Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (7. Senat) - 7 A 11145/14

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 27. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten in Höhe von 7.338,85 €, die der Beklagten im Zeitraum 19. April bis 30. November 2012 infolge des Aufenthaltes der Eltern des Klägers nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes entstanden sind.

2

Der am … 1974 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger pakistanischer Herkunft. Am 13. Dezember 2011 wandte er sich an die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises, gab an, seine in Pakistan lebenden Eltern pakistanischer Staatsangehörigkeit wollten ihn im Zeitraum 21. Januar bis 20. Februar 2012 besuchen, und unterzeichnete einen Antrag auf Erstellung einer Verpflichtungserklärung im Sinne von § 68 AufenthG einschließlich einer im Antragsformular enthaltenen Erklärung, worin er bestätigte, vor Abgabe der Verpflichtungserklärung auf den Umfang der eingegangenen Verpflichtungen, deren Dauer, deren Vollstreckbarkeit sowie auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hingewiesen worden zu sein und die Belehrung verstanden sowie einen Abdruck davon erhalten zu haben. Wegen des genauen Inhaltes dieser Erklärung wird auf die Rückseite der Seite 4 der diesbezüglichen Verwaltungsakten des Lahn-Dill-Kreises verwiesen.

3

In der Folgezeit legte der Kläger der Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises drei Abrechnungen vor, wonach er im September 2011 einen Nettoverdienst in Höhe von 1.743,79 €, im Oktober 2011 einen Nettoverdienst in Höhe von 1.710,73 € und im November 2011 – einschließlich einer Brutto-Jahresprämie in Höhe von 2.200,00 € – einen Nettoverdienst in Höhe von 3.224,65 € erzielt hatte, und gab an, verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben. Die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises ging indes davon aus, das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen betrage 3.224 €/M und übersteige die mit 2.387 €/M angenommenen erforderlichen Existenzmittel um 837 €/M. Daraufhin kam es am 23. Dezember 2011 zur Erstellung einer vom Kläger unterzeichneten Verpflichtungserklärung. Wegen des genauen Inhaltes dieser Erklärung und ihrer Gestaltung wird auf die Vor- und Rückseite der Seite 1 der diesbezüglichen Verwaltungsakten des Lahn-Dill-Kreises verwiesen.

4

Am 1. Februar 2012 reisten die Eltern des Klägers im Besitz ihnen am 12. Januar 2012 vom deutschen Generalkonsulat in K erteilter Schengen-Visa für den Zeitraum 1. bis 29. Februar 2012 in das Bundesgebiet ein. Am 8. Februar 2012 meldeten sie sich bei der Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Trier und stellten dort am 28. Februar 2012 Asylanträge. Daraufhin wurden sie zum 19. April 2012 der Beklagten zugewiesen, weil in Frankenthal zumindest ein anderer Sohn sowie ein Bruder und eine Schwester des Vaters des Klägers wohnten.

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Nach vorherigem diesbezüglichen Hinweis vom 9. Juli 2012 zog die Beklagte den Kläger mit Bescheiden vom 19. September 2012 und vom 3. Dezember 2012 zur Erstattung der ihr infolge des Aufenthaltes seiner Eltern nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes entstanden Kosten im Zeitraum 19. April bis 31. August 2012 bzw. im Zeitraum 1. September bis 30. November 2012 in Höhe von 4.343,87 € bzw. in Höhe von 2.994,98 € heran. Zur Begründung verwies sie auf die von ihm abgegebene Verpflichtungserklärung und führte aus, die Stellung von Asylanträgen habe nicht zur Beendigung seiner dadurch eingegangenen Verpflichtung geführt, die Kosten für die Lebensunterhaltssicherung seiner Eltern zu erstatten.

