Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 399/04 - 110

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 3) und 4) wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2004 - 16 O 422/02 - im Zinsausspruch dahingehend abgeändert, dass die unter Ziff. 1a) des Tenors ausgeurteilte Hauptforderung gegenüber der Beklagten zu 3) erst ab dem 11.5.2003 und gegenüber dem Beklagten zu 4) erst ab dem 1.12.2002 in Höhe des festgesetzten Zinssatzes zu verzinsen ist. Im Umfang der Abänderung wird die weitergehende Klage abgewiesen.

2. Die Beklagten zu 3) und 4) tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 304.809,93 EUR festgesetzt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit aus einem Aktienkaufvertrag und einem als „Darlehensvertrag“ überschriebenen Vertrag in Anspruch.

Am 1.1.1984 wurde die M. AG mit Sitz in gegründet. Am Grundkapital von einer Million DM waren der Kläger zu 1), und die Beklagten zu 1) und zu 3) mit je einem Drittel beteiligt. Die M. AG bezog einen Gebäudekomplex, der zunächst von den Ehefrauen des Klägers zu 1) und des Beklagten zu 1) erworben wurde. Nachdem die M. AG erhebliche Investitionen in das Grundstück getätigt hatte, wurde das Grundstück im Jahr 1988 zu einem Kaufpreis von zwei Millionen DM an die M. AG verkauft. Am 15.12.1993 veräußerte der Kläger zu 1) seine Anteile an der M. AG an die Beklagten zu 1), 2) und 3). Bezüglich der Einzelheiten des Kaufvertrages wird auf die Anlage Nr. 1 zur Klageschrift verwiesen. Die laut Kaufvertrag geschuldeten monatlichen Raten wurden über die M. AG erbracht. Hinsichtlich der zum 31.12.2001 fälligen Restkaufpreiszahlung in Höhe von 600.000 DM vereinbarten der Kläger zu 1), der Beklagte zu 1) sowie der Beklagte zu 4) im Juli 2001 ein Annuitätendarlehen über eine Gesamtsumme von 306.775 EUR. Hinsichtlich des Wortlauts der Darlehensvereinbarung wird auf die Anlage Nr. 2 zur Klageschrift Bezug genommen. Auf die nach dem Darlehensvertrag geschuldeten Raten wurden nur die Raten der Monate Januar bis März 2002 geleistet; im April 2003 zahlte lediglich der Beklagten zu 2) einen anteiligen Betrag von 936,13 EUR.

Im Sommer 2002 fiel die M. AG in Insolvenz. Im Zusammenhang mit der Insolvenz ermittelt die Staatsanwaltschaft insbesondere gegen den Beklagten zu 2), der als Finanzprokurist der M. tätig war, wegen Bilanzfälschungen, Urkundenfälschung, Kreditbetrugs und Wechselreiterei.

Soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz hat der Kläger beantragt, die Beklagten zu 3) und 4) als Gesamtschuldner mit dem durch rechtskräftiges Teilversäumnisurteil vom 12.5.2003 verurteilten Beklagten zu 2) zu verurteilen, an den Kläger zu 1) zu 304.809,43 EUR nebst Verzugszinsen i. H. v. 5 Prozent über dem Basiszinssatz aus 290.265,26 EUR seit dem 1.5.2002 zu zahlen.

Dem sind die Beklagte entgegengetreten. Nach Auffassung der Beklagten zu 3) ist die Klageschrift nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, da der Beklagte zu 4) der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Die Beklagten vertreten die Auffassung, nicht zur Kaufpreiszahlung verpflichtet zu sein, da der Kläger zu 1) positive Kenntnis hinsichtlich der vom Beklagten zu 2) verübten Manipulationen besessen habe. Schon seit 1987 sei die M. AG überschuldet gewesen.

Der Kläger habe überdies zur Schädigung der Gesellschaft beigetragen: So habe die M. auf Veranlassung des Klägers zu 1) das Grundstück zu einem weit überhöhten Preis erworben. Weiterhin habe der Kläger zu 1) über eine ihm gehörende Firma von Anfang 1984 bis Ende 1993 jährlich 60.000 DM Beraterhonorar bezogen, ohne irgendeine Leistung erbracht zu haben. Durch dieses Verhalten sei die M. AG in einer Größenordnung von ca. 3,25 Millionen DM geschädigt worden; dies habe zur Überschuldung der Gesellschaft beigetragen. Im Übrigen könne es schon deshalb nicht bei der vertraglich vereinbarten Gegenleistung der Beklagten verbleiben, weil der Kaufpreis jedenfalls mit Rücksicht auf eine von den Parteien angenommene gute wirtschaftliche Lage der Gesellschaft bemessen worden sei und die Bilanzen objektiv unrichtig gewesen seien.

