Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 Bf 213/12

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 wird aufgehoben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Handelskammerbeitrag 2011.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Betriebsstätte in Hamburg. Die Beklagte ist die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Für die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 weisen die von Präses und Hauptgeschäftsführer der Beklagten jeweils im März des Folgejahres vorgelegten Bilanzen sowie die jeweils im Juli des Folgejahres vom Plenum der Beklagten beschlossenen Jahresabschlüsse folgende Rücklagen und Ergebnisse (gerundet auf 1.000,-- Euro) aus:

3

 Geschäftsjahr

2009   

2010   

2011   

        

Vorlage
15.3.2010

Abschluss
1.7.2010

Vorlage
25.3.2011

Abschluss
7.7.2011

Vorlage
5.3.2012

Abschluss
5.7.2012

Ausgleichsrücklage

19.000

20.000

20.186

20.500

20.500

21.000

Umbau-/
Instandhaltungs-
Rücklage

6.333 

6.833 

11.133

11.133

11.133

21.133

Rücklage für
Sonderprojekte

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

Rücklage zur
Abdeckung von
Risiken der
Neubewertung der
Pensionsrückstellung

15.000

16.500

0       

0       

0       

0       

Rücklage BID N.

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

Rücklage für die
Sicherung
bedeutsamer
Wirtschaftsarchive

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage für
ganzjährige Aktivitäten
verschiedener Art
anlässlich des
350jährigen
Kammerjubiläums

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage
Azubi-Wohnheim in
Hamburg

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

        

Bilanzergebnis

3.444 

6.025 

16.596

Ergebnisvortrag auf
neue Rechnung

444     

5.711 

3.096 

4

Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 in ihrer ursprünglichen Fassung wurde vom Plenum am 4. November 2010 beschlossen. In dem zugrundeliegenden Erfolgsplan 2011 finden sich insbesondere folgende Einträge (gerundet auf 1.000,-- Euro):

5
        

Ist 2009

Plan 2010
 inkl.
Nachtrag

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

43.444

44.120

35.325

7.-10. Betriebsaufwand

40.151

41.090

40.337

20. Jahresergebnis

13.552

-8.700

0       

21. Ergebnisvortrag

292     

0       

0       

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

10.400

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

1.000 

0       

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

9.400 

7.800 

0       

24. Ergebnis

3.444 

0       

0       

6

Der am 3. März 2011 beschlossene Erste Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 lässt den Erfolgsplan unverändert. Dem am 3. November 2011 beschlossenen Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 liegt ein geänderter Erfolgsplan zugrunde, der insbesondere folgende Eintragungen enthält (gerundet auf 1.000,-- Euro):

7
        

Ist 2010

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

46.488

43.500

7.-10. Betriebsaufwand

42.980

41.337

20. Jahresergebnis

-6.619

6.655 

21. Ergebnisvortrag

444     

5.711 

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

314     

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

4.300 

0       

24. Ergebnis

5.711 

12.366

8

Gegenüber der Klägerin nahm die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 eine „vorläufige Veranlagung“ zum IHK-Beitrag 2011 in Höhe eines Grundbeitrags von 153,-- Euro vor und teilte nachrichtlich einen offenen Betrag aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 153,-- Euro mit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 zurück.

9

Die Klägerin hat am 29. Juli 2011 beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht: Die Zwangsmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 GG. Hilfsweise sei der geforderte Betrag zu hoch. Art und Umfang der von der Beklagten gebildeten Rücklagen verstoße gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 aufzuheben,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, den auf die Klägerin für das Jahr 2011 entfallenden Beitrag angemessen zu reduzieren.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt: Die bundesgesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft sei mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoße nicht gegen Europarecht. Ein Beitragsverweigerungsrecht zur Beanstandung der Kammertätigkeiten sei nicht gerechtfertigt. Die gebildeten Rücklagen dienten mittelbar dem Ziel einer pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Mit der Ausgleichsrücklage solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn es aus konjunkturellen Gründen zu einem spürbaren Rückgang der Gewerbeerträge und der entsprechenden Erträge der Kammer aus Beiträgen komme. Mit den anderen Rücklagen solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn besondere Kosten und Aufwendungen anfielen wie etwa größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder besondere Projekte, die das Plenum zur Förderung des Wirtschaftsstandorts unterstützen oder selbst initiieren wolle. Im Übrigen sei 2010 ein erheblicher Teil der in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen dazu verwendet worden, den mit dem neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vorgegebenen Bewertungsregeln für die Pensionsrückstellungen Rechnung zu tragen. So habe sich für 2010 eine Reduzierung der gesamten Rücklagen um 11,7 Mio. Euro ergeben. Die Beitragsveranlagung laufe nicht unmittelbar parallel zur Gewerbesteuerentwicklung. Vielmehr richteten sich die Erträge aus Umlagen für das aktuelle Jahr zunächst nach den letzten der Beklagten bekannten Gewerbeerträgen. Die Bemessungsgrundlagen seien in aller Regel zwei bis drei Jahre alt. Die endgültigen Daten würden von der Finanzverwaltung üblicherweise erst nach Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt. Für das Jahr 2011 sei bei der Beitragskalkulation in Rechnung gestellt, dass die Umlage gegenüber dem Vorjahr von 0,31 auf 0,28 v. H. des Gewerbeertrags gesenkt worden sei und die „Krisenjahre“ 2008 und 2009 zur endgültigen Abrechnung angestanden hätten. Vor diesem Hintergrund seien in der Wirtschaftssatzung 2011 die Erträge aus Beiträgen in Höhe von 35,325 Mio. Euro zu Recht vorsichtig angesetzt. Der Beitragsanspruch selbst bleibe von behaupteten oder tatsächlichen Aufgabenüberschreitungen unberührt.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. September 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Beitragspflicht. Das Verfahren der Beitragsfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle habe der weitgesteckten Gestaltungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich der Beitragsregelung Rechnung zu tragen und greife erst dann ein, wenn gegen allgemeine Grundsätze, insbesondere das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz in flagranter Weise verstoßen werde. Für einen derartigen qualifizierten Verstoß sei nichts ersichtlich, insbesondere weil die Klägerin nur zum Mindestbeitrag herangezogen worden sei. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte entfalte Aktivitäten, welche den ihr durch § 1 Abs. 2 IHKG gesteckten Rahmen überschritten, sei ohne beitragsrechtliche Relevanz. Die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung folge ferner nicht aus einer von der Klägerin geltend gemachten unzulässigen Rücklagenbildung durch die Beklagte. Für einen Verstoß gegen das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG angesiedelte Kostendeckungsprinzip sei nichts ersichtlich. Dabei müsse nicht näher darauf eingegangen werden, ob die Beklagte angesichts der bestehenden Rücklagen in unzulässiger Weise Vermögen bilde. Die Klägerin habe nicht im Ansatz dargetan, dass die Beklagte in einem solchen Umfang Rücklagen gebildet habe, dass ihre Tätigkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG „anderweitig gedeckt“ und sie von Rechts wegen gehalten wäre, den allein streitigen Mindestbeitrag auf „Null“ zu setzen. Der von der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag sei mangels Durchführung des Vorverfahrens unzulässig.

18

Die Beklagte erließ gegenüber der Klägerin unter dem 3. Dezember 2015 einen zusätzlichen Beitragsbescheid, in dem für das Beitragsjahr 2011 der Betrag von 153,-- Euro als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben ist. Dieser zweite Bescheid schließt den Hinweis ein, dass „[w]enn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen“ seien, „diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben“ würden.

19

Der Senat hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung, mit der die Klägerin allein den erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt, bringt sie vor, die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche „Zwangskorporation“ bestünden nicht mehr. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da die Beklagte das Kostendeckungsprinzip i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG nicht gewahrt habe. Die Erhebung von Beiträgen zur Erfüllung von Kammeraufgaben, für die anderweitige Deckungsmittel im Kammerhaushalt bereitstünden, sei rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) komme zwischenzeitlich zu dem Schluss, dass eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. In dieser Form gebildete Rücklagen seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) habe mittlerweile eine rechtswidrige Beitragsveranlagung durch die Beklagte für die Jahre 2010 und 2013 angenommen und somit nach Erlass des angefochtenen Urteils richtigerweise eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung vorgenommen. Im Einzelnen trägt die Klägerin Beanstandungen zu folgenden Positionen vor:

20

Die Ausgleichsrücklage in einem vom Finanzstatut bestimmten Rahmen sei unzulässig. Jährlich sei eine Risikokalkulation zur exakten Bestimmung der im jeweiligen Geschäftsjahr erforderlichen (Mindest-)Rücklagenhöhe erforderlich, die der (zusätzlichen) Bildung eines darüber hinausgehenden (Höchst-)Betrages entgegenstehe. Es müssten die drei Fragen beantwortet werden, ob die Beklagte das ihr zustehende „Ermessen“ ausgeübt habe, ob die Schätzung sachlich nachvollziehbaren Kriterien genüge und ob die Beklagte bei überdotierten Rücklagen über ausreichende Mittel verfüge, um vor der Beitragsveranlagung ihre Kosten anderweitig zu decken. Die Ausgleichsrücklage sei zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – in Anspruch genommen worden.

