Eine Gerichtsstandsbestimmung wird abgelehnt.
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| Die Klagepartei beantragt im Rahmen eines bei dem Landgericht Stuttgart anhängigen Rechtsstreits, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein sowohl für die Klage gegen die X AG als Beklagter zu 1 auch für die Klage gegen die Y SE als Beklagter zu 2 zuständiges Gericht zu bestimmen. Entsprechende Anträge wurden bei dem Oberlandesgericht Stuttgart in einer Vielzahl gleichgelagerter, jeweils bei dem Landgericht Stuttgart anhängiger Rechtsstreite gestellt. |
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| Mit ihrer Klage vor dem Landgericht Stuttgart, das den Rechtsstreit bislang nicht gemäß § 8 KapMuG ausgesetzt hat, macht die Klagepartei gegen beide Beklagte Kursdifferenz- und Transaktionsschäden aus dem Erwerb von Y-Vorzugsaktien geltend, weil beide jeweils originär eigene kapitalmarktrechtliche Pflichten im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal verletzt hätten. Dafür hafte nicht nur die Beklagte zu 2, sondern etwa gemäß oder zumindest entsprechend §§ 37b, c WpHG in der Fassung vom 28. Oktober 2004 bzw. vom 3. Juli 2015 auch die Beklagte zu 1. Den weiteren Vorwurf gegen die Beklagte zu 2, sie habe zu Pflichtverletzungen der Beklagten zu 1 Beihilfe geleistet, hat die Klagepartei nach ihrem Vortrag zwischenzeitlich fallen lassen. Hinsichtlich dieser Vorwürfe sind in Bezug auf beide Beklagte vor den Oberlandesgerichten Braunschweig und Stuttgart Musterverfahren nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG) anhängig, wobei im Braunschweiger Verfahren Feststellungsziele nur gegenüber der Beklagten zu 1 gegenständlich sind, vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Feststellungsziele nur gegenüber der Beklagten zu 2. |
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| Die Klagepartei ist der Ansicht, dass in Fällen konkurrierender ausschließlicher Gerichtsstände nach § 32b ZPO eine Bestimmung eines für mehrere beklagte Emittenten gemeinsamen Gerichtsstandes entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geboten sei. § 32b ZPO sei zusammen mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz eingeführt worden und mit diesem untrennbar verbunden. Dieses wolle effektiven Anlegerschutz gewährleisten und dabei insbesondere das Kostenrisiko für klagende Anleger minimieren. Diesem gesetzgeberischen Ziel würde es entgegenlaufen, wenn man die Klage nach dem jeweiligen Emittenten aufspalten und die Verfahren trennen würde, weil dies das Kostenrisiko bei x beklagten Emittenten ver-x-fachen würde. |
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| Der eine Gerichtsstandsbestimmung in einer solchen Konstellation ablehnende Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 30. Oktober 2017 - 1 W 31/17 sei überholt, da dort tragend darauf abgestellt worden sei, dass § 32b ZPO sämtliche Anlegerklagen wegen Schäden aufgrund von Investitionen in ein Wertpapier bündeln wolle. Dadurch habe es entscheidend auf das betroffene Finanzinstrument abgestellt. Mittlerweile hätten indessen der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig im Teil-Musterbescheid vom 12. August 2019 - 3 Kap 1/16 und – diesen bestätigend – auch der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 21. Juli 2020 - II ZB 19/19 klargestellt, dass für § 32b ZPO nicht entscheidend sei, um welche Finanzinstrumente (beispielsweise X-Aktie einerseits oder Y-Vorzugsaktie andererseits), sondern um welchen Vorwurf es gehe. |
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| Soweit der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig im Beschluss vom 9. November 2020 - 9 W 34/20 gleichwohl die Ansicht geteilt habe, dass eine Gerichtsstandsbestimmung im Anwendungsbereich des § 32b ZPO ausscheide, habe er die Argumentation des 1. Zivilsenats verkannt, der maßgeblich auf die Bündelung hinsichtlich ein und desselben Wertpapieres und damit auf ein Kriterium abgestellt habe, das nach Auffassung des Bundesgerichtshofes gerade nicht relevant für die Auslegung des § 32b ZPO sei. Weshalb der gesetzgeberische Zweck der Bündelung von Verfahren einer Gerichtsstandsbestimmung entgegenstehen solle, erschließe sich nicht. Ausschließliche Gerichtsstände hätten sogar regelmäßig nicht deckungsgleiche gesetzgeberische Zwecke und seien trotzdem einer Gerichtsstandsbestimmung grundsätzlich zugänglich. |
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| Lehne der Senat eine Gerichtsstandsbestimmung ab, sei die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Bei fehlender Divergenz nach § 36 Abs. 3 ZPO schließe § 37 Abs. 2 ZPO eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht aus. Schon der Wortlaut des § 37 Abs. 2 ZPO erkläre nur zuständigkeitsbestimmende Beschlüsse für unanfechtbar, so dass sich im Umkehrschluss ergebe, dass zurückweisende Beschlüsse grundsätzlich anfechtbar seien, soweit die Zivilprozessordnung dafür an anderer Stelle einen Rechtsbehelf vorsehe. Dafür spreche auch die Gesetzessystematik, da bei Beschlüssen eines Landgerichts die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig und über § 574 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 ZPO die Zulassung der Rechtsbeschwerde möglich sei. Es überzeuge nicht, Rechtsbeschwerden bei Beschlüssen eines Oberlandesgerichts gegenüber denen eines Landgerichts unterschiedlich zu behandeln. Es sei anhand der Gesetzesbegründung zu § 36 Abs. 2 und 3 ZPO auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Klärung derartiger Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof habe verunmöglichen wollen; vielmehr sei es ihm gerade auf die Stärkung der Funktion des Bundesgerichtshofs für die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die Fortbildung des Rechts angekommen. Vor allem sei zu beachten, dass § 574 ZPO in seiner heutigen Fassung erst nach der Einführung von § 36 Abs. 2 und 3 ZPO entstanden und durch das ZPO-Reformgesetz erstmals als allgemeiner Rechtsbehelf in der streitigen Zivilgerichtsbarkeit eingeführt worden sei. Auch dies spreche dafür, dass die Norm grundsätzlich anwendbar sei und nur durch expliziten Ausschluss im Gesetz für unanwendbar erklärt werden könne; für die Annahme einer Sperrwirkung des § 36 Abs. 3 ZPO bestehe somit kein Raum. |
