wenn ein Anrecht nicht ausgleichsreif ist, insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. Nach Absatz 2 Nr.4 der Vorschrift ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, wenn es bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträgerbesteht.Durch diese Regelung soll berücksichtigt werden, dass ein ausländischer Versorgungsträger nicht durch deutsche Gerichte verpflichtet werden kann, die ausgleichsberechtigte Person in sein Versorgungssystem aufzunehmen oder das Anrecht extern auszugleichen (BT-Drucks. 16/10144 S. 62).Diese Vorschrift ist auch auf Anrechte nach dem Schweizerischen Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993, um andere dürfte es sich im Entscheidungsfall beidem Antragsgegner als in der Schweizarbeiten dem Zimmerer nicht handeln, anzuwenden (BGH, Beschluss vom 22.06.2016, Az.: XII ZB 514/15, zitiert nach juris Rz.12 = NJW-RR 2016, 969ff.).

6

Dies gilt selbst dann, wenn das ausländische Recht, wie das Schweizer ZGB eine Form des Versorgungsausgleichs vorsieht (Art. 112 Abs. 1 ZGB, § 281 Abs. 1 und Abs. 3 Schweizerische Zivilprozessordnung). Denn bei der Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG kommt es nicht auf die individuell vorzufindende Rechtslage des ausländischen Staats, nach dessen Rechtsordnung ein Anrecht erworben wurde, an, weil ausländische Versorgungsträger weder unmittelbar noch mittelbar durch deutsche Gerichte zur Durchführung eines Versorgungsausgleichs verpflichtet werden können, sodass das VersAusglG mit § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG eine allgemeine Regelung treffen konnte, wonach Anrechte bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse der für sie geltenden Rechtsordnung generell als nicht ausgleichsreif zu behandeln sind. Demnach sind daher alle Anrechte bei ausländischen Versorgungsträgern auch dann nicht bei der Scheidung auszugleichen, wenn ausnahmsweise das ausländische Recht Möglichkeiten für die Durchführung einer Realteilung eröffnet (BGH, a.a.O., zitiert nach juris Rz. 16).

7

Überdies dient § 23 VersAusglG auch der Schließung einer Sicherungslücke im schuldrechtlichen Ausgleich, wenn ein verlängerter schuldrechtlicher Ausgleich des ausgleichsberechtigten Ehegatten (vgl. § 25 VersAusglG) über den Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten hinaus, nicht mehr besteht. Dies ist aber regelmäßig und somit auch hier der Fall, wenn Versorgungsanrechte bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger bestehen. Denn nach § 26 Abs. 1 VersAusglG richtet sich der Anspruch auf einen verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich für ein solches Anrecht nur gegen die Witwe oder den Witwer der ausgleichspflichtigen Person, soweit der Versorgungsträger an die Witwe oder den Witwer eine Hinterbliebenenversorgung zahlt (BGH, a.a.O., zitiert nach juris Rz. 27).

8

Den vorstehenden Ausführungen kann also entnommen werden, dass bereits der Gesetzgeber die von ihm erkannten Risiken des schuldrechtlichen Ausgleichs minimiert hat. Da im Entscheidungsfall der Antragsgegner nach Angaben der Antragstellerin über ein sehr gutes Nettoerwerbseinkommen von rund 5.000,-- Euro monatlich verfügen soll, sonstige schwerwiegende Belastungen des Antragsgegners ebenfalls nicht dargetan sind, kommt im Entscheidungsfall zur Sicherung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichsanspruchs der Antragstellerin die Geltendmachung eines Abfindungsanspruchs, ggf. mit Ratenzahlung, gegenüber dem Antragsgegner in Betracht. Unter diesen Umständen kann der Senat nicht erkennen, weshalb die Durchführung des Versorgungsausgleichs, wie vom Amtsgericht beschlossen, unbillig im Sinne von § 27 VersAusglG sein soll. Dem geforderten Ausschluss des Versorgungsausgleichs, wie von der Antragstellerin mit ihrem Hauptsacheantrag gefordert, konnte demzufolge nicht entsprochen werden.

9

Anders hingegen sieht es mit dem Hilfsantrag der Antragstellerin aus. Denn zu Recht weist sie darauf hin, dass das Amtsgericht in seinen Gründen die Antragstellerin wegen der Schweizer Versorgungsanrechte des Antragsgegners einerseits auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verweist, während andererseits unter Ziffer 5 des amtsgerichtlichen Beschlusstenors bestimmt wurde, dass, soweit nicht der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, ein weiterer Versorgungsausgleich nicht mehr stattfinden soll. Insoweit war dieser Widerspruch gesetzeskonform im Sinne von § 19 VersAusglG in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auf die insoweit mit ihrem Hilfsantrag erfolgreiche Beschwerde der Antragstellerin hin zu korrigieren.

II.

10

Die Entscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, denn diese Kosten wären nicht entstanden, wenn das Amtsgericht nicht widersprüchlich hinsichtlich des der Antragstellerin zustehenden Anspruchs auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entschieden hätte.

11

Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung hinsichtlich der beteiligten Eheleute auf den §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG, die Antragstellerin hat lediglich mit ihrem Hilfsantrag obsiegt, und bezüglich der weiteren Beteiligten auf § 150 Abs. 3 und Abs. 5 FamFG.

III.

12

Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG und war mit dem gesetzlichen Mindestwert zu bestimmen.

IV.

13

Die Rechtsbeschwerde gegen die Senatsentscheidung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nach § 70 FamFG, insbesondere nach Erlass der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nicht vorliegen.


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