21

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage stelle „offenkundig“ freies Vermögen dar, welches i. S. d. Gesetzes als anderweitige Mittel dem Haushalt hätte zugeführt werden müssen. Erst am 5. April 2012 sei ein Architektengutachten vorgelegt worden, das für Sanierungsmaßnahmen eine Summe von 14.747.235,65 Euro angebe. Die Bilanz der Beklagten weise schon vor der Erstellung eines Gutachtens eine „millionenschwere“ und später aufgestockte Umbau-/Instandhaltungsrücklage aus. Die Rücklagenbildung unterliege den engen Vorgaben der ausreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung. Neben dem „offenkundigen Mangel“ notwendiger Einzelbeschlüsse über die Rücklage fehle es auch „ganz offensichtlich“ an jeglicher Rechtfertigung und Beschlusslage für die Bildung und Erhöhung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage vor dem 5. Juli 2012. Es fehle ein gesonderter Beschluss darüber, ob eine Finanzierung aus Fremd- oder Eigenmitteln geleistet werden und in welchem Zeitrahmen eine Rücklagenbildung oder eine Tilgung erfolgen solle.

22

Die Rücklage für Sonderprojekte, die über alle Jahre gebildet und niemals angetastet worden sei, erfülle den Tatbestand der rechtswidrigen Vermögensbildung. Schon aus der allgemeinen Namensgebung ergebe sich, dass es keinerlei sachliche und zeitliche Konkretisierung gebe. Ohne eine sachliche und zeitliche Konkretisierung erweise sich die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung gebotene Abschätzung als unmöglich. Es würden hier Mitgliedsbeiträge ohne Sinn und Zweck als freies Vermögen geparkt.

23

Aus dem Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 ergebe sich, dass die Beklagte für das Haushaltsjahr 2011 mit einem Überschuss von 6,655 Mio. Euro geplant habe. Soweit es hinsichtlich der Verwendung eines solches Überschusses im Sinne einer Aufgabenerfüllung im Rahmen des Gesetzes keine Beschlüsse des Plenums gebe, sei eine Haushaltsplanung mit einem solchen Überschuss ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip. Erwirtschafte eine Kammer einen erheblichen Gewinn, indiziere dies, dass die Beiträge zu hoch bemessen gewesen seien. Erfolge ein Gewinnvortrag zudem kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, stehe dies einer unzulässigen Vermögensbildung gleich.

24

Die Klägerin beantragt,

25

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 aufzuheben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte hält die gesetzliche Mitgliedschaft eines Gewerbetreibenden in einer IHK für verfassungsgemäß und die Beitragserhebung auch der Höhe nach für nicht zu beanstanden. Die Klägerin sowie das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) verkennten die wesentlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und die hieraus resultierenden Maßstäbe für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Wirtschaftsplanung einer Kammer, insbesondere der Rücklagenbildung. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) eine Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit bejaht habe, beruhe dies maßgeblich auf dem Umstand, dass die dort beklagte IHK während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Anhaltspunkte für das Vorliegen relevanter Risiken dargelegt habe. Der Gesetzgeber habe mit der Umstellung auf die Doppik vor allem eine Erhöhung der Transparenz für die Kammermitglieder und eine Stärkung des Etatrechts der IHK-Vollversammlungen erstrebt. Auch aus diesem Grund sei es nicht angezeigt, bei einer gerichtlichen Prüfung der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit bei Aufstellung des Wirtschaftsplans überzogene Anforderungen zu stellen. Maßgeblich sei, ob die Rücklagenbildung auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose basiere. Was vertretbar sei, richte sich nach einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose. Im Übrigen führe deshalb nicht jeder Fehler in der Wirtschaftsplanung zur Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung, weil anderenfalls die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig sei, obwohl objektiv-rechtlich eine Pflicht zum Erlass eines Beitragsbescheids bestehe. Für die Feststellung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit sei eine materielle Betrachtung maßgeblich. Es sei nicht entscheidend, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans uneingeschränkt zutreffend erfasst und validiert habe. Maßgeblich sei, ob die dotierten Rücklagen dem Grunde nach zulässig seien und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich relevanten Risiken der jeweiligen IHK stünden. Sei die Mittelbedarfsfeststellung im Ergebnis richtig, seien die Beitragssätze rechtmäßig. Es komme nicht auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009, sondern auf die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung, an.

29

Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt, damit die Handlungsfähigkeit und eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beklagten zu jeder Zeit gewährleistet seien. Die Vorgaben des Finanzstatuts seien eingehalten. Die Regelung eines Rücklagerahmens sei nicht zu beanstanden. Die Ausgleichsrücklage solle „im Fall der Fälle“, d. h. im „worst case“, zur Verfügung stehen. Sie diene dem zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken, die mit unvorhergesehenen Beitragsschwankungen einhergingen. Sie werde gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge auch gerade bei schwankender Konjunktur stabil zu halten. Werde der durch das Finanzstatut gezogene Rahmen für eine Rücklagenhöhe eingehalten, spreche eine Vermutung für ihre Angemessenheit. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur eines Industrie- und Handelskammerbezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfallrisikos von großen Beitragszahlern und der Orientierung des Kammerbeitrags an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags. Vor allem diese Risiken lägen tatsächlich jedes Jahr vor und machten die Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Das Risiko der Beitragsschwankungen sei mit dem Umstand der Gegenwartsveranlagung mit mehrjähriger Verzögerung der endgültigen Abrechnung zu erklären. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen gebildet. Für konjunkturelle Schwankungen müsste zunächst ein Anteil von 15 v. H. der geplanten Beiträge veranschlagt werden, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Es errechne sich danach, dass die Ausgleichsrücklage angemessen sei.

30

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage diene bezogen auf das Geschäftsjahr 2011 einem hinreichend konkretisierten Zweck. Zunächst habe im Jahr 2007 (Rücklagenhöhe damals etwa 5,3 Millionen Euro, seinerseits 10 v. H. des Versicherungswerts) der Schwerpunkt des Rücklagenzwecks bei der Finanzierung größerer Instandhaltungsaufwendungen für das historische Handelskammergebäude gelegen. Die Rücklagenerhöhungen 2007 und 2010 seien gerechtfertigt gewesen. Der voraussichtliche Mittelbedarf sei in der Folgezeit weiter konkretisiert worden durch das Architektengutachten vom 5. April 2012.

31

Die Rücklage für Sonderprojekte diene dazu, auch künftig besondere Projekte zu finanzieren, ohne die Beiträge zu erhöhen. Sie solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen. Es seien 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden.

32

Die positiven Ergebnisse der Vorjahre seien im Beitragsjahr 2011 ordnungsgemäß verwendet worden. Es stehe der Kammer frei, ein positives Ergebnis für eine Beitragsrückerstattung zu nutzen, durch gesonderten Beschluss des Plenums einer aufgabengemäßen Verwendung zuzuführen oder in den nächsten Wirtschaftsplan einzustellen. Ein ex post festgestelltes positives Ergebnis indiziere keine Missachtung des Kostendeckungsprinzips.

33

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten in zwei Bänden. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

I. Die zulässige, auf den erstinstanzlichen Hauptantrag beschränkte, Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Stattgabe der zulässigen (hierzu unter 1.) und begründeten Klage (hierzu unter 2.).

35

1. Die Klage ist im allein weiterverfolgten Hauptantrag zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Sie zielt gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auf die gerichtliche Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin für das Geschäftsjahr 2011 ein Handelskammerbeitrag vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist. Dieses Rechtsschutzbegehren geht nicht ins Leere, obwohl durch einen zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 eine weitere Beitragsfestsetzung für das Jahr 2011 vorgenommen worden ist. Der erste Beitragsbescheid ist als Verwaltungsakt weiterhin wirksam. Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG (vgl. § 124 Abs. 2 AO) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der streitgegenständliche erste Beitragsbescheid ist weder aufgehoben noch erledigt. Im Einzelnen:

36

Eine Aufhebung des ersten, allein streitgegenständlichen, Beitragsbescheids ist mit dem zweiten Beitragsbescheid nicht ausgesprochen worden. Dem zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 kann nach dem entsprechend §§ 133, 157 BGB auch für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont keine behördliche Aufhebung des ersten Beitragsbescheids entnommen werden, sondern nur eine Ergänzung desselben durch Forderung eines zusätzlichen Beitrags. Im zweiten Beitragsbescheid ist für das Beitragsjahr 2011 der Betrag 153,-- Euro ausdrücklich als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass wenn bereits Beitragsbescheide ergangen sind, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben werden. Dieser Wortlaut streitet gegen eine neuerliche Sachentscheidung (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 19, für den entsprechenden Bescheidwortlaut). Da die Regelungswirkung sich auf die Festsetzung des Mehrbetrags beschränkt, handelt es sich hinsichtlich des bereits festgesetzten Betrags um eine wiederholende Verfügung und nicht um einen Zweitbescheid (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 270).

37

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der erste Bescheid eine „vorläufige Veranlagung“ vornimmt und der zweite Bescheid einen solchen Hinweis nicht enthält. Zwar hat das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris 3. Ls) angenommen, dass dann, wenn ein zweiter Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“, nachdem zuvor im Wege vorläufiger Veranlagung ein erster Beitragsbescheid ergangen war, es sich bei dem zweiten Bescheid um eine eigenständige Sachentscheidung über den insgesamt zu leistenden Beitrag und nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung handele. Doch ist bereits die vom Verwaltungsgericht Hamburg in der zitierten Entscheidung angenommene Voraussetzung nicht gegeben, dass der zweite Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“. Nach den vorstehenden Ausführungen beschränkt sich der Regelungsgehalt des zweiten Bescheids ausdrücklich auf den Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“. Der Umstand, dass der erste Bescheid als „vorläufige Veranlagung“ ergangen ist, führt nicht zu einer seinem Wortlaut widersprechenden Auslegung des zweiten Bescheids. Die „vorläufige Veranlagung“ hat dabei lediglich folgende Bewandtnis:

38

Die Beitragsveranlagung erfolgt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten (v. 14.5.2004, Amtl. Anz. S. 1057 m. spät. Änd. – BO) durch schriftlichen Bescheid. Sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegt, kann der Kammerzugehörige gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BO aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorläufig veranlagt werden. Dieser Satz findet gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 BO entsprechende Anwendung auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind.

