Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 2170/16
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 10. September 1972 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige muslimischen Glaubens und trägt aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch. Die Lehrerin begehrt eine Entschädigung, weil sie durch das - vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte - pauschale Kopftuchverbot im nordrhein-westfälischen Schulgesetz unzulässig benachteiligt worden sei.
3Nach dem Abitur absolvierte die Klägerin eine Ausbildung als Industriekauffrau und nahm dann das Studium der Betriebswirtschaftslehre auf, das sie am 15. Februar 2004 mit der Diplomprüfung (Note 3,3) abschloss. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2004 wurde ihre Diplomprüfung als 1. Staatsprüfung für das Lehramt an Berufskollegs in den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaft und Handel/Betriebswirtschaftliche Steuerlehre mit der Note befriedigend (3,3) anerkannt. Am 1. Februar 2005 erfolgte ihre Ernennung zur Studienreferendarin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Nach Ableistung des Vorbereitungsdienstes bestand sie am 31. Mai 2007 die 2. Staatsprüfung für das Lehramt an Berufskollegs mit der Note befriedigend (3,3). Im Zeitraum von November 2007 bis Dezember 2009 arbeitete die Klägerin als Nachhilfelehrerin für eine private Institution, bei der sie ein Kopftuch tragen durfte. Vom 8. Februar 2010 bis 6. September 2011 war sie mit unterschiedlichen Stundenanteilen befristet als Vertretungslehrerin am O. -C. -Berufskolleg in G. tätig, nachdem sie mit der dortigen Schulleiterin vereinbart hatte, im Unterricht statt eines Kopftuchs eine Perücke zu tragen. In der Zeit von 2009 bis 2011 hatte die Klägerin sich erfolglos bei verschiedenen Schulen beworben. Seit dem 7. September 2011 ist die Klägerin als tarifbeschäftigte Lehrerin für den herkunftssprachlichen Unterricht in türkischer Sprache an verschiedenen Grundschulen im S. -C1. Kreis tätig.
4Unter dem 7. September 2011 beantragte die Klägerin ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Bezirksregierung L. lehnte den Antrag durch Bescheid vom 9. November 2011 mit der Begründung ab, die Klägerin verfüge nicht über die Lehramtsbefähigung für Grund-, Haupt- und Förderschulen, so dass es an den laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis fehle. Die hiergegen beim Verwaltungsgericht L. ;   erhobene Klage (3 K 6404/11) nahm die Klägerin im Dezember 2011 zurück.
5In den Jahren 2012 und 2013 bewarb die Klägerin sich erneut erfolglos auf verschiedene Stellen an Berufskollegs.
6Mit Schreiben vom 11. Mai 2015, eingegangen bei der Bezirksregierung L. am 12. Mai 2015, machte sie Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG wegen einer Benachteiligung durch das sogenannte Kopftuchverbot in § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. geltend. Zur Begründung führte sie aus, das Bundesverfassungsgericht habe laut seiner Pressemitteilung vom 13. März 2015 entschieden, dass diese Regelung verfassungswidrig sei. Sie selbst habe aufgrund des im Jahr 2006 in Kraft getretenen Gesetzes ihren Beruf aufgeben müssen. Nach dem Referendariat sei sie im Jahr 2007 nicht übernommen worden, obwohl nach heutiger Rechtsprechung die Voraussetzungen dafür gegeben gewesen seien. Sie sei jetzt 42 Jahre alt und könne aus diesem Grund nicht mehr verbeamtet werden; jedoch gehe sie davon aus, dass aufgrund der besonderen Umstände ihres Falles eine Ausnahmeregelung möglich sei. Die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches werde sie zu gegebener Zeit beziffern. Eine Bescheidung dieses Begehrens durch die Bezirksregierung L. erfolgte nicht.
7Am 12. August 2015 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht L. 160; Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Sie hätte nach dem Ende ihres Referendariats am O. -C. -Berufskolleg weiterarbeiten können und wäre dann auch verbeamtet worden. Alle anderen Referendare am Berufskolleg, die vor ihr oder auch nach ihr den Abschluss erreicht hätten, seien verbeamtet worden. Bei ihr sei das daran gescheitert, dass sie damals nicht bereit gewesen sei, ihr Kopftuch abzulegen. Es liege eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG vor, da sie allein wegen des Tragens eines Kopftuchs nicht in das Beamtenverhältnis berufen worden sei. Aufgrund der damals geltenden gesetzlichen Regelung, die laut Bundesverfassungsgericht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen sei, wäre sie unter keinen Umständen in den Schuldienst eingestellt worden, selbst wenn sie im Rahmen eines Auswahlverfahrens bestgeeignet gewesen wäre. Es komme daher hier nicht darauf an, ob sie im Auswahlverfahren schlechter abgeschnitten habe als andere Bewerber. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes stehe der Entschädigungsanspruch nicht nur dem bestgeeigneten Bewerber zu. Vielmehr habe jeder Bewerber, der diskriminiert werde, einen Anspruch auf Entschädigung. Dass sie objektiv für eine Einstellung in den Schuldienst und eine Verbeamtung in Betracht gekommen sei, zeigten die Unterlagen zu den Auswahlverfahren aus den Jahren 2012 und 2013.