Das Landgericht hat der gegen die Beklagte zu 3) gerichteten Klage in Höhe eines Betrages von 290.265,36 EUR und hinsichtlich der gegen den Beklagten zu 4) gerichteten Klage in vollem Umfange stattgegeben. Bzgl. der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des Landgerichts vom 17.6.2004 (GA II Bl. 321 ff.) Bezug genommen.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung erstreben die Beklagten zu 3) und 4) die vollständige Abweisung der Klage. Die Beklagten vertiefen ihre Rüge, wonach bereits die Klageschrift nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten zu 3) bestehe bereits deshalb nicht, weil zum Zeitpunkt des Aktienkaufvertrages eine mündliche Vereinbarung getroffen worden sei, wonach der Kaufpreis nur über die M. AG gezahlt werden solle, sofern diese liquide sei. Es habe eine Verrechnung mit Gewinnen der Gesellschaft stattfinden sollen. Das Landgericht habe den diesbezüglichen Sachvortrag zu Unrecht als unsubstantiiert zurückgewiesen. Auch habe das Landgericht die rechtlichen Abhängigkeiten zwischen Kaufvertrag und Darlehen nicht richtig eingeordnet: Das Landgericht habe verkannt, dass sich Ansprüche aus Kaufvertrag und Darlehen gegenseitig denknotwendig ausschlössen, da es andernfalls an der Valutierung des Darlehens fehle. Hinsichtlich des Grundstückskaufvertrages aus dem Jahr 1988 habe das Landgericht übersehen, dass die M. AG Sanierungsmaßnahmen ergriffen habe, die den Grundstückswert um 750.000 DM auf 1,8 Millionen angehoben hätten. In Anbetracht dieser erheblichen Investitionen, die auf den Kaufpreis nicht angerechnet worden seien, habe die Gesellschaft die Investitionen im Ergebnis zweimal bezahlt. In jedem Fall sei aufgrund der Fehlvorstellungen des Beklagten zu 4) über die gute Finanzkraft des Unternehmens die Geschäftsgrundlage des Aktienkaufvertrages entfallen.

Die Beklagten zu 3) und 4) beantragen,

das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2004 - 16 O 422/02 -, soweit es die Beklagten zu 3) und 4) beschwert, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt bis auf eine geringfügige Korrektur im Zinsausspruch ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung keine Rechtsfehler erkennen lässt und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung rechtfertigen.

A. Zur Zulässigkeit der Klage

Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Klageschrift an die Beklagten zu 3) und 4) wirksam zugestellt worden, da der Beklagte zu 4) nach der Überzeugung des Senats über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.

1. Gemäß § 183 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO kann eine Zustellung im Ausland auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die Behörden des fremden Staates erfolgen. Zusätzlich gelten gem. § 183 Abs. 3 ZPO die Bestimmungen der EG-Verordnung Nr. 1343/2000 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 160/37 vom 30.6.2000; im Folgenden: Verordnung). Die Verordnung sieht in Art. 8 vor, dass der Empfänger die Annahme des zuzustellenden Schriftstückes verweigern darf, wenn es in der Sprache des Übermittlungsmitgliedstaates abgefasst ist, die der Empfänger nicht versteht. Art. 8 Abs. 2 der Verordnung bestimmt, dass die Übermittlungsstelle unter Rücksendung der zuzustellenden Schriftstücke unverzüglich von der Empfangsverweigerung in Kenntnis gesetzt werden muss.

2. Es kann offen bleiben, ob die Zustellungen unabhängig von den Sprachkenntnissen des Beklagten zu 4) wirksam waren:

a) Die Sendungen wurden in dem nach der Verordnung vorgesehenen Verfahren von dem zuständigen niederländischen Gerichtsvollzieher in den Hausbriefkasten eingelegt. Hierbei wurden die Adressaten ausweislich des gefertigten Zustellprotokolls nicht über die Möglichkeit einer Annahmeverweigerung belehrt. Dennoch hat der Beklagte zu 4) die zugestellten Schriftstücke angenommen und sich auf das Verfahren eingelassen.

b) Es erscheint fraglich, ob der EG-Verordnung der Rechtssatz entnommen werden kann, dass eine ohne Belehrung über die Möglichkeit der Annahmeverweigerung erfolgte Zustellung eines nicht in einer der in Art. 8 der Verordnung genannten Sprachen abgefassten Schriftstückes stets unwirksam ist. Denn nach dem Text der Verordnung führt die fehlerhafte Zustellung eines in einer nicht normkonformen Sprache abgefassten Schriftstücks lediglich die Rechtsfolge herbei, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstückes verweigern kann. Gerade dies hat der Beklagte zu 4) nicht getan: Beide Beklagten haben sich inhaltlich auf das vorliegende Verfahren eingelassen. Die unterlassene Belehrung über die Möglichkeit der Annahmeverweigerung zwingt nicht dazu, die Unwirksamkeit der Zustellung zu postulieren. Denn das Interesse des Zustellungsempfängers wird dadurch gewahrt, dass der Empfänger die Möglichkeit besitzt, das Schriftstück nachträglich mit Blick auf die Anforderungen der Verordnung innerhalb der Frist des § 1070 ZPO zurückzureichen.

3. Eine abschließende Beantwortung dieser Rechtsfrage kann dahinstehen, da der Beklagte zu 4) nach der Überzeugung des Senats über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, weshalb den Anforderungen des Artikel 8 Abs. 2 der Verordnung Genüge getan ist.

Die vom Landgericht dargelegten Umstände sind gewichtige Indizien dafür, dass der Beklagte zu 4) in hinreichendem Maße über deutsche Sprachkenntnisse verfügt. Alle strittigen Verträge sind in deutscher Sprache abgefasst. Die Berufung legt nicht dar, dass sich der Beklagte zu 4) zum Verständnis der Verträge eines Dolmetschers bedient hätte (zum Beweiswert einer in der Fremdsprache abgefassten Vertragsurkunde: Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., Anm. zu Art. 8 der Verordnung). Auch das Prozessverhalten der Beklagten zu 3) und 4) belegt ausreichende Sprachkenntnisse: Die in deutscher Sprache abgefasste Klageschrift wurde am 10.5.2003 im Briefkasten des Beklagten zu 4) niedergelegt. Bereits am 30.5.2003 ist die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3) und 4) eingegangen. Diese prompte Reaktion deutet darauf hin, dass der Beklagte zu 4) die Bedeutung des zugestellten Schriftstücks unmittelbar erfassen konnte. Denn der Beklagte zu 4) trägt nicht vor, sich zum richtigen Verständnis der ihm zugestellten Sendung einer Hilfe bedient zu haben.

Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 4) seit dem 30. August 1986 Mitglied des Aufsichtsrates und seit 1991 stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der M. AG war. Auch diese Tätigkeit war ohne hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht zu bewältigen. Dass der Beklagte zu 4) in Erfüllung dieser Aufgabe über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte, zeigt exemplarisch das von den Beklagten vorgelegte Protokoll der Hauptversammlung der M. AG vom 2.7.1987 (GA III Bl. 217). Das Protokoll belegt, dass der Beklagte zu 4) ohne Beistand eines Dolmetschers in der Lage war, an einer Hauptversammlung der M. AG in teilzunehmen und an den Beschlussfassungen mitzuwirken.

Dieser Indizwert kann nicht leicht mit der Erfahrungstatsache in Zweifel gezogen werden, dass gerade im Wirtschaftsverkehr ausländische Vertragsparteien häufig durch inländische Vertreter beraten werden. Denn die Berufung legt nicht dar, dass sich der Beklagte zu 4) im konkreten Fall tatsächlich bei der Abfassung des Kauf- und Darlehensvertrages eines inländischen Vertreters bediente. Ebenso wenig hilft der Hinweis weiter, dass Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften häufig international besetzt seien, wobei diese ausländischen Aufsichtsratsmitglieder häufig nicht der deutschen Sprache mächtig seien, weshalb die Beratung vielmehr regelmäßig in Englisch als der international üblichen Geschäftssprache abgehalten werde. Auch hier trägt die Berufung nicht konkret auf den Fall bezogen vor, dass bei Aufsichtsratssitzungen der M. AG auf Englisch verhandelt wurde.

Entgegen der Auffassung der Berufung bestätigt die mit Schriftsatz vom 11.8.2005 vorgelegte E-Mail des Beklagten zu 4) (GA IV 697) die fehlenden Sprachkenntnisse nicht. Vielmehr ist die gegenteilige Schlussfolgerung richtig: Der Sinn der E-Mail kann mit geringer Mühe durchaus erschlossen werden. Im Übrigen belegt die E-Mail, dass auch der eigene Prozessbevollmächtigte hinreichende Kenntnisse seines Mandanten in der deutschen Sprache voraussetzt. Denn ansonsten wäre nicht verständlich, wieso der Prozessbevollmächtigte Veranlassung gesehen haben mag, sich mit Fragen zum weiteren Prozessvorgehen in deutscher Sprache unmittelbar an den Beklagten zu 4) zu wenden.

4. Auch die Beklagte zu 3) muss die an den Beklagten zu 4) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten zu 3) erfolgte Zustellung gegen sich gelten lassen: Es besteht unter Beachtung des allgemeinen Redlichkeitsgebots kein anzuerkennendes Interesse, der Zustellung an den gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person die Wirksamkeit vorzuenthalten, obwohl sich der gesetzliche Vertreter vom Inhalt des zugestellten Schriftstücks aufgrund eigener Sprachkenntnisse Kenntnis verschaffen kann. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, bei Zustellungen an eine juristische Person solle das Schriftstück in der Sprache des statuarischen oder tatsächlichen Sitzes der Gesellschaft abgefasst sein (Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., Anm. zu Art. 8 der Verordnung; Lindacher, ZZP 114, 179, 187). Diese Rechtsauffassung dient ersichtlich den Interessen des Zustellenden, der nicht ohne weiteres Kenntnis davon hat, welche Sprache der Zustellungsempfänger spricht. In diesem Fall genügt der Zustellende den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 lit. b der Verordnung bereits dann, wenn er das zuzustellende Schriftstück in der Sprache des Sitzes des Zustellungsempfängers übermittelt. Denn es widerspräche den Geboten der Redlichkeit, dem Zustellungsempfänger mit Blick auf die „falsche“ Sprache die Möglichkeit der nachträglichen Annahmeverweigerung zu ermöglichen, obwohl der Empfänger über den Inhalt des zugestellten Schriftstücks nicht im Zweifel ist.

B. Auch in der Sache bleibt die Berufung im Wesentlichen ohne Erfolg. Die Beklagten zu 3) und 4) sind zur Zahlung der offenstehenden Kaufpreisforderung in Höhe von 290.265,26 EUR verpflichtet. Hinsichtlich der Beklagten zu 3) folgt die Zahlungspflicht aus dem in eigener Person abgeschlossenen Kaufvertrag i. V. m. § 433 Abs. 2 BGB. Der Beklagte zu 4) ist gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Zahlung verpflichtet: Obwohl das Schuldverhältnis vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes begründet worden ist, findet gem. Art. 229 § 6 Satz 2 EGBGB auf den Rückzahlungsanspruch seit dem 1.1.2003 das geltende Recht Anwendung, da das Darlehen ein Dauerschuldverhältnis darstellt (Palandt/Putzo, BGB, 64. Aufl., vor § 488 Rdn. 5).

1. Ansprüche gegen die Beklagten zu 3)

Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 3) ergeben sich allein aus dem Aktienkaufvertrag vom 15.12.1993, da die Beklagte zu 3) nicht Partei des Darlehensvertrages vom Juli 2001 geworden ist.

a) Ohne Erfolg erneuert die Berufung ihren Einwand, eine Haftung der Beklagten zu 3) komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Darlehensschuld des Beklagten zu 4) an die Stelle der Kaufpreisschuld getreten sei bzw. die Kaufpreisschuld in jedem Fall durch die Darlehensverbindlichkeit gem. § 362 BGB erloschen sei.