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| Die Ansicht, die Oberlandesgerichte würden in den Fällen des § 36 Abs. 2 ZPO nicht „im ersten Rechtszug“, sondern als übergeordnetes Gericht anstelle des Bundesgerichtshofs entscheiden, erscheine gekünstelt und nicht überzeugend. Vielmehr sei die Gerichtsstandsbestimmung nicht Teil des Rechtszuges, für den sie vorgenommen werde, sondern ein eigenes Verfahren, in dem das nach § 36 Abs. 2, Abs. 3 ZPO zuständige Gericht stets „im ersten Rechtszug“ entscheide. § 36 Abs. 1 ZPO delegiere diese lediglich auf das im Rechtszug zunächst höhere Gericht. Sofern dieses erstmals über einen Antrag befinde, entscheide es weder als Beschwerde- noch als Berufungsgericht. Dies gelte auch dann, wenn das Oberlandesgericht nach § 36 Abs. 2 ZPO anstelle des Bundesgerichtshofes zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen sei. |
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| Die Klagepartei beantragt, |
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| entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein für den vorliegenden Rechtsstreit insgesamt zuständiges Landgericht zu bestimmen, |
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| die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen. |
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| Die Beklagten beantragen, |
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| den Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes zurückzuweisen und die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. |
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| Die Beklagte zu 1 ist der Ansicht, eine unmittelbare Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheide aus, da diese Norm voraussetze, dass mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand hätten, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollten. Diese Voraussetzungen lägen ersichtlich nicht vor, da der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b ZPO einschlägig sei, der den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten verdränge. |
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| § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sei auch nicht entsprechend anzuwenden. Es liege schon keine planwidrige Regelungslücke vor, weil die Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 32b ZPO abschließend geklärt sei. Deshalb komme es nicht auf die zweifelhafte, vom Bundesgerichtshof bislang nicht entschiedene Frage an, ob eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO überhaupt in Betracht komme, wenn für alle Beklagten jeweils eigene ausschließliche Gerichtsstände eröffnet seien. In den von ihm bislang entschiedenen Fällen sei es nicht um zwei divergierende ausschließliche Gerichtsstände gegangen, sondern um den Konflikt zwischen einem ausschließlichen und einem nicht-ausschließlichen Gerichtsstand. Jedenfalls ließen sich die Grundsätze zur entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht auf zwei divergierende ausschließliche Gerichtsstände aus § 32b ZPO übertragen, weshalb eine auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Gerichtsstandsbestimmung ausscheide. Eine solche wäre gerade nicht zweckmäßig, sondern stünde dem Zweck des § 32b ZPO, das jeweils „sachnächste“ Gericht über Publizitätspflichtverletzungen entscheiden zu lassen, diametral entgegen. Nachdem der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 21. Juli 2020 (Az.: II ZB 19/19) die Grenzen der Konzentrationswirkung des § 32b Abs. 1 ZPO festgelegt habe, könne diese gesetzlich vorgesehene Zuständigkeitsverteilung nun nicht durch die „Hintertür“ der Gerichtstandsbestimmung unterlaufen werden. Soweit die Klagepartei den Eindruck vermitteln wolle, dass die Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig nach dem Grundsatzbeschluss des Bundesgerichtshofes „überholt“ sei, treffe dies in Bezug auf die Ausführungen zu dem – die Ablehnung der Gerichtsstandsbestimmung tragenden – Gesetzeszweck des § 32b ZPO nicht zu. |
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| Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem angeblichen „Fallenlassen“ des Beihilfevorwurfs. Die erklärte „Rücknahme“ des Beihilfevorwurfs sei prozessual unbeachtlich, solange sie sich lediglich auf einzelne Anspruchsgrundlagen beziehe. Davon abgesehen, sei für die Frage der Gerichtsstandsbestimmung auch unerheblich, ob für die Beklagte zu 2 ein weiterer Gerichtsstand am Landgericht Braunschweig bestehe, wenn und soweit die Beklagte zu 2 zusätzlich wegen angeblicher Beihilfe zu einer vermeintlichen Publizitätspflichtverletzung der Beklagten zu 1 in Anspruch genommen werde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssten die Beklagten jedenfalls hinsichtlich des Klagevorwurfs einer täterschaftlichen Publizitätspflichtverletzung jeweils am nach § 32b Abs. 1 ZPO zuständigen Gericht in Anspruch genommen werden. Diese gesetzlich normierten Gerichtsstände dürften durch eine an Zweckmäßigkeitserwägungen orientierte Gerichtsstandsbestimmung nicht umgangen werden. |