8Die Klägerin hat beantragt,
9das beklagte Land zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 7.800,00 Euro aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
10Das beklagte Land hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Es hat vorgetragen, das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch zu stützen. Sie habe nicht belegt, dass eine Benachteiligung erfolgt sei. Die übersandte Übersicht über Bewerbungen auf schulscharfe Ausschreibungen in den Jahren 2012 und 2013 zeige, dass die Klägerin jeweils aus anderen Gründen nicht zum Zuge gekommen sei. Dass sie auch dann nicht eingestellt worden wäre, wenn sie sich in den Bewerbungsverfahren als fachlich geeignet erwiesen hätte, sei unerheblich, da die vorgetragene Benachteiligung hypothetisch bleibe.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. September 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil sie nicht den ihr obliegenden Nachweis erbracht habe, dass sie aufgrund ihrer religiösen Überzeugung bei der Stellenbesetzung benachteiligt worden sei. Zunächst habe sie sich überhaupt nicht um eine Einstellung in den öffentlichen Schuldienst beworben. Soweit Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen an Berufskollegs nachgewiesen seien, sei die Klägerin in die Bewerberliste aufgenommen worden und ließen die Begründungen der Auswahlentscheidungen keine Benachteiligung erkennen. Die Bewerbungen seien etwa daran gescheitert, dass die Klägerin aufgrund ihrer Examensnoten über eine zu niedrige Ordnungsnummer verfügt oder bei den Auswahlgesprächen schlechter abgeschnitten habe als konkurrierende Bewerber.
14Auf Antrag der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 7. Februar 2019 die Berufung zugelassen. In der fristgerechten Berufungsbegründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt weiter aus: Nach der Abschlussbeurteilung für das Referendariat 2007 habe die damalige Schulleiterin des O. -C. -Berufskollegs ihr mitgeteilt, wenn sie das Kopftuch ablege, könne sie sofort dort anfangen. Da sie dazu nicht bereit gewesen sei, habe einer Einstellung in den Schuldienst die verfassungswidrige Regelung in § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. entgegengestanden. Deshalb habe sie sich dort nicht bewerben können. Eine Bewerbung oder Anträge auf Verbeamtung könnten, weil sie von vornherein aussichtslos gewesen seien, auch nicht verlangt werden. Die Benachteiligung liege in der gesetzlichen Regelung selbst und nicht darin, dass der Dienstherr den Bewerber im Rahmen eines Auswahlverfahrens wegen einer der in § 1 AGG genannten Gründe aus eigenem Entschluss nicht berücksichtigt habe. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG könne auch auf eine allein aufgrund einer gesetzlichen Regelung bestehende Diskriminierung gestützt werden. Soweit sie auf Bewerbungen Absagen erhalten habe, komme es auf die Gründe nicht an. Ausreichend sei, dass Bewerbungen alleine vor dem Hintergrund des diskriminierenden und deshalb verfassungswidrigen Kopftuchverbots nicht erfolgreich gewesen wären. Sie habe eine (Vertretungs-)Stelle erst erhalten, nachdem sie sich zum Tragen einer Perücke bereit erklärt habe. Es werde zudem bestritten, dass es nach dem Grundsatz der Bestenauslese ausgeschlossen gewesen wäre, dass sie in der Zeit von 2007 bis 2015 eine Stelle entsprechend ihrer Laufbahnbefähigung erhalten hätte. Die geltend gemachte Haftungsprivilegierung des beklagten Landes nach § 15 Abs. 3 AGG scheide aus, weil eine gesetzliche Regelung nicht einer ausgehandelten kollektivrechtlichen Vereinbarung gleichgesetzt werden könne. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG sei eingehalten, weil sie, die Klägerin, erst mit Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 durch Pressemitteilung vom 13. März 2015 Kenntnis von der Benachteiligung durch das verfassungswidrige Gesetz erlangt habe.
15Die Klägerin beantragt,
16unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Das beklagte Land beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Zur Begründung nimmt es Bezug auf sein bisheriges Vorbringen sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend führt es aus: Soweit noch Unterlagen über Bewerbungsverfahren vorlägen, sei die Klägerin nach dem Grundsatz der Bestenauslese nicht zum Zuge gekommen. Überwiegend habe sie sich aufgrund der Ordnungsgruppe, die sich nach den Examensnoten richte, nicht erfolgreich bewerben können. Die Auswahlentscheidungen beinhalteten deshalb kein Indiz für eine erlittene Benachteiligung. Eine solche werde auch mit der Berufungsbegründung nicht konkret nachgewiesen. Die neuen, erstmalig vorgetragenen Tatsachen aus den Jahren 2009 bis 2011 seien verjährt oder jedenfalls verspätet. Eine hypothetische oder abstrakte Diskriminierung durch die gesetzliche Regelung reiche nicht aus. Allein das Bestehen des zweiten Staatsexamens führe nicht dazu, dass der Absolvent eine Stelle im öffentlichen Schuldienst erhalte. Erst infolge einer in benachteiligender Weise erfolgten Ablehnung einer ernsthaften Bewerbung sei ein Entschädigungsanspruch denkbar. Maßgeblich sei der konkrete Ablehnungsgrund. Außerdem greife § 15 Abs. 3 AGG: Im Beamtenrecht trete eine gesetzliche Regelung, bei deren Gesetzgebungsverfahren Personalräte, Verbände und Gewerkschaften beteiligt worden seien, an die Stelle einer kollektiven Vereinbarung. Die Ausführungen zur Frist seien angesichts der seinerzeitigen eindeutigen Rechtslage nicht überzeugend.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22Links">Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
23Die Leistungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
24A. Ein auf die Erstattung eines Vermögensschadens gerichteter Schadensersatzanspruch - sei es aus § 15 Abs. 1 AGG, aus Unionsrecht oder aus nationalem Beamtenrecht - ist nicht Gegenstand des klägerischen Antrags, der ausdrücklich auf eine ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung gerichtet ist. Die Klägerin macht auch keinen konkreten materiellen Schaden, etwa Verdienstausfall für einen bestimmten Zeitraum, geltend. Dies hat sie in der Berufungsverhandlung auf Nachfrage bestätigt.