6

Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch und machte im Wesentlichen geltend: Er sei zur Erstattung der geltend gemachten Kosten wirtschaftlich nicht in der Lage. Sein durchschnittliches Monatseinkommen betrage nur knapp 1.500,00 €. Er habe gemeint, als Folge der Verpflichtungserklärung nur die Aufnahme seiner Eltern in seinen Haushalt während ihres Besuches bei ihm finanzieren zu müssen. An eine Asylantragstellung durch seine Eltern habe er nicht im Entferntesten gedacht. Schon daraus ergebe sich ein atypischer Fall. Deshalb hätte die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen müssen, in welchem Umfang der Erstattungsanspruch geltend gemacht werde und welche Zahlungserleichterungen eingeräumt würden. Vor allem aber sei mit der Stellung der Asylanträge der ursprüngliche Zweck des Aufenthalts seiner Eltern entfallen. Damit habe auch seine Verpflichtung geendet.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2013 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten beide Widersprüche zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Verpflichtungserklärung des Klägers sei für die gesamte Dauer des Aufenthalts seiner Eltern oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels für einem anderen Aufenthaltszweck verbindlich. Eine asylrechtliche Aufenthaltsgestattung sei kein solcher Aufenthaltstitel. Ferner entspreche es Sinn und Zweck des § 68 AufenthG sowie einer gerechten Risikoverteilung, die Kostenhaftung auch auf die Zeiten eines Asylverfahrens zu erstrecken. Anderenfalls hätte es ein Ausländer in der Hand, die Reichweite der Haftung praktisch auf Null zu reduzieren, indem er nach der Einreise sogleich einen Asylantrag stelle. Die Behauptung des Klägers, er sei sich über den Umfang der Verpflichtungserklärung nicht im Klaren gewesen, sei unbehelflich und angesichts der Belehrung durch die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises und den Wortlaut der Verpflichtungserklärung auch nicht glaubhaft. Jedenfalls sei diese wirksam. Auch verlangten das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Regelfall, Erstattungsansprüche nach § 68 AufenthG geltend zu machen, ohne dass diesbezüglich eine Ermessensentscheidung getroffen werden müsse. Ein atypischer Härtefall liege hier nicht vor. Der angekündigte Besuchsaufenthalt der Eltern des Klägers habe allein privaten Zwecken gedient. Aufgrund ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes und zahlreicher Verwandter in Deutschland habe der Kläger auch mit einem längeren oder sogar dauerhaften Aufenthalt seiner Eltern in Deutschland rechnen müssen. Durch eine erneute Aufnahme seiner Eltern in seinen Haushalt nach deren Umverteilung könne er künftig die tatsächlichen Kosten ihres Aufenthaltes reduzieren. Für die Vergangenheit sei bislang nur die Erstattung von 7.338,85 € verlangt worden, was noch im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Klägers liege, jedenfalls bei angebotener Ratenzahlung, etwa bei Einsatz seiner Jahresprämien. Die etwaige Heranziehung zu weiteren Erstattungen komme jedoch erst nach einer Prüfung der Beklagten in Betracht, ob dies nicht die Leistungsfähigkeit des Klägers überschreiten oder ihn unzumutbar belasten würde, sofern dieser – anders als bislang – seine wirtschaftliche Situation konkret darlege und nachweise. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete es im vorliegenden Fall nicht, den Kläger von der Erstattungspflicht vollständig freizustellen.

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Am 18. September 2013 hat der Kläger Klage erhoben, sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Seine Verpflichtungserklärung habe sich nur auf einen Besuchsaufenthalt seiner Eltern bezogen. Mögliche Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gingen daraus nicht hervor. Dass er sich nicht über einen Besuchsaufenthalt im Februar 2012 hinaus habe verpflichten wollen, folge auch aus seiner Leistungsunfähigkeit. Bei seinem Einkommen und seinen Unterhaltsverpflichtungen für seine Ehefrau und drei Kinder habe er nur wenige Wochen weitere Personen unterhalten können. Angesichts dessen sei es bereits treuwidrig gewesen, ihn eine Verpflichtungserklärung mit dem Inhalt, den ihr die Beklagte beimesse, unterschreiben zu lassen, und habe ein Heranziehungsbescheid nicht ergehen dürfen. Letzteres gelte schon wegen dessen fehlender Durchsetzbarkeit. So könnten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts leistungsunfähige Bürgen nicht herangezogen werden, wenn Hauptschuldner ein naher Blutsverwandter sei. Sein tatsächliches Gehalt könne nicht gepfändet werden. Er sei zu einer langfristigen Finanzierung des Bedarfs seiner Eltern nicht in der Lage. Er müsse auch nicht etwa die Jahresprämie, die anteilig seinen jeweiligen Monatsverdiensten zuzurechnen sei, für die Kostenerstattung verwenden. Dies alles hätte jedenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung berücksichtigt werden müssen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Februar 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Bescheide vom 19. September und vom 3. Dezember 2012 seien in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2013 rechtmäßig. Durchgreifende Zweifel an der Wirksamkeit der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung bestünden nicht. Er sei durch die Angaben in dem von ihm unterzeichneten bundeseinheitlichen Vordruck über die inhaltliche und zeitliche Reichweite der übernommenen Verpflichtung hingewiesen worden. Zudem sei er von der Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises nach deren unbestrittenen Angaben mündlich auf die möglichen Folgen der übernommenen Verpflichtung hingewiesen worden. Damit habe der Kläger bei der Unterzeichnung der Erklärung nicht davon ausgehen können, dass seine Einstandspflicht mit dem Ablauf der seinen Eltern erteilten Visa am 29. Februar 2012 enden würde. Vorbehalte hinsichtlich seiner finanziellen Leistungsfähigkeit – insbesondere in Bezug auf die bei seinen Eltern bereits vor ihrer Einreise bestehenden dauerhaften Erkrankungen – habe er bei der Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung nicht geltend gemacht. Die Verpflichtungserklärung habe ihre Gültigkeit auch nicht mit dem Ablauf der den Eltern des Klägers erteilten Visa am 29. Februar 2012 verloren. Eine nicht ausdrücklich befristete Verpflichtung aus einer Erklärung gemäß § 68 AufenthG ende erst mit dem Ende des Aufenthalts des Ausländers oder mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen neuen Aufenthaltszweck. Das ergebe sich auch aus dem vom Kläger unterzeichneten amtlichen Vordruck. Entsprechendes gelte bei der Stellung eines Asylantrages. Soweit der Kläger eine Unwirksamkeit der Verpflichtungserklärung aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Familienbürgschaften herleiten wolle, sei ihm nicht zu folgen. Es sei von der Rechtsordnung gedeckt und beruhe nicht auf einer sittenwidrigen Ausnutzung staatlicher Übermacht, die Einreise von Familienangehörigen davon abhängig zu machen, dass ihr Lebensunterhalt sichergestellt sei. Andernfalls müsse eine Einreiseerlaubnis versagt werden. Vielfach würden daher erst mit der Abgabe einer Verpflichtungserklärung die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums erfüllt. Zwar sei eine Verpflichtungserklärung dann unwirksam, wenn der Verpflichtete von vornherein erkennbar außerstande sei, Naturalleistungen zu gewähren, die gegenüber Verwandten typischerweise erbracht würden (Aufnahme in die Wohnung, Gewährung von Lebensunterhalt nach Maßgabe des der Familie Möglichen). So sei es im vorliegenden Fall aber nicht. Die Frage, ob der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert sei, sei gemäß § 2 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs.1 Nr. 1 AufenthG mit Blick auf die Dauer und den Zweck seines Aufenthalts zu prognostizieren. Insoweit komme es auch auf die vorhersehbare Entwicklung des Aufenthalts des Ausländers an. Obgleich eine Verpflichtungserklärung darauf gerichtet sei, auch jene Kosten aufzufangen, die erst nach der Erledigung des ursprünglichen Aufenthaltszweckes einträten, sei die Ausländerbehörde bei ihrer Prognose nicht gezwungen, ohne greifbaren Anhaltspunkt auch vom Entstehen objektiver Ausreisehindernisse oder von einem fehlenden Ausreisewillen des Ausländers auszugehen. Angesichts der Höhe des nachgewiesenen Einkommens des Klägers aufgrund eines seit dem 1. Januar 2004 bei demselben Arbeitgeber ununterbrochen bestehenden Beschäftigungsverhältnisses und zusätzlicher Kindergeldzahlungen habe die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises davon ausgehen dürfen, dass jener die voraussichtlichen Kosten eines etwa vierwöchigen Kurzaufenthalts seiner Eltern würde tragen können, ohne den eigenen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Ehefrau und seiner Kinder zu gefährden. Ein atypischer Sachverhalt, der es ausnahmsweise gebieten würde, bereits von der Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs gegen den Kläger abzusehen, sei nicht erkennbar. Dass der Besuchsaufenthalt seiner Eltern von Besonderheiten geprägt gewesen wäre, habe der Kläger nicht dargetan. Seine Behauptung, er habe nicht im Entferntesten mit Asylanträgen seiner Eltern gerechnet, sei nicht glaubhaft, da ihm die jenen drohende politische Verfolgung bekannt gewesen sein müsse. Im Übrigen werde durch einen Asylantrag dasjenige Kostenrisiko verwirklicht, dem eine Verpflichtungserklärung gerade begegnen solle, so dass die Heranziehung des Klägers nicht unbillig sei. Schließlich werde die Höhe der seitens der Beklagten geltend gemachten Kosten durch den Kläger nicht substantiiert in Frage gestellt.

