Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (1. Zivilsenat) - 1 U 49/21
Tenor
Die Berufungen der Parteien gegen das am 25.05.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufung tragen die Klägerin 56 % und die Beklagte 44 %.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für die andere Partei vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zur Klärung der Frage zugelassen, ob und ggf. in welcher Höhe einem Käufer eines mit einer unter Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts implementierten unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs nach der Verjährung seiner deliktischen Ansprüche ein Anspruch aus § 852 BGB zusteht.
Gründe
I.
- 1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz, weil die Motorsteuerung ihres PKW manipulierend auf den Stickoxidausstoß einwirkte.
- 2
Die Klägerin kaufte am 31.08.2012 einen Škoda Fabia 1,6 TDI von der X UG als „Jahreswagen/Jungwagen“ zu einem Preis von 13.455,00 €. Das Fahrzeug war am 01.05.2012 erstmals zugelassen worden (Anlage K 1, Bl. 63 - 64 d. A.). Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung (Prot. v. 13.04.2021, S. 2, Bl. 324 d. A.) zum Zweck der Berechnung der Fahrleistung einen Kilometerstand von 0 bei der Auslieferung an die Klägerin unstreitig gestellt.
- 3
Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Motor EA189 ausgerüstet. Die Motorsteuerung erkannte, wenn sich das Fahrzeug auf einem Abgas-Prüfstand befand. Der Motor lief dann in einem Modus 1, wobei es zu einer erhöhten Abgasrückführung und dadurch zu einem geringeren Stickoxidausstoß kam. Im normalen Straßenverkehr wurde in einen Modus 0 mit einer geringeren Abgasrückführung und einem dadurch höheren Stickoxidausstoß umgeschaltet. Auf Verpflichtung durch das Kraftfahrt-Bundesamt entwickelte die Beklagte Updates zur Beseitigung der Umschaltung, die auf die Motorsteuerungen der betroffenen Fahrzeuge aufgespielt wurden.
- 4
Die Beklagte teilte am 22.09.2015 in einer ad-hoc-Mitteilung und einer Presseerklärung mit, dass Millionen Fahrzeuge der Konzernmarken mit einer von dem Kraftfahrt-Bundesamt beanstandeten Software ausgestattet waren. In einer Presserklärung vom 15.01.2015 teilte sie mit, dass die betroffenen Fahrzeuge vom Kraftfahrt-Bundesamt zurückgerufen worden waren. In einer Presseerklärung vom 15.11.2015 stellte sie das zur Entfernung der Abschalteinrichtung entwickelte Update vor. Die Beklagte und ihre Tochtergesellschaften, u. a. die ŠKODA AUTO Deutschland GmbH, richteten im Oktober 2015 Internetseiten ein, auf der Halter durch Eingabe der FIN prüfen konnten, ob ihr Fahrzeug von der Manipulation betroffen war, und machten dies durch Pressemitteilungen bekannt. Die Beklagte unterrichtete noch im Jahr 2015 das Händlernetzwerk über die Manipulation. Über alle diese Umstände wurde umfangreich in allen Medien berichtet. Ab Februar 2016 versandte die Beklagte an die Halter Schreiben, in denen sie darüber informierte, dass ihr Fahrzeug von der beanstandeten Software betroffen war.
- 5
Mit dem Update wurde ein sog. Thermofenster in die Motorsteuerung implementiert. Dieses steuert die Rate der Abgasrückführung abhängig u. a. von der Außentemperatur. Am 14.09.2020 erfolgte ein Rückruf von Fahrzeugen des Typs VW EOS nach dem Update wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
- 6
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 12.11.2020 (Anlage K 19, Bl. 124 - 128 d. A.) mit einer Frist bis zum 19.11.2020 auf, Schäden anzuerkennen.
- 7
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
- 8
Die Klägerin hat behauptet, die Abgasrückführung funktioniere nur bei Temperaturen zwischen 10 °C und 32 °C bzw. 15 °C und 30 °C und Höhen unter 1.000 m. Eine Verringerung der Abgasrückführungsrate erfolge ungerechtfertigt schnell bei Temperaturen außerhalb des Bereichs, der auf dem Prüfstand vorliege. Die Motorsteuerung erkenne die Prüfsituation aufgrund einer Zykluserkennung, des Lenkwinkels, der Beschleunigung, der Geschwindigkeit und der Temperatur. Die Grenzwerte würden auch nach dem Update nicht eingehalten. Das Update habe ungünstige Folgen für das Fahrzeug, u. a. einen erhöhten Verschleiß des Partikelfilters.
Die Gesamtlaufleistung betrage 500.000 km, mindestens aber 400.000 km.
Aus den Rückrufschreiben sei für die Halter nicht erkennbar gewesen, dass sie als Anspruchsgläubiger infrage gekommen seien.
- 9
Die Beklagte habe durch die Tat den Kaufpreis zzgl. der Nutzungen abzgl. der Händlermarge von üblicherweise 15 % erlangt.
- 10
Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 13.455,00 € nebst Zinsen abzgl. einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung des PKW sowie weiterer 1.531,20 € und die Feststellung des Annahmeverzuges begehrt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
- 11
Die Beklagte hat behauptet, das Thermofenster sei zum Schutz des Motors vor schädlichen Ablagerungen erforderlich.
- 12
Die Gesamtlaufleistung betrage 200.000 bis 250.000 km.
- 13
Die Klägerin habe bereits im Jahr 2015 aufgrund der umfangreichen Berichterstattung Kenntnis von der Abschalteinrichtung und allen anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt. Spätestens sei 2016 habe sie aufgrund des Informationsschreibens Kenntnis gehabt.
Sie habe durch den Einbau der Abschalteinrichtung eine Ersparnis erlangt, die sich auf ca. 93,00 € belaufe. Der Gewinn je Fahrzeug sei nicht feststellbar, betrage jedoch jedenfalls unter 600,00 €.
- 14
Die Klage ist am 23.11.2020 beim Landgericht eingegangen (Bl. 1 d. A.) und der Beklagten am 21.12.2020 zugestellt worden (Bl. 137 d. A.).
