Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 530/03 - 92

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Juli 2003 – 12 O 444/02 – hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zu 1) abgeändert; die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage wird abgewiesen.

2. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung wird wie folgt abgeändert: Der Kläger trägt 42% der Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1). Die Beklagten zu 2) und 3) tragen als Gesamtschuldner 14% der Gerichtskosten, der Beklagte zu 2) darüber hinaus weitere 31% sowie der Beklagte zu 3) weitere 13%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 12%, der Beklagte zu 2) weitere 31%, der Beklagte zu 3) weitere 13%. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme fallen dem Kläger zur Last. Von den weiteren Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) sowie 61% der Gerichtskosten. Der Beklagte zu 3) trägt 39% der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im übrigen tragen die Parteien ihre Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 31.621,37 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beklagte zu 1) ist Rechtsanwalt, die übrigen Parteien sind Steuerberater. Die Parteien betrieben in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit Wirkung ab dem 1.1.1997 eine Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät. Mit Gesellschaftsanteilsveräußerungsvertrag (im Folgenden: GAV) vom 12.10.1998 (GA I Bl. 10 – 39) übertrug der Kläger, von einem Restanteil von 1 % abgesehen, seinen Gesellschaftsanteil mit Wirkung zum 31.12.1998 auf den Beklagten zu 3). Der genannte Veräußerungsvertrag enthält in Ziffer III eine Schiedsabrede (GA Bl. 37 f.) sowie in II 11 und 12 ein Konkurrenzklauselverbot für den Kläger, das für einen Zeitraum von 2 Jahren nach dem Ausscheiden des Klägers, längstens jedoch bis zum 31.12.2002, gelten sollte (GA I Bl. 35 f.). Der Vertrag enthält weiterhin in Klausel II Ziff. 8 folgende Bestimmung:

„Erhaltung des Mandantenstammes: Herr Steuerberater Ba. verpflichtet sich, in geeigneter Form, die Mandanten zur Fortsetzung ihrer Aufträge an die Kanzlei Ba. –P. –P2 –K. anzuhalten…“

Als es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten kam, wurde ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet. Mit Teilvergleich vom 9. Dezember 2000 einigten sich die Parteien hinsichtlich des Klageantrags Nr. 10 darauf, „dass es dem Schiedskläger (d.i. der Kläger des vorliegenden Verfahrens) verboten war und ist, Mandaten der Sozietät Ba.- P.- P2-K., deren Mandantschaft in der Zeit bis 9.2.1999 bestand, für die Zeit bis einschließlich zum 9. Februar 2001 zu betreuen (GA I Bl. 93). Am 16. März 2002 schlossen die Parteien des schiedsgerichtlichen Verfahrens sodann einen umfassenden Vergleich (GA I Bl. 43 ff.). Nach dessen Ziffer 18 sollten die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) „zur teilweisen Abgeltung ihrer Verpflichtungen aus den Ziffern 1), 2) und 4) dieses Vergleichs“ an den Kläger 6.120,14 EUR und zur Abgeltung der Zinsverpflichtung weitere 2.925,65 EUR zahlen. Die Beklagten zu 1) und zu 2) sollten zur Abgeltung ihrer Verpflichtungen aus den Ziffern 5), 6) und 14) dieses Vergleichs“ 15.832,55 EUR an den Kläger zahlen. Schließlich verpflichtete sich der Beklagte zu 3) zur Abgeltung seiner Verpflichtungen aus den Ziffern 7) und 12) dieses Vergleichs“ 6.743,03 EUR zu zahlen. Diese Beträge sollten spätestens am 30.6.2002 zahlbar sein, während eine Verzinsung bereits seit dem 1.1.2000 zu 5 % erfolgen sollte.

Den Antrag des Klägers auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsvergleichs wies der Senat mit Beschluss vom 6. November 2002 (Az. 4 Sch 4/02) mit der Begründung zurück, dass ein Schiedsspruch im Sinne der §§ 1053 Abs. 2, 1054, 1060 ZPO nicht vorliege (GA I Bl. 48 ff.). Daraufhin hat der Kläger die vorliegende Klage mit dem Ziel erhoben, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der im Vergleich unter Ziffer 18 a) und d) übernommenen Beträge zu erreichen.