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Mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 28. Mai 2014 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Eltern des Klägers die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Daraufhin hat die Beklagte ihnen am 16. Juni 2014 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.

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Auf den Antrag des Klägers vom 28. März 2014 hin hat der Senat mit seinen Prozessbevollmächtigten am 22. Dezember 2014 zugestelltem Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 7 A 10364/14.OVG – seine Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Nachdem der Kläger mit seinen Prozessbevollmächtigten am 4. Februar 2015 zugegangenem Hinweis auf die mittlerweile ab- gelaufene Frist zur Berufungsbegründung hingewiesen worden war, hat er mit Schreiben vom 4. Februar 2015 seine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, mit Schreiben vom 17. Februar 2015 die zugelassene Berufung begründet und geltend gemacht: Da für seinen sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten wegen Arbeitsüberlastung bezüglich der Berufungsbegründung Zeitnot absehbar gewesen sei, sei mit Schreiben vom 12. Januar 2015 unter Hinweis hierauf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und das Schreiben an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz adressiert, ausreichend frankiert und nach entsprechendem Eintrag in die Postausgangsliste von der Rechtsanwaltfachangestellten P am 12. Januar 2015 in den Postkasten eingeworfen worden. Angesichts dessen habe er auf dessen rechtzeitigen Ein- gang beim Oberverwaltungsgericht und auf die antragsgemäße Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vertrauen dürfen. Seine Berufung sei auch begründet. Er sei nur bereit gewesen, für die Kosten des Lebensunterhalts seiner Eltern während ihres von den ihnen zu erteilenden Besuchsvisa gedeckten Besuchsaufenthaltes aufzukommen. Als juristischer Laie habe er nicht erkennen können, dass auch Kosten infolge ihres Aufenthaltes aufgrund eines hier gestellten Asylantrages auf ihn zukommen könnten. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei er hierüber von der Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises nicht mündlich belehrt worden. Im Text der von ihm am 13. Dezember 2011 unterschriebenen Erklärung sei nur das Aufenthaltsgesetz genannt worden. In der Verpflichtungserklärung vom 23. Dezember 2011 werde das Asylbewerberleistungsgesetz nur auf der Rückseite im Kleingedruckten erwähnt. Hierauf hätte auf der Vorderseite ausdrücklich und drucktechnisch hervorgehoben hingewiesen wer- den müssen, um den Anforderungen des § 305c BGB an nicht erwartbare Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu genügen. Angesichts der Machtstellung des Staates und der Ablehnung des Visumantrages bei Nichtunterzeichnung einer Verpflichtungserklärung bedürfe der Bürger zudem Schutz vor einer ihn überfordernden Haftung. Insoweit dürften keine geringeren Anforderungen gestellt werden als bei Bürgschaften ohne ausreichende Mittel zugunsten von Eltern oder Geschwistern. Das Bundesverwaltungsgericht sei in seinem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 24. November 1998 auf die Überforderung naher Blutsverwandter nicht eingegangen, habe gleichwohl aber die im Zwangsvollstreckungsverfahren bestehenden Möglichkeiten zum Schutz des Schuldners für nicht ausreichend gehalten. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts habe er die Absicht seiner Eltern, hier Asylanträge zu stellen, nicht gekannt und billige diese auch nicht; sein Verhältnis zu seinen Eltern sei gespannt. Jeden- falls hätte vor der Abgabe der Verpflichtungserklärung geprüft werden müssen, ob zur Gewährleistung der Haftung trotz der bestehenden Pfändungsgrenzen ausreichende Einkünfte vorhanden seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Es hätte nicht einmal mit Blick auf eine ihm etwa ratenweise mögliche Kostenerstattung eine Verpflichtungserklärung erstellt werden dürfen. Die zulässige Gesamtdauer der Haftung richte sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Verpflichteten. Somit komme nur eine auf die Dauer des Visums beschränkte Haftung in Betracht, wohingegen jede weitergehende Inanspruchnahme auf einem Ermessensfehler beruhe.