- 15
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 3.056,09 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 826 BGB zu, der jedoch verjährt sei. Die Klägerin habe 2016 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt, jedenfalls sei eine Unkenntnis grob fahrlässig gewesen. Die breite Berichterstattung über den Abgasskandal habe ihr nicht verborgen bleiben können. Die Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs sei zwar streitig, habe sich aber aufgedrängt, sodass die Nichtaufklärung durch die Klägerin sich als schwerer Obliegenheitsverstoß darstelle. Es habe mehrere Erkenntnismöglichkeiten gegeben, um sich ohne Mühe und Kosten zu informieren, etwa Erkundigungen im Handel.
- 16
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 852 BGB zu. Es sei ein wirtschaftlicher Schaden eingetreten, denn die normative Kontrolle des objektiven Schadensbegriffs wirke sich auch bei § 852 BGB aus. Die Vorschrift sei nicht aufgrund der Möglichkeit, sich der Musterfeststellungsklage anzuschließen, teleologisch zu reduzieren. Durch die Einführung der Musterfeststellungsklage habe die Rechtsdurchsetzung verbessert werden sollen. Die Beklagte habe den Kaufpreis infolge des Verkaufs erlangt. Die Herstellungskosten seien nicht abzuziehen, weil die Beklagte bösgläubig gewesen sei. Dasselbe gelte für den Aufwand für das Update, das zudem im Eigeninteresse erfolgt sei. Es sei kein Unterschied zwischen Neu- oder Gebrauchtwagen zu machen. Der Absatz von Gebrauchtwagen sei förderlich für den Absatz von Neuwagen. Das Fahrzeug sei als Jungwagen mit 0 km, also praktisch als Neufahrzeug veräußert worden. Die Beklagte habe so 11.168,07 € netto erlangt, abzüglich der Marge von 15 % 9.452,85 €. Der Herausgabeanspruch werde durch die Höhe des Schadensersatzanspruchs begrenzt. Für diesen sei ein Nutzungsersatz von 10.398,94 € zu berücksichtigen, der sich nach einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km ergebe.
- 17
Die Beklagte sei nicht in Annahmeverzug geraten, weil die Klägerin kein annahmefähiges Angebot gemacht habe.
- 18
Rechtsanwaltskosten seien nicht zu ersetzen, weil das vorgerichtliche Vorgehen nicht erforderlich gewesen sei. Es sei bekannt gewesen, dass die Beklagte zahlungsunwillig sei.
- 19
Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, eine Nutzungsentschädigung sei nicht anzurechnen. Jedenfalls sei sie nach einem um 25 % geminderten Kaufpreis und einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km, mindestens 300.000 km und erst für den Zeitraum ab der Information der Klägerin zu berechnen.
- 20
Die Beklagte sei in Annahmeverzug geraten, weil sie sämtliche Ansprüche zurückgewiesen habe.
- 21
Die vorgerichtliche rechtsanwaltliche Tätigkeit sei zweckentsprechend gewesen. Sie habe dem Ziel gedient, ihr möglichst umfassend Schadensersatzansprüche zu sichern. Zudem sei bekannt gewesen, dass die Beklagte spätestens in der zweiten Instanz zur Einigung bereit sei und in Parallelverfahren eine Güteverhandlung nicht ausgeschlossen habe.
- 22
Die Klägerin beantragt,
- 23
das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 25.05.2021 (Az. 7 O 485/20) teilweise abzuändern und
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die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere EUR 3.899,60 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von weiteren EUR 1.531,20 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
- 26
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
- 28
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist.
- 29
Die Beklagte wendet sich mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung ihrerseits gegen das Urteil. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, § 852 BGB sei nicht anwendbar, weil kein wirtschaftlicher Schaden vorliege, sondern nur ein normativer.
Die Vorschrift sei teleologisch zu reduzieren. Ihr Sinn sei, den Geschädigten vor ungewissen Prozessrisiken zu schützen. Diese hätten nicht vorgelegen, weil der Kläger sich der Musterfeststellungsklage hätte anschließen können.
- 30
Da der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen gekauft habe, fehle die Kausalität der schädigenden Handlung für den Vermögensvorteil. Sie habe durch den von dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag nichts erlangt. Das Absatzrisiko sei bereits auf den Voreigentümer übergegangen gewesen.
- 31
Jedenfalls die Höhe des Anspruchs sei falsch ermittelt worden. Vermögensvorteil sei nur der Nettogewinn. Der Gewinn durch den Einsatz der Abschalteinrichtung habe 93,00 € betragen. Der Gewinn je Fahrzeug sei nicht feststellbar, liege jedoch jedenfalls unter 600,00 €. Das Landgericht habe die Grundlage seiner Schätzung nicht angegeben. Abzuziehen sei der Aufwand für die Schadensminderung und -beseitigung im Interesse des Geschädigten, nämlich die anteiligen Kosten für den Rückruf und das Update. Die Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB sei anwendbar, §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB stünden dem nicht entgegen.
- 32
Die Beklagte beantragt,
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das am 25.05.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Flensburg, Az. 7 O 485/20 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
- 34
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
- 36
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit die Beklagte verurteilt worden ist. In ihrer Berufungserwiderung vom 31.08.2021 - nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - führt sie aus, ihr Anspruch sei nicht verjährt. Die Erhebung der Verjährungseinrede erfolge rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte die Geschädigten durch das Bestreiten sittenwidrigen Verhaltens und das Vorspiegeln einer Schadensbehebung durch das Update von einer Klage abgehalten habe. Verjährung sei nicht eingetreten, weil sie keine hinreichende Kenntnis über die anspruchsbegründenden Umstände gehabt habe, etwa auch über die Konsequenzen des Updates und etwaige Folgeschäden. In dem Update seien weitere Abschalteinrichtungen enthalten gewesen.
II.
- 37
Die zulässigen Berufungen der Parteien haben in der Sache keinen Erfolg.
- 38
1. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
- 39
a) Das Landgericht hat bei der Ermittlung der Schadenshöhe zu Recht den Wert der gezogenen Nutzungen angerechnet. Die Berechnung ist nicht zu beanstanden.