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| Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof sei nicht statthaft, da das Oberlandesgericht nicht „im ersten Rechtszug“ iSd § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO entscheide, sondern als übergeordnetes Gericht. Eine entsprechende Anwendung der § 36 Abs. 3, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO komme ebenfalls mangels planwidriger Regelungslücke und mangels vergleichbarer Interessenlage nicht in Betracht. |
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| Die Beklagte zu 2 meint, mit ihrem Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung versuche die Klägerseite, entgegen dem eindeutigen Sinn und Zweck von § 32b ZPO eine gemeinsame örtliche Zuständigkeit gegen die Beklagten für Klagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik herbeizuführen. Der prozessuale Zweck des § 32b ZPO, Ausgangsverfahren am Sitz des betroffenen Emittenten örtlich zu bündeln, würde untergraben, wenn einzelne Verfahren gegen einen betroffenen Emittenten im Wege einer Gerichtsstandsbestimmung an ein anderes Gericht verwiesen würden. Konkret hätte dies zur Folge, dass für die Klagen, die von der einen Kanzlei geführt würden, die solche Anträge gestellt habe, das Landgericht Braunschweig, für alle anderen, dieselbe angebliche Kapitalmarktinformationspflichtverletzung betreffenden Klagen hingegen – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – das Landgericht Stuttgart zuständig wäre. Dass man mittlerweile für die Betroffenheit an die angebliche Publizitätspflichtverletzung statt an das Finanzinstrument anknüpfe, ändere daran nichts. § 32b ZPO führe folglich vorliegend dazu, dass sämtliche Ausgangsverfahren gegen einen Emittenten, die denselben Lebenssachverhalt beträfen und deshalb auf ein und dasselbe Musterverfahren auszusetzen wären, in prozessökonomischer Weise bei einem Ausgangsgericht gebündelt würden. Eine davon abweichende, von der Klägerseite begehrte Gerichtsstandsbestimmung sei auch vor diesem Hintergrund zweckwidrig und ohne Grundlage. Der Zweck des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, das in § 6 Abs. 2 und § 7 Satz 1 selbst davon ausgehe, dass es mehrere zuständige Ausgangsgerichte geben könne, stehe dem ebenfalls nicht entgegen, sondern werde bei mehreren betroffenen Emittenten auch ohne Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands für alle betroffenen Emittenten gewahrt. Denn in einem solchen Musterverfahren könnten gerade auch vor unterschiedlichen Prozessgerichten anhängige Ausgangsverfahren gebündelt werden. |
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| Im Falle einer ablehnenden Entscheidung komme eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht, da die Ablehnung eines Antrags auf Gerichtsstandsbestimmung durch ein Oberlandesgericht unanfechtbar sei. Es bestehe kein Grund, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs einzuholen, solange sich Oberlandesgerichte zu Rechtsfragen im Hinblick auf § 36 ZPO beim selben Sachverhalt einig seien. Ein Zulassungsgrund liege dann ohnehin nicht vor. Eine Divergenzvorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO komme ebenfalls nur in Betracht, soweit die zur Vorlage führende Rechtsfrage für die Zuständigkeitsbestimmung, und nicht nur in Bezug auf Nebenentscheidungen, entscheidungserheblich sei. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 19. November 2020 und der Beklagten jeweils vom 21. Januar 2021 Bezug genommen. |
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| 1. Das Oberlandesgericht Stuttgart ist für die von der Klagepartei beantragte Gerichtsstandsbestimmung zuständig. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht für die beiden Beklagten, die ihren allgemeinen und ausschließlichen Gerichtsstand einerseits in Braunschweig, andererseits in Stuttgart haben, ist der Bundesgerichtshof. In diesem Fall ist das zuständige Gericht gemäß § 36 Abs. 2 ZPO durch das Oberlandesgericht zu bestimmen, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Da die Klage bei dem Landgericht Stuttgart eingereicht wurde, ist dies das Oberlandesgericht Stuttgart. |
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| 2. Der Antrag scheitert nicht daran, dass das Klageverfahren bereits seit geraumer Zeit beim Landgericht anhängig ist. |
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| Dass bereits Klage erhoben und die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Gerichts geltend gemacht wurde, hindert eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht, da diese auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht und es im Interesse der Parteien liegen kann, bei einer von vornherein gegen mehrere Beklagte gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht zu bestimmen (BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1977 - I ARZ 513/77, juris Rn. 1 mwN; vom 14. Juli 2020 - X ARZ 156/20, juris Rn. 10). |
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| Diese Zweckmäßigkeitserwägungen müssen zwar dann zurücktreten, wenn aufgrund des Prozessstands die Bestimmung eines anderen als des mit der Klageerhebung angerufenen Gerichts aus Gründen der Prozessökonomie praktisch ausscheidet und damit dem übergeordneten Gericht im Ergebnis keine Wahlmöglichkeit bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bleibt (BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1977 - I ARZ 513/77, juris Rn. 1 mwN; vom 27. November 2018 - X ARZ 321/18, juris Rn. 14). Eine entsprechende Zäsur ist etwa erreicht, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte schon sachlich entschieden worden ist oder eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat (BGH, Beschlüsse vom 27. November 2018 - X ARZ 321/18, juris Rn. 14; vom 14. Juli 2020 - X ARZ 156/20, juris Rn. 17, jew. mwN). |
