Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 Bf 121/14

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen begehren ihre Förderung in der Kindertagespflege.

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Die Klägerinnen sind Geschwister und beide … 2011 geboren. Sie haben einen im März 2009 geborenen älteren Bruder. Die Mutter der Klägerinnen ist alleinerziehend. Sie arbeitete in dem für das vorliegende Klageverfahren relevanten Zeitraum einmal wöchentlich (freitags) im Schichtdienst (40 Stunden monatlich). Ergänzend bezog sie für sich und ihre Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Großmutter der Klägerinnen mütterlicherseits ist seit vielen Jahren als Tagespflegeperson tätig und Inhaberin einer von der Beklagten erteilten Pflegeerlaubnis nach § 43 Abs. 1 SGB VIII.

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Im Januar 2013 beantragten die Klägerinnen, dass sie ab dem 22. Januar 2013 wöchentlich für elf bis 20 Stunden in Kindertagespflege durch ihre Großmutter als Tagespflegeperson betreut werden sollten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 2013 ab und verwies darauf, dass nach der einschlägigen Fachanweisung Geldleistungen an Verwandte in gerader Linie nicht gewährt würden.

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Hiergegen erhoben die Klägerinnen Widerspruch: Ihre Großmutter sei zur ihrer unentgeltlichen Pflege weder bereit noch verpflichtet. Eine unentgeltliche Betreuung durch ihre Großmutter sei auch ihrer Mutter nicht zumutbar, weil diese angesichts wechselnder Schichtdienste auf eine verbindliche Betreuung angewiesen sei. Die Betreuung durch ihre Großmutter diene dem Kindeswohl, weil diese jahrelange Erfahrung in der Kinderbetreuung habe, fachlich besonders geeignet sei und in der unmittelbaren Nähe wohne. Ihre Mutter könne nicht auf eine fachlich weniger geeignete Betreuungsperson verwiesen werden, obwohl ihre Großmutter zur (entgeltlichen) Betreuung bereit und besonders geeignet sei. Die Klägerinnen verwiesen ferner darauf, dass auch in anderen Rechtsbereichen entgeltliche Verträge zwischen Verwandten nicht ungewöhnlich seien. Die Beklagte habe in der Vergangenheit im Übrigen in vergleichbaren Fällen ausnahmsweise eine Kindertagespflege durch Verwandte zugelassen. § 28 Abs. 4 HmbKibeG verletze, werde die Vorschrift auf den vorliegenden Fall angewendet, die allgemeine Handlungsfreiheit, den allgemeinen Gleichheitssatz sowie die Berufsausübungsfreiheit. Die Vorschrift habe ganz andere Fälle als den vorliegenden Fall im Blick. Es gehe darum zu unterbinden, dass hierfür nicht besonders qualifizierte Verwandte Kindertagespflege nur aus Anlass der Geburt eines Kindes ausübten. Ein derartiger Fall sei jedoch vorliegend nicht gegeben, da ihre Großmutter ohnehin als Tagespflegeperson arbeite und über eine besondere Qualifikation als Tagespflegeperson verfüge.

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Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013 zurück: Der begehrten Förderung stehe § 28 Abs. 4 HmbKibeG entgegen. Die Vorschrift verstoße nicht gegen die allgemeine Handlung- oder die Berufsfreiheit, weil es sich bei diesen Grundrechten um Abwehrrechte gegen den Staat und nicht um (Sozial-) Anspruchsnormen handele. Der Ausschluss von Verwandten aus der Tagespflege sei vom weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers gedeckt, der bezwecke, entgeltliche Betreuungsleistungen aus Familien herauszuhalten. Sollte sie – die Beklagte selbst – in der Vergangenheit gegen § 28 Abs. 4 HmbKibeG verstoßen haben, begründe dies keinen Anspruch der Klägerinnen.

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Mit ihrer Klage haben die Klägerinnen ergänzend geltend gemacht: Sie seien auf eine Betreuung durch ihre Großmutter auch deshalb angewiesen, weil diese auch Nacht- und Schichtdienste sowie kurzfristige Verlängerungen der Arbeitszeit abdecken könne. Andere Tagesmütter böten eine solche Betreuung gar nicht an. Sie seien ferner in die Gruppe der Großmutter eingegliedert und dort integriert. Sie hätten bereits darunter zu leiden, dass ihr Vater die Familie verlassen habe und kein Interesse an ihnen zeige.

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Die Klägerinnen haben beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 zu verpflichten, ihnen ab dem 22. Januar 2013 eine Förderung für ihre Betreuung in der Kindertagespflegestätte ihrer Großmutter zu bewilligen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat insbesondere geltend gemacht, den Klägerinnen sei auch eine andere Betreuung zumutbar. Entsprechende Angebote habe sie gemacht.