- 40
Im Wege der Vorteilsausgleichung muss sich die Klägerin die Vorteile anrechnen lassen, die durch die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs entstanden sind. Die Vorteilsausgleichung folgt aus dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot und gilt auch für Ansprüche aus § 826 BGB. Die Anwendung der Berechnungsmethode, die auch bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen gilt, ist dabei nicht zu beanstanden (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI 252/19, Rn. 65 f. bei juris).
- 41
Bei der Ermittlung des Wertes der Nutzung ist von dem Kaufpreis auszugehen, nicht von dem etwa abweichenden Wert des Fahrzeugs. Denn es geht darum, was die Klägerin zurzeit des Kaufes bereits war, für die Nutzung des Fahrzeugs aufzuwenden. Danach bemisst sich der Wert der Nutzung. Da es allein um die Nutzung und nicht um die Nutzung in Kenntnis der Schadensbetroffenheit des Fahrzeugs geht, ist auch unerheblich, wann die Klägerin Kenntnis erlangt hat.
- 42
In der Berechnung der Nutzungsentschädigung auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km liegt kein Rechtsfehler. Die Schätzung der Höhe eines Schadensersatzanspruchs nach § 287 Abs. 1 ZPO kann nur darauf überprüft werden, ob das Gericht erheblichen Vortrag der Parteien außer Acht gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Insbesondere bei der Schätzung der Gesamtfahrleistung steht dem Gericht ein Ermessen zu, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis nicht in jedem Fall mit der Wirklichkeit übereinstimmen wird (BGH, Urteil vom 23.03.2021, VI ZR 3/20, Rn. 8, 11 bei juris). Das Landgericht hat sich bei seiner Schätzung an in der Rechtsprechung vertretenen Werten orientiert. Das ist nicht zu beanstanden.
- 43
Es kommt bei der Schätzung nicht darauf an, wie lange ein Fahrzeug maximal gefahren werden könnte, sondern darauf, von welcher durchschnittlichen Nutzungsdauer der Fahrzeuge gleicher Art auszugehen ist. Erfahrungsgemäß werden Fahrzeuge häufig bereits vor Erreichen der maximalen Lebensdauer ersetzt.
- 44
b) Die Beklagte ist mit der Annahme des Fahrzeugs nicht in Verzug geraten, weil die Klägerin kein geeignetes Angebot gemacht hat.
- 45
Die angebotene Gegenleistung darf nicht von der Zahlung eines Betrages abhängig gemacht werden, die nicht nur unerheblich höher als der geschuldete Betrag ist (BGH, Urteil vom 29.06.2021, VI ZR 130/20, Rn. 16 bei juris). Die Klägerin hat jedoch, soweit sie die Gegenleistung überhaupt angeboten hat, eine überhöhte Forderung geltend gemacht. Ihr Schreiben vom 27.07.2021 (Anlage K 19, AB K) enthielt noch kein Angebot auf Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs. Soweit sie im Klageantrag die Gegenleistung angeboten und den Abzug eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Gebrauchsvorteils berücksichtigt hat, war ihre Forderung überhöht, weil sie eine zu hohe Gesamtlaufleistung von 500.000 km, mindestens 400.000 km, für richtig hielt.
- 46
Ob die Beklagte die Erfüllung - und damit die Annahme des Fahrzeugs - verweigert hat, ist unerheblich. Denn auch in dem Fall, in dem der Gläubiger die Annahme der Leistung verweigert, ist nach § 295 BGB zumindest ein wörtliches Angebot der Leistung erforderlich.
- 47
c) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.
- 48
Das Schreiben vom 27.07.2021 (Anlage K 19, AB K) enthielt nur die Forderung nach Anerkennung nicht näher genannter Schadensersatzansprüche. Die Klägerin durfte nicht erwarten, dass die Beklagte darauf einging, erst recht nicht innerhalb der gesetzten Frist von nur einer Woche. Zweckgerichtet wäre nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs allein die Geltendmachung des Anspruchs aus § 852 BGB gewesen.
- 49
Das vorgerichtliche Anschreiben war auch deswegen nicht erforderlich, weil bekannt war, dass die Beklagte auf außergerichtliche Schreiben nicht reagierte. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung auf eine Einigungsbereitschaft der Beklagten hinweist, bestand diese auch nach ihrem Vortrag erst im Prozess.
- 50
d) Die Klägerin greift mit ihrer Berufung das Urteil des Landgerichts nicht an, soweit dort die Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB festgestellt worden ist. Ausführungen zur Verjährung macht sie erst im Schriftsatz vom 31.08.2021, also nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, die mit Zustellung des Urteils am 28.05.2021 (Bl. 371 d. A.) begann und so nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO am 28.07.2021 endete.
- 51
2. Die Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
- 52
a) Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 826 BGB zu, weil die Beklagte sie durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit der manipulierten Motorsteuerung sittenwidrig vorsätzlich geschädigt hat. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, die von keiner Seite angegriffen werden.
- 53
b) Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Anspruch nach § 214 BGB nicht durchsetzbar ist, weil die Verjährungszeit abgelaufen ist und die Beklagte sich auf Verjährung beruft. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann nach § 199 Abs. 1 BGB spätestens mit Ablauf des 31.12.2016 und endete mit Ablauf des 31.12.2019. Die Klage ist erst im Jahr 2020 anhängig gemacht worden.
- 54
aa) Für die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände ist die Tatsachenkenntnis ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger die Tatsachen rechtlich zutreffend bewertet (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 9 bei juris; BGH NJW 2008, 1729, 1732, Tz. 26). Es ist nicht notwendig, dass der Gläubiger alle Einzelheiten der Anspruchsvoraussetzungen kennt oder sichere Beweismittel in der Hand hat. Es reicht, wenn er aufgrund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche, nicht notwendig risikolose Klage erheben kann (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 8 bei juris; BGH NJW 2008, 2576, 2578, Tz 27). Bezüglich der Person des Schuldners muss dem Gläubiger der Name und die Anschrift bekannt sein (BGH NJW 2012, 1645, 1646, Rn. 16).