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| Eine solche Prozesslage ist hier aber nicht eingetreten. Trotz der bereits langen Verfahrensdauer sind keine derartigen, das Verfahren weiterführende Maßnahmen erfolgt, aufgrund derer bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten im Grunde keine Wahlmöglichkeit verbliebe. |
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| 3. Eine unmittelbare Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheidet aus. Danach wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. |
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| a) Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand zwar bei verschiedenen Gerichten und werden als Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) in Anspruch genommen. Denn für das Vorliegen einer Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO genügt es, wenn die geltend gemachten Ansprüche – wie im Streitfall – in einem inneren Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2018 - X ARZ 303/18, juris Rn. 12; vom 14. Juli 2020 - X ARZ 156/20, juris Rn. 12, jew. mwN). |
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| b) Ein gemeinsamer Gerichtsstand der Beklagten iSv § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist – unstreitig – nicht gegeben, da die für die beiden Beklagten jeweils geltenden besonderen ausschließlichen Gerichtsstände des § 32b Abs. 1 ZPO beim Landgericht Braunschweig bzw. Landgericht Stuttgart liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - II ZB 19/19, juris Rn. 30; OLG Braunschweig, Beschluss vom 12. August 2019 - 3 Kap 1/16, juris Rn. 56 ff.) und die Klagepartei – nach ihrem für das Verfahren nach § 37 ZPO insoweit maßgeblichen Vortrag – die Beklagte zu 2 nicht länger wegen Beihilfe zu einer Publizitätspflichtverletzung der Beklagten zu 1 in Anspruch nimmt. |
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| c) Die Beklagten werden aber nicht in ihrem allgemeinen Gerichtsstand verklagt, sondern – nach der Begründung in der Klageschrift – jeweils im ausschließlichen Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO, der ihren allgemeinen Gerichtsstand (§ 17 ZPO) – auch wenn dieser am selben Gerichtsstand besteht – verdrängt (vgl. BeckOK-ZPO/Toussaint, § 32b Rn. 25, Stand: 1. Dezember 2020). |
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| 4. Eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheitert nicht daran, dass für beide Beklagte an verschiedenen Gerichten ausschließliche Gerichtsstände bestehen. |
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| a) Dass die Beklagte zu 2 am ausschließlichen Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO verklagt wurde, steht einer Gerichtsstandsbestimmung analog § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Eine – örtlich oder sachlich – ausschließliche Zuständigkeit nimmt dem übergeordneten Gericht iSd § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht die Möglichkeit, unter den verschiedenen als zuständig in Betracht kommenden Gerichten eine Auswahl zu treffen. Die Besonderheit einer ausschließlichen Zuständigkeit besteht darin, dass weder durch Parteivereinbarung noch durch rügelose Einlassung (§§ 38 - 40 ZPO) die Zuständigkeit eines anderen Gerichts begründet werden kann. Daraus folgt aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, dass eine ausschließliche Zuständigkeit auch im Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO unabänderlich festläge und dass es generell und grundsätzlich der Absicht des Gesetzes widerspräche, wenn in diesem Verfahren das nicht ausschließlich zuständige Gericht ausgewählt würde (BGH, Beschluss vom 16. Februar 1984 - I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155, 159, juris Rn. 9 mwN). |
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| b) Dass im Streitfall hinsichtlich aller Beklagten ein – nicht am selben Gericht – gegebener ausschließlicher Gerichtsstand besteht, hindert eine Gerichtsstandsbestimmung ebenfalls nicht. |
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| aa) Die Schaffung ausschließlicher Gerichtsstände kann auf ganz unterschiedlichen Motiven beruhen. Während für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- und Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse gemäß § 29a Abs. 1 ZPO an die Belegenheit des Miet- und Pachtobjekts und damit an die Ortsnähe des zur Streitentscheidung berufenen Gerichts angeknüpft wird (ähnliches gilt für den ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand aus § 24 ZPO), möchten andere Bestimmungen wie § 29c Abs. 1 Satz 2 ZPO Verbraucher davor bewahren, ihre Rechte bei einem möglicherweise weit entfernten Gericht geltend machen zu müssen (zu § 29c ZPO BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 - X ARZ 362/02, juris Rn. 9; BR-Drucks. 384/75, Seite 26) oder zu Gunsten von Versicherungsnehmern gemäß § 215 Abs. 1 Satz 2 VVG sicherstellen, dass Versicherer und Vermittler sie allein an ihrem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt verklagen können (vgl. MünchKomm-VVG/Looschelders, 2. Aufl., § 215 Rn. 52). Demgegenüber stellen andere Normen wie § 246 Abs. 3 Satz 1, § 249 Abs. 1 AktG, § 61 Abs. 3 GmbHG auf den Sitz der Gesellschaft ab, um divergierende Entscheidungen zu vermeiden (vgl. zu § 246 AktG BeckOGK-AktG/Vatter, § 246 Rn. 44, Stand: 19. Oktober 2020; MünchKomm-AktG/Schäfer, 5. Aufl., § 246 Rn. 72). |