Die Beklagten zu 1) und zu 3) haben mit Schreiben vom 15. 1.2003 die Anfechtung des Schiedsvergleichs vom 16.3.2002 wegen arglistiger Täuschung erklärt (GA I Bl. 95 f.). Sie haben behauptet, dass der wesentliche Grund für den Vergleichsabschluss gewesen sei, dass sie, die Beklagten zu 1) und zu 3), die damalige Behauptung des Klägers nicht hätten widerlegen können, keine Mandanten der früheren Sozietät als Steuerberater beraten zu haben. Zwischenzeitlich hätten die Beklagten jedoch in Erfahrung gebracht, dass der Kläger Mandanten der Sozietät (wie z.B. die Eheleute G., die Eheleute B. und A. S. sowie Herrn T.) unter Verletzung der Konkurrenzklausel abgeworben und steuerlich beraten habe. Vorsorglich haben sich die Beklagten zu 1) und zu 3) auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, weil der Kläger seiner im Schiedsvergleich unter Ziffer 16 a und b übernommenen Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabschlüsse und Umsatzsteuererklärungen für 1997 nicht nachgekommen sei. Sie haben ferner die Ansicht vertreten, dass ein Zurückbehaltungsrecht auch deshalb bestehe, weil ihnen zur Vorbereitung eines Schadenersatzanspruchs ein Anspruch auf Auskunftserteilung zustehe.

Der Beklagte zu 2) hat die Klage anerkannt.

Das Landgericht hat durch das am 23.7.2003 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil (GA II Bl. 184 ff.) die Beklagten wie folgt verurteilt:

1. die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung an den Kläger von 6.120,14 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.2000 sowie weiteren 2.925,65 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.2000,

2. die Beklagten zu 1) und zu 2) darüber hinaus als Gesamtschuldner zur Zahlung an den Kläger von weiteren 15.832,55 EUR,

3. und den Beklagten zu 3) zur Zahlung an den Kläger von 6.743,03 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.2000. Auf die tatsächlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstreben die Beklagten zu 1) und zu 3) die Abweisung der gegen sie gerichteten Klage. Sie halten die von ihnen erklärte Anfechtung des Schiedsvergleichs wegen arglistiger Täuschung für rechtswirksam. Der Kläger habe in verbotener Zeit in der Steuerberaterpraxis Be. gearbeitet und frühere Mandanten abgeworben bzw. betreut, und zwar die Pf GmbH sowie Pf Hausverwaltung, E.- C. (Inhaber Pa. L.), H. H. Bauservice GmbH, M. D. GmbH und W. Th.. Das Gesamthonorarvolumen dieser Mandaten habe über 200.000,- DM jährlich gelegen (GA II Bl. 167 f.). Außerdem sei der Kläger für die Firma T. als Geschäftsführer in Höhe des Honorarvolumens in den Jahren zuvor tätig gewesen. In dem grob wahrheitswidrigen Bestreiten der Wettbewerbsverstöße durch den Kläger liege eine arglistige Täuschung. Dieses Bestreiten sei für den Vergleichsabschluss kausal geworden. Bei Kenntnis von dem erheblichen Umfang der Konkurrenztätigkeit des Klägers hätten die Beklagten den Vergleich nicht abgeschlossen. Der Vermögensschaden liege darin, dass die Beklagten im Vergleich Verpflichtungen eingegangen seien, die sie bei Kenntnis der Konkurrenztätigkeit nicht übernommen hätten. Die Rechtsverletzung im angefochtenen Urteil liege darin, dass das Landgericht einen Schadenersatzanspruch der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, aus § 826 BGB sowie aus culpa in contrahendo nicht geprüft habe. Auf Grund dieses Schadenersatzanspruchs sei der Kläger zur Befreiung der Beklagten von den im Vergleich übernommenen Zahlungspflichten verpflichtet. Ferner stehe den Beklagten das hilfsweise geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht zu, weil der Kläger seiner Verpflichtung aus Ziffer 16 des Vergleichs zur Erstellung der Jahresabschlüsse nicht nachgekommen sei. Unzutreffend seien auch die Ausführungen des Landgerichts zum Fehlen einer Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunft. Die Verletzung des Wettbewerbsverbots durch den Kläger begründe einen Schadenersatzanspruch der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. Da die Beklagten schuldlos über den Umfang dieses Rechts im Ungewissen seien und sich die erforderlichen Informationen nicht selbst beschaffen könnten, sei der Kläger zur Auskunft verpflichtet.