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Der Kläger hat die Kopie einer Postausgangsliste vom 12. Januar 2015 sowie eine eidesstattliche Versicherung von Frau P vom 4. Februar 2015 vorgelegt und beantragt sinngemäß,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 27. Februar 2014 die Bescheide der Beklagten vom 19. September und 3. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 21. August 2013 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

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Sie meint, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 2013 zur Prüfung der Bonität bei einem beabsichtigten Daueraufenthalt eines Ausländers sei nicht auf Fälle übertragbar, in denen lediglich von einem kurzfristigen Besuchsaufenthalt auszugehen sei. Die Frage, ob der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert sei, sei mit Blick auf Dauer und Zweck des beabsichtigten Aufenthalts zu beurteilen. Dabei sei davon auszugehen, dass nahe Angehörige in den Haushalt des sich Verpflichtenden mit aufgenommen würden, wenn eine Hotelunterbringung zu teuer sei. Die zur Sicherung deren Lebensunterhalts erforderlichen Mittel seien deswegen niedriger als bei Anlegung sozialhilferechtlicher Maßstäbe. Sie habe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch keine Ermessensentscheidung bezüglich der Heranziehungen des Klägers treffen müssen. Im Sinne dieser Rechtsprechung habe nämlich ein Regelfall bestanden, weil für den Aufenthalt der Eltern des Klägers nur private Gründe vorgelegen hätten und weil die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises eine Bonitätsprüfung durchgeführt habe. Allein der Umstand, dass diese möglicherweise zu einem fehlerhaften Ergebnis geführt habe, begründe keinen Ausnahmefall und stehe einer vollumfänglichen Heranziehung des Klägers nicht entgegen. Dieser habe das mit seiner Verpflichtungserklärung eingegangene Risiko gekannt. Davon abgesehen enthalte der Widerspruchsbescheid diesbezügliche Ermessenserwägungen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten, auf die die Eltern des Klägers betreffenden Ausländerakten der Beklagten und auf die die Abgabe der Verpflichtungserklärung des Klägers betreffende Verwaltungsakte des Lahn-Dill-Kreises Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

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Zwar ist sie zulässig, da dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass seine Prozessbevollmächtigten mit am 12. Januar 2015 zur Post gegebenem ausreichend frankiertem und zutreffend adressiertem Schriftsatz erstmals die Verlängerung der am 22. Januar 2015 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist wegen Arbeitsüberlastung beantragt haben, sodass er sowohl auf den rechtzeitigen Zugang dieses Schriftsatzes (vgl. nur Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblatt, § 60 Rn. 38 m.w.N. in Fußn. 98 [Stand Sept. 2004]) als auch auf die begehrte Fristverlängerung (vgl. nur Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblatt, § 124a Rn. 38 und 42 m.w.N. in Fußn. 177 und 188 [Stand Sept. 2004]) vertrauen durfte. Ferner hat er innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von der versäumten Frist eine Berufungsbegründungsschrift vorgelegt.

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Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kostenbescheide der Beklagten vom 19. September und vom 3. Dezember 2012 über 4.343,87 € bzw. über 2.994,98 € sind jedenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 21. August 2013 rechtmäßig. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 68 Abs. 1 AufenthG. Danach hat derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Nach § 68 Abs. 2 Satz 3 AufenthG steht der Erstattungsanspruch der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat. Diese ist befugt, den Anspruch im Wege des Verwaltungsakts geltend zu machen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 – 1 C 33.97 – BVerwGE 108,1 [3 f.]).

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Der Kläger hat sich gegenüber der Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises unter Verwendung des dafür amtlich vorgeschriebenen bundeseinheitlichen Formulars verpflichtet, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt seiner Eltern während ihres Aufenthaltes vom Tag der voraussichtlichen Einreise bis zur Beendigung ihres Aufenthaltes oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck – also in zeitlicher Hinsicht über den Ablauf der seinen Eltern hernach zu erteilenden Visa hinaus – aufgewendet werden sollten, auch soweit diese Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch, etwa nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz, beruhen sollten.