39

Eine im Zuge der vorläufigen Veranlagung nach § 15 Abs. 3 BO vorgenommene Festsetzung lässt zwar die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung nach § 15 Abs. 1 BO zu. Es besteht Anlass für eine endgültige Abrechnung für das Beitragsjahr, sobald die Parameter für die Festsetzung des Kammerbeitrags (Gewerbeertrag, Gewinn aus Gewerbebetrieb, Umsatz, Bilanzsumme oder Arbeitnehmerzahl) feststehen, hinsichtlich derer zuvor nur die bislang letzten vorliegenden Zahlen oder Schätzung zugrunde gelegt worden war. Einer erneuten, endgültigen Festsetzung bedarf es aber nur, soweit sich im Ergebnis eine Änderung der Beitragshöhe errechnet (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 56).

40

Eine endgültige Festsetzung eines bereits im Wege der vorläufigen Veranlagung festgesetzten (Teil-)Betrags ist nicht erforderlich. Auch eine Festsetzung im Wege der vorläufigen Veranlagung kann in Bestandskraft erwachsen. Der Umstand, dass nach § 165 AO ergangene vorläufige Steuerbescheide nicht in materielle Bestandskraft erwachsen können (vgl. Cöster, in König, AO, 3. Aufl. 2014, § 351 Rn. 13), ist nicht auf die Beitragsfestsetzung im Wege vorläufiger Veranlagung übertragbar (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 64). § 15 Abs. 3 BO verweist nicht auf § 165 AO, sondern hinsichtlich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO. Aus dem Verweis des § 15 Abs. 3 BO auf § 162 AO folgt nicht, dass die vorläufige Veranlagung selbst in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorgenommen würde. Zum einen enthält § 162 AO keine Regelung über eine vorläufige Veranlagung, sondern nur über eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Zum anderen verweist § 15 Abs. 3 Satz 1 BO in seiner zweiten Tatbestandsalternative – „soweit ein solcher [Gewerbeertrag] nicht vorliegt“ – nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO bei der vorläufigen Veranlagung, sondern bei der Schätzung der Bemessungsgrundlagen. Für den Fall, dass keine letzten Zahlen vorliegen, erweitert § 15 Abs. 3 Satz 2 BO den Anwendungsbereich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese Parameter für die Veranlagung von Bedeutung sind.

41

Auch eine Erledigung des ersten Beitragsbescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 ist nicht eingetreten. Eine Erledigung des Verwaltungsaktes setzt voraus, dass der Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklungen seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209b). Dies ist hier nicht der Fall. Der erste Beitragsbescheid spricht zwar eine „vorläufige Veranlagung“ aus, enthält aber nicht wie ein vorläufiger Verwaltungsakt eine auflösende Bedingung, aufgrund derer er mit Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVfG entfiele. Der mit dem ersten Beitragsbescheid verfolgte Regelungszweck, einen Kammerbeitrag von zunächst 153,-- Euro Höhe festzusetzen, dauert fort, obwohl mittlerweile mit dem zweiten Beitragsbescheid ein zusätzlicher Beitrag festgesetzt worden ist. Diese Festsetzung beschränkt sich auf einen Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ und macht die bereits bestehende Festsetzung von 153,-- Euro somit nicht entbehrlich.

42

2. Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Der Bescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin ein Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 auf vorläufig 153,-- Euro festgesetzt worden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Zwar ist die Klägerin dem Grunde nach beitragspflichtig (hierzu unter a)). Doch fehlt der konkreten Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 eine Rechtsgrundlage durch eine rechtswirksame abstrakte Bestimmung der Beitragshöhe. Die in der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge (hierzu unter b)) ist rechtswidrig und daher nach dem sog. Nichtigkeitsdogma rechtsunwirksam. Unter Verstoß gegen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigten Maßstab (hierzu unter c)) kann der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 (hierzu unter d)) mangels rechtmäßiger Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer nicht als Maßgabe der Beitragserhebung dienen (hierzu unter e)). Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann aufgrund dessen auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben (hierzu unter f)).

43

a) Die Klägerin ist dem Grunde nach gegenüber der Beklagten zu einem Handelskammerbeitrag verpflichtet.

44

Die Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (v. 18.12.1956, BGBl. I S. 920 m. spät. Änd. – IHKG) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG Grundbeiträge und Umlagen. Die Vollversammlung beschließt gemäß § 4 Satz 2 Nr. 2 IHKG über die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge. Die Kammerzugehörigkeit ist in § 2 IHKG geregelt. Die benannten Vorschriften sind wirksam. Sowohl die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 IHKG als auch die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG sind verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u. a., NVwZ 2017, 1282, juris Rn. 87 ff.). Für einen zur Unanwendbarkeit der Regelungen im Einzelfall führenden Verstoß gegen Unionsrecht ist nichts ersichtlich (vgl. VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 31 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 20.9.2010, 6 A 10282/10, juris Rn. 45).

45

Die Beklagte ist unter der Bezeichnung als Handelskammer gemäß § 13 IHKG i. V. m. Art. I § 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg v. 27.2.1956, HmbGVBl. S. 21 m. spät. Änd. – HmbHKG) die Industrie- und Handelskammer für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Klägerin ist, da sie eine zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des privaten Rechts mit Betriebsstätte in Hamburg ist, gemäß § 2 Abs. 1 IHKG seit ihrer Gründung im Jahr 2010 Kammerzugehörige der Beklagten und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dem Grunde nach beitragspflichtig.

46

b) Als abstrakte Festsetzung, die als Grundlage für die konkrete Festsetzung der Beitragshöhe für das Geschäftsjahr 2011 dienen könnte, kommt nur Abschnitt II der einschlägigen Wirtschaftssatzung in Betracht. Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2335, in der Fassung der Änderungen durch den Ersten Nachtrag v. 3.3.2011, Amtl. Anz. S. 786, und den Zweiten Nachtrag v. 3.11.2011, Amtl. Anz. S. 2555 – WirtS 2011) ist vom Plenum der Beklagten als Vollversammlung gemäß Art. I § 5 Nr. 1 HmbHKG beschlossen und durch zwei Nachträge geändert worden.

47

In Abschnitt II WirtS 2011 werden (Nr. 1) die Freistellungsgrenzen, (Nr. 2) die Grundbeiträge sowie (Nr. 3) der Hebesatz der Umlage bestimmt, (Nr. 4) das Geschäftsjahr 2011 als Bemessungsjahr festgelegt und (Nr. 5) die Erhebung einer Vorauszahlung geregelt. Die Klägerin ist nicht vom Kammerbeitrag befreit, da dies unter den näheren Voraussetzungen des Abschnitts II Nr. 1 WirtS 2011 nur nicht in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragene Kammerzugehörige und natürliche Personen sind, die Klägerin aber nach §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GmbHG eine in das Handelsregister eingetragene juristische Person ist. Der von Kaufleuten zu erhebende Grundbeitrag, gestaffelt nach Gewerbeertrag oder Gewinn, ist in Abschnitt II Nr. 2.2 WirtS 2011 auf mindestens 153,-- Euro festgesetzt. Die Klägerin gilt gemäß § 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG als Kaufmann. Soweit ein Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr nicht bekannt ist, wird gemäß Abschnitt II Nr. 5 WirtS 2011 eine Vorauszahlung des Grundbeitrages und der Umlage auf der Grundlage des letzten der Beklagten „vorliegenden“, d. h. bekannten, Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

48

c) Der Senat macht sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu eigen, nach der die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe in der das jeweilige Geschäftsjahr betreffenden Wirtschaftssatzung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer in dem auf das Geschäftsjahr bezogenen Wirtschaftsplan beruht. Im Einzelnen:

49

Der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG als Maßgabe der Beitragserhebung dienende Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Wie vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12) ausgeführt, legt das Gesetz mit Blick auf die Beitragserhebung damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde: Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

50

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert ausgehend davon auch die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 13). Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen und unterliegt nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 81). Dem steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 15) nicht entgegen, dass der Kammerbeitrag mit Blick auf die Kammertätigkeit verwendungsneutral ist. Er dient der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit und kann daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden. Ein Kammermitglied kann die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen, jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Das führt jedoch nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

51

Die Kammer besitzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen.

52

Mit Blick auf die Rücklagenbildung präzisiert die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 17) die zu stellenden Anforderungen wie folgt: Der Kammer ist die Bildung von Vermögen verboten. Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer i. S. d. § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind. Die Bildung von angemessenen Rücklagen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung.