Die Beklagten zu 1) und zu 3) beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der sachliche Geltungsbereich des vom Kläger vereinbarten Wettbewerbsverbots sei selbst unter ausschließlicher Zugrundelegung des Beklagtenvortrags nicht berührt. Eine Tätigkeit als Geschäftsführer, die ein Gesellschafter aufnehme, sei vom Wettbewerbsverbot nicht umfasst. Die Entscheidung des Landgerichts, die das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen mutmaßlicher Täuschung und Abgabe der Willenserklärung (Vergleichsabschluss) verneine, beruhe nicht auf einer Rechtsverletzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Senat hat die Berufung des Beklagten zu 3) durch Teilversäumnisurteil vom 20.12.2005 (GA III Bl. 494 f.) zurückgewiesen und aufgrund Beweisbeschlusses vom 20.12.2005 (GA III Bl. 496 f.) durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.4.2006 (GA III Bl. 519 ff.) verwiesen.

II.

A. Die zulässige Berufung ist begründet. Den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet allein der materiellrechtliche Anspruch aus dem am 16.3.2002 abgeschlossenen Schiedsvergleich. Die aus diesem Vergleich resultierenden Ansprüche kann der Kläger jedenfalls deshalb nicht mit Erfolg einfordern, weil der Beklagte zu 1) mit Recht im Wege des Schadensersatzes wegen schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten die Rückgängigmachung des Vergleichs beansprucht.

1. Die Klage ist zulässig. Nachdem der Senat den Antrag des Klägers auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsvergleichs vom 16.3.2002 durch Beschluss vom 6.11.2002 (Az. 4 Sch 4/02) zurückwies, steht dem Kläger der Weg zur gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche aus dem Schiedsvergleich offen.

2. Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob bereits die Anfechtung des Schiedsvergleichs durch die Beklagten zu 1) und 3) gem. § 123 BGB zur Nichtigkeit des Vergleichs führte. In jedem Fall steht dem Beklagten zu 1) unter dem Aspekt der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten ein Schadensersatz gegenüber dem Kläger zu (§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Ziff. 1 BGB). Hierbei ist der Schadensersatzanspruch darauf gerichtet, den Beklagten zu 1) von der eingegangenen Verpflichtung zu befreien (MünchKomm(BGB)/Kramer, 4. Auflage, § 123 Rdnr. 35 m.w.N.). Diesen Anspruch kann der Beklagte zu 1) der Klageforderung mit Erfolg entgegenhalten.

a) Dem Abschluss des Schiedsvergleichs gingen Vertragsverhandlungen voraus. Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht ein Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 Ziff. 1 BGB), durch das vertragliche, gem. § 280 BGB schutzbewehrte, Pflichten entstehen. So sind die künftigen Vertragspartner in dieser Phase der Vertragsanbahnung insbesondere zur Aufklärung verpflichtet. Es entspricht anerkannten Rechtsgrundsätzen, dass der andere Vertragspartner selbst ungefragt über alle entscheidungserheblichen Umstände informieren muss (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 280 Rdnr. 30; § 242 Rdnr. 37). Das Verschweigen ausschlaggebender Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können und daher für die Entscheidung des Vertragspartners von wesentlicher Bedeutung sind, begründet den Vorwurf des Arglist i. S. des § 123 BGB (BGH, Urt. v. 28.4.1971 – VIII ZR 258/69, NJW 1971, 1795, 1799; Urt. v. 8.5.1980 – IVa ZR 1/80, NJW 1980, 2460; Palandt/Heinrichs, aaO., § 123 Rdnr. 5b). In jedem Fall müssen ausdrücklich gestellte Fragen vollständig und richtig beantwortet werden. Der auf Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit gerichtete Schadenersatzanspruch ist nicht durch § 123 BGB ausgeschlossen, der nicht lex spezialis zum Schadenersatzanspruch ist. Er steht vielmehr gleichwertig neben diesem Anspruch und ist auch nicht an die Frist des § 124 BGB gebunden (BGHZ 42, 37, 42; Urt. v. 24.10.1996 – IX ZR 42/96, NJW 1997, 254; MünchKomm(BGB)/Kramer, aaO., § 123 Rdnr. 35). Auch der lediglich fahrlässig Getäuschte kann die Rückgängigmachung des Vertrags verlangen (Palandt/Heinrichs, aaO., § 311 Rdnr. 24; vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303).

