Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 A 4820/18
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 1.929.081,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger ist ein sondergesetzlicher Wasserverband, der für die Gemeinden in seinem Verbandsgebiet wesentliche Teile der Abwasserbeseitigungspflicht rechtlich innehat und tatsächlich wahrnimmt.
4Zu diesem Zweck betreibt der Kläger unter anderem die Kläranlage J. -C. . In dieser Kläranlage wird auch das im Stadtteil T. in die Kanalisation der Stadt J. eingeleitete Schmutz- und Mischwasser (mit Niederschlagswasser vermischtes Schmutzwasser) behandelt und nach Klärung in den - der S. vorgelagerten - C1. eingeleitet. In der Erlaubnis der Bezirksregierung B. über die Einleitung von Abwasser aus der Kläranlage in den C1. vom 26. November 1997 wurde in Nr. 3.2 in Verbindung mit den Anlagen I und II unter anderem für den Parameter Nickel ein bei der Abwassereinleitung einzuhaltender Überwachungswert von 50 µg/l festgesetzt.
5In der Nacht zum 22. Juli 2009 kam es gegen 1.40 Uhr auf dem Betriebsgelände der Fa. X. -E. GmbH (Fa. X. ) in J. -T. zu einem Großbrand mit zahlreichen Explosionen. Die Fa. X. betrieb an diesem Standort eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage zur Aufarbeitung von organischen Lösemitteln durch Destillieren sowie eine Anlage zur Zwischenlagerung und zum Umfüllen von Abfällen. Der Großbrand dauerte ca. 44 Stunden und griff rasch auf die benachbarte Galvanik der Fa. B1. F. E1. GmbH & Co. KG (Fa. E1. ) über. Infolge des Brandes kam es sowohl zur Freisetzung einer Vielzahl brandtypischer Stoffverbindungen als auch zu sehr heftigen Explosionen mit Stichflammenbildung. Ein Mitarbeiter der Fa. X. wurde tödlich verletzt; acht Personen wurden leicht verletzt. Neben der Berufsfeuerwehr J. waren zahlreiche Feuerwehreinheiten aus der Umgebung sowie zwei Werksfeuerwehren im Einsatz. Noch bevor das Kanalsystem abgeschiebert werden konnte, gelangten bereits Teile des nickelhaltigen Galvanikbades vermischt mit Löschwasser in die Kanalisation und somit zur Kläranlage J. -C. . Nachdem die Mischkanalisation mit Staukanal ab 7.00 Uhr abgeschiebert worden war, konnte der größere Teil des stark belasteten Löschwassers in Regenklär- und Regenüberlaufbecken zurückgehalten und von dort später fachgerecht entsorgt werden. Auf der Kläranlage konnte durch eine Chrom-VI-Fällung als Sofortmaßnahme die Funktionsfähigkeit weitgehend aufrechterhalten werden.
6Im Veranlagungsjahr 2009 wurden auf der Kläranlage J. -C. insgesamt 35 amtliche Einleiterüberwachungen durchgeführt. Dabei wurde für den Parameter Nickel am 23. Juli 2009 ein Wert von 7650 µg/l und am 29. Juli 2009 ein Wert von 709 µg/l festgestellt. Bei den anderen Überwachungen lagen die Werte unter dem Überwachungswert von 50 µg/l.
7Mit Bescheid vom 17. November 2011 setzte die Bezirksregierung E2. die Abwasserabgabe für das Einleiten von Schmutzwasser aus der Kläranlage J. -C. in den C1. für das Veranlagungsjahr 2009 auf 2.129.167,20 Euro fest. Darauf erfolgten zwei Verrechnungen gemäß § 10 Abs. 4 AbwAG über 117.245,00 Euro und über 33.656,92 Euro, so dass ein zu zahlender Abgabebetrag von 1.978.265,28 Euro verblieb. Der ursprünglich festgesetzte Abgabebetrag von insgesamt 2.129.167,20 Euro beinhaltete einen Betrag von 1.929.081,00 Euro für den Parameter Nickel. Davon entfielen 1.904.028,00 Euro (= 53.200 Schadeinheiten x 35,79 Euro/Schadeinheit) auf die nach § 4 Abs. 4 AbwAG erfolgte Erhöhung der Zahl der Schadeinheiten (von 700 auf 53.900 Schadeinheiten) aufgrund der Überschreitung des Überwachungswertes von 50 µg/l am 23. Juli 2009 mit 7.650 µg/l.
8Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14. Dezember 2011 Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 15 K 5213/11 -. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 21. November 2018 nahm der Kläger diese Klage zurück. Die Abgabeforderung in Höhe von 1.978.265,28 Euro war bereits zuvor vom Kläger beglichen worden.