12

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 abgewiesen: Dem geltend gemachten Anspruch stehe § 28 Abs. 4 HmbKibeG entgegen. Eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass die verwandte Person auch im Übrigen als Tagespflegeperson tätig sei, sehe die Vorschrift nicht vor. Auch könne sie nicht einschränkend ausgelegt werden, denn der Gesetzgeber habe nicht gewollt, dass Betreuungsleistungen innerhalb der Familie durch entgeltliche Vergütung zu einer Erwerbsquelle würden. Dahinter stehe der Gedanke, dass erwartet werden könne, dass freiwillige Betreuungsleistungen in der Familie aufgrund des verwandtschaftlichen Näheverhältnisses kostenlos erbracht würden. Diese Erwartung bestehe auch, wenn die verwandte Person als Tagespflegeperson tätig sei. § 28 Abs. 4 HmbKibeG verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Es stelle einen berechtigten Grund für die Differenzierung zwischen verwandtschaftlicher und sonstiger Tagespflege dar, eine Kommerzialisierung verwandtschaftlicher Beziehungen zu vermeiden.

13

Mit Beschluss vom 27. April 2015 hat der erkennende Senat auf den Antrag der Klägerinnen die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 zugelassen.

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Mit ihrer Berufungsbegründung wiederholen und vertiefen die Klägerinnen ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren.

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Die Klägerinnen beantragen,

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das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 zu verpflichten, ihnen für den Zeitraum 22. Januar 2013 bis 21. Januar 2014 Tagespflege im Umfang von elf bis zwanzig Stunden wöchentlich bei der Tagespflegeperson … zu bewilligen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Der Beschluss vom 27. April 2015, mit dem der Senat die Berufung zugelassen hat, ist den Klägerinnen ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 30. April 2015 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 9. Juni 2015 hat der Senat darauf hingewiesen, dass eine Berufungsbegründung nicht eingegangen sei und die Berufung deshalb unzulässig und zu verwerfen sei. Am 18. Juni 2015 ist daraufhin die Berufungsbegründung eingegangen. Ferner haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015, der am gleichen Tag bei Gericht eingegangen ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen, der sachbearbeitende Rechtsanwalt ihrer Bevollmächtigten habe die Berufungsbegründung am 5. Mai 2015 erstellt und persönlich in den Briefkasten der gemeinsamen Annahmestelle des Amtsgerichts Hamburg geworfen. Erst am 15. Juni 2015 habe dieser Rechtsanwalt aufgrund des gerichtlichen Schreibens vom 9. Juni 2015 Kenntnis darüber erhalten, dass sich die Berufungsbegründungsschrift nicht bei der Gerichtsakte befinde.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Sachakte der Beklagten (ein grauer Hefter) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

I.

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Die Berufung ist zulässig. Zwar haben die Klägerinnen die Frist zur Begründung der Berufung nicht eingehalten. Die Frist beträgt gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ein Monat ab Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung. Der Beschluss des erkennenden Senats vom 27. April 2015 über die Zulassung der Berufung ist den Bevollmächtigten der Klägerinnen ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 30. April 2015 zugestellt worden. Die Berufungsbegründung hätte daher gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 1 und 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB spätestens am 1. Juni 2015 – einem Montag – bei dem Oberverwaltungsgericht eingehen müssen. Dies ist nicht der Fall gewesen.

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Den Klägerinnen ist aber gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn sie waren i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Zwar müssten sie sich gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO ein etwaiges Verschulden ihrer Bevollmächtigten zurechnen lassen. Diese haben jedoch ihrerseits gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 VwGO glaubhaft gemacht, dass sie an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015 haben sie geltend – und durch Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung vom selben Tage glaubhaft – gemacht, die Berufungsbegründungsschrift sei unter dem 5. Mai 2015 gefertigt worden. An diesem Tag – und mithin innerhalb der Frist – habe der sachbearbeitende Rechtsanwalt, Herr Rechtsanwalt P., den Schriftsatz in den Briefkasten der gemeinsamen Annahmestelle geworfen und sei davon ausgegangen, dass er innerhalb der Begründungsfrist bei dem Oberverwaltungsgericht eingehe. Diese Erwartung bestand zu Recht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können Mängel der postalischen Beförderung, insbesondere ein Verlust auf dem Postweg, einem Beteiligten nicht zugerechnet werden, wenn er die Sendung den postalischen Bestimmungen entsprechend zu einem Zeitpunkt abgesandt hat, zu dem unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten mit einem rechtzeitigen Eingang bei dem Empfänger gerechnet werden darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2013, 3 C 10.12, DÖV 2013, 780, juris Rn. 11, m.w.N.; OVG Hamburg, Beschl. v. 28.10.2015, 4 Bf 192/14.Z, BA S. 5). Nichts anderes kann gelten, wenn ein Schriftsatz sogar persönlich bei Gericht abgegeben wird. Auch und erst Recht in diesem Fall darf darauf vertraut werden, dass – was vorliegend aber offenbar der Fall gewesen ist – ein Schriftstück nicht innerhalb des Gerichts verloren geht. Im Übrigen besteht keine Pflicht, Erkundigungen über den rechtzeitigen Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht anzustellen, wenn – wie hier – keine besonderen Umstände vorliegen, die eine mögliche Verfristung nahelegen (vgl. BVerwG, a.a.O.).