Die vertragliche Vereinbarung entspricht nicht dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrages: Zumindest hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) war klar, dass deren vertraglich übernommene Darlehensschuld nicht neben die bereits begründete Kaufpreisschuld treten sollte. Vielmehr wurde den Beklagten zu 1) und 2) durch den Abschluss der Darlehensvereinbarung das Recht eingeräumt, die am 31.12.2001 fällig werdende Schuld aus dem Kaufvertrag ratenweise zu begleichen. Damit wurde jedenfalls in den Personen des Beklagten zu 1) und 2) die Kaufpreisforderung nach Maßgabe der im Darlehensvertrag geänderten Fälligkeitsregelung modifiziert. Daraus folgt zugleich, dass es niemals die Absicht des Klägers war, die in der Darlehensvereinbarung genannte Darlehenssumme in irgendeiner Weise durch Auszahlung zu valutieren. Vielmehr überzeugt das vom Landgericht vertretene Auslegungsergebnis, dass sich die Vertragsparteien in einem Vertrag sui generis auf eine ratenweise zu erfolgende Rückzahlung der Kaufpreisschuld einigten.

Auch wenn diese Erwägungen nicht uneingeschränkt auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 3) und 4) zu übertragen werden können, da diese selbständige Rechtssubjekte sind, verbietet sich die Schlussfolgerung, dass der Kläger die Beklagte zu 3), die am Darlehensvertrag nicht beteiligt war, aus der kaufvertraglichen Haftung entlassen wollte. Für einen solchen privativen Austausch der Haftung findet sich im Wortlaut der Darlehensurkunde kein Anhalt. Vielmehr ergibt sich aus dem objektiven Empfängerhorizont das Vertragsverständnis, dass der Beklagte zu 4) der Schuld der Beklagten zu 3) in Gestalt der Darlehensverbindlichkeit kumulativ beitreten wollte.

Die Berufung zeigt keine konkreten tatsächlichen Umstände auf, die ein abweichendes Verständnis der vertragsschließenden Parteien anlässlich der Darlehensvereinbarung nahe legen. Die rechtskonstruktiven Überlegungen der Berufung dazu, dass die Darlehensschuld gem. § 488 Abs. 1 BGB die Valutierung des Darlehens voraussetze und diese notwendigerweise nur in einer Verrechnung mit der noch offen stehenden Kaufpreisforderung bestehen könne, überzeugt nicht, da sie auf einem unzutreffenden Verständnis der vertraglichen Vereinbarung beruht. Mit Recht hat das Landgericht auf Seite 26 des Urteils die Auffassung vertreten, dass keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen auf einer Schuldbefreiung hindeutenden Parteiwillen vorgetragen sind.

Zwar haben die Beklagten bereits in der Klageerwiderung (GA I Bl. 99) den Vortrag durch Parteivernehmung des Klägers sowie durch Vernehmung der Beklagten zu 1) und 2) unter Beweis gestellt, dass die Pflichten der Darlehensnehmer an die Stelle der Pflichten der Käufer des Aktienkaufvertrages treten sollten. Es kann letztlich dahinstehen, ob dieser Sachvortrag ohne eine Darstellung der näheren Umstände dieses Vertragsschlusses hinreichend substantiiert war. Denn die Beklagten sind von ihrem erstinstanzlichen Sachvortrag abgerückt, indem sie auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erteilten Hinweise nunmehr vortragen, dass sich die Ersetzung der Kaufpreiszahlungsverpflichtung durch den Darlehensvertrag nicht aufgrund einer diese Folge regelnden konkreten Vereinbarung ergebe, sondern denknotwendig und als gesetzliche Folge des Abschlusses der beiden Verträge feststehe (GA IV Bl. 690).

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht von der Einholung eines Beweises über die Behauptung der Beklagten abgesehen, zwischen den Kaufvertragsparteien sei vereinbart worden, dass die Kaufpreiszahlung über die M. AG erfolgen solle:

aa) Der Sachvortrag zum Inhalt der getroffenen Absprache ist nicht kohärent:

In der Berufungsbegründung haben die Beklagten den Inhalt der Vereinbarung dahingehend skizziert, dass:

• die Zahlungen allein über die M. erfolgen sollten,

• Zahlungen nur erfolgen sollten, wenn die M. dazu liquide sei, und

• diese Zahlungen mit anfallenden M...gewinnen zu verrechnen seien.

Ziel dieser Regelung sei es gewesen, die Kaufpreiszahlungen allein über die Gesellschaft und nicht aus dem Privatvermögen der Käufer zu erbringen.

Demgegenüber haben die Beklagten zu 3) und 4) im Schriftsatz vom 13.1.2004 (GA III Bl. 200 f.) den Inhalt der Vereinbarungen zunächst durch eine Bezugnahme auf eine Aussage des Beklagten zu 2) gegenüber der Staatsanwaltschaft Saarbrücken beschrieben. Hier habe der Beklagte zu 2) erklärt, schon im Jahr 1993 habe Einvernehmen darüber bestanden, dass die monatlichen Zahlungen über die M. geleistet werden und als Darlehen den Gesellschaftern zur Verfügung gestellt werden sollten. Dieses Darlehen sollte mit zukünftig zu erwartenden Gewinnausschüttungen verrechnet werden. Sodann nimmt der Schriftsatz auf Sitzungen des Aufsichtsrates der M. vom 29.8.1999 und 8.6.1999 Bezug, anlässlich derer die Darlehensgewährung der M. an die Gesellschafter beschlossen worden sei. Diese Beschlussfassung - so die Beklagten weiter - habe unter der ausdrücklich gerade mit dem Kläger besprochenen Voraussetzung gestanden, dass im Verhältnis zum Kläger nur die M. Zahlungen auf das Darlehen bzw. den Kaufvertrag zu leisten verpflichtet gewesen sei.