9Bereits mit Schreiben vom 25. November 2011 hatte der Kläger bei der Bezirksregierung E2. den Erlass der Abwasserabgabe für den Parameter Nickel im Veranlagungsjahr 2009 in Höhe von 1.929.081,00 Euro aus Billigkeitsgründen beantragt. Zur Begründung berief er sich darauf, dass die erhöhte Abgabe für den Parameter Nickel letztlich auf seinen Bemühungen beruhe, die Gewässer C1. und S. sowie die dortige Trinkwassergewinnung vor Schadstoffeinträgen aus einem Katastrophenfall zu schützen, indem er das der Kläranlage zugeführte, mit Galvanikbad vermischte Löschwasser durch die Kläranlage und nicht unmittelbar in den C1. habe laufen lassen. Daher sei es unbillig, ihm und seinen Mitgliedern - zu denen auch die Stadt J. sowie die Fa. E1. , nicht aber die Fa. X. zählen - deshalb eine erhöhte Abwasserabgabe aufzuerlegen. Zudem sei er sowohl aus rechtlichen Gründen (fehlende Voraussetzungen möglicher Regressnormen bzw. vorliegende Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass möglicher Regressansprüche) als auch aus tatsächlichen Gründen (faktische Uneintreibbarkeit möglicher Regressforderungen) gehindert, diese erhöhte Abwasserabgabe auf die Verantwortlichen für die Nichteinhaltung der Verbandsvorgaben für die der Kläranlage J. -C1. zugeleiteten Abwässer abzuwälzen. Dies gelte gegenüber der Stadt J. als Betreiberin der vorgelagerten städtischen Kanalisation ebenso wie gegenüber der Fa. X. , auf deren Grundstück der Großbrand ausgebrochen sei, und der angrenzenden Fa. E1. , deren Galvanikbäder nach dem Übergreifen des Brandes zerstört worden und mit dem Löschwasser in die Kanalisation geflossen seien.
10Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 veranlagte der Kläger die Stadt J. nach§ 25 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 2 seiner Satzung zu einem Sonderbeitrag in Höhe der ihm gegenüber von der Bezirksregierung E2. festgesetzten Abwasserabgabe für den Parameter Nickel im Veranlagungsjahr 2009. Gegen diesen Bescheid legte die Stadt J. mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 Widerspruch ein und beantragte mit Schreiben vom 11. November 2015 beim Kläger den Billigkeitserlass des Sonderbeitrags. Beide Verfahren wurden einvernehmlich ruhend gestellt, um zunächst den Ausgang des vorliegenden Verfahrens abzuwarten. Die Sonderbeitragsforderung in Höhe von 1.929.081,00 Euro wurde von der Stadt J. beglichen.
11Mit Beschluss des Amtsgerichts I. vom 17. November 2015 - 103 IN 153/10 - wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X. eröffnet.
12Mit Bescheid vom 13. Januar 2017 lehnte das LANUV als Funktionsnachfolger der Bezirksregierung E2. den Teilerlass der Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 2009 für den Parameter Nickel ab. Die Voraussetzungen für einen im Ermessen der Festsetzungsbehörde stehenden Billigkeitserlass der Abwasserabgabe aufgrund von - hier allein in Betracht kommenden - sachlichen Billigkeitserwägungen lägen nicht vor. Die Einziehung der Abgabe widerspreche nicht den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treu und Glauben, den Erfordernissen der Zumutbarkeit oder dem der Erhöhungsregel des § 4 Abs. 4 AbwAG zu Grunde liegenden Zweck, im Sinne einer Lenkungswirkung wirtschaftliche Anreize zur Vermeidung von Schadstoffeinträgen in Gewässer zu schaffen. Überdies beruhe die Überschreitung des Überwachungswertes für den Parameter Nickel am 23. Juli 2009 nicht auf höherer Gewalt. Die daraus resultierende Abgabeerhöhung sei auch nicht deshalb unbillig, weil sie vom Kläger eventuell nicht weiter abgewälzt werden könne. Die Abwasserabgabe nehme nur den Direkteinleiter als Abgabepflichtigen in Anspruch. Soweit er nicht Erzeuger der eingeleiteten Schadstofffracht sei, solle er die gezahlte Abgabe grundsätzlich im Innenverhältnis auf die indirekt einleitenden Erzeuger des Schmutzwassers abwälzen. Soweit keine Abwälzungsvorschriften bestünden oder eingriffen, habe der Abgabepflichtige die Abgabe im Wege des Schadensersatzes oder anderer Rückgriffsvorschriften geltend zu machen. Scheitere dieser finanzielle Rückgriff auf die Verantwortlichen, verwirkliche sich damit ein vom Gesetzgeber zulässigerweise in Kauf genommenes Risiko. Diese Risikoverteilung sei auch für den Vollzug der Abwasserabgabe unumgänglich. Ansonsten könne der Festsetzungsbehörde bei jeglicher Überwachungswertüberschreitung entgegengehalten werden, man habe den Verantwortlichen nicht ermitteln oder aus welchen Gründen auch immer nicht in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus betreffe die Frage einer möglichen Abwälzung der erhöhten Abwasserabgabe durch den Kläger auf seine Mitglieder Binnenregelungen, die der Satzungsautonomie des Klägers oblägen und daher für die Entscheidung über den Erlassantrag des Klägers ohne Bedeutung seien.