24

Die Klägerinnen haben auch die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag eingehalten. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwGO ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses der Wiedereinsetzungsantrag zu stellen und ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Liegt das Hindernis in einer (unverschuldeten) Fehlvorstellung darüber, eine Frist eingehalten zu haben, ist dieses Hindernis behoben, sobald das Fortbestehen der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Dies ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem der verantwortliche Rechtsanwalt bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können (vgl. BGH, Beschl. v. 9.12.1992, VIII ZB 30/92, NJW 1993, 1332, juris Rn. 4). Vorliegend haben die Bevollmächtigten der Klägerinnen das gerichtliche Schreiben vom 8. Juni 2015 am 15. Juni 2015 erhalten und damit erstmals Kenntnis darüber erlangt und erlangen können, dass die Berufungsbegründungsschrift dem Gericht nicht vorliegt. Sie haben daraufhin bereits am 18. Juni 2015 die Berufungsbegründungsschrift (erneut) eingereicht, den Antrag auf Wiedereisetzung in den vorigen Stand gestellt und die Gründe für die Wiedereinsetzung geltend und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht.

II.

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Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage mit seinem Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2014 abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

26

Die Klage ist zulässig. Den Klägerinnen fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist der Bewilligungszeitraum, für den sie mit der vorliegenden Klage die Bewilligung von Tagespflege erstreben, bereits beendet. Die Klägerinnen haben aber den Bewilligungsantrag rechtzeitig vor Beginn des Bewilligungszeitraums gestellt und, wie ihre Mutter in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. November 2015 auf Nachfrage des Gerichts angegeben hat, im Bewilligungszeitraum Tagespflege durch ihre Großmutter erhalten. Hierfür haben sie nach Aussage ihrer Mutter bislang zwar keine Zahlungen an ihre Großmutter leisten müssen. Der erkennende Senat geht aber aufgrund der weiteren Angaben der Mutter der Klägerinnen davon aus, dass sie mit ihrer Großmutter für den von der Klage erfassten Zeitraum eine entgeltliche Tagespflege vereinbart haben und der danach bestehende Anspruch ihrer Großmutter gegen sie gegenwärtig gestundet ist.

27

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 24. Januar 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013, mit denen die Beklagte es abgelehnt hat, zugunsten der Klägerinnen Tagespflege bei der Tagespflegeperson … zu bewilligen, sind rechtmäßig, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Denn die Klägerinnen haben einen Anspruch auf die Bewilligung einer derartigen Betreuung als Tagespflege weder aus §§ 28 Abs. 2, 6 Abs. 2 HmbKibeG (hierzu 1.) noch aus anderen Vorschriften (hierzu 2.).

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1. Den geltend gemachten Anspruch können die Klägerinnen nicht mit Erfolg aus §§ 28 Abs. 2, 6 Abs. 2 HmbKibeG ableiten. Nach diesen Vorschriften hat jedes Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr Anspruch auf Förderung in Tagespflege in dem zeitlichen Umfang, in dem seine Sorgeberechtigten wegen Berufstätigkeit die Betreuung nicht selbst übernehmen können. Diese Voraussetzungen sind vorliegend im Hinblick auf die angestrebte Betreuung durch Frau … nicht erfüllt. Denn hierbei handelt es sich nicht um Tagespflege im Sinne des Gesetzes, weil Frau … die Großmutter der Klägerinnen und daher mit diesen in gerader Linie verwandt ist (vgl. § 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB).

