Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 L 360/02

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 1. Kammer - vom 23.10.2002 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.. Von den Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens tragen die Kläger und die Beigeladenen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweiligen Kostenschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger, Eigentümer einer Wohnung im 2. Obergeschoss eines 1995/1996 errichteten Mehrfamilienhauses auf dem Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung ..., wenden sich gegen die im Januar 1996 beantragte und von der Beklagten durch Bescheid vom 21.02.1997 der Beigeladenen zu 2. erteilte "Genehmigung der Neuanlage eines Friedhofs" auf dem unmittelbar nach Osten sich anschließenden, ca. 1,70 m höher liegenden Flurstück ... (früheres Flurstück ...). Letzteres Grundstück hatte die ehemalige Jüdische Gemeinde Schwerin nach Mitte des vorletzten Jahrhunderts als Erweiterungsfläche für ihren weiter nordöstlich gelegenen Friedhof (heutiges Flurstück ...) erworben und mit einer Trauerhalle und einem kleinen Nebengebäude bebaut.

2

Durch Urteil vom 23.10.2002 hat das Verwaltungsgericht die Genehmigung aufgehoben, weil der Friedhof bei einer Belegung bis zur gemeinsamen Grundstücksgrenze den erforderlichen Abstand zur Wohnbebauung nicht einhalte (weniger als 3 m bis zum rückwärtigen Balkon) und auch die hydrogeologische Eignung des Grundstücks nicht hinreichend geprüft sei.

3

Gegen diese Entscheidung haben die Beklagte, der Beigeladene zu 2. sowie der vom Senat durch Beschluss vom 02.06.2004 (2 O 37/03) - zu 1. - beigeladene Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern Berufung eingelegt.

4

Durch Urteil vom 28.03.2007 hat der Senat die Berufungen der Beigeladenen zu 1. und 2. verworfen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Senat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

5

Auf die nur von Seiten der Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss vom 13.11.2007 das Urteil des Senats vom 28.03.2007 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zurückverwiesen.

6

Gemäß Beschluss vom 14.05.2008 hat der Senat Beweis erhoben, ob und ggfs. in welchem Umfang das Grundstück der Kläger durch flüssige Verwesungsrückstände beeinträchtigt wird, wenn das benachbarte Flurstück ... (früher ...) als Friedhof genutzt und ein Grundstücksstreifen von 10 m Breite entlang der gemeinsamen Grenze von Grabstätten freigehalten wird, durch Einholung eines fachwissenschaftlichen hydrogeologischen Gutachtens der Leiterin des Lehr- und Forschungsbereichs Hydrogeologie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität X., Prof. Dr. Y.. Die Gutachterin ist in der mündlichen Verhandlung des Senats am 03.12.2013 ergänzend angehört worden.

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Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 1. Kammer - vom 23.10.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

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hilfsweise, ihnen einen Schriftsatznachlass von zwei Wochen zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu gewähren.

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Die Beigeladenen stellen (nach der Zurückverweisung) keinen Antrag, unterstützen in der Sache aber das Begehren der Beklagten.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Durch dieses Urteil ist nur noch über die von der Beklagten eingelegte Berufung zu befinden.

15

Über die Berufung der Beigeladenen ist durch das Urteil des Senats vom 28.03.2007 rechtskräftig entschieden worden. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Senats nicht aufgehoben, auch wenn der Tenor des Beschlusses vom 13.11.2007 eine entsprechende Einschränkung nicht enthält. Die Beigeladenen haben gegen das Urteil des Senats kein Rechtsmittel eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nur über das Rechtsmittel der Kläger entschieden, die Gründe des Beschlusses vom 13.11.2007 befassen sich ausschließlich mit dem Rechtsmittel der Kläger (siehe auch den gerichtlichen Hinweis vom 22.01.2008, dem von keiner Seite widersprochen worden ist).

16

Der Senat folgt nicht der von den Klägern erstmals in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung, die Beigeladenen hätten infolge der Zurückweisung ihrer Berufung ihre Beteiligteneigenschaft verloren. Die Zurückweisung der Berufung der Beigeladenen mag dazu geführt haben, dass sie ihre Rechte als Berufungsführer verloren haben; die Voraussetzung für die Beiladung ist damit nicht entfallen, sodass auch keine Veranlassung bestand, den Beiladungsbeschluss aufzuheben.

17

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die der Beigeladenen zu 2. erteilte Genehmigung zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

18

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zunächst zu Recht für zulässig gehalten.

19

a) Die Kläger sind klagebefugt, weil sie geltend machen können, durch die angefochtene Genehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Voraussetzung hierfür ist, dass die anzuwendenden Rechtssätze zumindest auch dem Schutz der Individualinteressen der Kläger zu dienen bestimmt sind. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O. § 42 Rn. 83 m.w.N.). Rechtsgrundlage für den Genehmigungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist die Vorschrift des § 14 Abs. 6 des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Mecklenburg-Vorpommern vom 03.07.1998 (GVOBl. M-V Seite 617 - BestattG M-V).

