Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg - 7 U 13/18

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. Oktober 2017 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg, Geschäftsnummer 11 O 357/17, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.282 € festgesetzt.

Tatbestand

I.

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Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO).

Entscheidungsgründe

II.

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Die zulässige Berufung ist begründet.

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1. Die Berufung ist zulässig.

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Die Beklagten haben mit ihrer Berufung erkennbar geltend gemacht, dass die landgerichtliche Entscheidung auf einer Rechtverletzung beruht (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Sie haben mit der Berufung dargetan, das Landgericht habe die Beweislast für den Zugang der Widerrufsbelehrung verkannt und zu Unrecht angenommen, der Beklagtenvortrag zum fehlenden Zugang der Widerrufsbelehrung sei nicht hinreichend substantiiert. Dieses Vorbringen genügt den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

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2. Die Berufung ist auch begründet.

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Der Klägerin steht der geltend gemachte Maklerprovisionsanspruch weder aus § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB noch aus einer anderen Anspruchsgrundlage zu, denn die Beklagten haben den mit der Klägerin zustande gekommenen Maklervertrag mit Schreiben vom 10. März 2017 fristgerecht widerrufen und sind daher an ihre auf den Abschluss des Maklervertrages gerichteten Willenserklärungen gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr gebunden.

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a) Die Beklagten haben den Widerruf erklärt.

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Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 3 BGB muss aus der Erklärung der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Diesen Anforderungen genügt die Erklärung der Beklagten vom 10. März 2017, in der sie der Klägerin mitgeteilt haben, die "Provisionsvereinbarung vom 29. April 2016" zu widerrufen.

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b) Wie das Landgericht bereits zutreffend entschieden hat, stand den Beklagten als Verbrauchern ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu. Bei dem über das Internet angebahnten Maklervertrag handelte es sich unstreitig um einen Fernabsatzvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - Az.: I ZR 198/15, Rn. 35, zitiert nach juris).

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c) Der Widerruf war auch nicht verspätet.

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Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB vierzehn Tage und beginnt gemäß § 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich bereits mit Vertragsschluss. Sie beginnt aber gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet hat. Seine Informationspflichten kann der Unternehmer dadurch erfüllen, dass er das in der Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform an den Verbraucher übermittelt.

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Diesen Anforderungen genügt die am Ende der E-Mail der S. GmbH an die Beklagte zu 1) vom 19. April 2016 (Anlage K 12) enthaltene Widerrufserklärung nicht, denn es lässt sich der E-Mail nicht entnehmen, dass sich die Widerrufsbelehrung auf den noch zu schließenden Maklervertrag mit der Klägerin bezieht. Außerdem ist nicht erkennbar, dass die Widerrufsbelehrung von der Klägerin selbst oder zumindest von einem von ihr beauftragten Vertreter stammt. Auf den streitigen Zugang der E-Mail bei der Beklagten zu 1) kommt es daher nicht an.

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aa) Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass sich der Widerrufsbelehrung nicht hinreichend deutlich entnehmen lässt, dass sie sich auf den Maklervertrag bezieht, Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB.

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Zwar entspricht der Text der Widerrufsbelehrung der Anlage 1) zu § Art. 246a § 1 Abs. 2 Ziffer 1 EGBGB. Allerdings wird weder in der Widerrufsbelehrung selbst noch in der Einleitung dazu ausdrücklich auf einen Maklervertrag Bezug genommen. Die Belehrung erfolgt nur bezüglich eines "Vertrages". Auch die Einleitung zur Widerrufsbelehrung enthält lediglich den Satz: "Im Falle eines zustande kommenden Vertrages haben Verbraucher das folgende Widerrufsrecht".