29

Gemäß § 23 Abs. 3 SGB VIII sind Personen als Tagespflegepersonen geeignet, die sich durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit Erziehungsberechtigten und anderen Tagespflegepersonen auszeichnen und über kindgerechte Räumlichkeiten verfügen. Sie sollen über vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderungen der Kindertagespflege verfügen, die sie in qualifizierten Lehrgängen erworben oder in anderer Weise nachgewiesen haben. Der Kreis der danach als Tagespflegepersonen in Frage kommenden Personen wird – auf der Grundlage des Landesrechtsvorbehalts aus § 26 Satz 1 SGB VIII (hierzu i.E. sogleich) – weiter in § 28 Abs. 4 HmbKibeG konkretisiert. Danach ist die Betreuung durch Verwandte in gerader Linie und Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (Verwandtenpflege) keine Tagespflege im Sinne des Gesetzes. Dies gilt unabhängig davon, ob die verwandte Person die (Eignungs-) Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Tagespflegeperson gemäß § 23 Abs. 3 SGB VIII erfüllt. § 28 Abs. 4 HmbKibeG stellt auch nicht darauf ab, ob die mit dem zu betreuenden Kind verwandte Person im Übrigen – d.h. im Verhältnis zu anderen Kindern – als Tagespflegeperson tätig ist. § 28 Abs. 4 HmbKibeG erfasst mithin nicht nur den – selbstverständlichen – Fall, dass nicht schon dann, wenn Verwandte ein Kind betreuen, eine Tagespflege im Sinne des Kinder- und Jugendhilferechts vorliegt. Vielmehr schließt die Vorschrift generell aus, dass die dort genannten Verwandten eines Kindes als aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe bezuschusste Tagespflegepersonen für dieses Kind tätig werden und hierdurch die Kinderbetreuung im Verwandtenverhältnis finanziell gefördert wird.

30

Für das vorstehend dargestellte Normverständnis spricht zum einen der Gesetzeswortlaut, dem keine Einschränkungen hinsichtlich der „Qualifizierung“ der Tagespflegeperson entnommen werden können, sondern der unterschiedslos auf „Verwandte“ und eine durch diese geleistete „Betreuung“ abstellt. Hierfür spricht zum anderen der Wille des Gesetzgebers, der mit dem in § 28 Abs. 4 HmbKibeG vorgesehenen Ausschluss „eine Kommerzialisierung verwandtschaftlicher Beziehungen (...) vermeiden“ wollte (vgl. Bü-Drs. 18/88, S. 26). Eine derartige Kommerzialisierung findet aber auch und insbesondere dort statt, wo ein Kind durch eine solche verwandte Person betreut wird, die ohnehin, d.h. auch für andere Kinder, als (kommerzielle) Tagespflegeperson beruflich tätig ist. Auch die Gesetzeshistorie und der Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen somit dafür, § 28 Abs. 4 HmbKibeG in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Die demgegenüber von den Klägerinnen vertretene Auffassung, wonach der Ausschluss der Verwandtenpflege in § 28 Abs. 4 HmbKibeG lediglich dazu dienen solle, ungeeignete Pflegepersonen auszuschließen und deshalb der Anwendungsbereich der Vorschrift auf Fälle beschränkt sei, in denen eine verwandte Person nur aus Anlass der Geburt eines Kindes als – hierfür eigentlich ungeeignete – Pflegeperson tätig werde, teilt der erkennende Senat nicht. Für ein derartiges Normverständnis bieten der Gesetzeswortlaut und die Gesetzeshistorie keine Anhaltspunkte. Für ein solches Normverständnis besteht auch kein Bedürfnis. Denn ungeeignete Pflegepersonen sind – ungeachtet der Frage, ob ein Verwandtschaftsverhältnis zu dem zu betreuenden Kind besteht – ohnehin gemäß §§ 23 Abs. 3, 43 Abs. 2 SGB VIII von der aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe geförderten Tagespflege ausgeschlossen.

31

Der in § 28 Abs. 4 HmbKibeG vorgesehenen Ausschluss Verwandter von der (kommerziellen) Kindertagespflege ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. § 28 Abs. 4 HmbKibeG ist formell und materiell verfassungsgemäß.

32

§ 28 Abs. 4 HmbKibeG ist nicht deshalb verfassungswidrig, weil dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz fehlte. Zwar unterfällt die öffentliche Fürsorge, zu der auch das Recht der Kinderbetreuung zählt, gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.3.1998, 1 BvR 178/97, BVerfGE 97, 332, juris Rn. 54 ff.), von der der Bund bereits mit den Regelungen insbesondere in den §§ 22 ff. SGB VIII Gebrauch gemacht hat. Hierdurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass die Länder auf der Grundlage des Art. 72 Abs. 1 GG eigene gesetzliche Regelungen erlassen, die die bundesrechtlichen Vorgaben nachzeichnen und konkretisieren. Diese Regelungstechnik ist im Bundesrecht selbst angelegt. Denn gemäß § 26 Satz 1 SGB VIII wird das Nähere über Inhalt und Umfang der Kindertagespflege im Landesrecht geregelt.