13Der Kläger hat gegen die Ablehnung des Billigkeitserlasses am 8. Februar 2017 Klage erhoben.
14Zur Begründung hat er sein Vorbringen im Erlassantrag vertieft und ergänzend insbesondere geltend gemacht, dass die Überschreitung des Überwachungswertes für den Parameter Nickel am 23. Juli 2009 auf Umstände zurückzuführen sei, die als höhere Gewalt einzustufen seien.
15Der Kläger hat beantragt,
16den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des LANUV vom 13. Januar 2017 zu verpflichten, die mit Bescheid der Bezirksregierung E2. vom 17. November 2011 festgesetzte Abwasserabgabe für die Einleitung von Schmutzwasser aus der Kläranlage J. -C. für das Veranlagungsjahr 2009 in Höhe von 1.929.081,00 Euro im Wege der Billigkeit zu erlassen.
17Der Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung hat er im Wesentlichen seine Ausführungen im Ablehnungsbescheid wiederholt und vertieft.
20In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Vertreter des Klägers auf Nachfrage des Gerichts erklärt, dass er eine Regressforderung wegen der erhöhten Abwasserabgabe für den Parameter Nickel im Veranlagungsjahr 2009 bislang noch nicht im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X. zur Insolvenztabelle angemeldet habe; er werde dies aber nunmehr unverzüglich nachholen.
21Mit Urteil vom 21. November 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
22Der Kläger habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Erlass der mit Bescheid der Bezirksregierung E2. vom 17. November 2011 festgesetzten erhöhten Abwasserabgabe für den Parameter Nickel für das Veranlagungsjahr 2009 noch auf Neubescheidung seines Erlassantrages. Der ablehnende Bescheid des LANUV vom 13. Januar 2017 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für den Erlass der Abwasserabgabe sei § 13 Abs. 3 AbwAG NRW. Danach könne die zuständige Behörde die Abgabe ganz oder teilweise erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Bei der Entscheidung handele es sich um eine - gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegende - behördliche Ermessensentscheidung. Inhalt und Grenzen der Ermessensausübung würden allein durch den Begriff „unbillig“ bestimmt. Unbilligkeit aus sachlichen Gründen, wie sie vom Kläger geltend gemacht werde, liege vor, wenn die Abwasserabgabenforderung zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand bestehe, ihre Geltendmachung mit dem Zweck des Gesetzes aber nicht zu rechtfertigen sei und dessen Wertungen zuwiderlaufe. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen habe, rechtfertigten dagegen keinen Erlass. Mit der in § 4 Abs. 4 AbwAG vorgesehenen Erhöhung habe der Gesetzgeber einen zusätzlichen Anreiz für die Einleiter schaffen wollen, die festgelegten Überwachungswerte von sich aus einzuhalten und sogar möglichst zu unterbieten, um damit zugleich den wasserrechtlichen Vollzug ohne Verlust an Effektivität zu entlasten. Dies habe unter anderem dadurch geschehen sollen, dass ausdrücklich bereits einmalige erhebliche Überschreitungen der Überwachungswerte abgaberechtlich überproportional erfasst würden. Die in dieser Regelung liegende Typisierung sei zulässig und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie sichere den wasserrechtlichen Vollzug, indem sie für die Einleiter einen deutlich erhöhten Anreiz biete, weitgehende Vorsorge zur Verhinderung von Störfällen zu treffen. Sie sei verhältnismäßig, weil die Einleiter zumindest regelmäßig durch Vorsorgemaßnahmen die Entstehung von Störfällen verhindern oder zumindest ihr Ausmaß in Grenzen halten könnten. Soweit ihnen dies im Einzelfall nicht möglich sein sollte, blieben sie abwasserrechtlich Verursacher der Gewässerschädigung und müssten gegebenenfalls finanziellen Rückgriff auf den für den Störfall letztlich Verantwortlichen nehmen.