25tzLinks">B. Hinsichtlich der danach allein begehrten Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens ist die Leistungsklage zwar zulässig, aber unbegründet.
class="absatzRechts">26I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig.
271. Er ist im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO hinreichend bestimmt.
28Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin keinen - grundsätzlich, auch mit Blick auf § 103 Abs. 3 VwGO, erforderlichen - bezifferten Klageantrag formuliert, sondern die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Es ist anerkannt, dass 7; 15 Abs. 2 Satz 1 AGG diese Möglichkeit eröffnet und den Gerichten damit hinsichtlich der Bemessung der Entschädigung einen Spielraum einräumt. Ein solcher besteht auch bei der Gewährung einer Entschädigung wegen immaterieller Schäden nach dem weiter in Betracht kommenden unionsrechtlichen Haftungsanspruch. Die Klägerin hat die für die Bemessung der Höhe des Anspruchs erforderlichen Tatsachen benannt und mit der Aufnahme eines Mindestbetrags in ihren Klageantrag, der sich an den Bezügen und der Obergrenze in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG orientiert, auch eine Größenordnung angegeben.
29Vgl. zum Ganzen BAG, Urteil vom 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 -, NJW 2011, 550 = juris Rn. 16 m. w. N.; BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 -, BVerwGE 158, 344 = juris Rn. 7 und 44, vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 D -, NVwZ-RR 2015, 641 = juris Rn. 15, vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, BVerwGE 150, 234 = juris Rn. 62, und vom 7. September 1989 ‑ 7 C 4.89 -, NVwZ 1990, 162 = juris Rn. 26; Weth, in: Herberger/Martinek u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 15 AGG Rn. 41 und 74.
ss="absatzRechts">302. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens vor Klageerhebung war (jedenfalls) gemäß § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG i. V. m. § 104 Abs. 1 LBG NRW 2009 entbehrlich.
> 313. Die Klagefristbestimmung des § 61b Abs. 1 ArbGG ist im Verwaltungsprozess nicht analog anwendbar. Ihr zufolge muss vor den Arbeitsgerichten eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Eine entsprechende Regelung sehen weder die Verwaltungsgerichtsordnung noch beamtenrechtliche Bestimmungen vor. Für eine analoge Anwendung des § 61b Abs. 1 ArbGG im Verwaltungsprozess fehlt es jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke.
32Vgl. etwa VG Osnabrück, Urteil vom 18. Januar 2017 - 3 A 24/16 -, juris Rn. 19; VG Trier, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 K 556/15.TR -, juris Rn. 40 f.
33Die Frist wäre im Übrigen eingehalten, da die Kl228;gerin mit am 12. Mai 2015 eingegangenem Schreiben bei der Bezirksregierung L. den Anspruch geltend gemacht und am 12. August 2015 Klage erhoben hat.
34II. Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat weder nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG (dazu 1.) noch aus Unionsrecht (2.) einen Anspruch auf eine Entschädigung.
ss="absatzRechts">35Links">1. Der am 18. August 2006 in Kraft getretene und daher hier in zeitlicher Hinsicht anwendbare § 15 AGG bestimmt Folgendes: Nach dessen Absatz 1 Satz 1 ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (Satz 1), die bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (Satz 2).
36Der persönliche Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist zwar eröffnet (a.). Die Anspruchsvoraussetzungen sind aber nicht gegeben (b.).p> 37
a. Der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist in persönlicher Hinsicht eröffnet. Die Klägerin zählt zum anspruchsberechtigten Personenkreis, soweit sie Bewerbungen eingereicht hat (aa.). Das beklagte Land ist Anspruchsgegner (bb.).
38aa. Die Klägerin ist, (nur) soweit sie sich auf Stellenausschreibungen beworben hat, als Bewerberin für ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis gemäß; § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG, § 24 Nr. 1 AGG Beschäftigte im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG.
39(1) Als Beschäftigte gelten nach 7; 6 Abs. 1 Satz 2 AGG auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Besch228;ftigungsverhältnis. Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung, einschließ;lich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, vom sachlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasst. Dabei liegt § 6 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. AGG ein formaler Bewerberbegriff zugrunde; die - hier allerdings nicht in Frage stehende - subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung ist nicht erforderlich.
40Vgl. BAG, Urteil vom 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 -, BAGE 155, 149 = juris Rn. 62.
41Dass die Klägerin nicht Zugang zu einem Arbeitsverhältnis, sondern die Übernahme in das Beamtenverhältnis erstrebte, steht der Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht entgegen. Gemäß § 24 Nr. 1 AGG gelten die Vorschriften des Gesetzes unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für Beamtinnen und Beamte der Länder.
42(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht ausreichend für die Anspruchsberechtigung, dass sie dem durch eine gesetzliche Regelung benachteiligten Personenkreis unterfiel und Bewerbungen deshalb nicht erfolgreich gewesen wären. Angesichts des vorstehend beschriebenen, gesetzlich vorgegebenen formalen Verständnisses setzt der Entschädigungsanspruch gemäß 7; 15 Abs. 2 Satz 1 AGG - wie bei diskriminierenden Stellenanzeigen - in jedem Fall eine Bewerbung voraus.
43Vgl. auch BAG, Urteile vom 21. Februar 2013 - 8 AZR 68/12 -, NJW 2013, 2699 = juris Rn. 40 f., und vom 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 -, NZA 2011, 200 = juris Rn. 31; Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 6 AGG Rn. 3.
44Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des zweiten Abschnitts des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Betroffene in einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis oder beim angebahnten Zugang zu einem solchen vor Benachteiligungen zu schützen. Abgesehen davon setzt § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG das Vorhandensein konkret benachteiligter Personen voraus, denn sowohl diese Sanktionsregelung als auch das mit ihr durchzusetzende Benachteiligungsverbot des § 7 AGG knüpfen an eine Benachteiligung an und nicht an die Gefahr einer solchen.
45Vgl. Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, a. a. O. § 6 AGG Rn. 4 und 5.
46Ohne Bewerbung lässt sich weder eine konkrete Benachteiligung der Klägerin durch den Dienstherrn noch die Einhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG, die mit Ablehnung der Bewerbung bzw. Kenntnis von der Benachteiligung beginnt, feststellen. Die von der Klägerin vertretene Auffassung führte im Übrigen zu einer unüberschaubaren und gerade für private Arbeitgeber unvertretbaren Ausdehnung des Kreises der Anspruchsberechtigten.
47Dies zugrunde gelegt, kann die Klägerin auch mit ihrem Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB nicht durchdringen, wonach ein Amtshaftungsanspruch nicht besteht, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Während es dabei der Sache nach um mitwirkendes Verschulden geht, ist die Bewerbereigenschaft nach der gesetzlichen Regelung anspruchsbegründende Voraussetzung für den - verschuldensunabhängigen - Haftungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG.
48(3) Soweit die Klägerin sich ausweislich der im erstinstanzlichen Klageverfahren eingereichten Übersicht der Bezirksregierung (Blatt 39 der Gerichtsakte) sowie der im Berufungsverfahren vorgelegten Ablehnungsschreiben und sonstigen Unterlagen in den Jahren 2007 sowie 2009 bis 2013 auf schulscharfe Ausschreibungen beworben hat, zählt sie als Bewerberin für ein Beamtenverhältnis zu den in persönlicher Hinsicht Anspruchsberechtigten.
49Hingegen hat die Klägerin nicht plausibel dargelegt, sich im Jahr 2007 - über die nachgewiesene Bewerbung an einer anderen Schule hinaus - am O. -C. -Berufskolleg beworben zu haben. Sie hat lediglich vorgetragen, nach der Abschlussbeurteilung für das Referendariat habe die damalige Schulleiterin ihr mitgeteilt, wenn sie das Kopftuch ablege, könne sie sofort dort anfangen. Dass eine konkrete Stelle dort ausgeschrieben war und sie sich auf eine solche beworben hat, ergibt sich daraus nicht. Das Fehlen einer Bewerbung wird bestätigt durch ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 1. Oktober 2019, sie habe sich aufgrund des bestehenden Kopftuchverbots nach ihrem Referendariat im Juni 2007 nicht an der Schule bewerben können.
50bb. Das beklagte Land ist als möglicher Dienstherr der Klägerin nach § 6 Abs. 2 Satz 1, § 24 Nr. 1 AGG Arbeitgeber und damit passivlegitimiert. Arbeitgeber sind nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Darunter fällt auch das beklagte Land als Dienstherr. Dies entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben. Die Richtlinie 2000/78/EG, deren Umsetzung § 15 AGG dient, erfasst nach ihrem Art. 3 Abs. 1 sämtliche Arbeitgeber, private wie öffentliche.
hts">51Vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u. a. -, NVwZ 2014, 1294 = juris Rn. 36; BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 -, a. a. O. Rn. 19.
52b. Die Anspruchsvoraussetzungen sind nicht erfüllt.
53Voraussetzung für den - im Unterschied zu § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG - verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Erforderlich ist danach ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG (aa.). Ein solcher liegt im Streitfall nicht vor, weil zwischen dem nur in Betracht kommenden Grund der Religion (bb.) und der abweichenden Behandlung der erforderliche Kausalzusammenhang nicht besteht (cc.).
54aa. Der Haftungsanspruch aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG voraus. Zwar wird dieser Verstoß nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, BVerwGE 139, 135 = juris Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 8. Februar 2017 - 3 A 80/16 -, juris Rn. 30; BAG, Urteile vom 17. August 2010 ‑ 9 AZR 839/08 -, a. a. O. Rn. 25, sowie vom 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 -, NZA 2010, 383 = juris Rn. 14; von Roetteken, in: von Roetteken, AGG, 63. Update September 2019,   § 15 Rn. 311.
56Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Benachteiligung im Sinne des Benachteiligungsverbots des § 7 Abs. 1 AGG ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist. Nicht erforderlich ist, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, a. a. O. Rn. 17.
58Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
59Die Klägerin ist mit Blick auf ihre nachgewiesenen Bewerbungen aus den Jahren 2007 sowie 2009 bis 2013 weniger günstig behandelt worden als die letztlich ausgewählten Mitbewerber, da sie nicht eingestellt und demzufolge auch nicht in das Beamtenverhältnis übernommen worden ist.
60Auf die Frage, ob die Klägerin nach dem Bestenauslesegrundsatz hätte ausgewählt werden können, kommt es schon mit Blick auf § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nicht an. Danach darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG erforderliche vergleichbare Situation setzt bei Stellenbesetzungen auch nicht voraus, dass der Bewerber - was hier nicht in Frage steht - für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet ist.
hts">61Vgl. BAG, Urteile vom 23. November 2017 - 8 AZR 372/16 -, NZA-RR 2018, 287 = juris Rn. 12 ff., und vom 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 -, a. a. O. Rn. 22 ff. m. w. N. (auch zur Aufgabe der früheren gegenteiligen Rspr.).
62bb. Zu den Gründen, aus denen nach § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG eine Benachteiligung verboten ist, gehört das hier allein in Betracht kommende Merkmal der Religion.