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§ 28 Abs. 4 HmbKibeG ist auch materiell verfassungsgemäß. Die Vorschrift verletzt nicht die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit von Pflegepersonen (hierzu a)). Auch der von den Klägerinnen gerügte Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor (hierzu b)).

34

a) § 28 Abs. 4 HmbKibeG verletzt nicht die durch Art. 12 Abs. 1 GG möglicherweise geschützte Berufsfreiheit von Pflegepersonen.

35

Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Der Schutz des Grundrechts ist einerseits umfassend angelegt, schützt aber andererseits nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Rechtsnorm, ihre Anwendung oder andere hoheitliche Maßnahmen unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfalten. Die Berufsfreiheit ist aber dann berührt, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst beziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.7.2012, 1 BvR 2983/10, NVwZ 2012, 1535, juris Rn. 16, m.w.N.).

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Nach diesen Maßgaben bestehen bereits Zweifel, ob § 28 Abs. 4 HmbKibeG überhaupt einen Eingriff in die Berufsfreiheit bewirkt. Die Tätigkeit von Pflegepersonen – sofern diese überhaupt berufsmäßig ausgeübt wird – wird durch den Ausschluss der Verwandtenpflege allenfalls mittelbar und reflexartig betroffen. Denn eine Pflegeperson wird durch § 28 Abs. 4 HmbKibeG nicht gehindert, entgeltliche Pflegeleistungen anzubieten. Diese Möglichkeit besteht auch im Verhältnis zu – der vergleichsweise äußerst geringen Anzahl von – Kindern, mit denen sie verwandt ist. In diesem Verhältnis bewirkt § 28 Abs. 4 HmbKibeG lediglich, dass eine Bezuschussung aus Mitteln der öffentlichen Fürsorge nicht erfolgen kann. Dass hierdurch die Rahmenbedingungen der Berufsausübung in relevanter Weise beeinflusst werden, erscheint jedenfalls zweifelhaft.

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Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Selbst wenn ein Eingriff in die Berufsfreiheit aufgrund der in § 28 Abs. 4 HmbKibeG vorgesehenen Beschränkung angenommen wird, ist dieser Eingriff jedenfalls gerechtfertigt. Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung müssen auf einem Gesetz beruhen und sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn das Gesetz durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.7.2015, 2 BvR 2558/14 u.a., NJW 2015, 2949, juris Rn. 44, m.w.N.). Dies ist vorliegend zu bejahen, weil der Gesetzgeber mit § 28 Abs. 4 HmbKibeG, der eine Kommerzialisierung verwandtschaftlicher Beziehungen entgegenwirken soll (s.o.), ein legitimes Ziel verfolgt und die mit der Vorschrift verbundenen, für die betroffenen Pflegepersonen bloß geringfügigen Einschränkungen angesichts der Gemeinwohlbelange, denen die Vorschrift dient, nicht unangemessen oder sonst übermäßig erscheinen.

38

b) § 28 Abs. 4 HmbKibeG verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

39

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07 u.a., BVerfGE 126, 400, , juris Rn. 78, m.w.N.).

40

Dass § 28 Abs. 4 HmbKibeG eine Ungleichbehandlung bewirkt, ist schon nicht ohne Weiteres erkennbar. Die Vorschrift selbst differenziert auf der Ebene des Gesetzes nicht zwischen unterschiedlichen Personengruppen. § 28 Abs. 4 HmbKibeG schließt es aus, dass (bestimmte) Verwandte als staatlich subventionierte Tagespflegepersonen eines Kindes tätig werden. Dieser Ausschluss gilt ausnahmslos für alle Kinder und ihre Verwandten, d.h. es gibt nicht eine Gruppe von Kindern, die – anders als in § 28 Abs. 4 HmbKibeG vorgesehen – durch ihre Verwandten als Tagespflegepersonen betreut werden dürfen und hierbei staatlich subventioniert werden. Eine Ungleichbehandlung lässt sich nur damit begründen, dass es bei der Rechtsanwendung des § 28 Abs. 4 HmbKibeG zu einer Ungleichbehandlung kommen kann, weil bestimmte Personen deshalb, weil die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 HmbKibeG erfüllt sind, anders – nämlich schlechter – als andere Personen behandelt werden, die nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Konkret kann die Anwendung des § 28 Abs. 4 HmbKibeG dazu führen, dass aus einer Anzahl von Kindern, die im Rahmen ihres Wunsch- und Wahlrechts nach § 5 SGB VIII, der auch im Anwendungsbereich des § 24 SGB VIII gilt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 6.10.2014, 4 ME 216/14, NordÖR 2015, 88, juris Rn. 5), von einer bestimmten Tagespflegeperson betreut werden wollen, solche Kinder anders als die übrigen Kinder behandelt werden, die mit der betreffenden Tagespflegeperson verwandt sind.