Vergleicht man diese Darstellungen der behaupteten Absprachen so fällt zunächst ins Gewicht, dass die Darlehensgewährung an die Gesellschafter zum Zwecke der Kaufpreistilgung im Schriftsatz vom 13.1.2004 gerade nicht mit dem Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses zusammenfiel, sondern erst im Jahr 1999 beschlossen worden sein soll. Wichtiger ist jedoch, dass die im Schriftsatz vom 13.1.2004 beschriebene Verfahrensweise keine sicheren Rückschluss darauf zulässt, ob die vorrangige Bedienung der Kaufforderung über die M. eine persönliche Inanspruchnahme der Schuldner auch nach Eintritt der Insolvenz der Gesellschaft dauerhaft verhindern sollte. So mag es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Gründe dafür gegeben haben, den Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, ihre Kaufpreisschuld zunächst durch Verrechnung mit ihren Gewinnausschüttungen zu tilgen. Die gleichen Gründe streiten jedoch nicht mit logischer Stringenz dafür, die persönliche Haftung für die Zahlung des Kaufpreises im Falle der Insolvenz der vorrangig in Anspruch genommenen Gesellschaft dauerhaft auszuschließen. Eine derartige Absprache hätte nicht den Rechtscharakter eines pactum de non petendo, also eines zeitlich beschränkten Stillhalteabkommens (vgl. BGHZ 148, 241, 250; 139, 387, 393; 128, 230, 235; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 205 Rdnr. 2), sondern käme einer dauerhaften Haftungsbeschränkung gleich. Dafür, dass der Kaufpreisanspruch gewissermaßen unter der aufschiebenden Bedingung des Fortbestands der M. als werbende Gesellschaft gestanden haben mag, fehlen sowohl in der Kaufvertragsurkunde als auch in der Darlehensurkunde verwertbare Anhaltspunkte.

bb) Bei dieser Sachlage hat das Landgericht mit Recht von der Einholung der angebotenen Beweise Abstand genommen: Selbst wenn die dazu angebotenen Zeugen alle im Schriftsatz vom 13.1.2004 aufgestellten Behauptungen bestätigt hätten, wäre die entscheidende Frage offengeblieben, ob sich der Kläger nach dem Inhalt der vertraglichen Absprachen auch für den Fall einer Insolvenz der Gesellschaft mit einem Verzicht auf die dann noch offenstehende Kaufpreisforderung einverstanden erklärt hat, wofür nichts spricht.

Der Senat ist im Rahmen des eingeschränkten Prüfungsrahmens des § 529 ZPO an diese rechtsfehlerfreie Tatsachenfeststellung des Landgerichts gebunden, nachdem es den Beklagten nicht gelungen ist, konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen wecken: Die Berufungsbegründung beschränkt sich darauf, das Ergebnis der behaupteten Absprache zu referieren. Die Darstellung der Berufungsbegründung lässt keinen sicheren Rückschluss darauf zu, dass die Vertragsparteien auch im Fall der Insolvenz der M. eine Inanspruchnahme der Beklagten dauerhaft ausschließen wollten. Der Senat hat die Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf das vorläufige Auslegungsergebnis hingewiesen. In der ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2005 zeigen die Beklagten keine Aspekte zur Motivation der Vertragsparteien auf, die ein weitergehendes Verständnis vom Umfang der vorgetragenen Haftungsbeschränkung nahe legen.

Zusammenfassend ist es der Beklagten zu 3) daher nicht gelungen, eine Abrede schlüssig darzulegen, die über die Liquidation der M. AG hinaus ihre persönliche Inanspruchnahme verhindert.

c) Soweit das Landgericht Gewährleistungsansprüche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der kaufrechtlichen Rechtsmängel- bzw. Sachmängelhaftung nicht für gegeben erachtet hat, nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug.

d) Auch den Sachvortrag, der Kläger habe die Überschuldung der M. bereits anlässlich des Kaufvertrages gekannt, da er in die kriminellen Machenschaften der Beklagten zu 1) und 2) eingeweiht gewesen sei, hat das Landgericht mit Recht als unsubstantiiert zurückgewiesen. Aus dem Sachvortrag lässt sich nicht einlassungsfähig belegen, welche konkreten Umstände den Rückschluss auf eine Kenntnis des Klägers erlauben. Insbesondere können sich die Berufungsführer nicht auf die Darlegungs- und Beweiserleichterungen berufen, die die Rechtsprechung dem Beweisführer dann zubilligt, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner zumutbar nähere Angaben machen kann (BGHZ 145, 170, 184; 129, 345, 349 f.; 127,275, 283 f.; 120,320, 327; Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht Rdn. 303 ff.; Arens ZZP 96 [1983], 1, 21 ff.; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 34; MünchKomm-ZPO/Peters, 2. Aufl., § 138 Rdn. 21 f.; Musielak/Stadler, ZPO § 138 Rdn. 10 f.).