20

Dieses Gesetz ist vor Erlass des Widerspruchsbescheides in Kraft getreten und hat damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bereits gegolten. Nach § 14 Abs. 6 BestattG M-V bedarf die Einrichtung oder Erweiterung von Friedhöfen der Genehmigung, die die Landräte oder die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte im Benehmen mit den zuständigen Wasserbehörden erteilen; die Genehmigung ist öffentlich bekannt zu geben. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit sind auch die Individualinteressen der Nachbarn u.a. unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, nach der eine Kontrolle der Entscheidung über die Einrichtung und Erweiterung von Friedhöfen wegen ihrer Auswirkungen insbesondere für die Umwelt und die Nachbarschaft geboten ist (vgl. LT-Drucks. 2/3621 vom 18.03.1998, Seite 36). Auch die Entscheidung des OVG Münster vom 26.03.2004 - 19 A 546/02 - (Juris) steht der Bejahung der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, weil in jener Entscheidung lediglich der drittschützende Charakter der Genehmigungspflicht selbst, nicht aber der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu prüfenden Belange verneint und daher die Klage der Nachbarn gegen einen formell illegalen, aber materiell legalen Friedhof abgewiesen wurde.

21

b) Die Klagebefugnis der Kläger bzw. ihr Rechtsschutzbedürfnis kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, einer Genehmigung habe es nicht bedurft, weil es sich um die Wiedereröffnung eines Friedhofs handele. Unabhängig davon, ob dieser Ausgangspunkt zutreffend ist (dazu unter 2. b.), hat der Beklagte eine Genehmigung jedenfalls tatsächlich erteilt; die Beigeladene zu 1. hat ihren Genehmigungsantrag auch nicht etwa im Zusammenhang mit dem Vorbringen zur mangelnden Erforderlichkeit einer Genehmigung wieder zurückgenommen. Die Genehmigung enthält - unabhängig davon, ob es sich in formeller Hinsicht um ein genehmigungspflichtiges Vorhaben handelt - die verbindliche Feststellung der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit des Vorhabens; sie kann daher, wenn diese Feststellung unzutreffend ist, die Rechte der Kläger als Nachbarn verletzen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn an das Vorhaben von vornherein auch keinerlei materiell-rechtliche Anforderungen zu stellen wären. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn auch dann, wenn es - wie die Beigeladenen in diesem Zusammenhang geltend machen - lediglich um die weitere Nutzung eines bereits bestehenden Friedhofs gehen würde, wäre die Nutzung allenfalls in dem bereits in der Vergangenheit zulässigen Umfang - der dann ggf. geklärt werden müsste - rechtmäßig, und könnte im übrigen auch im Hinblick auf die zwischenzeitlich herangerückte Wohnbebauung aus Gründen des Gesundheitsschutzes durch nachträgliche Auflagen einzuschränken sein.

22

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die vom Beklagten auf der Grundlage des § 14 Abs. 6 BestattG M-V erteilte Genehmigung rechtmäßig ist bzw. die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

a) Die Genehmigung ist den Klägern gegenüber wirksam. Zwar ist eine öffentliche Bekanntgabe gemäß § 14 Abs. 6, 2. Halbsatz BestattG M-V nicht erfolgt. Das Inkrafttreten dieser Vorschrift erst nach Erteilung des Genehmigungsbescheides vermochte diesem die bereits eingetretene Wirksamkeit aber nicht mehr zu nehmen. Unabhängig davon ist die ordnungsgemäße öffentliche Bekanntgabe der Genehmigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung dieses Verwaltungsakts, wie dies bei der Verkündung einer Rechtsnorm der Fall wäre. Da die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts nur die konkret-individuelle Bekanntgabe an einzelne Betroffene ersetzen soll, kann ein entsprechender Mangel keine weiter gehende Wirkung haben als die nicht ordnungsgemäße konkret-individuelle Bekanntgabe eines Verwaltungsakts, die lediglich dazu führt, dass der Verwaltungsakt einem konkreten Betroffenen gegenüber nicht wirksam wird (vgl. § 43 Abs. 1 VwVfG M-V). Ist diesem gegenüber aber eine konkret-individuelle Bekanntgabe erfolgt, so wirkt sich insoweit das Fehlen der öffentlichen Bekanntgabe nicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1982 - 5 C 46/81 - Buchholz 424.01 § 110 FlurbG Nr. 4 betr. die öffentliche Bekanntmachung eines Flurbereinigungsbeschlusses). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil eine individuelle Bekanntgabe der Genehmigung an die Kläger jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid erfolgt ist.