41

Die so bewirkte und in der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 4 HmbKibeG angelegte Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt. Der Gleichheitssatz verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen allerdings stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft. Hierbei verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Umgekehrt kommt dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.11.2011, 1 BvR 1853/11, NJW 2012, 214, juris Rn. 10, m.w.N.). Bei der Überprüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten von dem nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz abgrenzt, ist dabei nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG, Beschl. v. 11.1.2005, 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, juris Rn. 34, m.w.N.).

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Ausgehend von diesen Maßstäben wird der allgemeine Gleichheitssatz nicht dadurch verletzt, dass aus einer Gruppe von Tagespflegekindern, die von einer bestimmten Tagespflegeperson betreut wird, solche Kinder nicht in den Genuss staatlicher Subventionierung gelangen, die mit der betreffenden Tagespflegeperson verwandt sind.

43

Als Prüfungsmaßstab im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG dient dabei das Willkürverbot. Eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht vorzunehmen. Zwar knüpft die beanstandete Ungleichbehandlung nicht bloß an Lebenssachverhalte, sondern an Personengruppen – einerseits Kinder, die mit der betreffenden Tagespflegeperson nicht verwandt sind, andererseits solche Kinder, die mit der betreffenden Tagespflegeperson verwandt sind – an. Gleichwohl spricht für eine Heranziehung des „gelockerten“ Willkürmaßstabs zum einen, dass der Gesetzgeber bei seiner gewährenden Staatstätigkeit über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.10.2002, 1 BvL 16/95 u.a., BVerfGE 106, 166, juris Rn. 39). Zum anderen bildet das Willkürverbot deshalb den Maßstab bei der Prüfung der Vereinbarkeit von § 28 Abs. 4 HmbKibeG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, weil die beanstandete Ungleichbehandlung nicht an unveräußerliche Persönlichkeitsmerkmale, sondern an ein Verhalten anknüpft. Auf den ersten Blick ist zwar die Verwandtschaft eines Kindes zu einer Tagespflegeperson Differenzierungsmerkmal. Diese Differenzierung setzt aber ein Verhalten des Kindes (bzw. seiner Eltern) voraus, nämlich die Wahl einer bestimmten Tagespflegeperson. Ohne die Betätigung einer solchen Auswahl gelangt § 28 Abs. 4 HmbKibeG nicht zur Anwendung, denn die Behörde weist einem Kind keine bestimmte Tagespflegeperson zu. Steht damit aber ein Verhalten im Vordergrund, so gilt der Willkürmaßstab. Denn das Maß der Bindung des Gesetzgebers an den allgemeinen Gleichheitssatz – bloßes Willkür- oder strenges Übermaßverbot – hängt davon ab, inwieweit die von einer Regelung Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.6.2011, 1 BvR 2035/07, NVwZ 2011, 1316, juris Rn. 65; Beschl. v. 26.1.1993, 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, 87, juris Rn. 35).

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Die bei der Anwendung von § 28 Abs. 4 HmbKibeG mögliche Differenzierung zwischen mit einer bestimmten Tagespflegeperson verwandten Kindern und solchen, die mit der betreffenden Tagespflegeperson nicht verwandt sind, stellt keine willkürliche Benachteiligung der erstgenannten Gruppe dar. Der Gesetzgeber kann sachliche Gründe anführen, die für die vorgenommene Unterscheidung sprechen. Mit der Regelung in § 28 Abs. 4 HmbKibeG will der Gesetzgeber eine Kommerzialisierung verwandtschaftlicher Beziehungen vermeiden (s.o.). Dies gilt ersichtlich für Missbrauchskonstellationen, auf die die Klägerinnen verweisen. Namentlich soll mit § 28 Abs. 4 HmbKibeG verhindert werden, dass eine Person nur deshalb als Tagespflegeperson eines mit ihr verwandten Kindes tätig wird, um hierfür staatliche Subventionen in Anspruch nehmen zu können. Dies gilt aber ebenso für sonstige Konstellationen, in denen – wie hier – ein Kind mit einer auch im Übrigen, d.h. „regulär“ als Tagespflegeperson arbeitenden Person verwandt ist. Auch in solchen Konstellationen – in denen Überschneidungen mit der erstgenannten Fallgruppe nicht stets ausgeschlossen sind – will der Gesetzgeber mit dem in § 28 Abs. 4 HmbKibeG vorgesehenen Ausschluss erreichen, dass die Bereitschaft, in derartigen Beziehungen Betreuungsleistungen zu erbringen, frei von kommerziellen Erwägungen gehalten wird. Dem liegt die Erwartung zugrunde, dass dort, wo Betreuungskapazitäten vorhanden sind, die Bereitschaft zur Betreuung eines verwandten Kindes aufgrund der engen familiären Beziehung und wegen der persönlichen Nähe nicht von einer staatlichen Bezuschussung abhängig gemacht wird. Fehlt diese Bereitschaft, so soll sie nicht durch den Anreiz, hierfür staatliche Geldleistungen erhalten zu können, geweckt werden. Vor diesem Hintergrund ist es das Anliegen des Gesetzgebers, das familiäre Verhältnis nicht durch kommerzielle Erwägungen im weitesten Sinne zu belasten bzw. zu beeinflussen. Diese Erwägungen sind weder unsachlich noch willkürlich. Verwandtschaftliche Betreuungsleistungen außerhalb des rechtlichen Rahmens der §§ 27 ff. HmbKibeG und ohne hierfür vorgesehene staatliche Subventionierungen sind weit verbreitet und üblich. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund angenommen, dass es weder geboten noch anzustreben ist, staatliche Subventionierungen für verwandtschaftliche Betreuungsleistungen vorzusehen, weil bzw. wenn die/der Verwandte auch außerhalb der Familie Betreuungsleistungen erbringt.