63Die Religionsausübung ist mit dem pauschalen Kopftuchverbot nach § 57 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW in der Fassung des Ersten Gesetzes zur 96;nderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Juni 2006 (GV. NRW. S. 270, im Folgenden: SchulG NRW a. F.) betroffen, soweit ein Bewerber oder Beschäftigter das Tragen eines Kopftuchs nachvollziehbar mit einem als verpflichtend empfundenen religiösen Gebot begründet.
64Vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. November 2018 - 7 Sa 963/18 -, NZA-RR 2019, 280 = juris Rn. 44 f.
65§ 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. bestimmte: Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören (Satz 1). Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt (Satz 2). Ferner bestimmte § 57 Abs. 6 Satz 1 SchulG NRW a. F., dass die Einstellung einer Lehrerin oder eines Lehrers als persönliches Eignungsmerkmal voraussetzt, dass sie oder er die Gewähr f2;r die Einhaltung der Bestimmungen des Absatzes 4 in der gesamten voraussichtlichen Dienstzeit bietet.
66Eine auf diese Vorschriften gestützte unterschiedliche Behandlung allein deshalb, weil eine Bewerberin aus religiösen Gründen im Unterricht ein Kopftuch zu tragen beabsichtigte, wäre nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt gewesen. Nach dieser Vorschrift ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Daran fehlte es hier ausgehend vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 -, BVerfGE 138, 296 = juris Rn. 80 ff., wonach das pauschale Kopftuchverbot verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht entspricht.
67So auch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. November 2018 - 7 Sa 963/18 -, a. a. O. Rn. 44 ff. (zum Berliner Neutralitätsgesetz).
68Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW a. F. mit Blick auf das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungskonform auszulegen. Ein Verbot religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild, das bereits die abstrakte Gefahr einer Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausreichen lässt, ist danach im Hinblick auf die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Pädagogen jedenfalls unangemessen und damit unverhältnismäßig, wenn die Bekundung nachvollziehbar auf ein als verpflichtend empfundenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Das Tragen eines Kopftuchs oder eines sonstigen religiös konnotierten Kleidungsstücks oder Symbols darf einer Lehrkraft nur verboten werden, wenn von diesem im Einzelfall eine hinreichend konkrete Gefährdung für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgeht.
atzLinks">cc. Die erforderliche haftungsbegründende Kausalität (dazu (1)) zwischen der unterschiedlichen Behandlung und der Religion fehlt im Streitfall ((2)). Diese wäre nur dann gegeben, wenn das beklagte Land die Klägerin deshalb nicht in den Schuldienst und ins Beamtenverhältnis übernommen hätte, weil sie aus religiösen Gründen ein Kopftuch trug.
70(1) Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG erfordert, dass die Benachteiligung "wegen" eines solchen Grundes erfolgt ist. In Bezug auf den Nachweis der Kausalität kommt dem durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Geschützten die Beweiserleichterung des § 22 AGG zugute. Nach dieser Vorschrift muss die Beschäftigte oder der Beschäftigte Indizien (sog. Vermutungstatsachen) vortragen und beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. § 22 AGG senkt das Beweismaß. Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Der erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das jeweilige Merkmal anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Dabei genügt die Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit - nach allgemeiner Lebenserfahrung - für die Kausalität zwischen Grund und Nachteil. Im Falle der vermuteten Kausalität trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierfür muss er Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 AGG genannten Gründe sein benachteiligendes Verhalten tatsächlich weder als negatives noch als positives Kriterium allein oder neben anderen Gründen (mit)beeinflusst haben, d. h. dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, a. a. O. Rn. 25 ff.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8. Juni 2018 - 2 A 11817/17 -, DVBl. 2019, 40 = juris Rn. 33 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 25. Februar 2014 - 5 LA 204/13 -, DÖD 2014, 120 = juris Rn. 7; BAG, Urteile vom 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 -, NJW 2017, 1563 = juris Rn. 24, vom 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 -, a. a. O. Rn. 53 ff., vom 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 -, NZA 2014, 82 = juris Rn. 46 f., vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 -, juris Rn. 32, und vom 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 -, a. a. O. Rn. 19; Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 15 AGG Rn. 14.
72ss="absatzLinks">Der Nachweis alleine, einer geschützten Gruppe anzugehören und von einem Nachteil betroffen zu sein, vermag für sich genommen noch nicht die Vermutung der Kausalität zu begründen. Werden Indizien vorgetragen, die jeweils für sich alleine betrachtet nicht ausreichen, um die Vermutungswirkung herbeizuführen, ist vom Tatsachengericht eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
73Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8. Juni 2018 - 2 A 11817/17 -, a. a. O. Rn. 33, 35.
74Die Würdigung, ob der Anspruchsteller Tatsachen vorgetragen hat, die seine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen, obliegt der freien Überzeugung des Tatsachengerichts.
75Vgl. BAG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 -, a. a. O. Rn. 20.
76Die vorstehenden Erwä;gungen gelten ungeachtet des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 VwGO auch im Verwaltungsprozess, weil sie sich unmittelbar aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ergeben. Dies gilt auch für § 22 AGG, der keine Beschränkung auf Verfahren enthält, in denen die Parteimaxime und der Beibringungsgrundsatz gelten. Nach Art. 10 Abs. 5 Richtlinie 2000/78/EG war es den Mitgliedstaaten erlaubt, davon abzusehen, die ‑ mit § 22 AGG umgesetzten - Vorgaben des Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie zur Beweislastverteilung auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt. Davon hat der Gesetzgeber im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz keinen Gebrauch gemacht.
77Vgl. von Roetteken in: von Roetteken, AGG, a. a. O. § 22 Rn. 157 f.