53

Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18) ausgeführt, dass auch das Maß der Rücklage vom jeweiligen sachlichen Zweck gedeckt sein muss. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage ist nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

54

Bei der Prüfung, ob das Maß der Rücklage noch von einem sachlichen Zweck gedeckt ist, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) dabei angenommen, dass der Industrie- und Handelskammer ein Beurteilungsspielraum durch den in der (kameralen) Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung oder in dem (doppischen) Finanzstatut vorgegebenen Rahmen eingeräumt sei. Im veröffentlichten 2. Leitsatz ist dazu ausgeführt, dass dann, wenn nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum besteht, das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen darf, es jedoch zu prüfen hat, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe, insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit, beachtet sind.

55

Hinsichtlich der Frage, ob die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan beruht, ist eine materielle Betrachtung vorzunehmen. Eine formelle Betrachtung, ob die Mitglieder der Vollversammlung die Prognose in Kenntnis der dafür maßgeblichen Grundlagen getroffen haben, ist nicht anzustellen (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017, 19 K 903/16, juris Rn. 47; VG Koblenz, Urt. v. 25.11.2013, 3 K 121/12.KO, GewArch 2014, 116, juris Rn. 37; wohl auch VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 355). Denn die Antwort auf die maßgebliche Frage, ob der in der Wirtschaftssatzung festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip genügt, hängt davon ab, ob der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG durch Beiträge zu deckende Mittelbedarf im Wirtschaftsplan in der Sache vertretbar in Ansatz gebracht ist. Der Wirtschaftsplan bedarf formell keiner Begründung. Ebenso wenig hängt seine materielle Rechtmäßigkeit von einer Begründung ab (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 88). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) billigt der Kammer bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans ausdrücklich einen sehr weiten Gestaltungsspielraum zu. Die Rechtmäßigkeitskontrolle einer in dem Gestaltungsspielraum getroffenen Entscheidung unterscheidet sich von derjenigen einer Ermessenentscheidung im Einzelfall (Jahn, GewArch 2014, 116, 119; GewArch 2016, 263, 265 f.). Während nach § 114 Satz 1 VwGO und § 40 HmbVwVfG die von der Behörde in Ausübung ihres Ermessens bei einer Einzelfallentscheidung angestellten Erwägungen zu überprüfen sind, gilt entsprechendes nicht für die vom Normgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei einer Normsetzung angestellten Erwägungen.

56

Aus dem von der Beklagten vorgebrachten Argument, sie sei nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich zur Beitragserhebung verpflichtet, bei Unwirksamkeit des Haushaltsplans sei aber die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig, leitet sich nicht her, den gerichtlichen Prüfungsmaßstab zurückzunehmen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat eine fehlerhafte Mittelbedarfsfeststellung im maßgeblichen Wirtschaftsplan die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge. Eine Fehlerhaftigkeit der Mittelbedarfsfeststellung lässt sich nicht deshalb verneinen, weil ihre Rechtsfolge, die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung, unerwünscht wäre. Inwieweit eine rückwirkende Heilung oder ein rückwirkender Neuerlass einer unwirksamen Wirtschaftssatzung möglich wäre, kann dahinstehen, da das Plenum der Beklagten einen Neuerlass nicht unternommen hat.

57

d) Der die Maßgabe für die Beitragserhebung nach Abschnitt I WirtS 2011 bildende und deshalb nach dem Vorstehenden hinsichtlich der Feststellung des Mittelbedarfs inzident zu überprüfende Wirtschaftsplan in Abschnitt II WirtS 2011 hat seine letztgültige Gestalt durch den Zweiten Nachtrag vom 3. November 2011 gefunden. In Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten ist die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs maßgeblich, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung (ebenso VG Berlin, Urt. v. 14.4.2015, 4 K 199/14, juris Rn. 55; VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 51).

58

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 ist durch den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung ausdrücklich neu festgestellt worden. Innerhalb der mit Blick auf die Beitragserhebung zweistufigen Willensbildung (dazu BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12, s. o. c)) hat die Beklagte, indem sie am 3. November 2011 den Wirtschaftsplan in Abschnitt I der Wirtschaftssatzung neugefasst hat, die erste Stufe der Willensbildung erneut betreten. Eine Änderung des Wirtschaftsplans durch Nachträge ist jedenfalls bis zum Abschluss des Geschäftsjahres möglich (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 86 f.). Wie bereits ausgeführt, steht auf erster Stufe der Willensbildung der Wirtschaftsplan. Der Wirtschaftsplan prognostiziert vor dem Hintergrund der in dem Geschäftsjahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

59

Der Maßgeblichkeit des erst am 3. November 2011 neu festgestellten Wirtschaftsplans im hiesigen Beitragsprozess steht nicht entgegen, dass das prozessual mit der Anfechtungsklage zu verfolgende Aufhebungsbegehren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg hat, wenn der Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 rechtswidrig ist. Selbst dann, wenn im Hinblick auf den prozessual geltend gemachten Aufhebungsanspruch auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 14. Juli 2011 abgestellt würde, müssen doch auch solche Änderungen in der Mittelbedarfsfeststellung Berücksichtigung finden, die die abstrakte Festsetzung der Beiträge rückwirkend rechtswidrig und damit unwirksam machen. Ohne rechtswirksame abstrakte Festsetzung der Beiträge fehlt der konkreten Festsetzung des Beitrags durch Bescheid die Rechtsgrundlage. Die abstrakte Festsetzung der Beiträge in Abschnitt I WirtS 2011 ist nur dann rechtmäßig und damit rechtswirksam, wenn sie einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs nach dem als Maßgabe dienenden Wirtschaftsplan entspricht. Der Wirtschaftsplan bildet eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene Sinneinheit. Für das Geschäftsjahr 2011 ist er durch den Zweiten Nachtrag der Wirtschaftsplan insgesamt und damit rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 neu festgestellt worden.

60

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 in der Gestalt vom 3. November 2011 dient als Maßgabe der Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 unabhängig davon, wann der einzelne Beitragsbescheid erlassen worden ist. Die Beklagte hat mit dem (streitgegenständlichen) ersten Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 eine vorläufige Veranlagung zu einem Beitrag von 153,-- Euro ausgesprochen. Der erste Beitragsbescheid ließ – als „vorläufige Veranlagung“ – eine endgültige Abrechnung zu einem späteren Zeitpunkt offen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung war in dem Fall, dass sich für das Geschäftsjahr ein Minderbetrag ergeben würde, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben, und in dem Fall, dass sich ein Mehrbetrag ergeben würde, neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen. Eben dies ist mit dem (nicht streitgegenständlichen) Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 geschehen (s. o. 1.). Unabhängig vom Erlassdatum des ersten oder auch des zweiten Beitragsbescheids sucht die konkrete Festsetzung der Kammerbeiträge für das Geschäftsjahr 2011 ihre Rechtsgrundlage in der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011, als deren Maßgabe der Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 dient.

61

e) Die der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011 zugrundeliegende Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer gemäß dem Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 ist zulasten der Beitragspflichtigen fehlerhaft. Dies folgt zunächst daraus, dass im Wirtschaftsplan der Höhe nach sachlich nicht gerechtfertigte Rücklagen aufrechterhalten und die entsprechenden Mittel nicht zugunsten der Beitragspflichtigen zur Begleichung der Kosten der Kammertätigkeit im Geschäftsjahr 2011 freigegeben worden sind. Im Einzelnen betroffen sind die Ausgleichsrücklage (hierzu unter aa)), die Umbau-/Instandhaltungsrücklage (hierzu unter bb)), die Rücklage für Sonderprojekte (hierzu unter cc)) und etwaig auch – was jedoch letztlich dahinstehen kann – die Rücklage BID N. (hierzu unter dd)). Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist unabhängig davon deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte (hierzu unter ee)).

62

aa) Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro ist dem Grunde nach gerechtfertigt, aber der Höhe nach nicht angemessen.

63

Die Ausgleichsrücklage ist im Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 20.500.000,-- Euro aufrechterhalten worden. Zuvor war diese Rücklage im Zuge der Ergebnisverwendung des Jahres 2009 um 1.000.000,-- Euro von 19.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro erhöht worden (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Sodann hatte die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro auf 20.500.000,-- Euro hatte das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 sind alle Rücklagen in der Höhe aufrechterhalten worden, die sie in dem vom Plenum am 7. Juli 2011 beschlossenen Jahresabschluss 2010 erreicht hatten. Der Wirtschaftsplan ist in Abschnitt I WirtS 2011 im Erfolgsplan mit dem Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 0,-- Euro festgestellt worden. Der zugrundeliegende Erfolgsplan weist unter Nr. 22 Buchst. a und b Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage und anderen Rücklagen von je 0,-- Euro sowie unter Nr. 23 Buchst. a und b Einstellungen in die Ausgleichsrücklage und andere Rücklagen von ebenfalls je 0,-- Euro aus. Die nachträgliche Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 500.000,-- Euro gemäß dem am 5. Juli 2012 erstellten Jahresabschluss 2011 bleibt hinsichtlich der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 unberücksichtigt, da sie erst nach dessen Ende vorgenommen worden ist.

64

Dem Grunde nach ist die Ausgleichsrücklage für das Geschäftsjahr 2011 allerdings rechtmäßig. Eine Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch bei Schwankungen im Beitragsaufkommen aufrecht zu erhalten, und damit einem dem Grunde nach hinreichenden sachlichen Zweck. Das im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Maß der Ausgleichsrücklage ist jedoch, entgegen den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18, s. o. c)), nicht mehr vom sachlichen Zweck gedeckt. Die überhöhte Rücklage hätte im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden müssen.