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| bb) Aufgrund dieser ganz unterschiedlichen Motivlage für die Schaffung ausschließlicher Gerichtsstände erscheint es nicht geboten, eine Gerichtsstandsbestimmung unabhängig vom konkreten Zweck, der mit dem ausschließlichen Gerichtsstand verfolgt wird, ganz allgemein für ausgeschlossen zu erachten, wenn für mehr als einen Streitgenossen ein ausschließlicher Gerichtsstand – auch wenn dieser aus der gleichen Norm folgt – besteht. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass beim Zusammentreffen von ausschließlichem und nicht ausschließlichem Gerichtsstand eine Gerichtsstandsbestimmung – wie soeben dargelegt – zum einen nicht ausscheidet, zum anderen auch zu Gunsten des nicht ausschließlichen Gerichtsstands zulässig ist. Dann ist nämlich kein – genereller – Grund ersichtlich, weshalb es nicht grundsätzlich möglich sein sollte, auch von einem ausschließlichen Gerichtsstand eines Beklagten zugunsten eines ausschließlichen Gerichtsstands eines anderen Beklagten abzuweichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 7. Juli 2000 - 4Z AR 71/00, juris Rn. 12; OLG Rostock, Beschluss vom 25. März 2010 - 10 UFH 1/09, juris Rn. 5; OLG Braunschweig, Beschluss vom 30. Oktober 2017 - 1 W 31/17, juris Rn. 65; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rn. 30). |
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| cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass im Rahmen des Auswahlermessens das ausschließlich zuständige Gericht bei der Bestimmung grundsätzlich Vorrang hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2008 - X ARZ 98/08, juris Rn. 9; BeckOK-ZPO/Toussaint, § 36 Rn. 25, Stand: 1. Dezember 2020) oder ihm zumindest besonderes Gewicht zukommen soll (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. November 2008 - 1 BvR 2788/08, juris Rn. 13; OLG Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 AR 35/11, juris Rn. 12 f.), was bei unterschiedlichen ausschließlichen Gerichtsständen leerläuft. Denn wie dargelegt schränkt das Bestehen eines ausschließlichen Gerichtsstandes für einen der Streitgenossen das Auswahlermessen des Gerichts nicht derart ein, dass die Bestimmung eines anderen Gerichtes ausgeschlossen wäre (BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 1984 - I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155, 159, juris Rn. 9 mwN; vom 26. November 1997 - XII ARZ 20/97, juris Rn. 6; BeckOK-ZPO/ Toussaint, § 36 Rn. 26, Stand: 1. Dezember 2020). |
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| 5. Allerdings hält der Senat mit dem 1. und dem 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für ausgeschlossen, wenn – wie im Streitfall – zwei betroffene Emittenten, für die an verschiedenen Gerichten gemäß § 32b Abs. 1 ZPO ein jeweils ausschließlicher Gerichtsstand besteht, wegen je eigener kapitalmarktrechtlicher Pflichtverletzungen als Streitgenossen verklagt werden (Beschlüsse vom 30. Oktober 2017 - 1 W 31/17, juris Rn. 66; vom 9. November 2020 - 9 W 34/20). |
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| a) § 32b ZPO wurde durch das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16. August 2005 (BGBl. I 2437) eingeführt. Die Norm verfolgt nach der Begründung des Regierungsentwurfs neben einer Beschleunigung des Verfahrens und einer erheblichen Kostenersparnis, weil aller Voraussicht nach nur ein Sachverständigengutachten erforderlich sein werde, den Zweck, einer Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten auf Grund verschiedener Gerichtsstände entgegenzuwirken, die sich aus den ansonsten in Betracht kommenden Gerichtsständen des Sitzes des Beklagten, der unerlaubten Handlung oder des Vermögens nach internationalem Zivilprozessrecht ergeben könnten (BT-Drucks. 15/5091, Seite 33; BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2013 - X ARZ 320/13, juris Rn. 15; vom 21. Juli 2020 - II ZB 19/19, juris Rn. 41; Reuschle in Wieczorek/ Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 32b Rn. 1 f.). Nach der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung bezweckt die Norm die Bündelung paralleler Verfahren in Bezug auf jeweils einen betroffenen Emittenten, strebt aber nicht eine Zuständigkeitskonzentration an, wenn von einem bestimmten Lebenssachverhalt – wie im Streitfall – mehrere Emittenten betroffen sind (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - II ZB 19/19, juris Rn. 44). Wie aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu ersehen ist, sollen als typisierende Merkmale für eine sachnahe Gerichtszuständigkeit die Unternehmensdaten und Ad-Hoc-Meldungen des informationspflichtigen Emittenten maßgeblich sein (BT-Drucks. 15/5091, S. 33), was durch ein Wahlrecht zwischen den Gerichtsständen der betroffenen Konzernunternehmen nach § 35 ZPO unterlaufen werden würde (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - II ZB 19/19, juris Rn. 47). Eine darüber hinausgehende Bündelung der örtlichen Zuständigkeit in Fällen, in denen mehrere Emittenten mit Sitz an unterschiedlichen Gerichten verklagt werden, sieht § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO danach – was die Klagepartei nicht in Abrede stellt – nicht vor (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - II ZB 19/19, juris Rn. 31, 40). |