22

Diese Verpflichtung umfasst auch die Mittel, die für den Lebensunterhalt seiner Eltern während ihres Asylverfahrens bis zu dessen Abschluss anfielen. Zum einen ist die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Zum anderen ergibt sich der Fortbestand der Haftung aus der Regelung des § 8 AsylbLG: Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift werden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gedeckt wird. Als Ausdruck nur subsidiärer Leistungsgewährung setzt die Vorschrift notwendigerweise voraus, dass die vom Gesetzgeber ausdrücklich genannte Haftung aufgrund einer Verpflichtungserklärung nicht mit der Asylantragstellung des Ausländers endet (so BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 1 C 4.13 – BVerwGE 149, 65 [69 f. Rn. 12]). Diese Verpflichtung ist auch nicht etwa rückwirkend durch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an die Eltern des Klägers weggefallen. Zwar wird einem Ausländer gemäß § 55 Abs. 3 AsylVfG, soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, die Zeit eines Aufenthalts nach Absatz 1 – d.h. während des Bestehens einer Aufenthaltsgestattung – angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt oder ihm unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist. Dem Betreffenden wird jedoch nicht rückwirkend ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 bzw. 2 AufenthG erteilt. Die Regelung ordnet auch sonst nicht umfassend an, dass beim Erfolg des Asylantrages der Antragsteller in allen rechtlichen oder tatsächlichen Belangen rückwirkend so zu stellen wäre, als seien An- bzw. Zuerkennung des Status bereits am Tage der Antragstellung erfolgt, und kann auch nicht als Ausformung eines entsprechenden (ungeschriebenen) Rechtsgrundsatzes gewertet werden (so BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 1 C 4.13 – BVerwGE 149, 65 [71 Rn. 14]).

23

Die Verpflichtungserklärung des Klägers war auch nicht etwa von Anfang an unwirksam. Die von ihm unterzeichnete Urkunde erfüllt die durch § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Schriftform. Da die Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 AufenthG durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung begründet wird, bedurfte es keiner förmlichen Annahme durch die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises. Die Verpflichtungserklärung des Klägers ist hinreichend bestimmt. Inhalt und Reichweite der von ihm eingegangenen Verpflichtung lassen sich durch Auslegung anhand objektiver Umstände ermitteln (vgl. §§ 133, 157 BGB). Sie erstreckt sich – wie oben bereits aufgezeigt – auch auf die für den Lebensunterhalt seiner Eltern nach dem Ablauf der jenen erteilten Visa und während ihrer Asylverfahren bis zu deren Abschluss rechtmäßig erbrachten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

24

Inhalt und Reichweite der von ihm eingegangenen Verpflichtung waren für den Kläger auch durchaus erkennbar. Die Dauer der Verpflichtung vom Tag der voraussichtlichen Einreise bis zur Beendigung des Aufenthaltes seiner Eltern oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck, also nicht nur etwa bis zum Ablauf der ihnen hernach zu erteilenden Visa, ergab sich nicht etwa nur aus dem "Kleingedruckten" auf der Rückseite der Urkunde, sondern aus deren Vorderseite in gut lesbarer Schriftgröße, die den Schriftgrößen bezüglich der sonstigen Texte auf der Urkundenvorderseite ähnelt und die durch die zusätzliche Angabe "Dauer der Verpflichtung" auf dem linken Seitenrand besonders hervorgehoben ist (vgl. S. 1 der Verwaltungsakte des Lahn-Dill-Kreises – im Folgenden: VA LDK). Zusätzlich enthält die vom Kläger am 13. Dezember 2011 unterzeichnete "Erklärung des Verpflichtungsgebers vor der Ausländerbehörde zur Abgabe der Verpflichtungserklärung" im "Antrag auf Erstellung einer Erklärung nach §§ 66, 67 und 68 Aufenthaltsgesetz (Verpflichtungserklärung)" folgenden Hinweis:

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"2. Dauer der Verpflichtung

26

Die aus der Verpflichtungserklärung resultierende Verpflichtung erstreckt sich unabhängig von der Dauer des zugrundeliegenden Aufenthaltstitels auf den gesamten sich der Einreise anschließenden Aufenthalt, auch auf Zeiträume eines möglichen illegalen Aufenthalts.

27

Im Regelfall endet die Verpflichtung mit dem Ende des vorgesehenen Gesamtaufenthaltes oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wurde"

28

(vgl. S. 4 R VA LDK). Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass die Verpflichtung des Klägers nicht mit dem Ablauf der seinen Eltern erteilten Visa enden würde, es sei denn, jene würden zuvor ausreisen oder aber einen anderen Aufenthaltstitel erhalten. Dies folgt insbesondere auch aus dem Hinweis, die Verpflichtung erstrecke sich auch auf die Zeiträume eines möglichen illegalen Aufenthalts, der den Ablauf der Visa und ein eigenmächtiges Verbleiben im Bundesgebiet indes zwingend voraussetzt. Der Kläger hat zudem am 13. Dezember 2011 unterzeichnet, diese Hinweise verstanden und einen Abdruck davon erhalten zu haben. Im Übrigen stellt die Erklärung des Klägers vom 13. Dezember 2011 keine Besonderheit des vorliegenden Einzelfalles dar, sondern entspricht wortwörtlich der Anlage zum noch immer maßgeblichen "Bundeseinheitliches Merkblatt zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i.V.m. § 66 und § 67 AufenthG (Stand: 15. Dezember)", worin unter E) angeordnet wird, dass "für die Belehrung des sich Verpflichtenden … das als Anlage beiliegende Muster zu verwenden" ist.