65

Zwar überschreitet die Höhe der Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro (gerade noch) nicht den durch das – ältere und auf das Geschäftsjahr 2011 anwendbare – Finanzstatut (v. 2.6.2005, Amtl. Anz. 2006, S. 329 – FSt 2005) gezogenen Rahmen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 ist, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen beträgt. Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro erreicht 49,6 v. H. des in Abschnitt I WirtS 2011 veranschlagten Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro. Besteht nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum, darf das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen, es hat jedoch zu prüfen, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe beachtet sind (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., 2. Ls., Rn. 20). Hält sich die Rücklage in dem vom Finanzstatut gezogenen Rahmen ist damit aber im Allgemeinen keine Vermutung der Angemessenheit verbunden (a. A. noch VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 34; VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017, 1 A 40/16, UA S. 12 f.; VG München, Urt. v. 20.1.2015, M 16 K 13.2277, juris Rn. 18), sondern bleibt insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20; VGH Mannheim, Urt. v. 2.11.2016, 6 S 1261/14, juris Rn. 36; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 345). Ob davon eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn sich die Ausgleichsrücklage an der Untergrenze des durch das Finanzstatut gezogenen Rahmens bewegt und lediglich 26, 30 oder 36,82 v. H. des Betriebsaufwands erreicht (so VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 82, zustimmend VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 33; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017, 20 K 5579/17, juris Rn. 35; VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28), kann dahinstehen, da die Ausgleichsrücklage der Beklagten im Geschäftsjahr 2011 nahezu die Höchstgrenze von 50 v. H. des geplanten Betriebsaufwands ausmacht.

66

Das Gebot der Schätzgenauigkeit erfordert eine Prognose, die aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfällt. Die Prognose muss sich im Fall der Ausgleichsrücklage darauf beziehen, in welcher Höhe Schwankungen im Beitragsaufkommen zu besorgen sind. Einerseits müssen die in Ansatz gebrachten Schwankungen im Beitragsaufkommen weder sicher noch auch nur überwiegend wahrscheinlich sein. Vielmehr sind aller Voraussicht nach im Geschäftsjahr eintretende Einbußen bereits im Haushaltsansatz des Beitragsaufkommens zu berücksichtigen, da dieser Haushaltsansatz ebenfalls dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit unterliegt. Die Ausgleichsrücklage sichert das ungewisse Risiko zu befürchtender Beitragsausfälle ab. Andererseits dürfen die angenommenen Schwankungen im Beitragsaufkommen auch nicht so unwahrscheinlich sein, dass ihre Annahme rein spekulativ erscheint oder das abgesicherte Risiko nur in einem fernliegenden „worst case“ eintreten kann. Eine nachvollziehbare Prognose bedarf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Ausgleichsrücklage könnte daher nur mit einer auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten gründenden Prognose gerechtfertigt werden, dass die mit ihr auszugleichenden Schwankungen im Beitragsaufkommen möglicherweise bis fast zur Hälfte des Betriebsaufwands reichen könnten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20), die für eine Liquiditätsrücklage von annähernd 50 v. H. der laufenden Ausgaben gefordert hat, dass das Risiko eines kurzfristigen Liquiditätsausfalls in dieser Höhe sich aus Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen läßt.

67

Ausgehend von diesem Maßstab findet die fast vollständige Ausschöpfung des vom Finanzstatut gezogenen Rahmens bis nahe an die Höchstgrenze von 50 v. H. des Betriebsaufwands keine Rechtfertigung. Im Einzelnen:

68

Tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer das Risiko von Beitragsschwankungen mit fast der Hälfte des Betriebsaufwands hätte abgeschätzt werden können, ergeben sich weder aus den Beschlüssen des Plenums, die bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 die Ausgleichsrücklage auf 20.500.000,-- Euro haben anwachsen lassen, noch aus den Protokollen vorbereitender Gremiensitzungen. Bei Einführung der Ausgleichsrücklage mit einer Bandbreite zwischen 30 bis 50 v. H. des Betriebsaufwands durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 heißt es zur Erläuterung lediglich, „die zwingend vorgeschriebene Ausgleichsrücklage solle 30-50 Prozent des Jahresbudgets betragen“ (Plenarsitzung v. 2.6.2005, TOP 6, S. 9 f.). Hinsichtlich der letzten Erhöhungen der Ausgleichsrücklage bis zu dem Stand im Geschäftsjahr 2011 ist in den Protokollen der Gremiensitzungen allenfalls dokumentiert, dass ohne die Erhöhung der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 gezogene Rahmen noch nicht ausgeschöpft sei, aber kein sachlicher Grund dafür dargelegt, weshalb eine solche Ausschöpfung angezeigt sein könnte. Eine Erhöhung einer Rücklage, nur weil die Erhöhung nicht bereits vom Finanzstatut verboten ist, bliebe ohne einen auf den sachlichen Zweck der Rücklage bezogene Rechtfertigung und wäre damit sachfremd. Eine Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 1.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro unter teilweiser Verwendung des Ergebnisses des Jahres 2009 hat das Plenum am 1. Juli 2010 ohne dokumentierte Diskussion beschlossen (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Der entsprechende Vorschlag des Innenausschusses (Sitzung des Innenausschusses v. 10.5.2010, TOP 1 Jahresabschluss 2009, S. 2) lässt keine Begründung erkennen. Innerhalb des Präsidiums (Sitzung des Präsidiums v. 3.6.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 4) ist insoweit lediglich geäußert worden, dass zur Ergebnisverwendung „entsprechend dem gewachsenen Betriebsaufwand 1 Millionen Euro der Ausgleichsrücklage, 1,5 Millionen Euro der Rücklage für Pensionsrisiken und 0,5 Millionen Euro der Umbau- und Instandhaltungsrücklage zuzuführen“ seien. Sodann hat die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro hat das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Nähere Begründungen finden sich in den Sitzungsniederschriften des Innenausschusses (v. 11.5.2011), des Präsidiums (v. 9.6.2011) und des Plenums (v. 7.7.2011) nicht. In der Beschlussvorlage an das Präsidium (v. 31.5.2011) ist nur ausgeführt, zunächst solle „die Ausgleichsrücklage wieder dicht an den möglichen Wert (50 % des Betriebsaufwands) ‚aufgerundet‘ werden“.

69

Auch im Übrigen finden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ex ante eine Prognose von Beitragsschwankungen bis zu 50 v. H. des Betriebsaufwands zugelassen hätten. Die Beklagte bringt schriftsätzlich vor, zu Schwankungen im Beitragsaufkommen könnten konjunkturbedingte Schwankungen, der Ausfall einzelner großer Beitragszahler und die Orientierung des Kammerbeitrags an dem erst nach mehreren Jahren endgültig feststehenden Gewerbeertrag führen. Soweit die Beklagte zum Zweck der Quantifizierung Zahlen vorlegt, sind diese nur rechnerisch nachvollziehbar. Die Beklagte veranschlagt für konjunkturelle Schwankungen 15 v. H. der geplanten Beiträge, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen aus dem Vorjahr angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Dieses von der Beklagten vorgetragene Rechenmodell entbehrt einer nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage. Zum einen ist bereits die gedankliche unmittelbare Anknüpfung der Höhe der Ausgleichsrücklage an das erwartete Beitragsaufkommen unplausibel. Da ein Anteil von zweimal bis viermal 15 v. H., also 30 bis 60 v. H., des Beitragsaufkommens veranschlagt wird, wäre nach der Berechnung der Beklagten die Ausgleichsrücklage umso höher anzusetzen, je höher das zu erwartende Beitragsaufkommen ist. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum anderen lässt sich die Höhe der Ausgleichsrücklage entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht auf die Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre stützen. Dazu im Folgenden:

70

Wie hoch die einzelnen Rücklagen sein dürfen, hängt hinsichtlich der eingehenden Mitgliedsbeiträge von bestehenden Erfahrungen der Kammer selbst und sonst von den anstehenden Finanzierungsvorhaben ab (Wiemers, NVwZ 2016, 615, 616). Zwar wäre der Umkehrschluss nicht richtig, dass die Bildung oder Beibehaltung von Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich nicht eingetreten sind (VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28 a. E.). Doch bedarf es stets positiv tragfähiger Anhaltspunkte, die im jeweiligen Geschäftsjahr ex ante die Bildung oder Beibehaltung einer Rücklage in bestimmter Höhe vertretbar erscheinen lassen. Dabei sind insbesondere die Erfahrungen in den letzten Jahren zu berücksichtigen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 372). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) hat gefordert, dass ein der Rücklage entsprechendes Risiko sich aus den Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen lassen muss.

71

In die für das Geschäftsjahr 2011 anzustellende Risikoprognose hätte die Beklagte ihre Erfahrung einstellen müssen, dass sie die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – hatte in Anspruch nehmen müssen. Die Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um bei einem verringerten Beitragsaufkommen die Kammertätigkeit fortzuführen. Sie ist über Jahre hinweg ungeachtet konjunktureller Schwankungen nicht verringert, sondern noch erhöht worden. Musste die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit bei konjunkturellen Krisen nicht in Anspruch genommen werden, so bedarf es besonderer Umstände, aus denen sich das durch die Rücklage abzusichernde Risiko schwankender Beitragsaufkommen erhöht, um zu rechtfertigen, dass sie bis zur Höchstgrenze aufrechterhalten wird. An solchen besonderen Umständen fehlt es jedoch.