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| b) Diese von § 32b Abs. 1 ZPO bezweckte Zuständigkeitskonzentration würde konterkariert, wenn man mit der Klagepartei eine Gerichtsstandsbestimmung zugunsten des Gerichts zuließe, an dem nur einer von mehreren betroffenen Emittenten seinen Sitz hat (ebenso OLG Braunschweig, Beschlüsse vom 30. Oktober 2017 - 1 W 31/17, juris Rn. 66; vom 9. November 2020 - 9 W 34/20). Bei ihrer abweichenden Ansicht übersieht die Klagepartei, dass durch die von ihr begehrte Gerichtsstandsbestimmung gerade nicht der Gesetzeszweck der Bündelung gleichartiger Verfahren erreicht, sondern das genaue Gegenteil eintreten würde. Wie von der Beklagtenseite zu Recht eingewandt, würden nicht alle Verfahren gegen die Beklagten, denen diese Vorwürfe zugrundeliegen, hinsichtlich der Beklagten zu 1 am Landgericht Braunschweig und hinsichtlich der Beklagten zu 2 am Landgericht Stuttgart betrieben. Dies wäre, wenn die Ansicht der Klagepartei zuträfe, vielmehr nur insoweit der Fall, als keine Anträge auf Gerichtsstandsbestimmung gestellt würden. Soweit dies der Fall wäre, müssten die Oberlandesgerichte die Verfahren gegen beide Beklagte hingegen – da § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, soweit er einschlägig ist, keine Möglichkeit vorsieht, mangels Zweckmäßigkeit von einer Gerichtsstandsbestimmung abzusehen – je nachdem, wo sie eine Verfahrensführung für zweckmäßiger erachteten, entweder dem einen oder dem anderen Landgericht zuweisen. Dies hätte in der Konstellation des Streitfalls zur Folge, dass ein Teil der Verfahren hinsichtlich beider Beklagter bei dem Landgericht Stuttgart, ein anderer Teil der Verfahren hinsichtlich beider Beklagter bei dem Landgericht Braunschweig und – soweit ein Gerichtstandsbestimmungsantrag unterbliebe – ein weiterer Teil der Verfahren, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, hinsichtlich der Beklagten zu 1 bei dem Landgericht Braunschweig und hinsichtlich der Beklagten zu 2 bei dem Landgericht Stuttgart geführt werden müssten. Dies würde dem gesetzgeberischen Ziel der Bündelung paralleler Verfahren evident widersprechen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Regelungszweck des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Dieser dient im Wesentlichen der Prozessökonomie, die in der vorliegenden Konstellation gerade für die Bündelung der Verfahren jeweils an dem gemäß § 32b ZPO begründeten Gerichtsstand spricht (OLG Braunschweig, Beschluss vom 30. Oktober 2017 - 1 W 31/17, juris Rn. 66). |
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| c) Dass eine von § 32b ZPO abweichende Gerichtsstandsbestimmung in dieser Konstellation nicht gewollt war, zeigt sich auch aus einer Begründung, die der Gesetzgeber im Rahmen der Änderung des § 32b ZPO durch das Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I 2082) gegeben hat. Denn dort hat er ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass bis dahin in Fällen, in denen Anlageberater oder Anlagevermittler ebenfalls mit verklagt waren, ein gemeinsamer Gerichtsstand nach § 36 ZPO durch das Oberlandesgericht zu bestimmen gewesen sei. In der Praxis habe dies häufig zu einer örtlichen Verteilung von gleich gelagerten Prozessen geführt, was der ursprünglichen Intention des bisherigen § 32b entgegengelaufen sei (BT-Drucks. 17/8799, Seite 27). Daraus erhellt, dass der Gesetzgeber auch mit der damaligen Änderung gerade verhindern wollte, dass Gerichtsstandsbestimmungen zu einer – der gesetzlichen Grundkonzeption widersprechenden – Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten führen. |
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| d) Der Ausschluss einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gilt erst recht vor dem weiteren Hintergrund, auf den auch die Klagepartei im Ansatz zu Recht hinweist, dass § 32b ZPO und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz nicht nur zeitgleich und mit Bezug aufeinander geschaffen wurden, sondern nach dem Willen des Gesetzgebers sogar „eine Einheit“ bilden (BT-Drucks. 17/8799, Seite 27). Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 16. Juni 2020 - II ZB 10/19 klargestellt, dass mit Blick auf verschiedene betroffene Emittenten, denen je eigene kapitalmarktrechliche Pflichtverletzungen vorgeworfen werden, auch dann verschiedene Musterverfahren geführt werden müssen, wenn sich deren Feststellungsziele teils decken. Werden – wie im Streitfall – hinsichtlich mehrerer betroffener Emittenten tatsächlich Musterverfahren geführt, und liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG hinsichtlich dieser Musterverfahren vor, so hätte das Prozessgericht, wenn es wegen einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für die Klagen gegen zwei betroffene Emittenten zuständig wäre, diese Verfahren jeweils im Hinblick auf eines dieser Musterverfahren auszusetzen. Da das Gesetz nach der höchstrichterlichen Auslegung des § 7 Satz 1 KapMuG die Gefahr sich widersprechender Feststellungen teilidentischer Lebenssachverhalte in Kauf nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020 - II ZB 10/19, juris Rn. 24 aE, 26, 30; Möllers/Glas, EWiR 2020, 583, 584), könnte dies zur Folge haben, dass das Ausgangsgericht, das gemäß § 22 Satz 1 KapMuG hinsichtlich der Feststellungen in den unterschiedlichen Musterverfahren gebunden wäre, in Bezug auf verschiedene Streitgenossen widersprüchliche Feststellungen zugrundezulegen hätte. Auch vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass es der gesetzlichen Konzeption entsprechen soll, hinsichtlich verschiedener betroffener Emittenten verschiedene Musterverfahren, aber im Wege der Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gemeinsame Ausgangsverfahren zu führen (vgl. auch Vollkommer, EWiR 2021, 35, 36). Deshalb trifft die Ansicht der Klagepartei, dass es dem gesetzgeberischen Ziel entgegenlaufen würde, wenn man die Klage nach dem jeweiligen Emittenten aufspalten und die Verfahren trennen würde, für die Ausgangsverfahren ebensowenig zu wie für die Musterverfahren. |