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Ob es sich bei diesem "Vertrag" um den Maklervertrag mit der Klägerin, den Kaufvertrag mit dem Anbieter oder einen Vermittlungsvertrag mit der S. GmbH handelt, bleibt offen. Der einzige Hinweis auf einen Bezug der Widerrufsbelehrung zu einem noch zu schließenden Maklervertrag mit der Klägerin ergibt sich indirekt daraus, dass die Klägerin im Text der Widerrufsbelehrung - unscheinbar, kleingedruckt und in einem Klammerzusatz - als Empfängerin der Widerrufserklärung genannt ist. Für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, der als Maßstab für die Auslegung heranzuziehen ist (BGH, Urteil vom 22.11.2016 - XI ZR 434/15, zitiert nach juris, Rn. 15, m.w.N.), ist damit aber nicht hinreichend transparent, auf welchen Vertrag sich die Belehrung bezieht.

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bb) Zudem verlangt Art. 246a § 4 Abs. 3 Satz 2 EGBGB als formale Anforderung an die Erfüllung der Informationspflichten, dass die Person des erklärenden Unternehmers genannt ist.

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Auch diesen Anforderungen genügt die Widerrufsbelehrung in der E-Mail nicht. Es ist nicht erkennbar, dass die Widerrufsbelehrung von der Klägerin selbst stammt oder dass sie im Namen der Klägerin durch einen Dritten erfolgt ist. Bedient sich der Unternehmer eines Dritten, um dem Verbraucher als seinem künftigen Vertragspartner die erforderlichen Informationen nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zu erteilen, muss jedenfalls unzweifelhaft klar und verständlich sein, dass dieser die Erklärung im Namen des Unternehmers abgibt.

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Der Text der E-Mail lässt nicht die Klägerin, sondern die S. GmbH als Erklärende erkennen. Sie tritt mit ihrem Unternehmenslogo im Kopf der E-Mail in Erscheinung.

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Die Grußformel am Ende der E-Mail lautet "... ", gefolgt von einem "Werbeblock", der Aufforderung, der S. GmbH auf facebook, twitter u.ä. zu folgen, sowie einem Impressum der S. GmbH . Erst im Anschluss daran folgt - ohne Bezugnahme auf die Klägerin - die Widerrufsbelehrung.

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Anhand dieser Informationen ist daher nicht ersichtlich, dass die Belehrung von der Klägerin selbst stammt oder dass die S. GmbH die Erklärung im Namen der Klägerin abgegeben hat.

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d) Die Verletzung der Informationspflicht durch die Klägerin war auch für die Ausübung des Widerrufsrechts der Beklagten von Bedeutung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., Einf v 238 EGBGB, Rn. 5). Die Widerruflichkeit ihrer auf den Abschluss des Maklervertrages mit der Klägerin gerichteten Willenserklärungen musste sich ihnen auch nach der in der E-Mail der S. GmbH enthaltenen Widerrufsbelehrung nicht aufdrängen. Die Klägerin hat die Beklagten auch nicht in den zur Verfügung gestellten ausführlichen "Maklerinformationen" im Exposé (Anlage K 1) oder mit dem Objektnachweis (Anlage K 4) über ihr Widerrufsrecht informiert.

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e) Das Widerrufsrecht der Beklagten war zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB erloschen. Die Widerrufserklärung ging der Klägerin vor Ablauf von 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss zu.

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Ebenso wenig war das Widerrufsrecht der Beklagten gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung erloschen. Zwar hatte die Klägerin zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung vollständig erbracht. Sie hatte aber mit deren Ausführung nicht erst begonnen, nachdem die Beklagten hierzu ausdrücklich ihre Zustimmung gegeben und ihre Kenntnis davon bestätigt hatten, dass sie ihr Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch die Klägerin verlieren würden. Eine derartige Zustimmung und Bestätigung behauptet die Klägerin nicht.

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f) Die Beklagten schulden der Klägerin auch keinen Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB, denn die Beklagten haben von der Klägerin nicht ausdrücklich verlangt, dass diese mit ihrer Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll.

III.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

26

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

27

Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung ergeht nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.


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