78Das ausdifferenzierte System des § 22 AGG begünstigt durch die Absenkung des Beweismaßes zudem den Geschädigten und ist deshalb auch mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar.
79(2) Dies zugrunde gelegt, kann eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Religion nicht angenommen werden.
80(a) Ob die Klägerin zu den oben genannten Zeiträumen bereit gewesen wäre ‑ wie bei der Erteilung von Vertretungsunterricht in den Jahren 2010 bis 2011 geschehen -, mit einer Perücke zu unterrichten, und damit dem Verbot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW a. F. hätte entgehen k246;nnen, ist für die Frage, ob sie diskriminiert worden ist, nicht entscheidend. Dies schließt eine Benachteiligung wegen der Religion schon deshalb nicht aus, weil nicht ersichtlich ist, dass der Dienstherr davon Kenntnis hatte. Maßgeblich ist aber allein das Handeln des Benachteiligenden. Eine Benachteiligung wegen der Religion liegt schon vor, wenn das Kopftuchverbot Motiv für das Handeln des Dienstherrn war. Die Anknüpfung seiner Handlung oder zumindest seiner Motivation an ein Merkmal im Sinne des § 1 AGG muss in Betracht kommen. Ausreichend ist deshalb, wenn der Benachteiligende das Vorliegen eines solchen Grundes nur annimmt.
81Links">Vgl. Weth, in: Herberger/Martinek u. a., a. a. O. § 15 AGG Rn. 12.
82(b) Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde sie nicht schon durch die gesetzliche Regelung selbst, d. h. ohne dass diese im Einzelfall zur Anwendung gelangt sein muss, wegen ihrer Religion benachteiligt.
83Zwar erfasst der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG auch Fallgestaltungen, in denen der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG auf normativem Unrecht beruht.
84Vgl. BVerwG, Urteile vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 -, a. a. O. Rn. 30 ff., und vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 36 ff.; OVG NRW, Urteil vom 20. Januar 2016 - 1 A 1432/13 -, juris Rn. 43.
85Erforderlich ist aber eine Anwendung des diskriminierenden Gesetzes im jeweiligen Einzelfall - bei altersdiskriminierender Besoldung etwa die monatliche Berechnung und Auszahlung der Bezüge.
86Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 -, a. a. O. Rn. 14, 30 und 40.
87Dies gilt im Streitfall auch deshalb, weil Absolventen der 2. ;Staatspr52;fung nicht automatisch in den Schuldienst übergehen und selbst bei Einstellung grundsätzlich kein Anspruch auf beamtenrechtliche Ernennung besteht.
bsatzRechts">88Auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes vor Diskriminierung ohne konkrete eigene Benachteiligung bzw. der Generalprävention steht der Klägerin ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG wegen einer diskriminierenden gesetzlichen Regelung nicht zu. Zwar hat der EuGH den Diskriminierungsschutz von einer identifizierbaren Person, die konkret benachteiligt wird, gelöst und bereits die abstrakte Diskriminierung, etwa durch eine öffentliche Äußerung des Arbeitgebers, als Richtlinienverstoß qualifiziert.
89Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-54/07 (Feryn) -, Slg. 2008, I-5187 = juris Rn. 22 ff.; s. auch BAG, Urteil vom 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 -, a. a. O. Rn. 32 ff.
absatzRechts">90Allerdings führt dies nicht zu einem Entschädigungsanspruch für Einzelpersonen nach dem an eine konkrete Benachteiligung anknüpfenden § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, sondern ist es Sache der Mitgliedstaaten, in die innerstaatliche Rechtsordnung hinreichend wirksame Maßnahmen aufzunehmen, um das Ziel der Richtlinie 2000/78/EG zu erreichen.
91Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-54/07 (Feryn) -, a. a. O. Rn. 37 f., BAG, Urteil vom 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 -, a. a. O. Rn. 34; Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, a. a. O. § 6 AGG Rn. 5.
92(c) Ist danach eine behördliche Vollzugshandlung erforderlich, mit der § 57 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW a. F. zulasten der Bewerberin angewandt worden ist, muss die Klägerin nach § 22 AGG Indizien vortragen und beweisen, die eine Benachteiligung wegen des in § 1 AGG genannten Grundes der Religion vermuten lassen. Daran fehlt es hier.
93Dass der Dienstherr die nachgewiesenen Bewerbungen aus den Jahren 2007 sowie 2009 bis 2013 wegen dieser Vorschriften im Schulgesetz abgelehnt hat, kann nicht allein aufgrund der verfassungswidrigen Regelung des pauschalen Kopftuchverbots im Sinne von § 22 AGG vermutet werden. Hinzutreten muss jedenfalls, dass der Dienstherr auch davon wusste oder jedenfalls annahm, die Klägerin werde von der gesetzlichen Regelung erfasst, weil sie aus religiösen Gründen ein Kopftuch trug und dieses in der Schule tragen werde. Ist demjenigen, dem eine Benachteiligung vorgehalten wird, nicht einmal bekannt, dass bei dem Anspruchsteller der behauptete Benachteiligungsgrund im Sinne des § 1 AGG vorliegt, kann die unterschiedliche Behandlung denknotwendig nicht wegen dieses Grundes erfolgt sein.
94Nichts anderes ergibt sich aus der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur Veröffentlichung von Stellenausschreibungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Diese können Indiz dafür sein, dass der erfolglose Bewerber wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde.