Ein solcher Wissensvorsprung des Klägers liegt im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht vor. Unstreitig war der Beklagte zu 4) zeitgleich mit dem Kläger seit 1986 Aufsichtsratsmitglied der M. und in dieser Funktion unschwer in der Lage, sich die erforderlichen Informationen über alle relevanten Geschäftsvorgänge zu verschaffen. Hier besteht für die Auferlegung sekundärer Darlegungslasten selbst dann kein Raum, wenn der Beklagte zu 4) zum gegenwärtigen Zeitpunkt außerstande ist, die in der Vergangenheit liegenden Tatsachen zu ermitteln. Denn diese Schwierigkeiten beruhen nicht auf einem typischerweise nicht vermeidbaren Informationsdefizit, sondern darauf, dass der Beklagte zu 4) eine ihm ohne weiteres zugängliche Informationsquelle nicht hinreichend ausgeschöpft hat. Dieses in seiner eigenen Person wurzelnde Risiko muss der Beklagte zu 4) auf der Ebene des Prozessrechts tragen.

e) Aus den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb der M. AG im Jahr 1988 steht der Beklagten zu 3) kein auf Rückabwicklung des Vertrags gerichteter Schadensersatzanspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten zu.

aa) Zunächst kann die Beklagte zu 3) aus der Gestaltung des Grundstückskaufvertrages keine eigenen Schadensersatzansprüche herleiten. Denn das beanstandete Verhalten hat keinen inneren Bezug zu dem fünf Jahre später abgeschlossenen Kaufvertrag.

Das Rechtsinstitut der Haftung für die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten gewährt Schadensersatz nur dann, wenn der Schuldner vertragsspezifische Nebenpflichten verletzt, die ihm nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bei der Anbahnung oder Vorbereitung des Vertrages sowie - als so genannte nachsorgende Leistungstreuepflichten - zur Sicherung des Leistungserfolges aus der schuldrechtlichen Sonderverbindung erwachsen (vgl. Bamberger/Roth, BGB, § 437 Rdn. 178; MünchKomm(BGB)/Westermann, 4. Aufl., § 437 Rdn. 57, 60; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., vor § 459 Rdn. 211). Demgegenüber unterliegen die Vertragsparteien dem vertraglichen Haftungsregime nicht für jede Handlung, die sich in irgendeiner Weise auf den Leistungserfolg auswirkt. Diese Grundsätze stehen einer Haftung des Klägers entgegen:

Das beanstandete Verhalten war mit der Übertragung des Grundstücks im Jahr 1988 abgeschlossen. Die von den Beklagten behaupteten negativen Auswirkungen auf den Wert des Gesellschaftsvermögens waren lange vor dem Beginn der Kaufvertragverhandlungen über den Erwerb der Aktien eingetreten. Auch der dem Kläger vorgeworfene Straftatbestand der Untreue zu Lasten der M. war zum Zeitpunkt des Kaufvertrags beendet. Bei dieser Sachlage steht die haftungsrechtliche Kompensation eines Fehlverhaltens des Klägers im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag allein der geschädigten Gesellschaft zu: Die M. AG besaß - die Richtigkeit des Beklagtenvortrags unterstellt - die Möglichkeit, den Kläger zu 1) aus einer Verletzung seiner gesellschaftsrechtlichen Schutz- und Treuepflichten in Anspruch zu nehmen. Flankierend wurden die Interessen der vom Kläger vertretenen Gesellschaft durch den deliktsrechtlichen Schutz gewahrt.

bb) Dieser fehlende haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen der im Jahr 1988 vorgenommenen schadensstiftenden Handlung und den aus der Anbahnung des Aktienkaufs resultierenden Schutz- und Treuepflichten kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch herstellt werden, dass dem Kläger eine unterlassene Aufklärung über die von ihm begangenen Manipulationen zur Last zu legen ist:

aaa) Soweit dem Kläger vorgeworfen wird, es unterlassen zu haben, den aus Sicht der Beklagten tatsächlichen Vermögensstatus zu offenbaren, kann ein derartiges Unterlassen für den Anteilskauf nicht kausal geworden sein. Denn die nachteiligen Auswirkungen des Grundstückskaufs fanden sich in den Bilanzen der Gesellschaft wieder. Soweit die Beklagten im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12.5.2004 (GA II Bl. 266) vortragen, der Wert der Grundstücke und Bauten sei nicht mit zwei Millionen DM in die Aktiva der M. einzustellen, da die M. zuvor Investitionen in das Betriebsgebäude getätigt habe, trifft der Einwand nicht zu: Da die M. zuvor lediglich Mieterin des Grundstücks war, musste das Grundstück nach dem Erwerb des Eigentums richtigerweise mit dem vollen Verkehrswert in die Bilanz eingestellt werden, der unstreitig zumindest bei 1,8 Millionen DM lag.

Demnach hat der Kläger zu 1) bei wertender Betrachtung keine sich nicht aus den Bilanzen ergebende Belastung der Gesellschaft verschwiegen, sondern allenfalls einen Aktivposten unterschlagen. Bei Licht besehen rügen die Beklagten, dass sich die Vermögenslage zum Zeitpunkt des Aktienkaufs in Wahrheit günstiger darstellte, als dies aus den auf der falschen Grundlage erstellten Bilanzen ersichtlich war. Ein solcher Irrtum kann für die Kaufentscheidung nicht kausal geworden sein.

bbb) Soweit die Beklagten dem Kläger vorwerfen, er habe es unterlassen, sein eigenes kollusives, nach Auffassung der Beklagten strafbares Verhalten zum Nachteil der Gesellschaft zu offenbaren, verhilft auch dieser Vortrag der Berufung nicht zum Erfolg. Denn niemand kann vernünftigerweise erwarten, dass sich sein Vertragspartner eines in der Vergangenheit abgeschlossenen strafbaren Verhaltens bezichtigt. Eine derartige Verpflichtung zur Selbstbezichtigung übersteigt die durch § 242 BGB gesetzten Grenzen und würde zu einer konturlosen Ausweitung des vertraglichen Haftungsregimes führen (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1989 - IX ZR 236/86, NJW-RR 1989, 614, 615). Der Schädiger haftet für seine Tat, nicht dafür, keinen positiven Beitrag zu ihrer Entdeckung geleistet zu haben.