- 55
Bei einer unsicheren, zweifelhaften und von divergierenden Meinungsäußerungen und Entscheidungen geprägten Rechtslage oder, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Anspruch entgegensteht, kann eine Klageerhebung ausnahmsweise unzumutbar sein, sodass der Verjährungsbeginn bis zur Klärung hinausgeschoben ist (BGH NJW 2014, 3713, 3716, Rn. 41, 44 ff.). Unzumutbar ist die Klageerhebung noch nicht, wenn eine höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt. Ist die Rechtslage aufgrund der in früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, die auf die fragliche Fallgestaltung übertragbar sind, erkennbar, verspricht die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 12 ff. bei juris).
- 56
bb) Ob sich die Klägerin angesichts der breiten Berichterstattung über den Dieselskandal grob fahrlässig in Unkenntnis der Betroffenheit ihres Fahrzeugs befand, kann dahinstehen. Sie hatte jedenfalls Kenntnis von dem Dieselskandal und der Betroffenheit ihres Fahrzeugs aufgrund des im Jahr 2016 versandten Informationsschreibens. Die Beklagte hat das in der Klageerwiderung vom 21.01.2021 vorgetragen (S. 42, Bl. 186 d. A.). Die Klägerin hat den Erhalt des Schreibens nicht bestritten. Sie hat nur die Ansicht vertreten, der Inhalt des Schreibens sei nicht ausreichend gewesen, um die Haftungsvoraussetzungen zu erkennen (Ss. v. 05.02.2021, S. 10 f., Bl. 240 f. d. A.). Darauf kommt es indes nicht an, weil die richtige rechtliche Bewertung der Umstände nicht Voraussetzung der Kenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 BGB ist.
- 57
Die Klägerin hatte mit dem Schreiben auch Kenntnis von dem Dieselskandal an sich, denn die Information über die festgestellten „Unregelmäßigkeiten“ bei der Emission von Stickoxiden wäre ohne ihn nicht notwendig gewesen. Im Übrigen ist es bei den von der Beklagten dargelegten Aufklärungsmaßnahmen und der Medienberichterstattung darüber (Klageerwiderung vom 21.01.2021, S. 21 ff., Bl. 165 ff. d. A.) nicht vorstellbar, dass der Kläger keine Kenntnis vom Dieselskandal hatte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29.07.2021, VI ZR 1118/20, Rn. 19 bei juris). Darüber ist nach allgemeiner Kenntnis über einen längeren Zeitraum und an prominenter Stelle in allen Medien berichtet worden, sodass die in Deutschland lebende Klägerin dies zwangsläufig zur Kenntnis nehmen musste, auch wenn sie nicht regelmäßig Zeitung lesen oder Nachrichten hören sollte.
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Es kommt nicht allein auf die Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 an. Die Erklärungen der Beklagten gegenüber der Öffentlichkeit und die Berichterstattung in den Medien ging nämlich weit darüber hinaus, sodass es unerheblich ist, ob der Beklagte zu der Zielgruppe der Ad-hoc-Mitteilung gehörte.
- 59
cc) Die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten folgt daraus, dass sie aufgrund einer strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes langjährig und millionenfach Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerung bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden mittels einer Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand erreicht wurden, wodurch u. a. die Gefahr einer Betriebsuntersagung bestand (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16 bei juris). Die Kenntnisse eines Fahrzeugkäufers, der von dem Abgasskandal Kenntnis hatte, reichten aus, um den Schluss auf die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände zuzulassen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 21 f.).
- 60
Durch die Berichterstattung in den Medien war allgemein bekannt, dass die beanstandete Motorsteuerung zu Unregelmäßigkeiten bei den Schadstoffemissionen führte und sie dem Kraftfahrt-Bundesamt verschwiegen worden war. Da über die Wirkung der Motorsteuerung und ihre Verheimlichung berichtet wurde, war deutlich, dass die Programmierung bewusst erfolgt war. Dass eine Kostenreduzierung und Gewinnsteigerung angestrebt wurde, erschloss sich aus der Vorgehensweise, denn die Programmierung der Abschalteinrichtung mit dem Risiko für die Beklagte bei deren Entdeckung wäre nicht verständlich gewesen, wenn es andere, einfachere Möglichkeiten gegeben hätte, die Grenzwerte einzuhalten.
- 61
Ferner wurde durch den vom Kraftfahrt-Bundesamt im Jahr 2015 eingeordneten Rückruf, über den ebenfalls breit berichtet wurde, deutlich, dass die Zulassung der Fahrzeuge infrage stand, da es sonst nicht erforderlich gewesen wäre, durch das geforderte Update die Übereinstimmung der Fahrzeuge mit der Zulassung herbeizuführen.
- 62
Ohne Bedeutung für die Frage der Verjährung ist, ob sich die Beklagten noch nach Ablauf des Jahres 2015 sittenwidrig verhalten hat. Denn für den Verjährungsbeginn entscheidend ist die Kenntnis des Gläubigers, nicht eine Verhaltensänderung des Schuldners.
- 63
Ebenso ist es für den Verjährungsbeginn ohne Bedeutung, dass die Beklagte die Umstände beschönigte, indem sie etwa von einer „Umschaltlogik“ sprach und darauf verwies, dass die Fahrzeuge gefahrlos betrieben werden konnten. Denn es wurde dennoch, insbesondere im Zusammenhang mit der kritischen Berichterstattung, deutlich, dass ein Fehlverhalten vorlag. Der Verjährungsbeginn hängt nicht davon ab, dass der Schuldner sein Fehlverhalten einräumt.
- 64
dd) Es drängte sich auf, dass die Programmierung der Abschalteinrichtung der Beklagten zuzurechnen war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Lauf der Verjährungszeit nicht erst beginnt, wenn der Gläubiger sichere Kenntnisse erlangt hat und sicherer Beweismittel in Händen hat. Ihm ist es bereits dann zuzumuten, eine Klage zu erheben, wenn ein gewisses Risiko verbleibt.