24

b) Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Genehmigung ist § 14 Abs. 6 BestattG M-V. Nach dieser Vorschrift bedarf die Einrichtung oder Erweiterung von Friedhöfen der Genehmigung. Diese Genehmigungspflicht gilt auch für das Vorhaben der Beigeladenen, unabhängig davon, ob es sich entsprechend dem Antrag um die Wiedereröffnung oder entsprechend der erteilten Genehmigung um die Neuanlage eines Friedhofs handelt. Ein offener Friedhof besteht jedenfalls derzeit nicht.

25

Es spricht viel dafür, dass die streitige Fläche des heutigen Flurstücks ... zu einem früheren Zeitpunkt mit dem nordöstlich gelegenen heutigen Flurstück ... einen einheitlichen Friedhof gebildet hat. Nachdem sich der Friedhof ursprünglich nur auf dem Flurstück ... bzw. nördlich davon befand, wurde zu Erweiterungszwecken die hier betroffene Fläche hinzuerworben. Allerdings bestehen derzeit nach dem eigenen Vortrag der Beigeladenen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass auf der Fläche auch Bestattungen erfolgten; anderenfalls wäre aus Gründen des jüdischen Kirchenrechts eine (erneute) Nutzung als Friedhof gar nicht möglich. Für eine Zugehörigkeit der Fläche zum Friedhof ist dies jedoch auch nicht erforderlich. Eine Fläche erhält dadurch rechtlich die Eigenschaft eines öffentlichen Begräbnisplatzes, dass sie durch konkludente Handlung in nach außen erkennbarer Weise ihrer Bestimmung als öffentlicher Begräbnisplatz übergeben (gewidmet) und tatsächlich in Dienst gestellt wird (zu diesen Krit. vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 05.02.1985 - 7 A 28/84 -, AS 19, 241, 244, m.w. N.). Zuständig für die Widmung ist der Träger des Friedhofs (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- u. Bestattungsrechts, 9. Aufl. 2004, S. 35). Kirchliche Friedhöfe werden regelmäßig anlässlich der ersten Bestattung durch ihre nach dem jeweiligen Ritus erfolgende Weihe ihrer Zweckbestimmung übergeben (vgl. Gaedke, a.a.O.). Es spricht viel dafür, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind. Insbesondere hat der amtierende Landesrabbiner erklärt, dass die Errichtung einer Trauerhalle auch in der Vergangenheit immer auf geweihtem Friedhofsgelände erfolgt sei. Durch die Errichtung einer Trauerhalle und eines Nebengebäudes sowie die Anlegung einer Allee zum Gräberfeld hin wurde das heutige Flurstück ... auch tatsächlich für Friedhofszwecke in Dienst gestellt.

26

Gehörte das heutige Flurstück ... in der Vergangenheit zum Friedhof, so handelt es sich heute nicht um einen offenen, sondern um einen geschlossenen Friedhof. Die Schließung eines Friedhofs ist dessen Außerdienststellung, auf Grund derer der Friedhof im Hinblick auf die bereits vorgenommenen Bestattungen als solcher bestehen bleibt, aber nicht mehr für weitere Bestattungen genutzt wird. Zuständig für diese Entscheidung ist der Friedhofsträger (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 1 BestattG M-V, LT-Drucks. 2/3621, S. 38; s. ferner Gaedke, a.a.O. S. 55). Ebenso wie die Widmung kann auch die Schließung stillschweigend erfolgen (vgl. zur Widmung: Gaedke, a.a.O. S. 35). Im vorliegenden Fall kommt allerdings eine Schließung nicht deshalb in Betracht, weil der Friedhof in den Zeiten des Nationalsozialismus verwüstet worden ist. Ebenso erscheint fraglich, ob der Abtrennung des heutigen Flurstücks ... vom nordöstlich gelegenen Gräberfeld auf dem Flurstück ... durch den Bau der Z.-Straße zwischen den beiden Grundstücken in den 50-er Jahren eine entsprechende Bedeutung zukommt. Maßgeblich ist aber, dass es sich bei dem Gräberfeld auf dem heutigen Flurstück ... um einen geschlossenen Friedhof handelt. Soweit die Beigeladenen Wert auf die Feststellung legen, dass es nicht zwei Friedhöfe gibt - einen offenen und einen geschlossenen -, sondern lediglich einen einheitlichen Friedhof, begründen sie nicht, weshalb der hier betroffene Teil von der Schließung nicht mit erfasst worden sein sollte. Im übrigen liegt auf der Hand, dass ein Friedhof, auf dem nach den eigenen Angaben der Beigeladenen zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mehr als 15 Jahre lang keine Bestattungen mehr erfolgt waren, nicht mehr als offener Friedhof angesehen werden konnte. Auch die Beigeladenen sind offenbar hiervon ausgegangen, als der Beigeladene zu 1. im Rahmen seiner Aufgabe, die geschlossenen jüdischen Friedhöfe in Mecklenburg-Vorpommern zu verwalten, gegenüber dem Beklagten die Wiedereröffnung beantragt hat.