23Davon ausgehend stehe einem Billigkeitserlass derzeit bereits der Umstand entgegen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger die erhöhte Abwasserabgabe von einem Dritten, nämlich in erster Linie der sich noch im Insolvenzverfahren befindlichen Fa. X. , zumindest teilweise erstattet bekomme. Der Kläger habe angekündigt, seine Forderungen nachträglich gegenüber der Fa. X. beim Insolvenzverwalter geltend zu machen und zur Insolvenztabelle anzumelden. Insoweit bleibe abzuwarten, ob die Forderung vom Insolvenzverwalter bestritten werde (§§ 177 Abs. 1, 179 InsO) oder als festgestellt gelte (§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO) und mit den Wirkungen des § 178 Abs. 3 InsO in die Gläubigertabelle eingetragen werde. Entgegen der Ansicht des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, dass Ersatzansprüche gegenüber der Fa. X. nicht bestünden und deshalb einem Billigkeitserlass nicht entgegenstünden. Insoweit gehe die Kammer davon aus, dass in einem Verfahren auf Billigkeitserlass etwaige Ersatzansprüche gegenüber Dritten nicht inzidenter abschließend geprüft werden müssten. Derartige Ersatzansprüche könnten rechtlich völlig anderer Natur sein als die zu erlassende Abgabe. Sie könnten weitere komplexe Sachverhalts- und Rechtsfragen aufwerfen, die mit dem Sachgebiet der Abgabe nur bedingt etwas zu tun hätten. Danach würde eine Verpflichtung der für den Erlass zuständigen Behörde, das Nichtbestehen etwaiger Ersatzansprüche gegenüber Dritten umfassend zu prüfen, das Erlassverfahren überfordern. Vielmehr seien Ersatzansprüche des Abgabepflichtigen gegenüber Dritten grundsätzlich in einem eigenständigen Verfahren gegebenenfalls vor dem dafür zuständigen Gericht vor einem Billigkeitserlass zu klären. Lediglich in den Fällen, in denen das Bestehen etwaiger Ersatzansprüche gegenüber Dritten offensichtlich ausgeschlossen werden könne, könne nicht von dem Abgabepflichtigen erwartet werden, dass dieser zunächst mit dem bei ihm verbleibenden hohen Prozesskostenrisiko seine Forderung gegenüber dem Dritten einklage. Vorliegend seien Ersatzansprüche des Klägers gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber der Fa. X. , nicht offensichtlich ausgeschlossen. Es kämen zahlreiche verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen in Betracht (§ 829 BGB; § 1 UmweltHG bzw. § 9 USchadG, jeweils in Verbindung mit dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag). Könnten demnach zum gegenwärtigen Zeitpunkt Ersatzansprüche des Klägers gegenüber der Fa. X. nicht offensichtlich ausgeschlossen werden, sei offen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er als Insolvenzgläubiger eine Befriedigung seiner Forderung gemäß §§ 187 ff. InsO erwarten könne. Solange jedoch ein möglicher Ersatz der erhöhten Abwasserabgabe durch einen Dritten im Raum stehe, komme ihr Erlass im Wege der Billigkeit nicht in Betracht.
24Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertieft und ergänzt der Kläger im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Die von ihm angenommene sachliche Unbilligkeit begründet er vor allem damit, dass ihm schon aus Rechtsgründen keine Ansprüche gegenüber der Fa. X. auf Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der für das Veranlagungsjahr 2009 festgesetzten Abwasserabgabe für den Parameter Nickel zustünden, insbesondere nicht gemäß den vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil genannten Anspruchsgrundlagen. Im Übrigen seien etwaige Erstattungsansprüche gegenüber der Fa. X. - die Existenz solcher Ansprüche unterstellt - wirtschaftlich wertlos. Auch gegenüber der Fa. E1. oder der Stadt J. stünden ihm keine Ansprüche zu, mit denen sich die Abwasserabgabenlast auf einen dieser beiden Dritten abwälzen ließe.
25Der Kläger beantragt,
26unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils sowie unter Aufhebung des Bescheides des LANUV vom 13. Januar 2017 den Beklagten zu verpflichten, die mit Bescheid der Bezirksregierung E2. vom 17. November 2011 festgesetzte Abwasserabgabe für die Einleitung von Schmutzwasser aus der Kläranlage J. -C. für das Veranlagungsjahr 2009 in Höhe von 1.929.081,00 Euro im Wege der Billigkeit zu erlassen,
27hilfsweise unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils sowie unter Aufhebung des Bescheides des LANUV vom 13. Januar 2017 den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erlass der mit Bescheid der Bezirksregierung E2. vom 17. November 2011 festgesetzten Abwasserabgabe für die Einleitung von Schmutzwasser aus der Kläranlage J. -C. für das Veranlagungsjahr 2009 in Höhe von 1.929.081,00 Euro im Wege der Billigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
28Der Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Er vertieft und ergänzt ebenfalls im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.
31Auf Anfragen des Senats teilte der Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X. am 15. März und 27. Oktober 2021 mit, dass das Verfahren noch andauere. Die in der Zwischenzeit angemeldete Forderung des Klägers sei in voller Höhe von 1.929.081,00 Euro zur Insolvenztabelle festgestellt worden. Nach dem aktuellen Stand würde für den Kläger bei einer Worst-Case-Betrachtung eine Verteilungsquote von rund 12% verbleiben.
32Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Entscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO angehört worden.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren 15 K 5213/11 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und den Inhalt der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
34II.
35Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
36Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage ist unbegründet.