- 65
Es drängte sich von Anfang an auf, dass die Reichweite der Entscheidung, die Motoren mit der verbotenen Abschalteinrichtung in Verkehr zu bringen, dafür sprach, dass hochrangige Mitarbeiter der Beklagten, ggf. sogar Vorstände, die Programmierung zumindest gekannt und gebilligt hatten. Mit diesem Argument und dem Hinweis auf die sekundäre Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich der beteiligten Mitarbeiter (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 35 ff. bei juris) konnte eine Klage mit hinreichender Erfolgsaussicht erhoben werden und sind Klagen erhoben worden, da damit die Kenntnis von Organen der Beklagten - Vorstandsmitglieder und Personen, denen wesensmäßige Funktionen der Gesellschaft zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen waren - nahe lag. Eine genaue Kenntnis der internen Verantwortlichkeit oder die Benennung von an der Entwicklung der Motorsteuerung beteiligten Personen war nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 23 bei juris).
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Außerdem hätte eine Klage mit hinreichender Erfolgsaussicht auch auf § 831 Abs. 1 BGB gestützt werden können (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 25 bei juris; BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 43 bei juris). Denn es stand fest, dass der beanstandete Motor im Betrieb der Beklagten entwickelt worden war, sodass Mitarbeiter der Beklagten beteiligt gewesen sein mussten.
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ee) Da es nicht darauf ankommt, ob der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat, ist unerheblich, ob von Verbrauchern der Schluss gezogen werden kann, dass in dem ungewollten Abschluss eines Vertrages ein Schaden liegt. Im Übrigen drängte sich dieser Schaden für jeden betroffenen Eigentümer auf. Er bestand in dem Abschluss eines nicht gewollten Vertrages, da dieser in Kenntnis der Abschalteinrichtung und der Gefahr der Betriebsuntersagung nicht geschlossen worden wäre (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 44 ff. bei juris). Das war jedem Eigentümer unmittelbar einsichtig. Nicht umsonst fühlte sich eine erhebliche Anzahl von ihnen durch die Beklagte betrogen.
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ff) Es war nicht wegen einer ungewissen Rechtslage unzumutbar, bereits im Jahr 2016 eine Klage zu erheben. Es gab eine hinreichende Anzahl von Entscheidungen über Deliktsansprüche von Verbrauchern, die auf die vorliegende Konstellation übertragen werden konnten. Es war durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, die auf den vorliegenden Fall übertragen werden konnte, hinreichend geklärt, nach welchen Kriterien ein Verhalten als sittenwidrig anzusehen ist und wann den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast trifft (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 27 bei juris).
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Ohne Bedeutung ist, dass es noch keine höchstrichterliche Entscheidung über die Schadensersatzansprüche der Fahrzeugkäufer gab. Denn die Verjährung beginnt nicht erst dann, wenn die Rechtsfragen geklärt sind, sondern bereits, wenn eine nicht vollständig risikolose Klage erhoben werden kann.
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Ohne Bedeutung ist ferner, dass ab 2015 divergierende Auffassungen zu der Haftung der Beklagten in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur vertreten wurden. Denn angesichts der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits aufgestellten Grundsätze wurde dadurch die Rechtslage nicht in einem Maße unsicher, dass eine Klageerhebung unzumutbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 28 bei juris).
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gg) Ob in der Motorsteuerung nach dem Update weitere Abschalteinrichtungen enthalten sind, kann offen bleiben. Denn dadurch würde kein Anspruch mit einer abweichenden Verjährung entstehen. Der Kläger verlangt den Ausgleich eines Schadens wegen eines ungewollt abgeschlossenen Vertrages. Der Vertrag kann aber nicht durch ein erst später aufgespieltes Update ungewollt geworden sein.
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hh) Die Erhebung der Verjährungseinrede ist nicht rechtsmissbräuchlich. Sie kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Schuldner durch sein Verhalten objektiv, auch unabsichtlich, bewirkt, dass rechtzeitig Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung ergriffen werden (BGH, Urteil vom 14.11.2013, IX ZR 215/12, Rn. 15 bei juris). Das ist hier nicht der Fall.
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Es kann dahinstehen, ob die Beklagte den Eindruck erweckt hat, durch das Update würde der Schaden beseitigt. Denn dabei würde es sich um eine rechtliche Fehlbewertung handeln, die sich auf den Eintritt der Verjährung nicht auswirken würde. Tatsächlich blieb der Schaden durch die Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit trotz des Updates bestehen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 58 bei juris), unabhängig davon, wie das Update genau ausgestaltet war. Im Übrigen wurden nach der Kenntnis des Senats aus anderen Verfahren gegen die Beklagte bereits vor dem Ablauf des Jahres 2019 erhobene Klagen u. a. darauf gestützt, dass das Update negative Folgen für den Motor habe.
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aa) Der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs hat einen wirtschaftlichen Schaden erlitten (OLG Koblenz, Urteil vom 29.07.2021, 6 U 934/20, Rn. 59 bei juris; OLG Hamm, Urteil vom 03.05.2021, 17 U 196/20, Rn. 4 bei juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2021, 14 U 225/20, Rn. 46 bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, Rn. 46 f. bei juris). Daran ändert es nichts, dass der Schaden in Form der Belastung mit einem ungewollten Vertrag aufgrund einer normativen Betrachtung ermittelt wird (a. A. OLG Bamberg, Urteil vom 22.09.2021, 3 U 269/21, Rn. 55 ff. bei juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.01.2021, 2 U 168/20, Beilage § 852, AB). Denn der so ermittelte Schaden macht sich wirtschaftlich in Form der Belastung mit dem gezahlten Kaufpreis bemerkbar. Darin setzt sich der Schaden durch die Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit fort (BGH, Urteil vom 28.09.2021, VI ZR 29/20, Rn. 24 bei juris).
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Die Vorschrift des § 852 BGB ist anwendbar, auch wenn eine Erwerberin eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ein voll funktionsfähiges Fahrzeug erworben und seitdem genutzt hat (a. A. OLG Bamberg, Urteil vom 04.08.2021, 3 U 110/21, Rn. 10 f.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2021, 5 U 57/20, Rn. 55 ff.). Denn der Schaden in Form der ungewollt eingegangenen Verbindlichkeit besteht unabhängig von der Nutzbarkeit des Fahrzeugs. Die Kompensation erfolgt durch die Anrechnung des Nutzungsvorteils bei der Ermittlung der Schadenshöhe. Da der Anspruch aus § 852 BGB u. a. durch die Höhe des Schadensersatzanspruchs begrenzt wird, wirkt diese Kompensation auch dort.
