Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 19 U 157/09

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 27.10.2009 - Az. 4 O 61/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte zur Zahlung von 35.000,00 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit 06.02.2009 verurteilt wird,

abzüglich am 15.05.2009 bezahlter 1.750,00 EUR.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zuzüglich eines Aufschlages von 10 % abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich eines Aufschlages von 10 % leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen der Gewährung eines Darlehens an den 1. FC X... im Jahre 2007.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, mit dem das Landgericht den Beklagten wegen unerlaubter Handlung (Betrug) zur Zahlung in Höhe von 35.000,00 EUR nebst Zinsen verurteilte, wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Eine Täuschungshandlung des Beklagten liege nicht vor. Er habe keinerlei Kontakt mit dem Kläger gehabt und nicht zum Vereinsvorstand gehört. Auch fehle es am Schaden.
Der Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Ulm vom 27.10.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Der Senat hat folgende weiteren Feststellungen getroffen:
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Der Beklagte war Bankkaufmann bei der Volksbank Y... .
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Im Verein war er von etwa 1987 bis Januar 2008 stellvertretender Finanzvorstand und seit 1994 für die Abwicklung der Darlehen des Vereins faktisch allein zuständig. Diese Position verschaffte ihm einen Sitz im Finanzausschuss, § 16 Abs. 4 der Vereinssatzung.
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Der Verein begann etwa 1980 Darlehen von dritten Personen anzunehmen, weil er sich in finanziellen Schwierigkeiten befand. Zunächst sollte an die Darlehensgeber weniger Zins ausgezahlt werden, als der Verein bei der weiteren Anlage der Gelder erzielte. Der Gewinn verblieb dem Verein, dem immer wieder die Insolvenz drohte.
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Als Laufzeit der Darlehen wurde grundsätzlich ein Jahr vereinbart. Danach wurde die Mehrzahl der Darlehen wieder um ein Jahr verlängert. Andere wurden zurück gezahlt, teils bei konkretem Bedarf der Darlehensgeber, teils weil keine Verlängerung erfolgte.
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Auch die Vorstandsmitglieder und deren Familien traten über viele Jahre als Darlehensgeber in erheblichem Umfang auf.
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Im Jahr 2007 waren mindestens 20 Darlehen mit einer Gesamtsumme von 668.000.-- Euro hereingenommen. Der Verein hatte Ende 2006 rund 640.000.- Euro an kurzfristigen Verbindlichkeiten und das Vereinsvermögen lag bei maximal 150.000.-- Euro. Spätestens zu diesem Zeitraum wurden deshalb die Kapitaleinsätze der Anleger auch für den laufenden Betrieb des Vereins verbraucht.
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Überschlägig ergibt sich bei nur 20 Darlehensverträgen im Jahr und 30 Jahren geübter Praxis eine Gesamtzahl von rund 600 Einzelverträgen.
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Eine schriftliche Genehmigung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen wurde weder beantragt noch erteilt.
19 
Der Senat hat erneut den Zeugen R... vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 2010 verwiesen.
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Die Akten des Amtsgerichts Göppingen 17 Ls 33 Js 2535/08 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
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Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1.
22 
Der Beklagte haftet gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG.
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a) Dass das Landgericht den Sachverhalt ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Betrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB geprüft hat, hindert den Senat nicht, den Rechtsstreit auch unter dem Blickwinkel einer anderen Anspruchsgrundlage aus unerlaubter Handlung zu prüfen, zumal schon im Strafverfahren § 32 KWG im Raum stand, worauf der Beklagte zu Recht in seiner Berufungsbegründung (dort S. 3) hinwies (vgl. auch BGH Urteil vom 11.07.2006 - VI ZR 340/04 - WM 2006, 1896).
24 
b) Nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG in der hier maßgeblichen Fassung vom 09. September 1998 bedurfte der schriftlichen Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben will.
25 
aa) § 32 Abs. 1 S. 1 KWG ist Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der anlegenden Kunden (BGH a.a.O. m.w.N.).
26 
bb) Gewerbsmäßiges Handeln liegt vor, wenn die Tätigkeit auf gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber mit der Absicht der Gewinnerzielung handelt. Nicht gewerbsmäßig wäre danach nur die Vornahme von einzelnen oder mehreren einzelnen Bankgeschäften (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall von einem gewerbsmäßigen Handeln auszugehen. Der 1. FC X... hat die Entgegennahme und Auszahlung von Darlehen seit den 1980er Jahren bis Ende 2007 praktiziert, um mit den Erträgen aus der Zinsdifferenz zwischen der Kapitalanlage und den den Darlehensgebern gewährten Zinsen zunächst Verbindlichkeiten zurückzuführen, später auch den laufenden Betrieb zu finanzieren. Ende 2007 hatten rund 20 Darlehensgeber ein Gesamtdarlehensvolumen von 668.000,00 EUR eingebracht (vgl. die Anklage in der beigezogenen Strafakte). Gemäß Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (§ 314 ZPO) lagen Ende 2006 die Darlehensverbindlichkeiten bei 641.660,51 EUR.