27

Auch eine Wiedereröffnung des Friedhofs ist im vorliegenden Fall nach § 14 Abs. 6 BestattG genehmigungspflichtig. Zwar wird die Wiedereröffnung in dieser Vorschrift - anders als in den Bestattungsgesetzen anderer Bundesländer (vgl. jeweils § 1 Abs. 3 Satz 1 der Bestattungsgesetze von Rheinland-Pfalz und Sachsen, zit. nach Gaedke, a.a.O. S. 536 und 576) - nicht als genehmigungspflichtiger Tatbestand genannt. Die Wiedereröffnung steht aber im Hinblick auf die betroffenen Interessen und die Erforderlichkeit einer Prüfung dann der Neuanlage eines Friedhofs gleich, wenn sich zwischenzeitlich die Umgebungssituation maßgeblich geändert hat. Dies ist hier im Hinblick auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft erfolgte Bebauung der Fall. Dass es sich bereits um ein Friedhofsgelände handelt, ist im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung zu Gunsten einer Wiedereröffnung zu berücksichtigt. Dabei geht es auch um den Schutz des rechtlichen Erbes, nämlich die Erhaltung der historischen, kulturellen und religiösen Wurzeln eines Gebiets (vgl. EGMR, Urteil vom 29.03.2011 - 33 949/05 -, NVwZ 2012, S, 353, Rdnr. 64).

28

c) Diejenigen Voraussetzungen einer Genehmigung gemäß § 14 Abs. 6 BestattG, die zumindest auch den Schutz der Kläger bezwecken, sind hier erfüllt. Zwar enthält die Vorschrift keine ausdrücklichen materiell-rechtlichen Vorgaben für die Erteilung der Genehmigung. Diese können aber aus dem Sinn und Zweck der Regelung und aus den Gesetzesmaterialien ermittelt werden.

29

aa) Nach der Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 6 BestattG M-V (LT-Drucksache 2/3621, Seite 36) ist wichtige Voraussetzung für das Anlegen eines Friedhofs das Vorhandensein von geeigneten Grundwasser- und Bodenverhältnissen, weshalb die zuständige Wasserbehörde in das Genehmigungsverfahren einzubeziehen ist. Ferner sind gesundheitliche Gefahren zu vermeiden, die von dem Friedhof ausgehen können; deshalb ist das Gesundheitsamt zu beteiligen. Auch soweit es hier um eine Wiedereröffnung des Friedhofs geht, ist gleichwohl eine erneute Prüfung veranlasst, weil die etwaigen gesundheitlichen Gefahren sich durch die Veränderung der Umgebungssituation - nämlich die in der unmittelbaren Nachbarschaft erfolgte Bebauung - geändert haben können.

30

Nach dem Ergebnis der erfolgten Prüfung bestehen keine gesundheitlichen Gefahren für die Kläger. Das Gesundheitsamt ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens beteiligt worden und war auch bei der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens durchgeführten Ortsbegehung vertreten; von dort sind keine Bedenken geäußert worden. Die untere Wasserbehörde hat im Genehmigungsverfahren mitgeteilt, der obere Grundwasserstand müsse 3,00 m unter der Erdoberfläche, mindestens aber 0,50 m unter der Grabsohle liegen, und hat ferner zur weiteren Prüfung die Vorlage eines geologischen Gutachtens verlangt. Die Beigeladene zu 1. hat das Gutachten der G. GmbH eingereicht, nach dem die von der Wasserbehörde formulierte Voraussetzung hinsichtlich des Grundwasserstandes erfüllt ist und aus geologisch/hydrogeologischer Sicht keine Bedenken gegen den Standort bestehen. Das Gutachten stützt sich auf dokumentierte Bohrungen in der näheren Umgebung, von denen eine im Jahre 1963 unmittelbar auf dem Grundstück erfolgt ist. Auf dieser Grundlage hat die untere Wasserbehörde dem Vorhaben zugestimmt und hieran auch unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht geäußerten Bedenken festgehalten, zu denen sie ausführlich Stellung genommen hat. Insbesondere hat die Wasserbehörde die Gefahr eines Flüssigkeitstransportes auf das klägerische Grundstück verneint.