95Vgl. BAG, Urteile vom 23. November 2017 - 8 AZR 372/16 -, a. a. O. Rn. 23, vom 29. Juni 2017 - 8 AZR 402/15 -, MDR 2018, 41 = juris Rn. 50 und 64, vom 11. August 2016 - 8 AZR 406/14 -, BB 2017, 506 = juris Rn. 31, vom 19. Mai 2016 ‑ 8 AZR 470/14 ‑, a. a. O. Rn. 56, vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 -, BAGE 142, 143 = juris Rn. 26, und vom 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 -, NZA 2010, 1412 = juris Rn. 57 ff.
class="absatzRechts">96Links">Differenziert eine Stellenausschreibung etwa unzulässigerweise nach dem Merkmal des Alters, begründet das nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig die Vermutung, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten Merkmals erfolgt. In den zugrunde liegenden Fällen war aber - soweit ersichtlich - aufgrund der Bewerbungsunterlagen erkennbar gewesen, dass die Bewerber die diskriminierenden Anforderungen der Stellenausschreibung (etwa zum Alter oder zu den Sprachkenntnissen) nicht erfüllten.
97Vgl. BAG, Urteile vom 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 -, a. a. O. Rn. 4, vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 -, a. a. O. Rn. 3, vom 19. Mai 2016 ‑ 8 AZR 470/14 -, a. a. O. Rn. 5, vom 11. August 2016 - 8 AZR 406/14 -, a. a. O. Rn. 4, und vom 29. Juni 2017 - 8 AZR 402/15 -, a. a. O. Rn. 66.
98Die Klägerin hat im Streitfall nicht dargelegt, dass der Dienstherr Kenntnis davon hatte, dass sie ein Kopftuch trug. Sie hat dies weder vorgetragen noch Bewerbungsunterlagen aus dieser Zeit vorgelegt, aus denen sich das - etwa wegen eines entsprechenden Bewerbungsfotos - ergäbe. Bei der Personalakte befindliche Bilder auf den Personalbögen aus den Jahren 2009 und 2011 sowie die Bewerbungsunterlagen bezüglich des herkunftssprachlichen Unterrichts aus dem Jahr 2011 zeigen die Klägerin vielmehr ohne Kopftuch. Die vom beklagten Land übermittelten Unterlagen für die Bewerbungen aus den Jahren 2012 bis 2013 lassen ebenfalls nichts dafür erkennen, dass die Klägerin aus religiösen Gründen ein Kopftuch trug. Insbesondere verhalten sich die ausführlichen Dokumentationen zu Auswahlgesprächen, zu denen die Klägerin eingeladen worden war, dazu nicht. Dass der Schulleiterin des O. -C. -Berufskollegs das Kopftuchtragen bekannt war, reicht nicht aus. An dieser Schule hat die Klägerin sich nicht beworben. Es ist nichts dafür vorgetragen oder erkennbar, dass die Schulleiterin diese Kenntnis an die Bezirksregierung oder an andere Schulen, etwa die, bei der die Klägerin sich im Jahr 2007 schulscharf beworben hat, weitergegeben hat.
99Die Klägerin hat auch sonst keine Indizien dafür benannt, dass sie aufgrund ihrer religiösen Bekleidung nicht ausgewählt worden ist. So erwähnen die vorgelegten Ablehnungsschreiben aus den Jahren 2009 bis 2011 in der Regel keine Gründe, lassen jedenfalls nichts dafür erkennen, dass die Klägerin wegen des Kopftuchs nicht zum Zuge gekommen ist.
100Für die Bewerbungen in den Jahren 2012 und 2013, zu denen dem beklagten Land noch Unterlagen der Stellenbesetzungsverfahren vorlagen, steht sogar fest, dass die Klägerin nicht wegen ihrer religiösen Bekleidung abgelehnt worden ist, so dass selbst bei Annahme der Vermutungswirkung diese insoweit jedenfalls widerlegt wäre. Aus den vom beklagten Land vorgelegten Dokumenten über die Auswahlverfahren ist erkennbar, dass die Klägerin ausschließlich aus anderen Gründen nicht eingestellt worden ist. So blieben die Bewerbungen erfolglos, weil es an einer erforderlichen schriftlichen Bewerbung an einer Schule fehlte, die Ordnungsgruppe der Klägerin wegen ihrer Examensnoten zu niedrig war oder aufgrund der Ergebnisse der Auswahlgespräche ein Mitbewerber ausgewählt wurde.
101c. Liegen danach die Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht vor, kommt es nicht mehr darauf an, ob § 15 Abs. 3 AGG einschlägig ist und ob die Klägerin die Frist des § 15 Abs. 4 AGG eingehalten hat.
102Der Senat weist allerdings darauf hin, dass entgegen der Auffassung des beklagten Landes § 15 Abs. 3 AGG dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch nicht entgegenst252;nde. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Die Bezirksregierung L. hätte, eine Benachteiligung unterstellt, keine solche von Arbeitnehmern und Arbeitgebern als Sozialpartner getroffene Vereinbarung angewandt, sondern eine gesetzliche Regelung. Die vom beklagten Land geforderte entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 AGG scheidet aus. Zwar gilt bei Gesetzen auch oder erst recht die zur Begründung dieser Regelung angeführte höhere Richtigkeitsgewähr,
103vgl. BT-Drs. 16/1780, S. 38; Rupp, in: Henssler/ Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, Kommentar, 8. Auflage 2018, § 15 AGG Rn. 10; s. auch Nds. OVG, Beschluss vom 25. Februar 2014 - 5 LA 204/13 -, a. a. O. Rn. 13, das deshalb eine entsprechende Anwendung in Erwägung zieht.
104Allerdings stehen dem Gesetzgeber keine gleichberechtigten Kollektivpartner der Beschäftigten gegenüber. Vielmehr werden Gesetze - ungeachtet der Beteiligung verschiedener Interessengruppen im Gesetzgebungsverfahren - einseitig durch den Gesetzgeber beschlossen.