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| e) Gründe, die für die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsbestimmung sprächen, sind demgegenüber nicht ersichtlich. |
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| aa) Entgegen der Ansicht der Klagepartei hängt der Gesetzeszweck des § 32b ZPO wie des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, worauf der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig zutreffend hingewiesen hat (Beschluss vom 9. November 2020 - 9 W 34/20, Seite 7 Abs. 2), nicht davon ab, woraus die Betroffenheit eines Emittenten folgt. Zwar trifft es zu, dass nach der – insoweit überholten – Auslegung der Betroffenheit durch den 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 30. Oktober 2017 im Streitfall ein gemeinsamer ausschließlicher Gerichtsstand der Beklagten am Landgericht Stuttgart bestünde, weil die Klagepartei beide Beklagte wegen Schäden aus dem Erwerb von Y-Vorzugsaktien in Anspruch nimmt. Da die Auslegung des § 32b ZPO nun aber insoweit höchstrichterlich geklärt ist und damit feststeht, dass die beiden Beklagten hinsichtlich des Vorwurfs, jeweils eigene kapitalmarktrechtliche Pflichten verletzt zu haben, an jeweils unterschiedlichen Gerichten einen ausschließlichen Gerichtsstand haben, stellt sich nur noch die Frage, ob die mit dieser Norm beabsichtigte Bündelung der Verfahren an den für die jeweiligen betroffenen Emittenten zuständigen Gerichten durch eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO umgangen werden kann. Aus den dargelegten Gründen ist dies nicht der Fall. |
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| bb) Dass der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 21. Juli 2020 - II ZB 19/19 ausdrücklich offen gelassen hat, „ob eine weitergehende Zuständigkeitskonzentration über eine entsprechende Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erreicht werden kann“ (juris Rn. 48), steht der Verneinung dieser Frage nicht entgegen. Da sie für die von dem Bundesgerichtshof zu beurteilende Frage nicht entscheidungserheblich war, bestand für ihn schlicht keine Veranlassung, sich mit ihr auseinanderzusetzen. |
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| cc) Soweit Roth (in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 32b Rn. 10) in seiner 2013 erschienenen Kommentierung meint, im nicht ausdrücklich geregelten Fall (dazu auch Reuschle in Wieczorek/ Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 32b Rn. 84a ff.; während des Gesetzgebungsverfahrens eine ausdrückliche Regelung fordernd Tilp, VuR 2012, 282, 284), dass zwei Emittenten mit Sitz an unterschiedlichen Gerichten verklagt würden, helfe § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO weiter, führt er dazu keine Begründung an und setzt sich insbesondere nicht mit dem Regelungszweck des § 32b Abs. 1 ZPO auseinander. Die übrige Literatur, die sich mit dieser Frage befasst, hält demgegenüber – soweit ersichtlich – ein Vorgehen nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ebenfalls für ausgeschlossen (Vollkommer, EWiR 2018, 127, 128; Großerichter, WuB 2019, 639, 644; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 36 Rn. 24; Hk-ZPO/Bendtsen, 8. Aufl., § 32b Rn. 2; BLHAG/Bünnigmann, ZPO, 78. Aufl., § 32b Rn. 1). |
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| 6. Damit weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs ab, so dass eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht geboten war. Der Bundesgerichtshof hat zwar in zwei Fällen, in denen eine ausschließliche Zuständigkeit nach § 32b ZPO bestand, eine Gerichtsstandsbestimmung vorgenommen. Im ersten Fall bestanden aber keine unterschiedlichen ausschließlichen Gerichtsstände nach § 32b ZPO und der Bundesgerichtshof bestimmte das Gericht, an dem der ausschließliche Gerichtsstand gegeben war (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2007 - X ARZ 423/06, juris Rn. 14 - zu § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in der Fassung vom 16. August 2005). Im zweiten Fall nahm der Bundesgerichtshof zwar für eine Klage, in der für einen Antragsgegner ein ausschließlicher Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet war, eine Gerichtsstandsbestimmung zu Gunsten eines anderen Gerichtsstandes vor (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - X ARZ 320/13, juris Rn. 33). Dort ging es um die im Schwerpunkt auf eine fehlerhafte Anlageberatung gestützte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1, für die deren Gründungskommanditistin als Antragsgegnerin zu 2 mitverklagt war. Diese sei darüber hinaus auch als Prospektverantwortliche zum Schadensersatz verpflichtet, weshalb für sie, anders als für die Antragsgegnerin zu 1, ein ausschließlicher Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO greife (aaO, juris Rn. 2, 18 ff.). Der Bundesgerichtshof bestimmte nicht das für die Antragsgegnerin zu 2 ausschließlich zuständige Gericht, sondern jenes, in dessen Bezirk sowohl die Antragstellerin als auch der für die Antragsgegnerin zu 1 tätig gewordene Anlageberater ihren Gerichtsstand hatten (aaO, juris Rn. 33 ff.). Anders als im Streitfall wurden dort mithin weder ein betroffener Emittent, ein betroffener Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen oder eine Zielgesellschaft verklagt, geschweige denn zwei unterschiedliche betroffene Emittenten, denen jeweils mit Blick auf einen teilidentischen Lebenssachverhalt je eigene kapitalmarktrechtliche Pflichtverletzungen vorgeworfen werden. |