31

Das im behördlichen Genehmigungsverfahren eingeholte Gutachten wird, soweit es um die von den Klägern befürchteten Beeinträchtigungen ihres Grundstücks durch flüssige Verwesungsrückstände geht, bestätigt durch das vom Senat eingeholte und mit Schreiben vom 03.02.2009 vorgelegte Gutachten. Es kommt zu dem Ergebnis, dass eine Belastung der benachbarten Grundstücke durch austretendes Wasser, welches zuvor Kontakt mit den Gräbern hatte, ausgeschlossen sei. Um am Hang des Grundstücks der Kläger auszutreten, müsste das Wasser nach der Durchsickerung der Gräber aufwärts gerichtet fließen. Dies sei auf Grund der hydrogeologischen Situation nicht möglich.

32

Der Senat hat keine Bedenken, den Ausführungen der Gutachterin zu folgen. Sie hat u. a. durch Schreiben vom 21.07.2011 ergänzende Erläuterungen gegeben und ist auch bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen bei der von ihr zuvor vertretenen Auffassung geblieben. Ihre fachwissenschaftlich begründeten Darstellungen sind in sich widerspruchsfrei und sind von ihr durch anschauliche Beispiele in der mündlichen Verhandlung verdeutscht worden. So hat sie etwa - auch für Laien verständlich - dargestellt, dass sie auf dem Friedhofsgelände eine Niederschlagssimulation durchgeführt habe, die mit den Regenfällen vergleichbar gewesen sei, wie sie sich kürzlich auf Sardinien ereignet hätten. Allerdings hat die Gutachterin auf Befragen der Kläger auch eingeräumt, dass sie keine für alle Zeiten geltende hundertprozentige Sicherheit garantieren könne ("in der Geologie ist alles möglich"). Auf dieses Maß an Sicherheit kommt es aber hier nicht an. Es ist den Klägern zuzumuten, dieses minimal-theoretische Restrisiko zu tragen. Im Rahmen des zwischen der Friedhofsnutzung und der Wohnnutzung gebotenen Interessenausgleichs haben die Beigeladenen sich schon mit einem Sicherheitsabstand von 10 Metern einverstanden erklärt, der den Abstand, den das auf dem Grundstück der Kläger errichtete Gebäude einhält, um mehr als das Doppelte überschreitet (siehe Protokoll der Senatssitzung vom 28.03.2007). Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass zu der Zeit, als das Wohnhaus errichtet wurde, das Friedhofsgelände immer noch durch eine dort stehende Trauerhalle mit Nebengebäude im Sinne einer entsprechenden Nutzung vorgeprägt war (vgl. hierzu auch: EGMR, a.a.O., Rn. 67). Danach kann auch unterstellt werden, dass - wie die Kläger u. a. mit Schriftsatz vom 12.03.2010 vortragen - "Wasser aus dem Boden in den Keller" ihres Gebäudes eingetreten ist. Ausgehend von den bereits dargestellten unterirdischen Strömungsverhältnissen kann es sich dabei nicht um Wasser handeln, das zuvor Kontakt mit dem Bereich hatte, in dem Grabstellen vorgesehen sind. Auch dass die Feuchtigkeitserscheinungen nur auf der dem Friedhofsgelände zugewandten Seite des Hauses der Kläger auftreten, kann unterstellt werden. Die Sachverständige hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass "Wasser oberflächlich zum Grundstück der Kläger" gelangen kann, aber nur soweit das Friedhofsgelände ein Gefälle zum klägerischen Grundstück aufweist. Auch zu diesem Punkt hat die Sachverständige anschauliche Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung gegeben.

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Soweit die Kläger Bedenken gegen die Verwertung des Gutachtens erheben, folgt dem der Senat nicht. Der Grundsatz der Beteiligtenöffentlichkeit der Beweiserhebung steht der Verwertbarkeit des Gutachtens nicht entgegen.