37Der Kläger hat im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder einen Anspruch auf Erlass der mit Bescheid der Bezirksregierung E2. vom 17. November 2011 für die Einleitung von Schmutzwasser aus der Kläranlage J. -C. in den C1. im Veranlagungsjahr 2009 in Bezug auf den Parameter Nickel festgesetzten Abwasserabgabe in Höhe von 1.929.081,00 Euro noch auf Neubescheidung seines Erlassantrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der ablehnende Bescheid des LANUV vom 13. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
38Rechtsgrundlage für den vom Kläger beantragten Erlass der Abwasserabgabe ist§ 13 Abs. 3 1. Halbsatz AbwAG NRW. Danach kann die zuständige Behörde die Abgabe ganz oder teilweise erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
39Bei dieser Erlassnorm wird - wie auch bei der gleichlautenden Erlassbestimmung des § 227 1. Halbsatz AO - die Ermessensausübung allein durch den Begriff "unbillig" bestimmt, der unlösbar mit der Rechtsfolge „können“ verzahnt ist. Unbilligkeit aus sachlichen Gründen, wie sie vom Kläger allein geltend gemacht wird, liegt vor, wenn die Festsetzung der Abgabe zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, dessen Wertungen aber zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Abgabenfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Auch wenn demnach Härten, die der Gesetzgeber bei der Regelung des gesetzlichen Tatbestands bedacht und in Kauf genommen hat, grundsätzlich keine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen, ist eine derartige Maßnahme gleichwohl geboten, wenn ohne die begehrte Billigkeitsmaßnahme das Verhalten des Gesetzgebers aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beanstanden wäre. Dies ist der Fall, wenn ein Gesetz, das in seinen generalisierenden Wirkungen verfassungsgemäß ist, bei der Abgabenfestsetzung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führt. Allgemeine Folgen eines verfassungsgemäßen Gesetzes, die den gesetzgeberischen Planvorstellungen entsprechen und die der Gesetzgeber ersichtlich in Kauf genommen hat, vermögen einen Billigkeitserlass allerdings nicht zu rechtfertigen. Denn Billigkeitsmaßnahmen dürfen nicht die einem gesetzlichen Abgabentatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Abgabentatbestands abhelfen.
40Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 5. März 2021 - 9 B 8.20 -, KStZ 2021, 167 = juris Rn. 12 f. m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 9 A 1403/05 -, KStZ 2008, 59 = juris Rn. 25 f. m. w. N.
41Davon ausgehend scheidet ein Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen im vorliegenden Fall aus.
42Dies gilt zunächst, soweit in der mit Bescheid der Bezirksregierung E2. vom 17. November 2011 gegenüber dem Kläger festgesetzten Abwasserabgabe für die Einleitung von Schmutzwasser aus der Kläranlage J. -C. in den C1. im Veranlagungsjahr 2009 für den Parameter Nickel in Höhe von insgesamt 1.929.081,00 Euro ein Betrag von 25.053,00 Euro (= 700 Schadeinheiten x 35,79 Euro/Schadeinheit) enthalten ist. Dieser Betrag entspricht der "normalen" Veranlagung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 AbwAG gemäß dem in der Erlaubnis der Bezirksregierung B. über die Einleitung von Abwasser aus der Kläranlage in den C1. vom 26. November 1997 für den Parameter Nickel festgesetzten Überwachungswert von 50 µg/l.
43Ein Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen scheidet im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch aus, soweit mit Bescheid der Bezirksregierung E2. vom 17. November 2011 gegenüber dem Kläger gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 bis 4 AbwAG eine erhöhte Abwasserabgabe für die Einleitung von Schmutzwasser aus der Kläranlage J. -C. in den C1. im Veranlagungsjahr 2009 für den Parameter Nickel in Höhe von 1.904.028,00 Euro (= 1.929.081,00 Euro - 25.053,00 Euro) festgesetzt wurde. Es ist derzeit nicht davon auszugehen, dass diese dem Wortlaut des Gesetzes entsprechende Festsetzung der Abgabe den diesbezüglichen Wertungen des Gesetzgebers im vorliegenden Einzelfall zuwiderläuft.
44Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG ist die Einhaltung des (die Abwassereinleitung zulassenden) Bescheides im Rahmen der Gewässerüberwachung nach den wasserrechtlichen Vorschriften durch staatliche oder staatlich anerkannte Stellen zu überwachen. Ergibt die Überwachung, dass ein der Abgabenrechnung zugrunde zu legender Überwachungswert im Veranlagungszeitraum nicht eingehalten ist und auch nicht als eingehalten gilt, wird die Zahl der Schadeinheiten erhöht (§ 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG). Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 AbwAG richtet sich die Erhöhung nach dem Vomhundertsatz, um den der höchste gemessene Einzelwert den Überwachungswert überschreitet. Wird der Überwachungswert einmal nicht eingehalten, so bestimmt sich die Erhöhung nach der Hälfte des Vomhundertsatzes, wird der Überwachungswert mehrfach nicht eingehalten, nach dem vollen Vomhundertsatz (§ 4 Abs. 4 Satz 4 AbwAG).
45Mit der in § 4 Abs. 4 AbwAG vorgesehenen Erhöhung wollte der Gesetzgeber einen zusätzlichen Anreiz für die Einleiter schaffen, die festgelegten Überwachungswerte von sich aus einzuhalten und sogar möglichst zu unterbieten, um damit zugleich den wasserrechtlichen Vollzug ohne Verlust an Effektivität zu entlasten. Dies sollte unter anderem dadurch geschehen, dass ausdrücklich bereits einmalige erhebliche Überschreitungen der Überwachungswerte abgaberechtlich überproportional erfasst werden.