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| 1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, wenn – wie im Streitfall – ein Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist und die Parteien durch dieselben Rechtsanwälte vertreten werden (OLG München, Beschluss vom 28. Juni 2017 - 34 AR 64/17, juris Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 6. August 2019 - 32 SA 42/19, juris Rn. 36; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 91 Rn. 13.23; weitergehend BayObLG, Beschluss vom 12. Februar 2020 - 1 AR 94/19, juris Rn. 63). Im Verfahren nach § 36 ZPO entstehen vor dem Oberlandesgericht – unabhängig von seinem Ausgang – keine Gerichtskosten und die anwaltlichen Kosten gehören in dieser Konstellation zum Rechtszug (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. August 2014 - 11 SV 74/14, juris Rn. 8; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 36 Rn. 44; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 37 Rn. 10 f.). Soweit früher die Ansicht vertreten wurde, ein etwaiges gegen den Beklagten gerichtetes Klageverfahren könne nicht als Hauptsache zu dem – wie hier – ohne Bestimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossenen Verfahren nach § 37 ZPO angesehen werden (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 1987 - I ARZ 703/86, juris Rn. 1; vom 7. Januar 2014 - X ARZ 578/13, juris Rn. 19; BayObLG, Beschluss vom 23. Februar 1999 - 1Z BR 25/99, juris Rn. 9 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Juli 2003 - 12 AR 5/03, juris Rn. 16; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2013 - 32 Sbd 7/11, juris Rn. 2), ist dies durch die Schaffung des § 16 Nr. 3a RVG zum 1. August 2013 überholt (vgl. BR-Drucks. 517/12, Seite 413; BT-Drucks. 17/11471 (neu), Seite 267; Schneider, AGS 2013, 455 f.; BeckOG-RVG/v. Seltmann, § 16 Rn. 5, Stand: 1. März 2020; Rohn in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., § 16 Rn. 12 ff.). Zwar ist die Kostengrundentscheidung regelmäßig unabhängig davon zu treffen, ob im Einzelfall Kosten anfallen oder nicht. Steht jedoch – wie hier – fest, dass keinerlei Kosten geltend gemacht werden können, so fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine ins Leere laufende Entscheidung (OLG München, Beschluss vom 28. Juni 2017 - 34 AR 64/17, juris Rn. 4). |
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| 2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da sie nicht statthaft ist (a) und zudem keine Zulassungsgründe vorlägen (b). |
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| a) Zwar wird die Ansicht vertreten, dass § 37 Abs. 2 ZPO eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht ausschließe (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Juli 2003 - 12 AR 5/03, juris Rn. 17 ff.; Hk-ZPO/Bendtsen, ZPO, 8. Aufl., § 37 Rn. 6; BeckOK-ZPO/Toussaint, § 37 Rn. 16.3, Stand: 1. Dezember 2020; Bey in Prütting/Gehrlein, ZPO, 11. Aufl. § 37 Rn. 4). Zu folgen ist jedoch der überwiegenden Ansicht, wonach der Bundesgerichtshof dann, wenn ein Oberlandesgericht gemäß § 36 Abs. 2 ZPO an seiner Stelle tätig wird, nur unter den – wie dargelegt nicht gegebenen Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 ZPO – mit der Sache befasst werden kann (ebenso BayObLG, Beschluss vom 10. Juni 2002 - 1Z AR 50/02, juris Rn. 8; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Februar 2006 - 3 AR 1/06, juris Rn. 12; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 5 W 256/07, juris Rn. 12; OLG Braunschweig, Beschluss vom 9. November 2020 - 9 W 34/20, sub. II 3 b; Hüßtege in Thomas/Putzo, 41. Aufl., § 37 Rn. 6; BLHAG/Weber, ZPO, 78. Aufl., § 37 Rn. 9; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 37 Rn. 4; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 37 Rn. 8; MünchKomm-ZPO/Patzina, 6. Aufl., § 37 Rn. 8; Chasklowicz in Kern/Diehm, ZPO, 2017, § 37 Rn. 7). Das Oberlandesgericht wird dann gerade nicht als erstinstanzliches Gericht iSd § 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, sondern – worin keine gekünstelte Aufspaltung liegt – in Vertretung des Bundesgerichtshofs tätig. Denn dieser soll durch diese Regelung entlastet und nur dann über § 36 Abs. 3 ZPO tätig werden, wenn divergierende Entscheidungen durch die an seiner Stelle tätigen Oberlandesgerichte drohen, um – dadurch – die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf Dauer zu gewährleisten (BT-Drucks. 13/9124, Seite 45 f.). Dass § 574 ZPO nach der Einführung des § 36 Abs. 2 und 3 ZPO neugefasst wurde, ändert an diesem Regelungsregime nichts. |
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| b) Abgesehen davon lägen entgegen der Ansicht der Klagepartei auch keine Gründe vor, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Eine Divergenz liegt, wie oben dargelegt, nicht vor. Nachdem sich der Senat in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Ansicht in der Literatur befindet, ist auch kein Klärungsbedürfnis ersichtlich. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn in Literatur und Instanzrechtsprechung zu einer Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und eine höchstrichterliche Beantwortung bislang noch aussteht (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2010 - 1 BvR 381/10, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 - IV ZR 153/18, juris Rn. 9). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2009 - 1 BvR 3598/08, juris Rn. 14; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, juris Rn. 3). Soweit ersichtlich vertritt hier lediglich Roth (in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 32b Rn. 10) eine gegenteilige Ansicht, ohne diese jedoch zu begründen. |
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