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bb) Der Anspruch ist nicht aus dem Grund ausgeschlossen, dass die Klägerin sich nicht an der Musterfeststellungsklage beteiligt hat. Die Vorschrift des § 852 BGB ist nicht dahin teleologisch zu reduzieren, dass sie nicht eingreift, wenn der Geschädigte den Anspruch hat verjähren lassen, obwohl eine Klage ohne besonderes Prozessrisiko möglich gewesen wäre (OLG Koblenz, Urteil vom 29.07.2021, 6 U 934/20, Rn. 61 bei juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2021, 13 U 168/21, Rn. 77 bei juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2021, 14 U 225/20, Rn. 48 f. bei juris; OLG Koblenz, Urteil vom 31.03.2021, 7 U 1602/20, Rn. 47 ff. bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, Rn. 468 ff. bei juris; GA Artz, Anlage BK 1, S. 15 ff., Bl. 508 ff. d. A.; a. A. OLG Bamberg, Urteil vom 22.09.2021, 3 U 269/21, Rn. 45 ff. bei juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.01.2021, 19 U 170/20, Rn. 17 bei juris; GA Martinek, S. 27 ff., Beilage § 852, AB).
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Die teleologische Reduktion der Vorschrift wird damit begründet, dass sie nach dem Willen des Gesetzgebers den Geschädigten begünstigen solle, indem sie ihm eine längere Bedenkfrist gebe, ob er den Anspruch gerichtlich durchsetzen wolle. Dieser Begünstigung bedürfe er nicht, wenn er ohne Prozessrisiko gegen den Schädiger vorgehen könne (GA Martinek, S. 28 f.).
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Richtig ist, dass sich die Gesetzesbegründung auf Konstellationen stützt, in denen der Geschädigte eine längere Bedenkfrist benötigt, etwa weil der Schädiger derzeit vermögenslos oder der Bestand eines Patents unsicher ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 270). Indes ist damit nicht abschließend bestimmt, dass die Vorschrift nur in solchen Fällen eingreifen soll. Denn es werden nur Beispiele genannt, in denen sie von Bedeutung sein kann. Dementsprechend ist eine Anspruchsvoraussetzung im Sinne eines vertretbaren Verjährenlassens des Schadensersatzanspruchs nicht in den Wortlaut des § 852 BGB aufgenommen worden (GA Artz, S. 15 f.). Nach dem Wortlaut ist es vielmehr unerheblich, wie es zu der Verjährung gekommen ist, insbesondere ob der Geschädigte die anspruchsbegründenden Tatsachen kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, wie er sie rechtlich bewertete und wie er die Risiken einer gerichtlichen Durchsetzung beurteilte. Dass insbesondere die Möglichkeit, sich einer Musterfeststellungsklage anzuschließen, einen Anspruch aus § 852 BGB nicht ausschließen soll, ergibt sich daraus, dass diese Vorschrift bei der Einführung des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB unverändert gelassen wurde (OLG Koblenz, Urteil vom 31.03.2021, 7 U 1602/20, Rn. 53 bei juris).
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Die Vorschrift des § 852 BGB bezweckt jedenfalls auch die Abschöpfung eines Vermögensvorteils aufgrund eines Delikts beim Schädiger (BGH, Urteil vom 14.02.1978, X ZR 19/76, Rn. 62 bei juris; BGH, Urteil vom 10.06.1965, VII ZR 198/63, Rn. 66 bei juris). Damit wäre es unvereinbar, den Anspruch davon abhängig zu machen, ob der Geschädigte den Schadensersatzanspruch aufgrund vertretbarer Erwägungen hat verjähren lassen. Es ist nicht begründbar, dass der Schädiger über die Beschränkung des Anspruchs auf das Erlangte hinaus weiter begünstigt werden soll, wenn der Geschädigte den Anspruch in vorwerfbarer Weise hat verjähren lassen.
- 81
Im Übrigen ist nicht trennscharf zu definieren, wann das Verhalten des Geschädigten vorwerfbar sein soll. Es müssten in jedem Fall die Kenntnisse des Geschädigten und seine Motive, den Schadenersatzanspruch nicht gerichtlich geltend zu machen, einer Prüfung unterzogen werden. Ein Maßstab dafür findet sich in der Vorschrift des § 852 BGB nicht.
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Im vorliegenden Fall müsste feststehen, dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen kannte, die zutreffenden rechtlichen Schlüsse daraus zog und wusste, dass sie durch die Meldung zur Musterfeststellungsklage die Verjährung hemmen konnte. Zu den letzten beiden Punkten trägt die Beklagte nichts vor.
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cc) Die Beklagte hat etwas auf Kosten der Klägerin erlangt. Dieses Merkmal erfordert keine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger. Es ist vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzustellen. Es reicht, wenn der Vermögenszuwachs bei dem Schädiger und die Vermögenseinbuße bei dem Geschädigten kausal auf die deliktische Handlung zurückzuführen sind (BGH, Urteil vom 14.02.1978, X ZR 19/76, Rn. 62 f. bei juris; BGH, Urteil vom 10.06.1965, VII ZR 198/63, Rn. 66 bei juris; Staudinger/Vieweg, BGB (2015), § 852, Rn. 9; MK-BGB/Wagner, BGB, 8. Aufl., § 852, Rn. 7; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl., § 852, Rn. 2; GA Martinek, S. 39, 41, 43; GA Artz, S. 31 ff. Bl. 463 ff. d. A.).