46Vgl. BT-Drs. 10/5533, S. 8 ff. u. 12.
47Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die in dieser Regelung liegende Typisierung zulässig und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist. Denn sie sichert den wasserrechtlichen Vollzug, indem sie für die Einleiter einen deutlich erhöhten Anreiz bietet, weitgehende Vorsorge zur Verhinderung von Störfällen zu treffen. Sie ist verhältnismäßig, weil die Einleiter zumindest regelmäßig durch Vorsorgemaßnahmen die Entstehung von Störfällen verhindern oder zumindest ihr Ausmaß in Grenzen halten können. Soweit ihnen dies im Einzelfall nicht möglich sein sollte, bleiben sie abwasserrechtlich Verursacher der Gewässerschädigung und müssen gegebenenfalls finanziellen Rückgriff auf den für den Störfall letztlich Verantwortlichen nehmen. Im Übrigen berücksichtigt bereits die gesetzliche Regelung die Störfallproblematik, weil die Erhöhung selbst dann nicht erfolgt, wenn ein Überwachungswert als eingehalten gilt (§ 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG).
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - 8 B 170.97 -, BVerwGE 105, 144 = juris Rn. 22.
49Ein überschrittener Überwachungswert gilt als eingehalten (vgl. Nr. 3.2 der Erlaubnis der Bezirksregierung B. über die Einleitung von Abwasser aus der Kläranlage J. -C. in den C1. vom 26. November 1997 bzw. § 6 Abs. 1 AbwV), wenn die Ergebnisse dieser und der vier vorausgegangenen staatlichen Überprüfungen in vier Fällen den maßgebenden Wert nicht überschreiten und kein Ergebnis den Wert um mehr als 100% übersteigt; Überprüfungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, bleiben unberücksichtigt. Das so geregelte Anreizsystem erklärt Überschreitungen nur dann für unbeachtlich, wenn sie singulär bleiben und sich in einem begrenzten Umfang halten. Beachtliche Überschreitungen stellen dagegen Verstöße gegen wasserrechtliche Vorgaben dar, an die die Erhöhungssanktion zur Effektivierung des wasserrechtlichen Verwaltungsvollzugs allein anknüpft. Ein solcher Verstoß hängt nicht davon ab, wie lange der Überwachungswert überschritten worden ist und ob Folgeschäden in dem das Abwasser aufnehmenden Gewässer festgestellt worden sind. Die Dauer einer beachtlichen Überschreitung kann allenfalls mittelbar dadurch Bedeutung gewinnen, dass das behördliche Ermessen bei der wasserrechtlichen Überwachung anlässlich eines Störfalls jedenfalls in der Regel dahingehend auszuüben ist, nicht mehr als ein Messergebnis einzubeziehen. Dementsprechend erfolgt bei einem einmaligen Störfall gemäß § 4 Abs. 4 Satz 4 AbwAG im Allgemeinen (wie auch vorliegend geschehen) nur eine Erhöhung um den halben Vomhundertsatz der Überschreitung.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 9 A 1403/05 -, a. a. O., Rn. 31.
51Ausgehend von diesem Regelungssystem ist die Ablehnung einer sachlichen Unbilligkeit durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Denn die von der Bezirksregierung E2. im Bescheid vom 17. November 2011 vorgenommene Erhöhung der Zahl der Schadeinheiten für den Parameter Nickel um den halben Vomhundertsatz der Überschreitung des Überwachungswertes von 50 µg/l am 23. Juli 2009 mit 7.650 µg/l steht mit den § 4 Abs. 4 AbwAG zugrunde liegenden, zuvor dargestellten Wertungen des Gesetzgebers jedenfalls solange in Einklang, wie noch möglich erscheint, dass der Kläger die erhöhte Abwasserabgabe auf "näher" an der Störfallursache (Großbrand auf dem Betriebsgelände der Fa. X. in der Nacht zum 22. Juli 2009) befindliche bzw. für den Störfall letztlich verantwortliche Dritte im Wege des finanziellen Rückgriffs abwälzen kann. Erst wenn feststeht oder offensichtlich ist, dass dem Kläger ein solcher Rückgriff aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht oder nicht vollständig möglich ist, kommt die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit in Höhe des nicht abwälzbaren Abgabenteils überhaupt in Betracht.
52So im Ansatz auch in den dort jeweils zu entscheidenden Fällen: VG Halle (Saale), Urteil vom 25. März 2014 - 4 A 16/11 -, juris Rn. 211 a.E.; VG Minden, Urteil vom 16. November 1998 - 8 K 3437/97 -, juris Rn. 29 ff.
53Das ist hier nicht der Fall, weshalb offen bleiben kann, ob andernfalls eine im Wege des sachlichen Billigkeitserlasses zu korrigierende Abgabenerhebung vorläge.