Die Anerkennung einer Pflicht zur Selbstanzeige eines strafbaren Verhaltens ist zur Sanktionierung des beanstandeten Verhaltens auch nicht erforderlich: Wie bereits dargelegt, ist die haftungsrechtliche Kompensation zunächst dem zum Zeitpunkt des Erfolgseintritts unmittelbar geschädigten Rechtssubjekt vorbehalten. Der Erwerber von Gesellschaftsanteilen einer durch ein vorwerfbares Verhalten eines Dritten geschädigten Gesellschaft ist diesem Rechtsbruch nicht schutzlos ausgesetzt: Zum einen stellt ihm die Rechtsordnung in den § 123, 435 ff. BGB originäre Rechtsbehelfe zur Verfügung, um seine Übervorteilung als Käufer zu verhindern. Zum anderen mag der Erwerber den Weg beschreiten, die der Gesellschaft zustehenden Schadensersatzansprüche zum Nutzen des Gesellschaftsvermögens zu realisieren.

f) Mit der soeben dargestellten Begründung kommt es ebenfalls nicht darauf an, ob der Kläger zu 1) zu Unrecht Beraterhonorar empfangen hat. Der Kläger mag unter Verstoß gegen seine der Gesellschaft gegenüber obliegende Treuepflicht in den Jahren 1984 bis 1993 überhöhtes Honorar bezogen haben. Dennoch fehlt diesem Rechtsverstoß der erforderliche Bezug zu dem streitgegenständlichen Kaufvertrag, weshalb ein eventuelles Fehlverhalten nicht durch die Anerkennung vertraglicher Schadensersatzansprüche unter dem rechtlichen Aspekt der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten kompensiert werden kann. Auch diese Honorare wurden in den Bilanzen der Gesellschaft passiviert und nahmen in vollem Umfang an der Darstellung des Vermögenswerts der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses teil. Wenn die Beklagte zu 3) in Kenntnis des um die Honoraransprüche negativ beeinflussten Gesamtvermögens bereit war, die Anteile zu erwerben, so spricht nichts dafür, dass ihre Kaufentscheidung anders ausgefallen wäre, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass der Gesellschaft im Hinblick auf zu Unrecht gezahltes Honorar Bereicherungs- bzw. Schadensersatzansprüche zustünden. Schließlich konnte die Beklagte zu 3) aus den soeben dargestellten Gründen vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass der Kläger zu 1) ein den Tatbestand der Untreue erfüllendes Verhalten beim Abschluss des Kaufvertrages freiwillig offenbart. Mithin ist auch die unterlassene Selbstbezichtigung kein geeigneter Aspekt, um den der Gesellschaft entstandenen Schaden durch die Anerkennung eigener vertraglicher Schadensersatzansprüche der Beklagten zu 3) auszugleichen.

g) Weiterhin kann sich die Beklagte zu 3) nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

aa) Gem. § 313 BGB kann die Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten. Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellten. Hierbei besteht die Geschäftsgrundlage eines Vertrages in den nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zu Tage tretenden gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder den dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut (BGHZ 129, 236; 89, 226, 231; Urt. vom 15.11.2000 - VIII ZR 324/99, NJW 2001, 1205; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 313 Rdn. 3).

bb) Allerdings scheidet eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB im vorliegenden Fall nicht bereits deshalb aus, weil eine Anwendung des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Spekulationsgeschäften im Grundsatz ausgeschlossen ist (Palandt/Heinrichs, aaO., § 313 Rdn. 16 mit Hinweisen zur Rspr.). Denn diese Einschränkung will nur solche Risiken vom Anwendungsbereich der Geschäftsgrundlagenlehre ausschließen, die die Vertragsparteien bewusst eingegangen sind: Jeder Aktienkäufer muss damit rechnen, dass seine Hoffnungen auf eine positive Geschäftsentwicklung des Unternehmens enttäuscht werden können. Er weiß, dass er dieses selbst übernommene, dem Aktienkauf immanente Risiko im Regelfall nicht auf den Verkäufer abwälzen kann.

Diese Grundsätze sind auf den vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt nur einschränkend zu übertragen: Zwar kann sich die Beklagte zu 3) nicht darauf berufen, dass ihre Erwartungen auf eine positive Geschäftsentwicklung der M. AG im Nachhinein falsch gewesen sein mögen. Demgegenüber besteht kein Grund, die Vorstellungen der Vertragsparteien über die Richtigkeit einer der Preiskalkulation zu Grunde liegenden Bilanz dem Anwendungsbereich des § 313 BGB zu entziehen. Denn den Vorstellungen der Vertragsparteien von der aktuellen Wirtschaftlichkeit der Kaufsache liegen keine spekulativen Elemente zu Grunde.

cc) Dennoch hat das Landgericht den Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit zutreffender Begründung zu Recht als unsubstantiiert zurückgewiesen. Die Beklagte zu 3) hat sich nicht darüber geäußert, welche konkreten Bilanzen bei der Kaufpreiskalkulation vorlagen und welche konkreten Auswirkungen die Manipulationen des Beklagten zu 1) für die Kaufpreisabsprache hatten. Eine exakte Darlegung, in welchem Umfang die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse von den Erwartungen der Vertragsparteien abwichen, ist insbesondere deshalb erforderlich, weil das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf der Rechtsfolgenseite einen flexiblen Rahmen eröffnet: Eine vollständige Aufhebung des Vertrages kommt gem. § 313 Abs. 3 BGB erst dann in Betracht, wenn die vorrangig zu prüfende Vertragsanpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Frage nach der Zumutbarkeit einer Vertragsanpassung kann auf der Grundlage des Sachvortrags der Beklagten nicht beantwortet werden.