b) Der Kläger wäre unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze gehalten gewesen, zumindest seine Geschäftsführertätigkeit bei der D.- T. GmbH zu offenbaren. Hierbei kann es im Ergebnis dahinstehen, ob die Anstellung des Klägers als Geschäftsführer unmittelbar unter das im Teilschiedsvergleich enthaltene Wettbewerbsverbot fiel. Denn der Kläger verstieß durch die Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit jedenfalls gegen Sinn und Zweck des Wettbewerbsverbotes. Dies steht zu Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest:

aa) Der Zeuge T. hat in seiner Vernehmung bestätigt, der Kläger sei allein deshalb als Geschäftsführer angestellt worden, um auf diesem Wege seine Steuerberatertätigkeit, welche sowohl die Beratung der Firma als auch die private Beratung des Zeugen umfasst habe, weiterzuführen. Der Kläger habe eines Tages den Kontakt zu dem Zeugen gesucht und ihm erklärt, er sei „vor die Tür“ gesetzt worden. Dennoch werde er schon Wege finden, um den Zeugen und die Firma weiterhin steuerlich zu beraten. Der Wechsel zur Steuerberatung Be und später zur B. sei allein in Absprache mit dem Kläger erfolgt. Der Kläger habe sein monatliches Geschäftsführergehalt als Gegenleistung für seine steuerliche Beratung erhalten und habe als Geschäftsführer nichts anderes als zuvor getan. Er sei insbesondere nicht kaufmännischer Leiter gewesen. Darüber hinaus habe der Kläger den Zeugen bei Geldanlagen, auch bei privaten Anlagegeschäften, beraten.

Der Senat sieht trotz der offen geäußerten Aversion des Zeugen gegen den Kläger keine Veranlassung, die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in Zweifel zu ziehen. Bei wertender Betrachtung hat der Zeuge bestätigt, dass der Kläger als Geschäftsführer im Kern seine bisherige steuerberatende Tätigkeit fortsetzte. Er trat als primärer Ansprechpartner in allen steuerlichen Belangen nahtlos an die Stelle der Gemeinschaftssozietät. Dieser Beurteilung steht es nicht entgegen, dass sich der Kläger bei bestimmten steuerlichen Tätigkeiten, insbesondere dem Erstellen der Bilanzen, der Mithilfe der Zeugin Be. bediente. Entscheidend für die rechtliche Beurteilung ist vielmehr, dass der Kläger durch sein eigenes aktives Tun darauf hinwirkte, das bislang von der Gemeinschaftssozietät betraute Mandat dieser Sozietät komplett zu entziehen: Die für die Erstellung von Bilanzen und Steuererklärungen angefallenen Entgelte flossen auf Veranlassung des Klägers der Zeugin Be. zu. Sodann profitierte der Kläger in Gestalt seines Geschäftsführergehalts auch selbst vom Mandatsverlust der Gemeinschaftssozietät. Denn der Zeuge hat glaubhaft und unwidersprochen dargelegt, während der Zugehörigkeit des Klägers zur Gemeinschaftssozietät nicht nur Sonderleistungen für die Erstellung von Bilanzen, sondern auch monatliche Zahlungen für allgemeine steuerliche Leistungen gezahlt zu haben.

bb) Dies erlaubt den Schluss, dass der Kläger mit seinem Verhalten diametral gegen seine auf dem GAV vom 12.10.1998 beruhende Verpflichtung verstieß, „in geeigneter Form die Mandanten zur Fortsetzung ihrer Aufträge an die Kanzlei anzuhalten“ (II Ziff. 8, GAV I Bl. 34). Bei wertender Betrachtung trat der Kläger in Konkurrenz zur Gemeinschaftssozietät. Unabhängig davon, ob die Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit als Umgehung des vereinbarten Konkurrenzverbots aufgefasst und deshalb nach Treu und Glauben als unmittelbarer Verstoß gegen das Unterlassungsgebot verstanden werden muss, handelt es sich bei der Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit um einen Umstand, über den die Beklagten nach den eingangs dargestellten Rechtsgrundsätzen redlicherweise Aufklärung erwarten durften:

Die Frage, in welchem Umfang der Gemeinschaftssozietät Mandate entzogen wurden, war für die Willensbildung der Schiedsbeklagten anlässlich des Schiedsvergleichs von herausragender Bedeutung. Das vom hiesigen Kläger angestrengte Schiedsverfahren diente dem Versuch, die Rechte aus der Gesellschaftsanteilsveräußerung durchzusetzen. Hierbei besaß die Frage zentrales Gewicht, ob und inwieweit der Kläger nach seinem Ausscheiden gegen seine vertragliche Pflicht verstieß, Mandanten zu einer Fortsetzung ihrer Aufträge zur früheren Gemeinschaftssozietät anzuhalten (II Zif. 8 des GAV), und inwieweit der Kläger in Konkurrenz zu den Beklagten getreten war. So machten die Beklagten nach dem Sachvortrag des Klägervertreters im Schriftsatz vom 17.4.2003 (GA I Bl. 101) im Schiedsverfahren geltend, der Kläger habe Mandanten zur Aufkündigung ihrer vertraglichen Beziehungen zur Kanzlei bewegt, diese beraten und sie anderen Steuerberatern zugeführt. Hierdurch seien Honorare i. H. v. 500.000 DM entgangen. Im Schiedsverfahren berühmten sich die Beklagten aus diesem Sachverhalt eines Kaufpreisminderungsanspruchs in Höhe von mindestens 188.019 DM, den der Beklagte zu 3) zur Aufrechnung stellte (GA I Bl. 117). Mithin konnte dem Kläger die Relevanz der von den Beklagten im Schiedsverfahren aufgeworfenen Frage nach seinen den Kundenstamm mindernden Aktivitäten nicht verborgen geblieben sein. Zudem war der Kläger aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten, auf den Sachvortrag der Beklagten zu seiner Konkurrenztätigkeit wahrheitsgemäß und vollständig zu erwidern.

Dieser demnach gebotenen Aufklärung leistete der Kläger in einer zumindest den Fahrlässigkeitswurf begründenden Weise nicht Folge. Denn im Schriftsatz seiner Rechtsvertreter (Auszug GA I Bl. 123) erwiderte der Kläger auf die Vorwürfe der Beklagten, der behauptete Verstoß gegen Ziff II Nr. 8 GV sei unsubstantiiert und ins Blaue hinein vortragen. Diese Antwort wird der Wahrheit – jedenfalls im Fall der T. GmbH – nicht gerecht.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kann es dahinstehen, ob die Beklagten eine Möglichkeit besaßen, die Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit unter Berufung auf das vereinbarte Konkurrenzverbot zu verbieten. Denn jedenfalls besaß die Tätigkeit des Klägers für das synallagmatische Gefüge des Geschäftsanteilskaufs Relevanz, indem der Kläger einen vertragswidrigen Beitrag zur Schmälerung des Mandantenstamms leistete und mithin die Werthaltigkeit des veräußerten Geschäftsanteils schmälerte.

c) Die unterlassene Aufklärung war für den Abschluss des Vergleichs kausal: Es steht außer Streit, dass das mögliche Abwerben von Mandaten durch den Kläger bei der Willensbildung der Schiedsparteien Berücksichtigung fand. Mithin betraf die Täuschung einen Umstand, der nicht nur nach der Lebenserfahrung, sondern nachgewiesenermaßen Einfluss auf die Entschließung fand (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.195 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361, 2362).