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Die Fälle des Vertriebs von Fahrzeugen, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sind, haben die Eigenheit, dass sie in der überwiegenden Anzahl mehrgliedrig sind. Die Beklagte hat die betroffenen Fahrzeuge überwiegend über Händler in Verkehr gebracht. Sie hat zuvor das Kraftfahrt-Bundesamt darüber getäuscht, dass die Fahrzeuge nur aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung den Grenzwert für Stickoxidemissionen einhalten. In einem nächsten Schritt erwarben die ebenfalls getäuschten Kunden das Fahrzeug. Der Vermögenszufluss bei der Beklagten trat i. d. R. mit dem Inverkehrbringen ein. Die Schädigung bei dem getäuschten Erwerber trat mit der Eingehung der nicht gewollten Verbindlichkeit ein. Dem folgte der Vermögensabfluss bei der Zahlung des Kaufpreises an den Verkäufer. Beides konnte beim Kauf eines Gebrauchtwagens deutlich nach dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs erfolgen.
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Der notwendige Kausalzusammenhang zwischen dem Delikt und dem Vermögensabfluss und -zufluss ist unzweifelhaft bei einer Neuwagenbestellung - auch über einen Händler - gegeben. Der Erwerber geht mit der Bestellung eine ungewollte Verbindlichkeit ein. Die Beklagte bringt das Fahrzeug aufgrund der Bestellung in Verkehr und erhält einen Vermögenszufluss in Form der Kaufpreiszahlung. Der Erwerber erleidet einen Vermögensabfluss, wenn er in Erfüllung der Verbindlichkeit den Kaufpreis zahlt.
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Bei dem Kauf eines Gebrauchtwagens liegt der notwendige Kausalzusammenhang nicht vor (OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.03.2021, 13 U 693/20, Rn. 38 bei juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.03.2021, 13 U 678/20, Rn. 36 bei juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021, 22 U 248/20, Rn. 6 ff. bei juris; GA Martinek, S. 65). Die Beklagte hat einen Vermögenszuwachs bereits bei dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neuwagen erzielt. Aufgrund der Mehraktigkeit des Delikts liegt die sittenwidrige Schädigung des Gebrauchtwagenkäufers aber erst darin, dass er in Unkenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung das Fahrzeug erwirbt. Aus diesem Grund haftet die Beklagte nicht gegenüber Käufern, die das Fahrzeug erst nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals erworben haben (BGH, Urteil vom 30.07.2021, VI ZR 5/20, Rn. 29 ff. bei juris). Durch die Vollendung des Delikts mit dem Abschluss des Kaufvertrages über den Gebrauchtwagen fließt der Beklagten nichts mehr zu.
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Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass der Schaden gleichsam in einer Kette von Erwerber zu Erwerber weitergegeben wird (so GA Artz, S. 34 ff., Bl. 466 ff. d. A.). Denn zum einen ändert eine solche Betrachtung nichts daran, dass die Beklagte auch mittelbar aufgrund des Gebrauchtwagenkaufs nichts erwirbt. Der Zufluss des Kaufpreises beim Verkauf als Neuwagen, dem der Abfluss aufseiten des Neuwagenkäufers gegenübersteht, steht in keinerlei Zusammenhang zu dem späteren Zufluss bei dem Erstkäufer und Abfluss bei dem Gebrauchtwagenkäufer. Zum anderen behält der Erst- oder Zwischenerwerber seinen Schadensersatzanspruch auch dann, wenn er das Fahrzeug veräußert (BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 533/20, Rn. 24 ff. bei juris). Der Schaden geht also nicht auf den Erwerber über, sondern verbleibt bei dem Veräußerer. Bei dem Erwerber entsteht ein weiterer Schaden. Die Beklagte kann aber die Herausgabe des Erlangten nur einmal schulden, nicht gegenüber jedem Erwerber des Fahrzeugs in einer Kette.
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Fälle, in denen von Kraftfahrzeughändlern Maßnahmen getroffen werden, um den Kunden einen niedrigeren Kaufpreis bieten zu können, können wie eine Neuwagenbestellung behandelt werden. Geht man davon aus, dass die Beklagte von dem Händler den Kaufpreis bereits bei der Auslieferung an ihn erhält, so fehlt es zwar streng genommen an einer Kausalität durch die spätere Veräußerung an den Erwerber. Indes ist eine strenge Kausalität nicht erforderlich, um eine mittelbare Vermögensverschiebung zu Lasten des Erwerbers festzustellen. Maßgebend ist, ob der Erwerb des Schädigers im Verhältnis zu dem Geschädigten unrechtmäßig ist und ob die dadurch entstandene Vermögensvermehrung auf dessen Kosten geht (BGH, Urteil vom 10.06.1965, VII ZR 198/63, Rn. 66 bei juris; Staudinger/Vieweg, BGB (2015), § 852, Rn. 9). Diesen Zusammenhang wird man annehmen können, denn mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs zum Zweck der Rabattierung des Kaufpreises ist die Erwartung der Beklagten und des Händlers verbunden, dass es alsbald neuwertig an einen Erwerber veräußert werden wird. Nur dadurch rechtfertigt sich die Zahlung des Kaufpreises durch den Händler an die Beklagte. Gleichzeitig ist das Vermögen von Interessenten bereits abstrakt gefährdet. Es steht fest, dass sie einen Schaden erleiden, sobald sie, wie beabsichtigt, den Kaufvertrag schließen und den Kaufpreis zahlen. Dieser Schaden wird noch durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs verursacht. Durch den Zweck des Inverkehrbringens, dass das Fahrzeug alsbald weiterveräußert wird, sind die jeweiligen Kaufpreiszahlungen wirtschaftlich eng verbunden. Das rechtfertigt die Annahme, dass der Vermögenszuwachs aufseiten der Beklagten im Verhältnis zum Geschädigten unrechtmäßig ist und auf dessen Kosten geht.
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Ob der Verkauf zum Zweck der Erstzulassung innerhalb der Händlerorganisation der Beklagten oder an einen freien Händler erfolgt, ist unerheblich. Auch bei einem Verkauf an einen freien Händler muss die Beklagte davon ausgehen, dass dieser das Fahrzeug allein zum Weiterverkauf an einen Kunden erwirbt.