34

Für die rechtliche Bewertung dieser Frage ist von § 97 S. 1 VwGO auszugehen, wonach die Beteiligten von allen Beweisterminen benachrichtigt werden und der Beweisaufnahme beiwohnen können. Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für die Beweisaufnahme durch das Gericht und nicht für die Ermittlung von Tatsachen durch den Sachverständigen zur Vorbereitung seines Gutachtens, kann aber auf Sachverhaltsermittlungen durch den Sachverständigen, insbesondere Ortsbesichtigungen, entsprechend anzuwenden sein. Aus der gem. § 98 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren Regelung des § 404 a Abs. 4 ZPO folgt außerdem, dass das Gericht zu bestimmen hat, wann der Sachverständige den Beteiligten die Teilnahme an seinen Ermittlungen zu gestatten hat. Wegen des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens kann das Gericht im Regelfall, insbesondere bei der Besichtigung von Örtlichkeiten sein Ermessen nur dadurch ordnungsgemäß ausüben, dass es dem Sachverständigen aufgibt, die Teilnahme der Beteiligten zu gestatten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.04.2006 - 8 B 91/05 -, Rn. 5, zitiert nach juris). Ausnahmen von der Regel sind z.B. zugelassen worden, wenn es um eine wissenschaftliche Recherche ging, Persönlichkeitsrechte von Beteiligten höherrangig waren oder die Gutachtertätigkeit durch die Anwesenheit von Beteiligten behindert worden wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2008 - 8 W 57/08 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11 05.1999 - 7 A 11770/99 -, zitiert nach juris). Im vorliegenden Verfahren war es auf Grund der Besonderheiten des Falles nicht geboten, den Beteiligten zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte die Anwesenheit im Termin zu ermöglichen. Das Gericht hat von seinem Ermessen nach § 404 a Abs. 4 ZPO in der Weise Gebrauch gemacht, dass es der Sachverständigen eine entsprechende Anweisung nicht erteilt hat. Dies kommt mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Anschreiben vom 19.05.2009 an die Sachverständige, von dem die Beteiligten zeitgleich Abschriften zur Kenntnis erhalten haben, zum Ausdruck. Darin wird an die Sachverständige eine Bitte des Beigeladenen zu 1. weitergegeben, deren stellvertretenden Vorsitzender sowie den Landesrabbiner "zu Beginn der technischen Untersuchungen zu informieren." Dies ging zurück auf entsprechende Schreiben des Beigeladenen zu 1. vom 30.04.2008, in denen auf die Zuständigkeit des Landesrabbiners in "religiösen Fragen" hingewiesen wurde. Außerdem heißt es in dem gerichtlichen Schreiben vom 19.05.2008, dass "auch die Kläger ... sowie die jüdische Gemeinde Schwerin entsprechend vorab informiert werden" sollten, wobei deren Namen und Anschriften, nicht aber die ihrer Prozessbevollmächtigten genannt wurden. Dabei ging es dem Gericht erkennbar nicht um die Ermöglichung von prozessualen Mitwirkungsrechten, sondern darum, das Betreten der Grundstücke und die Durchführung der technischen Arbeiten durch die Sachverständige sicher zu stellen. Das Gericht hatte zuvor, nämlich mit Schreiben vom 02.04.2008 sowohl die Kläger als auch die Beigeladenen "um ihr Einverständnis für evtl. Untersuchungen vor Ort gebeten." Dieses Einverständnis ist auch von beiden Seiten erteilt worden.

35

Dass es dem Gericht nicht um prozessuale Mitwirkungsrechte gegangen ist, ergibt sich auch daraus, dass von einer Benachrichtigung der Beklagten keine Rede war und dass der Sachverständigen nicht aufgegeben worden ist, die Prozessbevollmächtigten der anderen Beteiligten zu informieren. Die Information der Kläger (persönlich) war also lediglich vorsorglich erwähnt worden, für den Fall, dass auch auf ihrem Grundstück technische Untersuchungen durchgeführt würden, was aber nicht geschehen ist.

36

Ergänzend ist anzumerken, dass es nicht um eine Ortsbesichtigung gegangen ist, sondern um technische Untersuchungen zur Vorbereitung der Feststellungen der hydrogeologischen Verhältnisse. Es mag sogar fraglich sein, ob für die Entnahme von Bodenproben usw. überhaupt die Anwesenheit der Sachverständigen selbst erforderlich war. Möglicherweise hätten die Bohrungen usw. auch an Hand der Markierungen in einem Lageplan (vgl. S. 4 des Gutachtens) von entsprechend geschulten Hilfskräften vorgenommen werden können. Soweit es für die Beteiligten von Interesse sein könnte, ihre Meinung etwa zu der Anzahl und der Platzierung oder der Tiefe der Bohrungen zu äußern, was aber in ihrem Vortrag nicht zum Ausdruck kommt, ist nicht zu erkennen, dass solche Stellungnahmen nicht schon vor Beginn der Beweisaufnahme oder aber auch nachträglich effektiv möglich gewesen wären.

37

Wenn die Ermessensbetätigung durch das Gericht einen Verfahrensfehler darstellen sollte, könnten die Kläger ihn nach Vorlage des Gutachtens nicht mehr rügen. Mit der Beweisaufnahme ist erst Monate nach dem Beweisbeschluss und der zeitgleich erfolgten Übersendung des bereits erwähnten Begleitschreibens begonnen worden, so dass die Kläger hinreichend Gelegenheit hatten, darauf aufmerksam zu machen, dass sie zur Wahrnehmung prozessualer Mitwirkungsrechte darauf Wert legten, beim Ortstermin anwesend zu sein. Das Rügerecht durfte nicht aufgespart werden, um je nach dem Ergebnis der Begutachtung von ihm Gebrauch zu machen.