aa) Entgegen der Auffassung der Berufung steht es der Kausalität zwischen dem pflichtwidrigen Verschweigen der Geschäftsführertätigkeit und dem Abschluss des Schiedsvergleichs nicht entgegen, dass die Beklagten der Einlassung des Klägers zur fehlenden Konkurrenztätigkeit zum Zeitpunkt des Schiedsvergleichs keinen vollen Glauben geschenkt haben mögen. Die umgekehrte Schlussfolgerung erscheint sachgerecht: Die Unklarheit über den wahren Sachverhalt war der Anlass für das Auskunftsbegehren. Gerade weil das Vertrauen zwischen den Parteien gestört war, besaßen die Beklagten ein gesteigertes Interesse an einer vollständigen und richtigen Auskunft. Der durch die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs gewährte Schutz liefe ins Leere, wenn der unredliche Vertragspartner der Sanktion gerade unter Berufung auf diejenigen Umstände entgehen könnte, die die Auskunftsbedürftigkeit erst bedingen. So entspricht es im Rahmen der Arglistanfechtung anerkannten Rechtsgrundsätzen, dass die Ursächlichkeit der Täuschung erst dann fehlt, wenn der Anfechtende den Gegenstand der Anfechtung wirklich kannte (BGH, NJW 1971, 1798). Diese Rechtsgrundsätze sind auf die Zuerkennung eines auf Rückgängigmachung der vertraglichen Bindung gerichteten Schadensersatzanspruchs zu übertragen: Auch im Rahmen des § 281 BGB scheidet der Anspruch mangels Kausalität der Vertragsverletzung erst dann aus, wenn der Getäuschte den wahren Sachverhalt positiv kannte. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden: Der Beklagte zu 1) mag zwar Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit des klägerischen Sachvortrags im Schiedsverfahren besessen haben, die Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags weckten. Auch mögen die Schiedsbeklagten Verdachtsmomente besessen haben, dass die zeitnah zum Ausscheiden des Klägers erklärten Mandatskündigungen (Aufstellung GA I Bl. 118) auf vertragswidriges Verhalten des Klägers zurückzuführen waren. Dennoch sind diese Verdachtsmomente einer sicheren Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht gleichzusetzen. Vielmehr trägt der Beklagte zu 1) unwiderlegt vor, er habe den Vergleich im Bewusstsein abgeschlossen, dass die Vorwürfe eines vertragswidrigen Konkurrenzverhaltens nicht bewiesen werden könnten.

bb) Letztlich steht es der Ursächlichkeit der Täuschung für den Abschluss des Schiedsvergleichs nicht entgegen, dass durch den nachgewiesenen Verstoß gegen die dem Kläger aus Ziff. II Ziff. 8 GVA obliegenden Verpflichtungen ein geringerer Honorarausfall als der im Schiedsverfahren für möglich gehaltene Betrag von 500.000 DM entstanden sein mag: Der Kläger kann den ihm obliegenden Beweis dafür nicht führen, dass der Beklagte zu 1) den Schiedsvergleich mit unverändertem Inhalt auch dann abgeschlossen hätte, wenn er die Vertragsverletzung des Klägers, die zu einem nicht unerheblichen Honorarausfall führte, nicht lediglich für möglich gehalten, sondern sicher gekannt hätte. Es entspricht anerkannten Rechtsgrundsätzen, dass derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Getäuschte den Hinweis unbeachtet gelassen und den Vertrag auch bei wahrheitsgemäßer Angabe so wie geschehen geschlossen hätte (BGH, NJW 1998, 303; BGHZ 111, 75, 81; 124, 151, 159).

cc) Da der Kläger im Schiedsverfahren jedes Abwerbung von Mandanten leugnete, beruhte der Schiedsvergleich schließlich nicht darauf, dass der Gemeinschaftssozietät auf Veranlassung des Klägers unter Verstoß gegen Ziff. 8 des Gesellschaftsanteilsveräußerungsvertrages Honorare in exorbitanter Höhe entgangen wären. Ebenso wenig findet sich im Wortlaut des Schiedsvergleichs ein Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien mit dem Vergleich den Streit über die Schadenshöhe eines eventuellen Konkurrenzverhaltens endgültig beilegen und sich in die Zukunft gerichtet der Option begeben wollten, aufgrund einer geänderten Sachlage nachgewiesene Verstöße gegen das Konkurrenzverbot erneut aufzugreifen (vgl. hierzu Staudinger/Marburger, BGB, 13. Aufl., § 779 Rdnr. 81).

B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97, 100 Abs. 2 und 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

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