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Dem steht nicht entgegen, dass es – worauf die Klägerinnen verweisen – die Rechtsordnung in anderen Zusammenhängen nicht ausschließt, dass vertragliche und entgeltliche Vereinbarungen zwischen Verwandten geschlossen werden. Dies schließt auch § 28 Abs. 4 HmbKibeG nicht aus (dazu sogleich). Die Vorschrift regelt lediglich die Voraussetzungen staatlicher Subventionierung von Tagespflege. Die Tagespflege dient im Übrigen der Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Sie schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VIII). Sie betrifft damit – anders als etwa die Rechtsberatung oder die anwaltliche Vertretung in Rechtsstreitigkeiten, worauf die Klägerinnen beispielhaft hinweisen – einen Lebensbereich, der immer untrennbar mit der Familie und den in der Familie bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen verbunden ist.

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Eine willkürliche Benachteiligung von mit einer bestimmten Tagespflegeperson verwandten Kindern wird auch nicht dadurch bewirkt, dass die Anwendung von § 28 Abs. 4 HmbKibeG im Einzelfall dazu führen kann, dass ein Kind nicht von derjenigen Tagespflegeperson betreut wird, die nach der Einschätzung der Eltern des Kindes die optimale Betreuung gewährleisten könnte (vgl. § 5 Abs. 1 SGB VIII) oder deren Inanspruchnahme – etwa wegen räumlicher Nähe – besonders praktisch wäre. Zum einen schließt § 28 Abs. 4 HmbKibeG eine Verwandtenpflege in solchen Fällen nicht aus. Vielmehr sind es, wenn wegen § 28 Abs. 4 HmbKibeG von einer eigentlich gewünschten Verwandtenpflege abgesehen wird, finanzielle Erwägungen, die der gewünschten Betreuung entgegenstehen. Denn den Eltern und den (sonstigen) Verwandten eines Kindes steht es frei, eine Verwandtenpflege außerhalb des rechtlichen Rahmens der §§ 27 ff. HmbKibeG zu organisieren (vgl. § 25 SGB VIII) und, sofern dies für erforderlich erachtet wird, diese auch vertraglich verbindlich zu regeln. Diese wird dann aber nicht staatlich bezuschusst, sondern setzt die Bereitschaft der verwandten Betreuungsperson zur unentgeltlichen Tagespflege oder aber des betreuten Kindes zur nicht bezuschussten (vollen) Kostenübernahme voraus. Zum anderen erscheint es nicht willkürlich, die staatliche Subventionierung einer bestimmten Tagespflege von Erwägungen abhängig zu machen, die mit der Qualität der Betreuung nicht unmittelbar im Zusammenhang stehen. Bei der Betreuung von Kindern in Tagespflege stehen zwar die Betreuung und die Förderung der Entwicklung von Kindern durch hierfür fachlich geeignete Personen im Vordergrund (§ 1 Abs. 2 HmbKibeG; § 23 Abs. 1 und 3 SGB VIII). Hierbei kommt der Einschätzung der Eltern der Kinder entscheidende Bedeutung zu (vgl. § 5 SGB VIII). Der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, auch andere Erwägungen bei der Konkretisierung dessen, was als Tagespflege i.S.v. §§ 27 ff. HmbKibeG, §§ 23 ff. SGB VIII mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden kann, anzustellen. Das Wunsch- und Wahlrecht muss anderen Erwägungen, was als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe staatlich gefördert werden kann, nicht stets vorgehen. Etwas anderes lässt sich weder aus dem einfachen Recht, noch aus Art. 3 Abs. 1 GG ableiten.