72

Aus der Wirtschaftskrise 2008/2009 ergibt sich kein risikoerhöhender Umstand für das Beitragsaufkommen 2011. Vielmehr hat die Beklagte bereits in der Beschlussvorlage zur ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans 2011 (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 2) die Einschätzung mitgeteilt:

73

„Offensichtlich hat die Unternehmenssteuer-Reform des Jahres 2007 mit der veränderten Ermittlung des steuerlichen Gewerbeertrags ab 2008 zu einer Ausweitung der Gewerbeerträge geführt und somit die aus der Wirtschaftskrise resultierenden Einbußen ausgeglichen.“

74

Überdies hat die Beklagte – im Spannungsverhältnis zu ihrer soeben wiedergegebenen Einschätzung – die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei dem für das Geschäftsjahr 2011 erwarteten Beitragsaufkommen mindernd in Ansatz gebracht und ausgeführt (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 3):

75

„Für die Erträge aus Handelskammerbeiträgen erwarten wir 35.325 TEUR (Plan 2010 mit Nachtrag 44.120 TEUR). Für die Veranlagung 2011 haben wir dabei konstante Bemessungsgrundlagen unterstellt; bei Reduzierung des Umlagesatzes von 0,31 auf 0,28 % des Gewerbeertrages ergäbe sich somit für die Position Umlagen lfd. Jahr im Vergleich zu 2010 ein Minus von knapp 2,9 Mio. EUR; wegen der insbesondere bei den Abrechnungen 2009 wirksam werdenden Auswirkungen der Finanzmarktkrise haben wir bei den Veranlagungen für alte Jahre sehr vorsichtig kalkuliert und gehen von einem Minus von 6 Mio. EUR gegenüber dem aktualisierten Plan 2010 aus. Bei voraussichtlich gleich bleibenden Mitgliederzahlen werden sich die Grundbeiträge etwa auf dem Niveau des Jahres 2010 bewegen.“

76

Eine zusätzliche Berücksichtigung von – zumal durch die Beklagten selbst in Abrede gestellten – negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei der Ausgleichsrücklage erscheint daher ausgeschlossen.

77

Besondere neue Gesichtspunkte, die geeignet gewesen wären, die hohe Ausgleichsrücklage zu rechtfertigen, sind auch nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 aufgetreten. In dem am 25. März 2011 erstatteten Lagebericht zur Bilanz 2010 haben Präses und Hauptgeschäftsführer ausgeführt: Die Hamburger Wirtschaft habe sich nach dem krisenbedingten Tief im ersten Quartal 2009 schnell erholt und es zeige sich nach Wirtschaftszweigen ein durchgehend positives Bild (S. 5). Die Arbeit der Beklagten habe 2010 überwiegend im Zeichen der wirtschaftlichen Erholung gestanden (S. 6). Besondere Risiken, die für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten von Bedeutung sein könnten, bestünden nicht (S. 11). Die Geschäftsführung hat in Vorbereitung des Jahresabschlusses 2010 erläutert (Sitzung des Innenausschusses v. 11.5.2011, TOP 1 Jahresabschluss 2010, S. 2), dass die allgemeine Beitragsentwicklung ausgesprochen positiv zu bewerten sei, es „zeige der Beitragsverlauf des aktuellen Jahres, dass mit Einbrüchen nicht zu rechnen sei“. In Vorbereitung des Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan 2011 hat die Geschäftsführung (Sitzung des Innenausschusses v. 19.9.2011, TOP 1 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) „von der weiterhin positiven Beitragsentwicklung“ berichtet, „der erwartete Rückgang der Beiträge aufgrund der Senkung des Umlagesatzes und der Auswirkungen der Lehman-Krise 2008/2009 sei ausgeblieben“.

78

bb) Die im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Umbau-/Instandhaltungsrücklage ist allenfalls dem Grunde nach rechtmäßig, jedenfalls aber überhöht.

79

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage war im Zuge des Jahresabschlusses 2009 am 1. Juli 2010 von 6.333.439,80 Euro um 500.000,-- Euro auf 6.833.439,80 Euro erhöht worden (vgl. Jahresabschluss 2009, S. 4). Mit dem erst nach dem Jahresabschluss 2009 beschlossenen Ersten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2234, vorbereitend Präsidiumssitzung v. 7.10.2010, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2010, S. 5) war ein weiterer Betrag von 4.300.000,-- Euro in die Umbau-/Instandhaltungsrücklage eingestellt worden. Die Rücklage hat damit im Geschäftsjahr 2011 entsprechend dem im Jahresabschluss 2010 am 7. Juli 2011 ausgewiesenen Stand eine Höhe von 11.133.439,80 Euro erreicht. Die nachfolgende Erhöhung der Rücklage für Umbauten um 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um 2.000.000,-- Euro im Zuge des Jahresabschlusses 2011 am 5. Juli 2012 ist im Geschäftsjahr 2011 nicht mehr wirksam geworden und bleibt deshalb für die Wirtschaftsplanung 2011 außer Betracht.

80

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage könnte dem Grunde nach rechtmäßig sein, was aber letztlich dahinstehen kann. Der Bildung dieser Rücklage steht jedenfalls nicht bereits das Satzungsrecht entgegen. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 und 4 FSt 2005 dürfen neben der verpflichtend vorgesehenen Ausgleichsrücklage „andere Rücklagen“ gebildet werden. Wie jede Rücklage bedarf die Umbau-/Instandhaltungsrücklage mit Rücksicht auf das eine bloße Vermögensmehrung verbietende Kostendeckungsprinzip der Rechtfertigung durch einen hinreichenden sachlichen Zweck (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20). Dieser sachliche Zweck bedarf aufgrund dessen einer weitergehenden (besonderen) Konkretisierung als dies bei der (allgemeinen) Ausgleichsrücklage zu fordern ist. Dieses gesetzliche Erfordernis kommt nunmehr zum Ausdruck in dem – neueren und für das Geschäftsjahr 2011 allerdings nicht anwendbaren – Finanzstatut der Beklagten (v. 23.5.2013, Amtl. Anz. S. 915 – FSt 2013), wonach die Bildung von „zweckbestimmten Rücklagen“ („anderen Rücklagen“) zulässig ist, jedoch der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren sind (§ 15a Abs. 2 Satz 3 bis 5 FSt 2013). Teilweise wird bereits aus dem Gesetz gefolgert, dass „andere Rücklagen“ als die Ausgleichsrücklage einer strengen Zweckbindung unterliegen und fest umrissen ein genau definiertes Risiko abdecken, ihre Bildung auch mit einem Zeitplan unterlegt ist, innerhalb dessen die Rücklagen für den vorgesehenen Zweck zu verbrauchen (aufzulösen) sind (Jahn, GewArch 2016, 263, 267). Bei strenger Handhabung dieser Vorgaben wäre die Aufrechterhaltung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 bereits dem Grunde nach zumindest zweifelhaft. Eine sachliche Konkretisierung geringen Grades und auch nur hinsichtlich eines Teil des Rücklagenzwecks könnte jedoch daraus hergeleitet werden, dass der Immobilienbestand im Verwaltungsgebrauch der Beklagten in einem funktionsfähigen Zustand gehalten werden muss. Eine zeitliche Konkretisierung könnte hinsichtlich des Teilzwecks „Instandhaltung“ dann für entbehrlich gehalten werden, wenn auf einen sich etwaig unerwartet aktualisierenden Instandhaltungsbedarf abgestellt würde. Hinsichtlich des Teilzwecks „Umbau“ bietet sich allerdings keine entsprechende Möglichkeit einer Rechtfertigung. Wenngleich die von der Beklagten vorgebrachte Überlegung, die für bauliche Maßnahmen oder ähnliche erhebliche Investitionsmaßnahmen voraussichtlich benötigten Mittel vorher sukzessive aufzubauen, nachvollziehbar ist, muss doch zumindest für eine Rücklage für eine über die bloße Instandhaltung hinausgehende Sanierungs- oder Umbaumaßnahme bereits ein gewisser sachlicher und zeitlicher Planungsstand erreicht sein, um mit der Rücklagenbildung nicht eine bloße Vermögensmehrung auf Vorrat zu betreiben.

81

Jedenfalls der Höhe nach ist die Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 nicht zu rechtfertigen. Das Maß der Rücklage ist entgegen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Anforderungen nicht vom sachlichen Zweck der Rücklage gedeckt.

82

Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris Rn. 45) darin zu folgen ist, dass bereits die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesene Umbau-/Instandsetzungsrücklage von damals 5.333.439,80 Euro – die 10 v. H. des damaligen Versicherungswerts der von der Beklagten genutzten Gebäude A.-Straße x und S.-Straße x entsprach – überhöht war. Auch die Rechtmäßigkeit der weiteren, geringeren Erhöhungen der Rücklage bis zum Stand von 6.833.439,80 Euro im Jahresabschluss 2009 kann dahinstehen. Jedenfalls hätte die am 4. November 2010 vorgenommene erhebliche Aufstockung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro im Geschäftsjahr 2011 nicht aufrechterhalten bleiben dürfen. Ein noch bei Abschluss der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 am 3. November 2011 tragfähiger Grund für die erhöhte Rücklage ist nicht ersichtlich.