29

Schon deshalb ergab sich für den Kläger hinreichend deutlich, dass seine Verpflichtung nicht durch Asylanträge seiner Eltern entfallen würde. Zugleich war deswegen eine weitergehende mündliche Belehrung des Klägers durch die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises nicht erforderlich, sodass offen bleiben kann, ob eine solche erfolgt ist, wie die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises der Beklagten mitgeteilt hat, der Kläger indes bestreitet. Überdies konnte er auch dem Hinweis auf der Rückseite der Verpflichtungsurkunde entnehmen, dass seine Verpflichtung auch gilt, "soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen (z.B. Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz)". Damit erstreckte sich seine Verpflichtung nach dem hinreichend klaren Wortlaut seiner Erklärung vom 23. Dezember 2011 auch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass der letztere Hinweis in seiner Erklärung vom 13. Dezember nicht enthalten ist und sich in seiner Erklärung vom 23. Dezember 2014 nur "im Kleingedruckten" auf der Rückseite der Urkunde findet. Der Senat erkennt auch keine Notwendigkeit für die Gestaltung der Urkunden-Rückseite, wonach sich an die Wiedergabe der ergänzenden Hinweise in sehr kleiner Schrift mehrere in dieser Größe allenfalls selten erforderliche Felder anschließen, insbesondere neben dem kleineren Feld zum Eintrag der erhobenen Gebühr für die Erstellung der Urkunde. Ferner hält es der Senat – zumal im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 13. Februar 2014 – 1 C 4.13 – BVerwGE 149, 65 ff. für wünschenswert, dass der Hinweis auf die Erstreckung der Verpflichtung auf die Zeiten eines Asylverfahrens bis zu dessen Abschluss in den Belehrungstext aufgenommen sowie in der Verpflichtungsurkunde noch deutlicher gefasst wird. Dies ändert aber nichts daran, dass der Hinweis auf der Rückseite der vom Kläger am 23. Dezember 2011 unterzeichneten Verpflichtungserklärungs-Urkunde, die Verpflichtung erstrecke sich auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, seinem Wortlaut nach hinreichend klar und trotz der geringen Schriftgröße noch lesbar ist (vgl. S. 1 R VA LDK). Der Kläger hat auch nicht etwa vorgetragen, er habe den Text auf der Urkundenrückseite nicht lesen können und dieser sei ihm trotz seines Verlangens nicht vorgelesen worden.

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Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, eine solche Urkundengestaltung genüge nicht den Anforderungen des § 305c BGB an nicht erwartbare Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, verkennt er bereits, dass im Zuge der Erstellung einer Verpflichtungserklärungs-Urkunde und infolge der Abgabe der Verpflichtungserklärung keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Ausländer und der Ausländerbehörde entstehen oder bestehen. Ein Ausländer erhält in der Regel keinen Aufenthaltstitel, wenn er nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln oder etwa aus Leistungen Familienangehöriger zu bestreiten (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 und 4 AufenthG). Mit der Abgabe einer Verpflichtungserklärung wird mithin bezweckt, ein tatbestandliches Hindernis für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auszuräumen. Es geht dabei somit nicht um die Koppelung einer staatlichen Vergünstigung an eine Gegenleistung, sondern darum, dass eine begünstigende Entscheidung nur bei Vorliegen ihrer gesetzlichen Voraussetzungen getroffen werden kann. Trägt der an einer positiven Entscheidung Interessierte nicht das in seiner Macht Stehende dazu bei, die Voraussetzungen des andernfalls nicht erfüllten Begünstigungstatbestandes zu schaffen, nötigt die Rechtslage die Behörde dazu, die Begünstigung zu versagen. Dies hat mit der Ausnutzung einer Machtstellung nichts zu tun (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 – 1 C 33.97 – a.a.O. S. 3 f. und 11 f.). § 305c BGB ist deshalb weder direkt noch entsprechend anwendbar.

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Zugleich bestehen deswegen keine materiell-rechtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer solchen Verpflichtungserklärung und die dadurch eingegangene Verpflichtung, auch nicht im Hinblick auf deren Umfang. Insbesondere ist deswegen auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit von Bürgschaftsverträgen mit finanziell leistungsunfähigen und geschäftsunerfahrenen Familienangehörigen des Hauptschuldners in Ausnahmefällen nicht auf die Verpflichtung infolge einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG übertragbar. Dies gilt im Falle des Klägers umso mehr, da er als Filialleiter und Manager nicht geschäftsunerfahren war. Richtig ist insoweit zwar, dass sich die Höhe der aufgrund einer solchen Verpflichtungserklärung zu erstattenden Kosten in Fällen, in denen der Ausländer nach Ablauf seines Visums einen Asylantrag stellt oder illegal im Bundesgebiet verbleibt, auch mit Blick auf die Kosten einer etwaigen unfreiwilligen Aufenthaltsbeendigung kaum abschätzen lässt. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch selbst Verpflichtungserklärungen, die zur Aufnahme von Flüchtlingen, die für die – nicht abschätzbare – Dauer des Bürgerkriegs in Bosnien-Herzegowina abgegeben worden waren, für grundsätzlich rechtmäßig erachtet, obwohl die sich Verpflichtenden in einer Zwangslage gewesen seien, weil sie Verwandte vor dem Bürgerkrieg hätten retten wollen. Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht eine Heranziehung der insoweit Verpflichteten für rechtens erachtet. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in diesen Fällen ausnahmsweise eine Ermessensentscheidung der heranziehenden Behörde für erforderlich gehalten, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen den Verpflichteten etwa eingeräumt werden, weil die Aufnahme der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina auch eine öffentliche Angelegenheit gewesen sei, wie sich namentlich aus dem IMK-Beschluss vom 22. Mai 1992 ergebe, und weil die Verpflichtungserklärungen ohne Prüfung der finanziellen Verhältnisse der sich Verpflichtenden akzeptiert worden seien, sodass die zuständigen Behörden eine Risikoentscheidung getroffen und damit Mitverantwortung für die entstehenden Kosten übernommen hätten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 – 1 C 33.97 – a.a.O. S. 13 – 15 und 18 – 20).