Auch der Berufungsvortrag gleicht dieses Defizit nicht aus. Vielmehr beschränkt sich die Berufung auf die Darstellung eines allgemeinen Erfahrungssatzes, wonach beim Kauf von Gesellschaftsanteilen stets die Bilanzen eine Rolle spielten; im vorliegenden Fall seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Preisbestimmung ausnahmsweise nicht auf den damals vorliegenden falschen Bilanzen der letzten Jahre beruht hätte.

Dieser Vortrag überzeugt aus zwei Gründen nicht: Zum einen hat das Landgericht eingehend begründet, weshalb sich der vorliegende Fall vom Normalfall eines Aktienkaufs unterscheidet. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte zu 4) als Geschäftsführer der Beklagten zu 3) viele Jahre vor dem Aktienkauf zusammen mit dem Kläger zu 1) im Aufsichtsrat der M. AG tätig war. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 3) im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12. Mai 2004 selbst Umstände vorgetragen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass der Kaufpreis anhand der konkreten Bilanzzahlen kalkuliert wurde: Auf GA II Bl. 271 trägt der Beklagtenvertreter vor, der vereinbarte Kaufpreis habe auf der Vorstellung beruht, dass die ursprünglich gezahlten Einlagen noch vollständig vorhanden seien. Daher habe der Kaufpreis den Nennbetrag der Aktien zusätzlich einer Verzinsung von ca. 8% seit Einlageleistung betragen.

Schließlich kann die Vorstellung des Beklagten zu 4), bei der M. AG habe es sich um ein gesundes und finanzkräftiges Unternehmen gehandelt, nicht Geschäftsgrundlage des Vertrages im Sinne des § 313 BGB geworden sein. Eine derart allgemein gehaltene Vorstellung, die letztlich jedem Unternehmenskaufvertrag zu Grunde liegen wird, hat keinen hinreichend konkreten Tatsachenkern. Die Frage, wie lange ein Unternehmen als gesund und finanzkräftig angesehen werden kann, ist nicht allgemeinverbindlich zu beantworten. Ließe man es zu, eine derart vage Vorstellung als Geschäftsgrundlage anzuerkennen, so würde man dem Vertragspartner ein Risiko auferlegen, das ihm aus Billigkeitserwägungen nicht mehr zugemutet werden kann. Ein anderes Ergebnis erschiene auch unter dem spezifischen Blickwinkel der kaufvertraglichen Risikoverteilung nicht interessengerecht: Es ist zunächst Sache des Käufers, sich über den Wert der Kaufsache zu informieren. Unterlässt er dies und gibt er sich stattdessen mit der vagen Vorstellung zufrieden, einen „guten“ Kauf zu tätigen, so muss er die Frustration seiner subjektiven Erwartungshaltung außerhalb der Grenzen des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts selber tragen.

2. Ansprüche gegen den Beklagten zu 4)

Der Beklagte zu 4) ist nach der vertraglichen Darlehensabsprache zur Zahlung der noch offenstehenden Restforderung verpflichtet. Bezüglich der geltend gemachten Einwendungen wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

Der Sachvortrag des Beklagten zu 4), seine Ehefrau habe mit Schreiben vom 10.8.2005 die Nichtigkeit des Darlehensvertrages entsprechend den Vorgaben des niederländischen Rechts geltend gemacht, kann im vorliegenden Rechtsstreit keine Berücksichtigung finden, da der entsprechende Sachvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde. Der Schriftsatznachlass wurde ausschließlich im Hinblick auf die im Termin erteilten Hinweise gewährt. Mithin ist es dem Beklagten verwehrt, nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ein völlig neues Angriffsmittel in den Rechtsstreit einzuführen, dem jeder Bezug zu den in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweisen fehlt. Eine Wiedereröffnung der geschlossenen mündlichen Verhandlung kommt nicht in Betracht, die Zulassung dieses Verteidigungsvorbringens die Einholung eines Rechtsgutachtens erfordern würde, welches den Abschluss des entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern würde. Es kann offen bleiben, ob dieses neue Angriffsmittel bereits deshalb ausgeschlossen werden müsste, weil dem Kläger zu 1) i. S. des § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO Nachlässigkeit vorzuwerfen ist, erst jetzt eine Entscheidung seiner Ehefrau über die Rechtsbeständigkeit des im Jahr 2001 geschlossenen Darlehens herbeigeführt zu haben.

3. Der Beklagte zu 4) ist zur Zahlung der vertraglichen Darlehenszinsen (14.544,67 EUR) für den Zeitraum Mai bis November 2002 verpflichtet. Darüber hinaus schulden die Beklagten als Gesamtschuldner gesetzliche Zinsen aus Verzugsgesichtspunkten. Im Zinsausspruch war der Urteilstenor zu korrigieren, da der Kläger zu 1) die ihm gegenüber der Beklagten zu 4) zustehenden Zinsansprüche für den Zeitraum Mai bis November 2002 beziffert einklagt. Mithin ist der Beklagte zu 4) gem. § 289 Satz 1 BGB zur Zahlung der gesetzlichen Verzugszinsen erst ab dem 1.12.2002 verpflichtet. Ferner ist die Rechtshängigkeit gegenüber den Beklagten zu 3) und 4) erst am 10.5.2003 eingetreten ist.

C. Die Kostenfolge beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen