Beschluss vom Oberlandesgericht Nürnberg - 8 W 2303/20

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 04.05.2020, Az. 11 O 3157/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Übersetzungskosten.

Mit Schriftsatz vom 25.05.2019 erhob der Kläger gegen die Beklagte, ein in Dublin/Irland ansässiges Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer Designated Activity Company (DAC), vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth Klage auf Zahlung von 76.486,91 € nebst Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. In der Klageschrift war die spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten genannt und an diese erfolgte zunächst die Zustellung der Klageschrift. Die Beklagtenvertreterin erklärte jedoch mit Schriftsatz vom 19.06.2019, dass keine Prozess- oder Zustellungsvollmacht bestehe und lehnte die Entgegennahme der Klageschrift ab (Bl. 21 d.A.). Daraufhin veranlasste das Landgericht eine Zustellung der Klage an die Beklagte auf dem Postwege ohne Übersetzung der zuzustellenden Dokumente. Diese Zustellung erfolgte am 10.07.2019. Anschließend zeigte die Beklagtenvertreterin, eine in Köln ansässige Partnerschaftsgesellschaft mbB, mit Schriftsatz vom 07.09.2019 die Prozessvertretung der Beklagten an (Bl. 29 d.A.).

Mit rechtskräftigem Endurteil vom 17.01.2020 wies das Landgericht die Klage ab und verurteilte den Kläger zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits (Bl. 105 d.A.).

Unter dem 18.02.2020 beantragte die Beklagte, gegen den Kläger Kosten in Höhe von insgesamt 6.836,76 € festzusetzen (Bl. 119 d.A.). Darin enthalten waren als sonstige Auslagen Übersetzungskosten in Höhe von 3.152,82 €. Die Übersetzung sei erforderlich gewesen, weil es sich bei der Beklagten um ein im Ausland ansässiges Unternehmen handele. Es seien die Klageschrift nebst dem als Anlage K 11 beigefügten versicherungsmathematischen Gutachten sowie die Klageerwiderung zu übersetzen gewesen.

Der Kläger ist der Festsetzung der geltend gemachten Übersetzungskosten mit Schriftsatz vom 10.03.2020 entgegengetreten (Bl. 132 d.A.).

Mit Beschluss vom 04.05.2020 hat das Landgericht die zu erstatteten Kosten antragsgemäß in Höhe von 6.836,76 € festgesetzt (Bl. 142 d.A.). Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Klägervertreter am 07.05.2020 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, die am 19.05.2020 beim Landgericht eingegangen ist und mit der die Berücksichtigung der Übersetzungskosten angegriffen wird. Der Kläger macht geltend, das streitgegenständliche Versicherungsprodukt sei von der deutschen Tochtergesellschaft des ebenfalls deutschsprachigen Schweizer Bankkonzerns U. vertrieben worden. In dem Anlagekonstrukt habe der Bezug zur irischen Tochtergesellschaft, die später in die jetzige Beklagte umfirmiert worden sei, ausschließlich steuerrechtliche Hintergründe. Alle handelnden Akteure seien der deutschen Sprache mächtig gewesen und der Kläger sei als Kunde auch mit dem Versprechen angeworben worden, dass alles - auch im Falle einer streitigen Auseinandersetzung - in deutscher Sprache ablaufe. Hierdurch sei auf Seiten des Klägers ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden und es erscheine rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte Übersetzungskosten erstattet verlange.

Die Beklagte hat zur sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 29.06.2020 Stellung genommen (Bl. 157 d.A.). Sie verteidigt den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 02.07.2020 nicht abgeholten (Bl. 162 d.A.).

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG. Der erforderliche Beschwerdewert ist überschritten (§ 567 Abs. 2 ZPO) und das Rechtsmittel wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO).

Über die sofortige Beschwerde entscheidet der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 568 Satz 1 ZPO).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die geltend gemachten Übersetzungskosten nach Grund und Höhe zu Recht als erstattungsfähig festgesetzt. Es handelt sich um Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

a) Bei der Beklagten handelt es sich um eine im Ausland ansässige Prozesspartei in einer Rechtsform des irischen Rechts. Dass die mit dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag und seiner Abwicklung bei der Beklagten befassten Personen der deutschen Sprache in ausreichendem Maße - auch bezogen auf juristische und versicherungstechnische Fachbegriffe - mächtig sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Einer solchen Prozesspartei sind grundsätzlich die Kosten einer Übersetzung aller wesentlichen Schriftstücke, der den Schriftsätzen beigefügten Anlagen und gerichtlichen Verfügungen zu erstatten (ganz h.M.; vgl. nur OLG Hamburg, Rpfleger 1996, 370; OLG Oldenburg, Urteil vom 21.01.1991 - 6 W 11/91, juris; LAG Rheinland-Pfalz, BeckRS 2013, 66644; LAG Nürnberg, BeckRS 1992, 30743015; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 91 Rn. 13.100; MüKo-ZPO/Schulz, 6. Aufl., § 91 Rn. 166). Insofern streitet für die Beklagte das legitime Interesse, sich eine möglichst genaue und vollständige Kenntnis über den aktuellen Sach- und Streitstand des gegen sie betriebenen Verfahrens zu verschaffen, jederzeit dem Rechtsstreit folgen und entscheiden zu können, ob und in welcher Weise der Rechtsstreit weiter geführt wird. Dies gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör und der Grundsatz der Waffengleichheit.

b) Dies gilt auch, wenn der Prozessbevollmächtigte der ausländischen Partei die Übersetzung selbst bzw. durch einen in seiner Kanzlei beschäftigten Übersetzer vornimmt (vgl. KG, Beschluss vom 17.02.2014 - 2 W 165/13, juris). Der Aufwand für solche Übersetzungen ist nicht als ein der Information zuzurechnender Aufwand mit der Prozessgebühr abgegolten (vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 25832; OLG Köln, JurBüro 2002, 591). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob einzelne bei der Beklagtenvertreterin tätige Rechtsanwälte die englische Sprache fließend beherrschen bzw. die englischsprachige Korrespondenz für sie zur täglichen Routine gehört.

c) Der Kostenerstattung steht darüber hinaus nicht entgegen, dass der maßgebliche Vertrag im Jahre 2004 in deutscher Sprache abgeschlossen worden ist (Anlage K 1), für den Vertrag gemäß Ziffer 6.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen deutsches Recht gilt (Anlage K 6) und es sich bei dem Versicherer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses um eine Tochtergesellschaft der schweizerischen U. AG handelte. Diese Aspekte betreffen allein den Inhalt und die Durchführung des Vertrages. Hingegen folgt daraus nicht, dass die Beklagte den zusätzlichen Aufwand, der mit einer notwendigerweise in deutscher Sprache (§ 184 Satz 1 GVG) zu erfolgenden Prozessführung verbunden war, auch im Obsiegensfalle selbst zu tragen hätte. Maßgeblich sind das konkrete Prozessrechtsverhältnis, der Sitz der Beklagten im Zeitpunkt der Klageerhebung und die in diesem Zeitpunkt vorauszusetzenden Sprachkenntnisse. Die von der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidungen des BPatG (Beschluss vom 18.12.2008 - 5 W [pat] 21/08, juris) und des OLG Frankfurt (Beschluss vom 19.06.2005 - 18 W 218/05, juris) betreffen eine andere Konstellation und sind auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar.

d) Der Kläger kann sich im vorliegenden Verfahren schließlich auch nicht darauf berufen, dass die Geltendmachung der Übersetzungskosten rechtsmissbräuchlich sei (§ 242 BGB). Zwar gilt das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Missbrauchsverbot auch im Zivilprozess und ist somit auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2012 - VI ZB 61/11, juris Rn. 8 ff. m.w.Nachw.). Dies gilt allerdings nur, wenn die maßgeblichen Tatsachen, aus denen dieser Einwand folgt, unstreitig sind oder anhand des Akteninhalts unzweifelhaft festgestellt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.2014 - XII ZB 539/11, NJW 2014, 2287 Rn. 8 m.w.Nachw.).

Dergleichen ist hier nicht der Fall. Es ist nicht unstreitig, dass dem Kläger bei Vertragsschluss versprochen worden sei, es laufe alles in deutscher Sprache ab und eine Übersetzung in die englische Sprache sei - auch im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung - nicht nötig. Eine derartige Zusicherung ergibt sich auch nicht aus den aktenkundigen Vertragsdokumenten, so dass nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, es sei zugunsten des Klägers ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden.

Nach seiner Ausgestaltung als zügig durchzuführendes Massenverfahren eignet sich die Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO nicht, um schwierige Rechtsfragen und streitige Tatsachen zu klären. Es ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten. Der Rechtspfleger hat im Kostenfestsetzungsverfahren auch nur beschränkte Erkenntnismöglichkeiten und vermag solche Streitfragen nicht zu klären. Abgesehen von der Glaubhaftmachung des Kostenansatzes (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO) findet in diesem Verfahren eine Beweiserhebung - etwa durch Zeugeneinvernahme - nicht statt. Dies gilt auch für die Beschwerdeinstanz, denn diese eröffnet dem Senat keine weitergehende Prüfungskompetenz. Wegen der geltend gemachten Einwendungen oder etwaiger Rück-(Erstattungsansprüche) ist der Kläger als Kostenschuldner daher auf ein Erkenntnisverfahren, namentlich die Klage nach § 767 ZPO zu verweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2006 - XII ZR 285/02, NJW 2007, 1213 Rn. 10; OLG Brandenburg, BeckRS 2019, 6493).

e) Die Höhe der Übersetzungskosten ist im Streitfalle in entsprechender Anwendung des § 11 JVEG ermittelt worden (vgl. hierzu OLG Celle, OLGR 2008, 758). Sie begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken und wird mit der Beschwerde nicht angegriffen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO).

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