32

Für den Regelfall hat das Bundesverwaltungsgericht hingegen entschieden, dass der Verpflichtete zur Erstattung heranzuziehen ist, ohne dass es derartiger Ermessenserwägungen bedarf. Ein Regelfall liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn der Aufenthalt des Ausländers in Deutschland allein oder überwiegend private Gründe hat und dementsprechend der Lebensunterhalt ausschließlich von privater Seite zu sichern ist, wenn zudem die finanzielle Belastbarkeit des sich Verpflichtenden im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden ist und wenn schließlich nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte (vgl. dessen Urteile vom 24. November 1998 – 1 C 33.97 – a.a.O. S. 18, vom 18. April 2013 – 10 C 10.12 – BVerwGE 146, 198 [212 Rn. 31] und vom 13. Februar 2014 – 1 C 4.13 – BVerwGE 149, 65 [73 Rn. 16]).

33

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an.

34

Im vorliegenden Fall spricht einiges dafür, dass kein Regelfall, sondern ein Ausnahmefall vorliegt, der eine Ermessensentscheidung erfordert, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Kläger eingeräumt werden.

35

Zwar hatte der Aufenthalt der Eltern des Klägers in Deutschland allein private Gründe und war dementsprechend deren Lebensunterhalt ausschließlich von privater Seite zu sichern.

36

Auch war die Bonität des Klägers von der Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises voll und individuell geprüft worden, jedoch zumindest teilweise fehlerhaft. Zwar wurde dabei im Ansatz zu Recht auf die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen nach § 850c ZPO abgestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 10.12 – BVerwGE 146, 198 [213 Rn. 33]. Die Verpflichtungserklärung ist nämlich gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes vollstreckbar. § 5 Abs. 1 VwVG verweist für den Vollstreckungsschutz auf § 319 AO, wonach die Beschränkungen und Verbote, die u.a. nach §§ 850 bis 852 ZPO für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, sinngemäß gelten. Mithin kann aus einer Verpflichtungserklärung nur vollstreckt werden, wenn und soweit das Arbeitseinkommen des Verpflichteten die Pfändungsgrenze übersteigt. Dies war indes vorliegend entgegen der Annahme der Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises nur sehr eingeschränkt der Fall. Bei einem Verheirateten mit drei Kindern überschritt im Dezember 2011 nämlich erst ein Nettoeinkommen in Höhe von 2.070,00 €/M die Pfändungsgrenze. Das Nettoeinkommen des Klägers überschritt jedoch nur im Monat November 2011 diese Grenze, weil in diesem Monat sein Monatsgehalt eine "Jahresprämie" in Höhe von brutto 2.200,00 € einschloss und sich nur deshalb auf 3.224,65 € netto belief. Die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises ging jedoch davon aus, bei diesem Monatseinkommen handele es sich um das durchschnittliche monatliche "Haushaltsnettoeinkommen". Zudem war im Dezember 2011 auch bei einem Nettoarbeitseinkommen in Höhe von 3.224,65 € bei vier Unterhaltsberechtigten nur ein Betrag in Höhe von 287,84 € pfändbar; sofern es sich bei der "Jahresprämie" um eine "Weihnachtsvergütung" im Sinne von § 850a Nr. 4 ZPO gehandelt haben sollte, wären vom Arbeitseinkommen des Klägers im November 2011 sogar nur 131,34 € pfändbar gewesen. Zutreffend hat zwar das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtungserklärung zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Ausländers abgegeben wird, dass die Frage, ob sein Lebensunterhalt gesichert ist, mit Blick auf die voraussichtliche Dauer und den voraussichtlichen Zweck seines Aufenthalts zu prognostizieren ist und dass dabei ohne greifbaren Anhaltspunkt nicht vom Entstehen objektiver Ausreisehindernisse oder von einem fehlenden Ausreisewillen des Ausländers ausgegangen werden muss. Dies hat indes nur Auswirkung auf die Frage, von welchem zu deckenden Bedarf des Ausländers im Rahmen der Prognose auszugehen ist, sodass etwa bei einem kurzen Besuchsaufenthalt der anzunehmende Bedarf deutlich unter dem Betrag liegen wird, der auf der Grundlage der Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bei einem langfristigen oder gar dauernden Aufenthalt des Ausländers zu prognostizieren ist. Die Frage, ob überhaupt in das Arbeitseinkommen des Verpflichteten vollstreckt werden kann, bleibt davon jedoch unberührt. Nur wenn im November 2011 vom Arbeitseinkommen des Klägers ein Betrag von 287,84 € gepfändet werden können und mit einer vergleichbaren Pfändungsmöglichkeit für November 2012 zu rechnen gewesen wäre, wäre die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises mithin wohl im Ergebnis zu Recht von einer gerade noch genügenden Bonität des Klägers ausgegangen.

37

Angesichts der tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Klägers konnte die Beklagte wohl auch nicht ohne weiteres davon ausgehen, es spreche "nichts dafür, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könnte". Denn inzwischen stand ja fest, dass der Kläger nicht nur während eines vierwöchigen Besuchsaufenthalts seiner Eltern die durch deren Aufnahme in seinen Haushalt entstehenden Mehrkosten zu tragen, sondern die zwischenzeitlich erbrachten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einschließlich von Arzt- und Medikamentenkosten in ungewöhnlicher Höhe zu erstatten hatte. Da- bei ergibt sich aus den der Beklagten jedenfalls im Widerspruchsverfahren vorliegenden Gehaltsabrechnungen, dass der Kläger die Beträge, zu denen er herangezogen werden sollte bzw. wurde, nicht jeweils auf einmal aus seinem laufenden Einkommen erstatten kann. Ferner ergibt sich aus diesen Gehaltsabrechnungen, dass die monatlichen Bezüge des Klägers teilweise aus indes unregelmäßig anfallenden Nacht- und Feiertagszuschlägen resultieren, aber auch unter Einbeziehung dieser Zuschläge unter der Pfändungsgrenze liegen, sofern sie nicht, wie im November 2011, eine "Jahresprämie" einschließen (s.o.).

38

Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Ausländerbehörde des Lahn-Dill-Kreises von einer genügenden Bonität des Klägers ausgehen durfte und ob die Beklagte davon ausgehen durfte, es spreche nichts dafür, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könnte, weil der Stadtrechtsausschuss der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 21. August 2013 bezüglich der Heranziehung des Klägers durch die beiden Bescheide vom 19. September 2012 und vom 3. Dezember 2012 eine nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung getroffen hat. Er hat dabei nämlich darauf abgestellt, dass mit diesen beiden Bescheiden nur die von April bis November 2012 einschließlich angefallenen Aufwendungen in Höhe von 7.338,85 € geltend gemacht worden waren, und dass dies noch im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Klägers sei. Ihm sei nämlich eine Ratenzahlungsvereinbarung angeboten worden und er könne zumindest seine jährliche "Jahresprämie" zur Kostenerstattung einsetzen. Die etwaige Heranziehung zu weiteren Erstattungen komme jedoch erst nach einer Prüfung der Beklagten in Betracht, ob dies nicht die Leistungsfähigkeit des Klägers überschreiten oder ihn unzumutbar belasten würde, sofern dieser – anders als bislang – seine wirtschaftliche Situation konkret darlege und nachweise. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete es im vorliegenden Fall nicht, den Kläger von der Erstattungspflicht vollständig freizustellen.

39

Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Annahme im klägerseitigen Vorbringen ist es für den Kläger nicht etwa unzumutbar, mit der Beklagten eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen und die mit den Bescheiden vom 19. September 2012 und vom 3. Dezember 2012 geltend gemachten Beträge ratenweise zu erstatten. Zugleich ist er deswegen nicht gezwungen, es zu Pfändungsversuchen seitens der Beklagten kommen zu lassen. Er ist auch nicht gehindert, ratenweise Beträge zu zahlen, die nicht vollständig im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden könnten. Immerhin bezieht er neben seinem Erwerbseinkommen monatlich 558,00 € Kindergeld, das von der Beklagten ge-mäß § 76 EStG allerdings ebenfalls nicht gepfändet werden kann, und seine Ehefrau ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 400,00 €, wie aus den im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegten Unterlagen hervorgeht. Deshalb könnte das Vollstreckungsgericht gemäß § 850c Abs. 4 ZPO bestimmen, dass insoweit die Ehefrau des Klägers bei der Berechnung des unpfändbaren Teils seines Arbeitseinkommens nicht berücksichtigt wird. Ferner steht nicht fest, dass die beiden älteren Kinder des Klägers insoweit dauerhaft zu berücksichtigen sind. Auch wenn sich die inzwischen bereits volljährige Tochter W noch in einer Berufsausbildung befindet, wie klägerseits in der mündlichen Verhandlung des Senats angegeben wurde, so ist sie wohl nicht mehr langfristig unterhaltsberechtigt. Ähnliches könnte für ihren derzeit noch sechzehn Jahre alten Bruder S gelten.

40

Unabhängig davon musste die Beklagte den Kläger nicht etwa schon im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung aus Verhältnismäßigkeitsgründen von seiner Verpflichtung ganz oder doch nahezu ganz freistellen und auf die Möglichkeit verzichten, ihre Forderungen im Falle einer späteren Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse in größerem oder gar vollem Umfang einzuziehen. Die aus Billigkeitsgründen gebotene Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Kostenschuldners kann vielmehr entsprechend allgemeinen kostenrechtlichen Grundsätzen auch erst im Verfahren der Stundung, der Ermäßigung oder des Erlasses geprüft werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 1 C 4.13 – BVerwGE 149, 65 [74 Rn. 17] unter Hinweis auf sein Urteil vom 16. Oktober 2012 – 1 C 6.12 – BVerwGE 144, 326 [340 f. Rn. 37]).

41

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten aus § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

43

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

44

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG für das Berufungsverfahren auf 7.338,85 € festgesetzt.

45

Dieser Beschluss ist gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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