38

Die Rüge des (unterstellten) Verfahrensfehlers ist den Klägern aus einem weiteren Grund verwehrt: Aus der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.04.2006 ergibt sich, dass ein Gutachten nur dann nicht verwertbar ist, wenn der Verfahrensfehler nicht heilbar ist, etwa indem ein Ortstermin unter Teilnahme der Beteiligten nachgeholt wird (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 4). Diese Möglichkeit ist hierdurch die gerichtliche Verfügung vom 18.02.2009 auch aufgezeigt, von den Klägern aber mit Schriftsatz vom 25.02.2009 nicht für sinnvoll erachtet worden. Die dafür gegebene Begründung erweist sich als nicht stichhaltig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Sachverständige etwa verschließen sollte, weitere technische Untersuchungen durchzuführen, wenn es dafür sachliche Gründe geben würde.

39

Soweit es um eine eventuelle Befangenheit der Sachverständigen geht, ist auf die zwischenzeitlich ergangenen Senatsentscheidungen zu verweisen. In ihnen ist geklärt, dass die Sachverständige nicht befangen ist. Gründe, hiervon abzuweichen, sind von keiner Seite geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

40

Es besteht keine Veranlassung für eine gutachterliche Klärung der Frage, ob aus mikrobiologischer Sicht Beeinträchtigungen des Grundstücks der Kläger zu erwarten sind. Soweit die Kläger insoweit Vermutungen äußern, geben diese keine Anhaltspunkte für tatsächlich zu erwartende Auswirkungen. Auch das - wie erwähnt - im Genehmigungsverfahren beteiligte Gesundheitsamt hat in dieser Hinsicht keine Bedenken geäußert. Es mag sein, dass, wie die Kläger etwa mit Schriftsatz vom 12.03.2010 vortragen, "Viren eine Strecke von 10 m zurücklegen können." Dafür, dass dies ohne entsprechende unterirdische Strömungsverhältnisse und zudem zum Teil aufwärts geschehen könnte, ergeben sich aber aus dem Vortrag der Kläger sowie auch aus der von ihnen vorgelegten Studie "Bodenbeschaffenheit und Zersetzungsproblematik auf Friedhöfen" keine Anhaltspunkte.

41

bb) Bei der Erteilung der Genehmigung gemäß § 14 Abs. 6 BestattG sind ferner auch die Nutzungsinteressen der Eigentümer der Nachbargrundstücke und der Gesichtspunkt der Vermeidung von Nutzungskonflikten zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich der Sache nach um den selben Gesichtspunkt, den das Verwaltungsgericht mit der Frage nach einem der Vorschrift des § 14 Abs. 6 BestattG M-V im Wege der Auslegung zu entnehmenden Abstandserfordernis angesprochen hat. Der erforderliche Ausgleich der Nutzungsinteressen ist hier jedoch im Hinblick auf das Grundstück der Kläger dadurch hinreichend erfolgt, dass - wie in der bereits erwähnten früheren mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist - ein Grundstücksstreifen von 10 m Breite entlang der gemeinsamen Grenze von Bestattungen freizuhalten ist.

42

Soweit die Kläger gegen die Nutzung des Nachbargrundstücks als Friedhof einwenden, das Wohnen in unmittelbarer Nähe von beerdigten Toten und das Miterleben von Beerdigungen sei ihnen nicht zumutbar, sind diese Einwände subjektiv-emotionaler Natur und daher rechtlich nicht berücksichtigungsfähig. Unzuträgliche Immissionen gehen von der Nutzung des Friedhofsgrundstücks im Hinblick auf die geringe Häufigkeit und Dauer von Beerdigungen sowie die Zeitpunkte, zu denen diese regelmäßig stattfinden, nicht aus.