105Vgl. von Roetteken, a. a. O. § 15 Rn. 450.
106Abgesehen davon wäre eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 AGG auf alle Fälle des Gesetzesvollzugs kaum mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz vereinbar. Dieser Grundsatz gebietet, das nationale Recht so auszulegen, dass die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG gewährleistet und ein Ergebnis erzielt wird, das dem mit ihr verfolgten Ziel im Einklang steht. Die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte darf nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden.
107St. Rspr., vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u. a. -, a. a. O. Rn. 88, und vom 8. Juli 2010 - C-246/09 (Bulicke) -, NJW 2010, 2713 = juris Rn. 25, 35.
108Vor diesem Hintergrund erschiene die Anwendung des § 15 Abs. 3 AGG auf gesetzliche Regelungen bedenklich, weil damit sämtliche auf legislativem Unrecht beruhende Benachteiligungen ausgenommen wären.
1092. Ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch besteht ebenfalls nicht.
110Ohne Bedeutung ist, dass sich die Klägerin im behördlichen wie im gerichtlichen Verfahren nicht auf diese Anspruchsgrundlage berufen hat. Das Gericht ist nicht an die vom Kläger bezeichneten Rechtsnormen gebunden, sondern hat den geltend gemachten Anspruch im Rahmen des Streitgegenstandes aus jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (iura novit curia).
111St. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 32.
112Der unionsrechtliche Haftungsanspruch kommt neben dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in Betracht (a.). Die Anspruchsvoraussetzungen liegen aber nicht vor (b.).
s">113a. Dass die Rechte Einzelner aus der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtskonform im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt sind, schließt eine Haftung mitgliedstaatlicher Stellen nach Unionsrecht nicht aus. Vielmehr sind die Ansprüche parallel anwendbar, weil sie an verschiedene, aus dem Unionsrecht folgende Verpflichtungen anknüpfen.
114lass="absatzLinks">Vgl. hierzu im Einzelnen Hess. VGH, Urteil vom 11. Mai 2016 - 1 A 1927/15 -, juris Rn. 40, sowie nachgehend BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 12.16 -, Schütz BeamtR ES/C I 1 Nr. 56 = juris Rn. 16 ff. und 48 ff.
115Möglicher Anknüpfungspunkt für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist hier ein Verstoß des beklagten Landes gegen Art. 16 lit. a) Richtlinie 2000/78/EG dadurch, dass es § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. nicht an die Vorgaben dieser Richtlinie angepasst hat. Nach Art. 16 lit. a) Richtlinie 2000/78/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Richtlinie (Art. 2 Abs. 1) zuwiderlaufenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufgehoben werden. Während es sich dabei um die Haftung für legislatives Unrecht handelt, wird mit § 15 Abs. 2 AGG die Vorgabe des Art. 17 der Richtlinie umgesetzt, wonach die Mitgliedstaaten wirksame Sanktionen festlegen müssen, um den Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte zu gewährleisten. Geht es um ein Unterlassen des Gesetzgebers im Sinne von Art. 16 lit. a) Richtlinie 2000/78/EG, besteht der unionsrechtliche Haftungsanspruch gegen diejenige K46;rperschaft, die insoweit innerstaatlich zur Gesetzgebung befugt und deshalb für die Umsetzung der Richtlinie verantwortlich ist.
116Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 12.16 -, a. a. O. Rn. 20 ff. und 49, zur altersdiskriminierenden Besoldung.
117b. Die gegenüber § 15 Abs. 2 AGG höheren Anspruchsvoraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs sind im Streitfall aber nicht erfüllt. Dieser setzt voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen diesem Verstoß und dem Schaden des Geschädigten ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
118St. Rspr., vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u. a. -, a. a. O. Rn. 99, und vom 5. März 1996 - C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, Slg. I-1996, 1029 = juris Rn. 51 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 26.
119Hier fehlt es jedenfalls an einem hinreichend qualifizierten Verstoß des beklagten Landes gegen Unionsrecht. Ein solcher ist gegeben, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt. Ein hinreichend qualifizierter Verstoß liegt etwa dann vor, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung oder die des EuGH offensichtlich verkannt wird.
120Vgl. EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u. a. -, a. a. O. Rn. 102, und vom 5. März 1996 ‑ C-46/93 (Brasserie du Pêcheur) -, a. a. O. Rn. 55 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, a. a. O. Rn. 30, jeweils m. w. N.
121Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Das beklagte Land musste bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 nicht davon ausgehen, dass es sich bei der Regelung in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW a. F. nicht um eine zulässige berufliche Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG, sondern um eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie handelte. Vielmehr durfte es angesichts der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 57 SchulG NRW a. F.,
122vgl. BAG, Urteil vom 20. August 2009 - 2 AZR 499/08 -, BAGE 132, 1 = juris Rn. 19 ff.,
123sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur ähnlichen baden-württembergischen Regelung,
124vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 2 B 46.08 -, NJW 2009, 1289 = juris Rn. 5 ff., sowie Urteil vom 24. Juni 2004 - 2 C 45.03 -, BVerwGE 121, 140 = juris Rn. 20 ff.,
125das Gegenteil annehmen. Auch fehlte es an Rechtsprechung des EuGH, die offenkundig hätte verkannt werden können.
126Da nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 § 57 Abs. 4 SchulG NRW a. F. zeitnah - mit Gesetz vom 25. Juni 2015 - aufgehoben worden ist, besteht auch für diesen kurzen Zeitraum kein unionsrechtlicher Haftungsanspruch.
127Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
128Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO und des § 127 BRRG nicht vorliegen.
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