83

Keine Rechtfertigung findet die erhöhte Rücklage darin, dass sich im Jahr 2011 im Handelskammergebäude im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss an der Verbindung zwischen dem Börsensaal und dem Foyer Risse gezeigt hatten (dazu Beschlussvorlage für die Präsidiumssitzung v. 9.6.2011, TOP 3 Jahresrechnung 2010, S. 2). Innerhalb des Präsidiums (Sitzung v. 9.6.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 6) war allerdings zunächst angemerkt worden, dass die „Risse im Eingangsbereich des Handelskammergebäudes, […] erhebliche Renovierungskosten“ nach sich zu ziehen drohten, und insoweit ein Betrag von 4.300.000,-- Euro genannt worden. Doch hat der Hauptgeschäftsführer in einer weiteren Präsidiumssitzung (Sitzung v. 6.10.2011, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) diesen Befürchtungen die Grundlage entzogen, indem er erläutert hat:

84

„Die ursprünglich geplanten Rücklagen für die Sanierung des Gebäudes unserer Handelskammer aufgrund des Risses in der Fassade würden voraussichtlich nicht in der Höhe benötigt werden. Das vorliegende Gutachten eines renommierten Hamburger Architekten beziffere die notwendigen Ausgaben zur Beseitigung des Risses auf lediglich mehrere 10.000 Euro. Eine größere Instandsetzung sei nach Auffassung dieses Architekten nicht notwendig.“

85

Wenngleich der Präses sich in der Präsidiumssitzung „aufgrund der potentiell drohenden Schäden für das Gebäude“ für ein „zweites Gutachten in Bezug auf die Sanierung des Gebäudes“ ausgesprochen hat, ist kein belastbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die vorherige Erhöhung der Rücklage um 4.300.000,-- Euro aus einem lediglich „potentiellen“ Grund aufrechtzuerhalten.

86

Die 2010 vorgenommene Erhöhung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Plenum 2011 die Entscheidung zugunsten eines Erweiterungsbaus getroffen hat (Plenarsitzung v. 3.3.2011, TOP 3 Beschlussfassung über einen Erweiterungsbau der Handelskammer „Handelskammer Innovations-Campus, HKIC“, S. 7 f.). Für das Gesamtprojekt wurde dabei ein Bedarf von 13.592.000,-- Euro in Ansatz gebracht. In der Finanzplanung für das Geschäftsjahr 2011 wurden gemäß dem Ersten Nachtrag zum Wirtschaftsplan zunächst Investitionskosten von 6.997.000,-- Euro veranschlagt (Beschlussvorschlag in Anlage 2 b zu TOP 5 zu der auf den 3.3.2011 vertagten Plenarsitzung v. 3.2.2011, S. 1, S. 3, Nr. 11 im Finanzplan) und dieser Ansatz sodann im Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan (Beschlussvorschlag in Anlage TOP 4 b zur Plenarsitzung v. 3.11.2011, S. 2, S. 6, Nr. 11 im Finanzplan) wegen aufgetretener Verzögerungen verringert. Keinen Raum ließ die Investitionsentscheidung für eine – nochmalige – Berücksichtigung bei der Umbau-/Instandhaltungsrücklage. Die Aktualisierung von Umbauplänen unter Ansatz entsprechender Aufwendungen im Wirtschaftsplan deutet eher darauf hin, die Berechtigung einer bisherigen Rücklage für noch nicht aktuelle Baumaßnahmen zu überdenken. Eine Sicherheitsreserve für Unvorhergesehenes war bereits innerhalb der in Ansatz gebrachten Investitionskosten des Gesamtprojekts Erweiterungsbau i. H. v. 1.500.000,-- Euro veranschlagt worden.

87

Ferner durfte die Beklagte im Geschäftsjahr 2011 die um 4.300.000,-- Euro erhöhte Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht deshalb aufrechterhalten, weil das am 5. April 2012 und damit nach Abschluss des Geschäftsjahres 2011 vorgelegte Architektengutachten einen Mittelbedarf für beabsichtigte Sanierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Erhaltung der Bausubstanz von 14.747.235,65 Euro ausweist. Aus der späteren Vorlage des Architektengutachtens kann nicht darauf geschlossen werden, dass bereits im Geschäftsjahr 2011 eine Rücklage in dieser Größenordnung für damals anstehende Umbau- oder Instandhaltungsmaßnahmen berechtigt gewesen wäre. Die Beklagte selbst hat das Architektengutachten nicht als nachträgliche Rechtfertigung der übernommenen Rücklagenhöhe gebraucht, sondern im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2011 am 5. Juli 2012 und damit im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage des Architektengutachtens die Rücklage für Umbauten um weitere 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um weitere 2.000.000,-- Euro auf insgesamt 21.133.439,80 Euro erhöht.

88

Schließlich rechtfertigt sich die Höhe der Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht aus den kleineren und größeren laufenden Arbeiten und Instandhaltungen an den Kammergebäuden. So waren bereits nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 für laufende Instandhaltung und größere Umbaumaßnahmen insgesamt 1.560.000,-- Euro vorgesehen, darunter für die Dachsanierung über dem Börsensaal 300.000,-- Euro, für den Austausch von Fenstern im Obergeschoss an der Johannisstraße 100.000,-- Euro, für die Modernisierung der Klimatechnik in den Sitzungssälen 150.000,-- Euro sowie den Abschluss der Modernisierung der Commerzbibliothek 300.000,-- Euro (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Wirtschaftsplan 2011, S. 5). Für zunächst bereits im Vorjahr 2010 beabsichtigt gewesene und erst im Geschäftsjahr 2011 durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen wurde der geplante Aufwand um etwa 300.000,-- Euro erhöht (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Zweiter Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2).

89

cc) Die Rücklage für Sonderprojekte, in die im Geschäftsjahr 2011 ebenso wie in den Vorjahren durchgängig ein Betrag von 3.900.000,-- Euro eingestellt war, ist überhöht.

90

Eine Rechtmäßigkeit dieser Rücklage dem Grunde nach kann dahinstehen. Es könnte an jeglicher sachlicher und zeitlicher Konkretisierung fehlen, so dass die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung geforderte Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit unmöglich sein könnte. Für eine Rechtmäßigkeit könnte allenfalls ins Feld geführt werden, dass auf Ausgabenseite unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände während des laufenden Geschäftsjahres zu entsprechenden Aufwendungen für unvorhergesehene Vorhaben („Sonderprojekte“) führen können, so dass für das Unvorhergesehene vorab Mittel reserviert werden könnten. Die Beklagte bringt hierzu vor, die Rücklage solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen.

91

Zumindest ist die Rücklage der Höhe nach rechtswidrig. Da im Geschäftsjahr geplante Aufwendungen wegen des Gebots der Schätzgenauigkeit bereits im Betriebsaufwand zu berücksichtigen sind, können Rücklagen neben dem Risiko zukünftiger Ertragsausfälle (dazu s. o. aa)) nur das Risiko bestimmter zukünftiger, noch nicht aktueller Aufwendungen abdecken. Es ist nicht nachvollziehbar, dass noch nicht im Betriebsaufwand berücksichtigte „Sonderprojekte“ in Höhe von immerhin 9,6 v. H. des Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro zu erwarten gewesen wären. Falls die Rücklage für Sonderprojekte dem Grunde nach gerechtfertigt wäre, so trüge diese Rechtfertigung allein die Vorsorge für unvorhersehbare Projekte mit einem Aufwand in einer gegenüber dem Gesamthaushalt untergeordneten, eine gesonderte Nachtragswirtschaftsplanung nicht rechtfertigenden Höhe. Das Plenum muss die Entscheidungen über die wesentlichen Haushaltsansätze selbst konkret treffen und darf sie nicht dem Präsidium oder der Geschäftsführung der Kammer überlassen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, das Plenum habe in Ausübung seines Beurteilungsspielraums über die Rücklagenhöhe entschieden und andere Organe könnten im Rahmen der getroffenen grundlegenden Weichenstellungen agieren, dürfte dies in dieser Allgemeinheit hier nicht zutreffend sein. Denn in der erheblichen Größenordnung von einem Zehntel des Betriebsaufwands fehlt es an grundlegenden Weichenstellungen durch das Plenum als Haushaltsgeber.

92

Auch der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei jedem Bauprojekt bringe der Architekt einen Anteil von 10 v. H. für Unvorhergesehenes in Ansatz, lässt keine Rechtfertigung der Höhe des Rücklage für Sonderprojekte erkennen. Es steht nicht die Abschätzung des sich in der Zukunft entwickelnden Aufwands für ein sachlich und zeitlich bestimmt bezeichnetes Vorhaben in Rede. Vielmehr dient die Rücklage für Sonderprojekte der Vorsorge dazu, die Kosten für in der Zukunft erst noch ad hoc aufzugreifende Vorhaben zu decken.

93

Der von der Beklagten vorgetragene Strauß an möglichen Sonderprojekten ist nicht geeignet, die Rücklagenhöhe zu rechtfertigen. Die Beklagte trägt vor, dass 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden seien. Die Vielfalt denkbarer Zwecke verdeutlicht, dass es zumindest bei einer Rücklage in der in Rede stehenden Größenordnung an einer Konkretisierung des Rücklagenzwecks gemangelt hat. Ein Teilbetrag der Rücklage von 900.000,-- Euro wird überdies auch von der Beklagten keinem genaueren Zweck als dem der „Sonderprojekte“ zugeordnet.