43

Soweit im Hinblick auf das Ruhebedürfnis des Friedhofs Nutzungskonflikte entstehen können - in diesem Zusammenhang spielt sowohl die Annahme des Verwaltungsgerichts eine Rolle, aus der benachbarten Friedhofsnutzung ergäben sich für die Kläger Einschränkungen der zulässigen Grundstücksnutzung, als auch der Hinweis der Kläger auf moralisch-ethische Gesichtspunkte, die der Gesetzgeber bei Erlass des Bestattungsgesetzes im Blick gehabt habe (vgl. LT-Drucks. 3/3621 S. 19) -, ist dem allerdings im Sinne einer gegenseitigen Rücksichtnahme Rechnung zu tragen (zum Rücksichtnahmegebot im Bauplanungsrecht vgl. Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., Stand: 09/06, vor §§ 29 ff. Rn. 27 ff.). Bei der erforderlichen Abwägung der wechselseitigen Interessen kann hier keine der beiden Nutzungen einen generellen Vorrang beanspruchen. Die Kläger haben ihr Wohngebäude auf der Grundlage einer wirksamen Baugenehmigung errichtet, gegen die die Beigeladenen seinerzeit keine Abwehransprüche erhoben haben. Andererseits ist zu Gunsten der Beigeladenen zu berücksichtigen, dass es sich um ein Grundstück handelt, das - wie schon erwähnt - jedenfalls durch die dort stehende Trauerhalle mit Nebengebäude im Sinne einer entsprechenden Nutzung vorgeprägt ist. Vor diesem Hintergrund reicht es zur Vermeidung von Nutzungskonflikten aus, dass ein Grundstücksstreifen von 10 m Breite entlang der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Kläger von Grabstätten freizuhalten ist. Damit übernehmen die Beigeladenen mit ihrer später (wieder) aufgenommenen Nutzung mehr als zwei Drittel des Abstandes zwischen den Grabstätten einerseits und der Wohnbebauung andererseits. Die Freihaltung eines breiteren Streifens würde für die Beigeladenen eine erhebliche Einschränkung bedeuten, weil das Friedhofsgrundstück ohnehin lediglich eine Breite von etwa 35 m aufweist. Einen größeren Abstand zu fordern, besteht unter Rücksichtnahmegesichtspunkten auch kein Anlass, zumal auch ausdrückliche Abstandsvorschriften eines anderen Bundeslandes einen solchen Abstand ausreichen lassen. So sieht das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg (Gesetz vom 21.07.1970, GBl. S. 395; aktuelle Fassung in Juris) vor, dass neu entstehende Wohnbebauung von der Friedhofsgrenze (lediglich) einen Abstand von 10 m - mit Ausnahmemöglichkeit - zu halten hat ("Passivabstand", § 8 Abs. 1 und Abs. 2). Die frühere Regelung, dass bei Anlegung oder Erweiterung eines Friedhofes ein Abstand von 25 m von der benachbarten Wohnbebauung einzuhalten sei (zit. bei Gaedke a.a.O. S. 305), ist zwischenzeitlich dahingehend geändert worden, dass nunmehr nur noch ein "ausreichender Abstand" u.a. zu Gebäuden und überbaubaren Grundstücksflächen verlangt wird ("Aktivabstand", § 3).

44

cc) Weitere auch dem Schutz der Kläger dienende Belange sind nicht erkennbar. Die Erteilung der Genehmigung steht auch nicht im Ermessen der Behörde; es handelt sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung. Eine Planungsentscheidung, für die das Gebot der planerischen Abwägung gelten würde, liegt ebenfalls nicht vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.10.1990 - 7 C 55,56.89 -, BVerwGE 85, 368 betr. eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung).

45

Dem von den Klägern hilfsweise gestellten Antrag auf Gewährung von Schriftsatznachlass zu den Ausführungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war nicht zu entsprechen.

46

Allerdings gebietet es der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG), den Prozessbeteiligten Gelegenheit zu geben, zu allem für die Entscheidungen erheblichen Vorbringen Stellung zu nehmen. Grundsätzlich hat dies aber in der mündlichen Verhandlung zu geschehen. Das heißt, dass in der Regel von einer Prozesspartei zu erwarten ist, sich sogleich auf das Vorbringen etwa der Gegenseite zu äußern. Dies gilt auch im Falle einer Beweisaufnahme. Erfolgt - wie hier - die Beweisaufnahme vordem Prozessgericht, so ist der Termin, in dem die Beweisaufnahme stattfindet, zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt (vgl. §§ 173 VwGO, 370 Abs. 1 ZPO). Dies bedeutet auch, dass sich die Beteiligten nach der Beweisaufnahme abschließend äußern und das Gericht danach berät und entscheidet. Hiervon wäre nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn es den Klägern nicht zuzumuten gewesen wäre, zu den Ausführungen der Gutachterin noch in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. Dass der Fall so liegen würde, ist nicht ersichtlich. Die Thematik war für alle nicht neu. Die Gutachterin hat ihr Gutachten weiträumig vor der mündlichen Verhandlung vorgelegt und auch bereits durch Schriftsatz vom 21.07.2011 ergänzend erläutert. Die Anhörung der Gutachterin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat diente insbesondere dazu, den Beteiligten im Rahmen der Gehörsgewährung zu ermöglichen, ergänzende Rückfragen zu stellen, wie dies insbesondere auch von Seiten der Kläger geschehen ist. Die Gutachterin hat alle ihr gestellten Fragen beantwortet und ist erst entlassen worden, nachdem keine weiteren Fragen mehr waren. Wenn die Kläger bei den Ausführungen der Gutachterin Verständnisschwierigkeiten gehabt haben sollten, was aber im Übrigen nicht substantiiert dargestellt worden ist, hätte Gelegenheit bestanden, diese Schwierigkeiten noch in Anwesenheit der Gutachterin zum Ausdruck zu bringen. Dass die Gutachterin in der Lage war, ihre fachwissenschaftlichen Erkenntnisse in anschaulicher Form zu erläutern, ist bereits erwähnt worden.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 2 und Abs. 3, 155 Abs. 1, 159 VwGO.

48

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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