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dd) Die Beklagte hat den Nettokaufpreis abzüglich der Händlermarge erlangt, nicht nur den Nettogewinn für das Fahrzeug oder nur den Nettogewinn aufgrund des Einsatzes der unzulässigen Abschalteinrichtung (OLG Schleswig, Urteil vom 22.10.2021, 17 U 40/21, Rn. 38 bei juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2021, 14 U 225/20, Rn. 51 ff. bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, Rn. 61 ff. bei juris; GA Artz, S. 19 f., Bl. 451 f. d. A.; a. A. OLG Bamberg, Urteil vom 22.09.2021, 3 U 269/21, Rn. 42 f. bei juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2021, 9 U 17/21, Rn. 67 ff. bei juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.04.2021, 23 U 143/20, Rn. 29; OLG Stuttgart, Urteil vom 10.03.2021, 9 U 902/21, S. 14 f., Beilage § 852, AB, GA Martinek, S. 60 f.).
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Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass es im Rahmen des § 852 BGB allein um die Gewinnabschöpfung gehe (so GA Martinek, S. 60 f.) oder die Kosten der Herstellung des Fahrzeugs bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung abzuziehen seien (so OLG Stuttgart, Urteil vom 10.03.2021, 9 U 902/21, S. 14 f., Beilage § 852, AB). Dass bei Patentverletzungen der Schaden des Patentinhabers u. a. anhand des vom Verletzer erzielten Gewinns berechnet werden kann (BGH NJW 1962, 1507) und sich nach der Verjährung des Schadensersatzanspruches der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns in dem Anspruch aus § 852 BGB fortsetzen kann (BGH, Urteil vom 26.03.2019, X ZR 109/16, Rn. 15 ff.), ist nicht verallgemeinerungsfähig, sondern beruht auf den Besonderheiten des Patentrechts (OLG Stuttgart, Urteil vom 09.03.2021, 10 U 339/20, Rn. 73 f. bei juris). Die Besonderheit besteht darin, dass der Eingriff in das Recht bereits im Gebrauch des Patents liegt. Der dadurch erlangte Vorteil kann nicht herausgegeben werden, sodass der Schädiger Wertersatz in Form einer Lizenzgebühr schuldet (BGH, Urteil vom 26.03.2019, X ZR 109/16, Rn. 16). Der Verletzte kann aber nach den Regeln des Patentrechts auch den Gewinn abschöpfen, der dem Schädiger nicht verbleiben soll (BGH, Urteil vom 26.03.2019, X ZR 109/16, Rn. 20). Dieses Ziel setzt sich in dem Anspruch aus § 852 BGB fort.
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Bei dem Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs ist eine andere wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Der Schadensersatzanspruch aus § 826 bezweckt nicht die Abschöpfung von Gewinn der Beklagten, sondern die Kompensation des Schadens des Erwerbers in der Form der Zahlung des Kaufpreises. Die Beklagte hat unter der Aufwendung von Kosten einen Wert geschaffen, der sich in dem Fahrzeug verkörpert und sich in dem Kaufpreis ausdrückt. Sie erhält für die Hergabe des Fahrzeuges den vom Händler gezahlten Kaufpreis, nicht nur einen Gewinnanteil.
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Die Rechtsfolgen des Anspruchs aus § 852 BGB richten sich nach § 818 ff. BGB. Danach ist es unerheblich, welche Kosten die Beklagte für die Herstellung des Fahrzeugs hatte. Zur Ermittlung der Höhe von Bereicherungsansprüchen wird der Aufwand des Schuldners zur Erlangung des Vermögensvorteils ebenfalls nicht betrachtet, um das Erlangte zu ermitteln. Ein Ausgleich findet bei wechselseitigen Bereicherungsansprüchen dadurch statt, dass die jeweiligen Leistungen rückabzuwickeln und bei Gleichartigkeit zu saldieren sind. Damit korrespondiert, dass der geschädigte Fahrzeugkäufer im Wege der Vorteilsausgleichung auch bei der Geltendmachung des Anspruchs aus § 852 BGB das Fahrzeug an die Beklagte übereignen und herausgeben muss, weil sein Anspruch durch den ursprünglichen Schadensersatzanspruch begrenzt wird. Dadurch gelangt der durch die Produktion geschaffene Wert an die Beklagte zurück (OLG Schleswig, Urteil vom 22.10.2021, 17 U 40/21, Rn. 38 bei juris). Eine doppelte Begünstigung der Beklagten durch die Anrechnung der Kosten der Herstellung des Fahrzeugs und durch dessen Rückerwerb wäre nicht gerechtfertigt.
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ee) Das Landgericht hat die Höhe des Erlangten nicht fehlerhaft zu Lasten der Beklagten geschätzt. Es hat die Händlermarge mit 15 % angenommen. Das folgt dem Vortrag der Klägerin, dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist.
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Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte einen eigenen Gewinn je Fahrzeug von nur 600,00 € behauptet, erscheint die geschätzte Marge nicht unrealistisch.
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ff) Die Beklagte kann sich nicht auf eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB wegen der anteiligen Kosten des Rückrufs und der Entwicklung des Updates berufen. Es kann offenbleiben, ob diese Vorschrift auch bei Bösgläubigkeit des Schuldners anwendbar ist (so GA Martinek, S. 46 ff.), wogegen allerdings Wortlaut und Zweck der § 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB sprechen dürften. Denn die Beklage hat keine Aufwendungen zu Gunsten des Klägers getätigt.
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Die Kosten des Rückrufes und der Entwicklung des Updates standen mit dem Erlangten nicht in Zusammenhang. Sie kamen der Klägerin auch nicht zugute. Denn der Schaden durch die Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit wurde durch das Update nicht beseitigt (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 58 bei juris). Zudem hat die Beklagte die Aufwendungen nicht im Interesse der Geschädigten getätigt, sondern im Eigeninteresse, um den Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamts nachzukommen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
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Die Zulassung der Revision erfolgt, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es ist ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen geschädigten Erwerbern eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs ein Anspruch aus § 852 BGB zustehen kann. Dazu gibt es widersprüchliche Entscheidungen. Der Senat will, wie dargelegt, mit seiner Entscheidung von den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte abweichen.
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