94

dd) Die Rechtmäßigkeit der durch den Wirtschaftsplan nach Abschnitt I WirtS 2011 aufrechterhaltenen Rücklage BID N. in Höhe von 1.000.000,-- Euro kann nach dem Vorstehenden dahinstehen. Der betreffende Business Improvement District (BID) wurde erst im Jahr 2014 durch die Verordnung zur Einrichtung des Innovationsbereichs N. (v. 5.8.2014, HmbGVBl. S. 334) mit einem Gesamtaufwand von 9.320.000,-- Euro (§ 4) einschließlich einer Verwaltungspauschale von 20.000,-- Euro (§ 5) für die Laufzeit von fünf Jahren (§ 6) für einen das von der Beklagten genutzte Hauptgebäude an der A.-Straße einschließenden Innovationsbereich (§ 2) eingerichtet. Offen bleiben kann, ob die Aufrechterhaltung einer Rücklage von 1.000.000,-- Euro in der langjährig vorausgehenden Planungsphase mit dem Kostendeckungsprinzip vereinbar gewesen ist. Überlegenswert erschienen wäre allenfalls, den Betrag zurückzulegen, der im Fall der Einrichtung des Innovationsbereichs einem jährlichen Anliegerbeitrag entsprochen hätte.

95

ee) Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte.

96

Nach dem am 7. Juli 2011 festgestellten Jahresabschluss 2010 wurde ein positives Ergebnis in Höhe von 5.711.000,-- Euro in das Geschäftsjahr 2011 vorgetragen. Die Wirtschaftsplanung ging dahin, dass dieser Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in keiner Weise zugunsten der Beitragszahler zur Kostendeckung im Geschäftsjahr 2011 verwendet werden sollte. Vielmehr sollte der Ergebnisvortrag aus 2010 in einem geplanten positiven Ergebnis aus 2011 fortgeschrieben werden. Darin liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Gewinnorientierung, das der Kammer untersagt, ihre Tätigkeit auf eine bloße Vermögensmehrung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17). Im Einzelnen:

97

In der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 hat die Beklagte den Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nicht dazu genutzt, im Rahmen zulässiger Vorsorge eine neue angemessene Rücklage zu bilden. Auch hat sie den positiven Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in der Wirtschaftsplanung 2011 nicht dazu verwendet, ein zu erwartendes negatives Jahresergebnis aus dem Geschäftsjahr 2011 auszugleichen und auf diese Weise die anfallenden Betriebsaufwendungen mitzutragen. Vielmehr hatte die Beklagte im Erfolgsplan nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 vom 4. November 2010 zunächst ein neutrales Jahresergebnis von 0,-- Euro erwartet. Im Erfolgsplan, wie er dem Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan vom 3. November 2011 zugrunde lag, hat die Beklagte aus dem Geschäftsjahr 2011 ein hohes positives Jahresergebnis von 6.655.000,-- Euro (Nr. 20) erwartet, das sich angesichts fehlender Entnahmen aus Rücklagen (Nr. 22) und Einstellungen in Rücklagen (Nr. 23) nach Addition mit dem hohen positiven Ergebnisvortrag aus 2010 von 5.711.000,-- Euro (Nr. 21) zu einem noch höheren positiven Ergebnis des Jahres 2011 von 12.366.000,-- Euro (Nr. 24) aufsummieren sollte.

98

Der bereits feststehende positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010, der im Geschäftsjahr 2011 nicht zur Kostendeckung verwendet werden, sondern ins Folgejahr 2012 fortgeschrieben werden sollte, kommt der Bildung einer nicht einem sachlichen Zweck dienenden Rücklage gleich. Eine solche Rücklage ist nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17; s. o. c)) als bloße Vermögensmehrung unzulässig. Die Kammer darf im Rahmen ihrer Wirtschaftsplanung nicht von vornherein einen Überschuss ihrer Beitragseinnahmen über die erforderlichen Aufwendungen gezielt zur Vermögensbildung planen (Jahn, GewArch 2016, 263, 265).

99

Die Beklagte hat noch im Geschäftsjahr 2011 eingeräumt, dass dieses „überplanmäßig“ verlaufe (Schriftsatz v. 26.10.2011). Sie hätte spätestens bei Befassung über den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung am 3. November 2011 dafür Sorge tragen müssen, dass angesichts des seit dem 7. Juli 2011 feststehenden Überschusses aus dem Vorjahr dem Kostendeckungsprinzip noch im Geschäftsjahr 2011 Genüge getan wird. Der Beklagten hätten dafür verschiedene Wege zu Gebote gestanden. Die Beklagte war nicht auf einen bestimmten Weg festgelegt, jedoch darauf, einen das Kostendeckungsprinzip achtenden Weg einzuschlagen. Etwa hätte die Beklagte das Vorjahresergebnis im Rahmen zulässiger Vorsorge einer neuen angemessenen Rücklage zuführen können. Auch hätte die Beklagte das positive Vorjahresergebnis zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses verwenden können. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Beklagte nach ihrer Wahl die geplanten Aufwendungen erhöht hätte oder die geplanten Erträge gesenkt hätte. Die geplanten Aufwendungen hätte die Beklagte etwa dadurch erhöhen können, dass sie im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises nach § 1 Abs. 1 IHKG sowie im Rahmen der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ihre Tätigkeiten ausgeweitet hätte. Die geplanten Erträge hätte die Beklagte etwa dadurch verringern können, dass sie hinsichtlich der für das Geschäftsjahr 2011 zu leistenden Kammerbeiträge den Grundbeitrag und/oder die Umlage verringert und/oder die Freigrenzen erhöht hätte.

100

Dahinstehen kann, ob die Beklagte nach Feststellung des Überschusses aus dem Vorjahr am 7. Juli 2011 eine Verringerung der Beitragssätze noch im laufenden Jahr hätte unterlassen dürfen, wenn ihr unüberwindliche praktische Hindernisse entgegengestanden hätten. Letzteres ist nicht erkennbar. Dies folgt aus dem bereits dargestellten (s. o. 1.) System der Beitragserhebung zunächst aufgrund vorläufiger Veranlagung und sodann aufgrund endgültiger Abrechnung. Auch ausgehend von der Unterstellung, dass am 7. Juli 2011 alle Beitragspflichtigen bereits durch einen ersten Beitragsbescheid im Wege der „vorläufigen Veranlagung“ nach § 15 Abs. 3 BO zum Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 herangezogen worden wären, hätte doch gegenüber allen Beitragspflichtigen eine endgültige Abrechnung ausgestanden. Unerheblich ist dabei, dass die endgültige Abrechnung ursprünglich nur der Einstellung der für die Beitragsfestsetzung maßgebenden Parameter dienen sollte. Das vorhandene Instrumentarium hätte ohne Schwierigkeiten dafür genutzt werden können, zugunsten der Beitragspflichtigen des Geschäftsjahres 2011 bei der anstehenden endgültigen Abrechnung einen verringerten Grundbeitrag und/oder einen verringerten Umlagesatz und/oder eine erhöhte Freigrenze zu berücksichtigen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung wäre in dem Fall, dass sich ein geringerer Gesamtbetrag ergeben hätte, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben gewesen. In dem Fall, dass sich ein höherer Betrag ergeben hätte, wäre neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen gewesen.

101

Eine etwaige Verwendung des im Geschäftsjahr 2011 erzielten positiven Ergebnisses in den Folgejahren genügt nicht, um das geschäftsjährlich und ex ante zu beachtende Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG zu wahren. Vielmehr hätte das mit dem Jahresabschluss 2010 feststehende positive Ergebnis aus dem Vorjahr zugunsten der Beitragszahler des Geschäftsjahres 2011 für eine zulässige Rücklagenbildung, für höhere Aufwendungen oder für niedrigere Beitrage genutzt werden müssen. Die Erhebung von Beiträgen für eine bestimmte Beitragsperiode rechtfertigt sich nur in dem Umfang, wie sie zur Tragung sonst nicht gedeckter Kosten der Tätigkeit der Kammer erforderlich ist. Es verstößt gegen das Verbot der Gewinnorientierung, wenn die Kammer sehenden Auges Überschüsse erzielt und eine Reaktion erst für eine folgende Beitragsperiode in Aussicht gestellt hat. Dieser Fall ist hier gegeben. Das Präsidium hat dem Plenum vor der Beschlussfassung über den Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan 2011 berichtet (Plenarsitzung v. 3.11.2011, TOP 4 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 7),

102

„dass entgegen der Planung und trotz Senkung des Umlagesatzes auch 2011 mit steigenden Erträgen aus Beiträgen und entsprechenden Überschüssen zu rechnen sei. Deshalb wolle die Handelskammer im nächsten Jahr eine spürbare Senkung der Beiträge vorschlagen.“

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f) Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben. Die Feststellung des Mittelbedarfs für das Geschäftsjahr 2011 ist insgesamt fehlerhaft, weil in Abschnitt I WirtS 2011 überhöhte Rücklagen aufrechterhalten worden sind und ein positives Vorjahresergebnis keiner sachlichen Verwendung zugeführt worden ist (s. o. e)). Wegen dieser Fehler kann die Feststellung des Mittelbedarfs nicht als Maßgabe für die Beitragserhebung dienen. Die in Abschnitt II WirtS 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge ist rechtswidrig und damit rechtsunwirksam, so dass sie keine taugliche Grundlage für eine konkrete Festsetzung der Beiträge bietet. In Übereinstimmung damit hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 11) angenommen, dass bei einem zur Rechtsunwirksamkeit führenden Fehler der Wirtschaftssatzung die konkrete Beitragserhebung insgesamt rechtswidrig ist.

104

II. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten unter Abwendungsbefugnis ist § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO zu entnehmen. Ein Grund, die Revision nach § 132 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zuzulassen, ist nicht gegeben.

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