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cc) Nach § 1 Abs. 1 S. 2 KWG sind Bankgeschäfte die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden.
28 
Ein Anlagengeschäft ist regelmäßig gegeben, wenn - wie hier - die fremden Gelder in der Absicht entgegengenommen werden, sie für eigene Zwecke zu nutzen (BGH a.a.O. Rz. 21).
29 
dd) Indem der Beklagte als Vereinsrepräsentant Bankgeschäfte ohne die erforderliche Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen führte, verstieß er gegen § 32 Abs. 1 S. 1 KWG und erfüllte zugleich den Straftatbestand des § 54 KWG i.V.m. § 14 StGB, weswegen er grundsätzlich neben dem Verein haftet. Als Vereinsrepräsentant sind alle Personen anzusehen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen des Vereins zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, die also den Verein auf diese Weise repräsentieren; unerheblich ist, ob ihre Tätigkeit in der Satzung vorgesehen ist, ob sie mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet sind und ob ihnen ein Aufgabenbereich innerhalb der Geschäftsführung des Vereins zugewiesen ist (Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 18. Aufl., Rz. 292). Der Beklagte nahm ab etwa 1994 die Abwicklung der Darlehensverträge vor. Er fungierte als stellvertretender Finanzvorstand. Zudem war im Finanzausschuss des Vereins vertreten. Der Beklagte nahm die Darlehensgelder entgegen, leitete sie - teilweise über sein Privatkonto - an den Verein weiter und unterschrieb die Schuldscheine.
30 
ee) Der Beklagte handelte jedenfalls fahrlässig, weil er sich vor Aufnahme der Darlehen als hierfür Zuständiger über etwaige Erlaubniserfordernisse hätte unterrichten müssen (vgl. BGH a.a.O. Rz. 24 m.w.N.). Dies gilt umso mehr als der Beklagte Bankkaufmann war.
31 
ff) Der Verstoß gegen das Schutzgesetz ist auch schadensursächlich. Hätte der Beklagte § 32 Abs. 1 S. 1 KWG beachtet und die erforderliche Erlaubnis beantragt, hätte ihm das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KWG wegen Fehlens der zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel, insbesondere eines ausreichenden Anfangskapitals im Sinne des § 10 Abs. 2 a S. 1 Nr. 1 bis 7 KWG und wegen Fehlens der erforderlichen fachlichen Eignung des Beklagten die Erlaubnis versagen müssen. Hätte der Kläger den Darlehensbetrag als Einlage bei einer Bank eingezahlt, die über eine Erlaubnis verfügte, wäre das Geld bei einem Kreditinstitut angelegt worden, das gemäß § 11 Abs. 1 KWG jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft hätte gewährleisten müssen und entsprechend überwacht worden wäre.
32 
Die Schadensursächlichkeit ist auch deshalb gegeben, weil der Beklagte bei Beachtung des Erlaubnisvorbehalts nach § 32 KWG von der Darlehensannahme abgesehen hätte und das verlustreiche Anlagengeschäft so nicht zu Stande gekommen wäre (BGH NJW 2005, 2703).
2.
33 
Die Ersatzpflicht des Beklagten scheitert auch nicht an einer eventuell verspäteten Insolvenzbeantragung des Vereinsvorstandes gemäß § 42 Abs. 2 BGB oder wegen dessen Haftung nach §§ 823 Abs. 2, 31 BGB, § 32 KWG. Der Verein haftet bei der unerlaubten Handlung eines oder mehrerer Vereinsrepräsentanten grundsätzlich daneben als Gesamtschuldner.
3.
34 
Die dem Verein vom Kläger gewährte Stundung der Rückzahlung wirkt nur gegenüber diesem, § 425 BGB.
4.
35 
Der Schaden ist gemäß § 249 BGB konkret nach der eingetretenen Vermögensminderung zu berechnen. Zu ersetzen ist das negative Interesse. Der Verletzte ist also so zu stellen, wie er ohne haftungsbegründendes Ereignis stünde. Dann wäre sein Vermögen um den Darlehensbetrag noch vermehrt (andere Vermögensminderungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich).
5.
36 
Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB fehlt es schon an einer Täuschungshandlung des Beklagten und erst recht am Vorsatz zu einer solchen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht einzig fest, dass der Zeuge R... den Beklagten telefonisch fragte, ob der Verein noch Darlehen annehme. Dies bejahte der Beklagte.
37 
Offen blieb dagegen, ob der Beklagte diese Frage des Zeugen R... und seine Antwort auf eine konkrete anstehende Darlehenshereinnahme, gar auf die des Klägers, oder lediglich auf die allgemeine Handhabung des Vereins bezog, nachdem kurz zuvor in der Hauptversammlung das Ausmaß der Schulden des Vereins bekannt gegeben worden waren.
38 
Der Kläger konnte jedenfalls keinen Sachverhalt vortragen oder gar beweisen, wonach der Beklagte ihm gegenüber - und sei es auch vermittelt durch den Zeugen R... - eine Handlung vorgenommen habe, die bei ihm einen Irrtum hervorrief, und erst recht nicht, dass eine solche Handlung vorsätzlich erfolgt sei.
39 
Für die vom Landgericht hierzu vorgenommene andere rechtliche Bewertung sieht der Senat keine ausreichende tatsächliche Grundlage.
5.
40 
Die Schriftsätze der Parteivertreter vom 19.02.2010 und vom 24.02.2010 geben dem Senat nach gebotener Ermessenausübung keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, § 156 ZPO.
41 
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42 
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalles . Die Haftung von Vereinsrepräsentanten ist überdies höchstrichterlich bereits geklärt.

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