47

Eine willkürliche Benachteiligung von mit einer bestimmten Tagespflegeperson verwandten Kindern wird schließlich auch dann nicht bewirkt, wenn – etwa wegen ungewöhnlicher Zeiten, in denen eine Betreuung beansprucht wird – § 28 Abs. 4 HmbKibeG dazu führt, dass keine andere geeignete Pflegeperson zur Verfügung steht und eine Tagespflege i.S.v. §§ 27 ff. HmbKibeG nicht gewährt werden kann. Denn ungeachtet der Frage, ob ein Anspruch auf Erweiterung der vorhandenen Kapazitäten besteht, wenn der gesetzliche Anspruch auf Kinderbetreuung nicht erfüllt werden kann (vgl. hierzu – verneinend – OVG Münster, Beschl. v. 17.3.2014, 12 B 70/14, juris Rn. 4 ff., m.w.N.), beruhte das Fehlen eines geeigneten Betreuungsangebots in einem solchen Fall nicht auf der Regelung in § 28 Abs. 4 HmbKibeG, sondern auf dem Fehlen ausreichender Betreuungskapazitäten. Dem muss der öffentliche Jugendhilfeträger dadurch abhelfen, dass er ausreichend Betreuungskapazitäten schafft. Wie er dies bewirkt, steht aber in seinem Ermessen bzw. im Ermessen des Jugendhilfegesetzgebers. In Betracht käme insoweit zwar die Zulassung von Verwandtenpflege. In Betracht kämen aber auch andere Maßnahmen, etwa das Schaffen zusätzlicher finanzieller Anreize für weitere Angebote von Tagespflege etwa zu „ungewöhnlichen“ Zeiten. Ein etwaiges Fehlen ausreichender Betreuungskapazitäten rechtfertigt nicht den Schluss, dass die gesetzliche Konkretisierung dessen, was als Tagespflege staatlich bezuschusst werden kann, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt. Andernfalls müsste bei Fehlen ausreichender Betreuungskapazitäten auch die Verfassungsmäßigkeit der allgemeinen gesetzlichen Regelungen über die Eignung von Betreuungspersonen (§ 23 Abs. 3 SGB VIII) angezweifelt werden.

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Der erkennende Senat weist im Hinblick auf das in der mündlichen Verhandlung geführte Rechtsgespräch und zur Verdeutlichung des gegebenen Prüfungsrahmens darauf hin, dass er nicht darüber zu befinden hat, ob die Erwägungen, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von § 28 Abs. 4 HmbKibeG angestellt hat, zwingend sind oder ob es ggf. ebenso gute bzw. bessere Gründe gibt, die für eine Öffnung der kommerziellen Kindertagespflege auf Verwandte in bestimmten Fallkonstellationen sprechen können. Derartige Erwägungen sind bei der Prüfung einer Rechtsvorschrift auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht anzustellen. Ob es sich bei einer gesetzlichen Bestimmung, die eine Begünstigung gewährt, um die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung handelt, ist nicht von Belang. Im Rahmen der Willkürprüfung kommt es nur auf die Vertretbarkeit bzw. darauf an, dass die vorgenommene Differenzierung nicht evident unvertretbar ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980, 1 BvL 50/79 u.a., BVerfGE 55, 72, juris Rn. 50, m.w.N.). § 28 Abs. 4 HmbKibeG hält sich in diesem Rahmen.

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2. Anderweitige Rechtsgrundlagen, auf die die Klägerinnen den geltend gemachten Anspruch mit Erfolg stützen können, sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) bzw. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) SGB VIII in den im vorliegend streitigen Bewilligungszeitraum geltenden Fassungen als Anspruchsgrundlage aus. Zwar sehen die §§ 23, 24 SGB VIII eine dem § 28 Abs. 4 HmbKibeG vergleichbare Einschränkung nicht vor. Die bunderechtlichen Regelungen stehen jedoch unter dem Landesrechtsvorbehalt aus § 26 SGB VIII. Aus ihnen können deshalb, was Inhalt und Umfang der förderungsfähigen Kindertagespflege anbelangt, keine über § 28 HmbKibeG hinausgehende Ansprüche abgeleitet werden.

50

Auch unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG können die Klägerinnen den geltend gemachten Anspruch nicht ableiten. Soweit sie sich darauf berufen, dass die Beklagte in der Vergangenheit die Verwandtenpflege gefördert habe, berufen sie sich auf einen Sachverhalt vor Inkrafttreten des § 28 Abs. 4 HmbKibeG bzw. der Vorgängerregelung in § 22 Abs. 3 HmbKitaG (vgl. HmbGVBl. 2003, S. 51 ff.).

III.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

53

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

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