54Zum jetzigen Zeitpunkt ist weder das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X. , in dem auch der Kläger eine Regressforderung in Höhe von 1.929.081,00 Euro angemeldet hat, noch das vom Kläger gegenüber der Stadt J. betriebene Verfahren zur Erhebung eines Sonderbeitrags in Höhe von 1.929.081,00 Euro abgeschlossen. Überdies ist auch nicht offensichtlich, dass die Regressforderung des Klägers nach dem - momentan noch nicht absehbaren - Abschluss dieser Verfahren gar nicht oder nur in einer ganz bestimmten Höhe befriedigt wird.
55Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X. ist nach den vom Senat eingeholten Informationen nicht abgeschlossen. Der Insolvenzverwalter hat am 15. März und 27. Oktober 2021 dem Senat mitgeteilt, dass in dem noch andauernden Verfahren die vom Kläger angemeldete Regressforderung (betreffend die Abwasserabgabe für den Parameter Nickel im Veranlagungsjahr 2009) in voller Höhe von 1.929.081,00 Euro zur Insolvenztabelle festgestellt worden sei und nach dem aktuellen Stand für den Kläger bei einer Worst-Case-Betrachtung eine Verteilungsquote von rund 12% verbleiben würde. In Höhe dieser, allerdings erst nach dem - noch nicht absehbaren - Abschluss des Insolvenzverfahrens genau feststehenden Verteilungsquote bestünde somit nach den obigen Ausführungen kein Erlassanspruch des Klägers wegen sachlicher Unbilligkeit.
56Noch offen ist auch der Ausgang des vom Kläger gegenüber der Stadt J. betriebenen Verfahrens zur Erhebung eines Sonderbeitrags in Höhe von 1.929.081,00 Euro nebst des zugehörigen, von der Stadt J. daraufhin initiierten Erlassverfahrens. Der Kläger hat sein Mitglied Stadt J. mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 nach § 25 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 seiner Satzung zu einem Sonderbeitrag in Höhe der ihm gegenüber von der Bezirksregierung E2. festgesetzten Abwasserabgabe für den Parameter Nickel im Veranlagungsjahr 2009 (1.929.081,00 Euro) veranlagt. Gemäß § 25 Abs. 3 der Satzung des Klägers sind ihm infolge eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 der Satzung entstandene Aufwendungen oder Kosten durch Sonderbeiträge desjenigen Mitglieds zu decken, das die Abwässer den Verbandsanlagen zugeführt oder die Aufwendungen oder Kosten in sonstiger Weise verursacht hat; Kosten sind auch höhere Abwasserabgaben, zu denen der Kläger herangezogen wird. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 der Satzung dürfen Abwässer, von denen zu besorgen ist, dass sie sich der zumutbaren Behandlung entziehen, dass sie Betrieb oder Wirkung der Behandlung nachteilig beeinflussen, Abwasseranlagen beschädigen oder die Klärschlammentsorgung wesentlich erschweren, den der Abwasserbeseitigung dienenden Anlagen des Klägers nicht zugeführt werden.
57Dass die Stadt J. die Sonderbeitragsforderung in Höhe von 1.929.081,00 Euro bereits beglichen hat, steht dem Erlass allerdings nicht entgegen. Denn der zugrunde liegende Bescheid des Klägers vom 15. Oktober 2015 ist noch nicht bestandskräftig, weil die Stadt J. dagegen mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 (fristgemäß) Widerspruch eingelegt hat, über den mit Blick auf das vorliegende Verfahren bislang nicht entschieden wurde. Zudem hat die Stadt J. mit Schreiben vom 11. November 2015 beim Kläger gemäß § 29 Abs. 4 seiner Satzung i. V. m. § 227 AO den Billigkeitserlass des Sonderbeitrags beantragt. Auch dieses Erlassverfahren wurde einvernehmlich ruhend gestellt, um zunächst den Ausgang des vorliegenden Verfahrens abzuwarten.
58Da damit weder das Sonderbeitragserhebungsverfahren noch das zugehörige Erlassverfahren abgeschlossen sind, steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest, dass der Kläger hieraus keine weitere Befriedigung seiner in Höhe von insgesamt 1.929.081,00 Euro geltend gemachten Forderung erhalten wird, welche über die aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X. wohl zu erwartende teilweise Befriedigung hinausgeht. Entgegen der Annahme des Klägers ist nach den vorstehenden Ausführungen also nicht das hiesige Klageverfahren vorgreiflich, sondern vorrangig zunächst die Rückgriffsmöglichkeit auf die Stadt J. zu klären.
59Darüber hinaus ist auch nicht offensichtlich, dass der Widerspruch der Stadt J. gegen den Sonderbeitragsbescheid oder deren Erlassantrag im Hinblick auf die nach § 4 Abs. 4 Satz 1 bis 4 AbwAG erhöhte Abwasserabgabe von 1.904.028,00 Euro Erfolg haben wird.
60Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des§ 25 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 der Satzung des Klägers - ein Ermessen bezüglich der Beitragserhebung räumen diese Vorschriften nicht ein - hinsichtlich der nach § 4 Abs. 4 Satz 1 bis 4 AbwAG erhöhten Abwasserabgabe von 1.904.028,00 Euro offensichtlich nicht vorliegen. Vielmehr dürften beide Regelungen auch für einen Fall wie den vorliegenden zumindest in Betracht zu ziehen sein. Nach § 25 Abs. 3 2. Halbsatz der Satzung des Klägers zählen zu den durch Sonderbeiträge zu deckenden Kosten auch höhere Abwasserabgaben, zu denen der Kläger herangezogen wird. Abwässer, die infolge des Großbrandes auf dem Betriebsgelände der Fa. X. in Form von mit Galvanikbad vermischtem Löschwasser entstanden sind, fallen eindeutig unter § 14 Abs. 2 Satz 1 der Satzung des Klägers. Ferner kann jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen werden, dass die Stadt J. diese Abwässer durch den Betrieb ihrer an die Kläranlage J. -C. angeschlossenen Kanalisation dieser Kläranlage i. S. d. § 25 Abs. 3 1. Halbsatz der Satzung des Klägers "zugeführt" hat. Denn es erscheint durchaus möglich, dass die dem Vorgang des Zuführens innewohnende Finalität rein objektiv zu bestimmen ist, so dass es auf das Wissen und Wollen des Zuführenden - entgegen der im vorliegenden Verfahren geäußerten Ansicht des Klägers - nicht ankommt.
61Vgl. zum Begriff des Zuführens als Oberbegriff für das Einbringen und Einleiten in § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG: Breuer / Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Auflage 2017, Rn. 393 und 399 m. w. N.; Czychowski / Reinhardt, Kommentar zum WHG, 12. Auflage 2019, § 9 Rn. 35 ff. m w. N.
62Für ein derartiges Verständnis könnte auch der weitere Wortlaut des § 25 Abs. 3 1. Halbsatz der Satzung des Klägers ("… desjenigen Mitgliedes …, das die Abwässer den Verbandsanlagen zugeführt oder die Aufwendungen oder Kosten in sonstiger Weise verursacht hat") sprechen, weil der Begriff der Verursachung regelmäßig kein wissentliches oder willentliches Element beinhaltet. Insoweit könnte vorliegend daher ausreichen, dass der Betrieb der Kanalisation durch die Stadt J. objektiv dazu geeignet und auf den Zweck gerichtet war, in die Kanalisation gelangte Abwässer zur Kläranlage J. -C. zu transportieren.
63Der von der Stadt J. nach § 29 Abs. 4 der Satzung des Klägers i. V. m. § 227 AO gestellte Antrag auf Erlass des Sonderbeitrags in Höhe von 1.929.081,00 Euro wegen sachlicher Unbilligkeit ist vom Kläger im Hinblick auf die nach § 4 Abs. 4 Satz 1 bis 4 AbwAG erhöhte Abwasserabgabe von 1.904.028,00 Euro auch nicht offensichtlich positiv zu bescheiden. Es ist nicht eindeutig und nach jeder vertretbaren Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die Sonderbeitragspflicht der Stadt J. sachlich unbillig ist, weil sie den aus § 25 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 der Satzung des Klägers zu entnehmenden Wertungen des Satzungsgebers zuwiderliefe. Dabei ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass § 25 Abs. 3 der Satzung des Klägers hinsichtlich der auf das betreffende Mitglied des Klägers abwälzbaren Höhe der nach § 4 Abs. 4 AbwAG erhöhten Abwasserabgabe keine Obergrenze enthält. Demnach wollte der Satzungsgeber in Kenntnis des § 4 Abs. 4 AbwAG, dass jegliche nach dieser Vorschrift erhöhte Abwasserabgabe, die dadurch entstanden ist, dass ein Mitglied des Klägers einer seiner Kläranlagen Abwässer i. S. d. § 14 Abs. 2 Satz 1 der Satzung des Klägers zugeführt hat, auf dieses Mitglied abgewälzt wird. Darüber hinaus differenziert § 25 Abs. 3 der Satzung des Klägers auch nicht danach, wie und durch wen die Abwässer in die Kanalisation des Mitglieds gelangt sind. Entscheidend ist vielmehr allein, dass das Mitglied die Abwässer durch seine Kanalisation der Kläranlage des Klägers zugeführt und damit einen Verursachungsbeitrag zur Erhöhung der Abwasserabgabe nach § 4 Abs. 4 AbwAG gesetzt hat. Dass die Erhebung eines Sonderbeitrags für höhere Abwasserabgaben sachlich unbillig ist, wenn dieser Beitrag nicht auf die für das Hineingelangen der Abwässer in die Kanalisation verantwortlichen Dritten im Wege des finanziellen Rückgriffs abgewälzt werden kann, ist ebenfalls nicht offensichtlich. Im Übrigen wäre insoweit zunächst die Inanspruchnahme der Fa. X. und der Fa. E1. durch die Stadt J. - etwa aufgrund von § 21 Abs. 3 der städtischen Entwässerungssatzung - zu prüfen.
64Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
65Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
66Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
67Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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