Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 KS 1/12

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, über nachträgliche Betriebsbeschränkungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und insoweit die Genehmigung vom 15. Januar 1996 zu ergänzen.

Der Bescheid vom 28. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2007 wird aufgehoben, soweit er entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen 85 % der Kosten, der Beklagte und die Beigeladene je 7,5 % der Kosten.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Änderungsgenehmigung zum Betrieb des Verkehrsflughafens Westerland/Sylt sowie gegen den Betrieb dieses Flughafens.

2

Der Sylter Flughafen besteht als Militärflughafen bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Unmittelbar nach Ende des ersten Weltkrieges wurden erste Linienflugverbindungen eingerichtet. Der Schwerpunkt des Flughafens lag zunächst auf der militärischen Nutzung; die zivile Mitbenutzung war vertraglich geregelt. In den 60er Jahren wurde der Flughafen nach einer Pause während und nach dem zweiten Weltkrieg wieder durch zivile Flugzeuge genutzt. Die zivile Nutzung war in einem zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Verteidigung, und der damaligen Stadt Westerland geschlossenen Mitbenutzungsvertrag geregelt.

3

Der seinerzeit zuständige Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein hatte am 5. November 1970 der Beigeladenen die Genehmigung zum Betrieb eines Landeplatzes erteilt. Der Flugplatz Westerland sollte als öffentlicher Landeplatz und für den allgemeinen Luftverkehr (Verkehrslandeplatz) und Segelfluggelände dienen, soweit es sich um den zivilen Luftverkehr auf diesem Platz handelt, der außerhalb des militärischen Flugbetriebes durchgeführt wird. Als Arten der genehmigten Luftfahrzeuge waren Flugzeuge, Drehflügler, Segelflugzeuge und Motorsegler genannt. Als Zweck des Flugplatzes war angegeben: „Der Flugplatz dient zum Starten und Landen von zivilen Flug- und Chartergesellschaften des In- und Auslandes, für Luftfahrzeuge des gewerblichen und privaten Reiseverkehrs sowie der Ausübung des Luftsportes und der Ausbildung von Flugzeugführern und Segelflugzeugführern.“

4

Am 30. März 1972 gab die Luftwaffe die regelmäßige Nutzung des Flughafens Westerland auf. Lediglich der SAR-Hubschrauber „Sea-King“ war bis 2002 weiterhin auf dem Flugplatz stationiert.

5

Am 26. April 1973 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Beigeladene einen Überlassungsvertrag, mit dem der Beigeladenen gestattet wurde, den Bundeswehrflugplatz für den zivilen Flugbetrieb mit Luftfahrzeugen aller Art zu benutzen und die zum Betrieb erforderlichen Flächen und Einrichtungen überlassen wurden. Der Status als Militärflughafen wurde erhalten.

6

In den Folgejahren nahm die zivile Nutzung des Flughafens zu. Da die Beigeladene von einer weiter ansteigenden Nutzung ausging und zudem bereits eine Kontrollzone eingerichtet war, beantragte sie bereits am 13. April 1973 die Umwidmung des Verkehrslandeplatzes in einen Flughafen. Mit Bescheid vom 2. Januar 1978 wurde der Beigeladenen mit Zustimmung des Bundesministers für Verkehr die Genehmigung zum Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs mit der Bezeichnung „Flughafen Westerland/Sylt“ für die Durchführung nach Sichtflugregeln bei Tage und bei Nacht, Instrumentenflugregeln während der Aktivität der Kontrollzone sowie zum Betrieb eines Segelfluggeländes zur Durchführung von Segelflugbetrieb erteilt. Zugelassen waren alle Arten von Luftfahrzeugen, ausgenommenen Freiballone und Modellflugzeuge. Mit Bescheid vom 1. Februar 1989 wurde die Genehmigung dahingehend geändert, dass nunmehr alle Arten von Luftfahrzeugen, ausgenommen Freiballone, Ultraleichtfahrzeuge, Hängegleiter und Modellflugzeuge zugelassen waren.

7

Mit dem 1. Januar 1994 wurde der Flugbetriebsbereich des militärischen Flugplatzes Westerland mit weiten Teilen des Platzes in das allgemeine Grundvermögen des Bundesministeriums der Finanzen übergeben, weil der militärische Bedarf entfallen war. Dementsprechend wurde der ehemalige Militärflugplatz aus der der militärischen Trägerschaft entlassen.

8

Am 15. Januar 1996 erließ der seinerzeit zuständige Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr die Neufassung der Genehmigung des Verkehrsflughafens Westerland/Sylt. In dieser Genehmigung heißt es unter II.: „Der Flughafen ist für sämtliche Arten von Luftfahrzeugen – ausgenommen Ultra-Leichtflugzeuge, Luftsportgeräte und Freiballone – zugelassen.“. Die Tz. II lautet: Der Flughafen dient dem allgemeinen Verkehr (Verkehrsflughafen).“ Die Genehmigung wurde am 12. Februar 1996 im Amtsblatt für Schleswig-Holstein (Seite 120) bekanntgemacht; eine Rechtsmittelbelehrung war nicht beigefügt.

9

Die Kläger sind Eigentümer bzw. dinglich Berechtigte von Grundstücken in der Umgebung des Flughafens. Die Klägerin zu 1) ist seit Anfang 2002 Eigentümerin eines Grundstücks in ..., die Klägerin zu 2 ) seit Ende 1989 Eigentümerin eines Grundstücks in der Gemeinde .... Der Kläger zu 3) ist seit August 2005 gemeinschaftlich mit seiner Ehefrau ebenfalls Eigentümer eines Grundstücks in .... Der Kläger zu 4) war seit 1977 Eigentümer eines Grundstücks in ..., hat das Eigentum jedoch Ende 2002 gegen Eintragung eines Nießbrauchsrechts für sich und seine Ehefrau auf seinen Sohn übertragen. Mit Schreiben vom 9. Januar und 7. Juni 2007 wandten sich die Kläger an den Beklagten. Die Änderungsgenehmigung vom 15. Januar 1996 sei fehlerhaft, nämlich lediglich im Amtsblatt bekanntgemacht worden. Die Genehmigung vom 15. Januar 1996 enthalte keine Begründung. Dies sei ein Indiz für erhebliche Abwägungsmängel. Mit der im Jahre 2006 vorgenommenen Startbahnsanierung sei die technische Kapazität erweitert worden. Seitdem sei es zu einer ganz erheblichen Ausweitung der Flugbewegungen und zu einem deutlich veränderten Fluggeräteeinsatz mit größeren als den vorherigen Mustern gekommen. Entgegen § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm sei kein Lärmschutzbereich festgesetzt. Die erhebliche Intensivierung des Flugbetriebs habe Ansprüche auf nachträgliche Schutzauflagen ausgelöst.

10

Auf diese Schreiben erließ der Beklagte am 28. Juni 2007 einen Bescheid, mit dem er „die Anträge auf vollständige oder teilweise Aufhebung bzw. Rücknahme der Genehmigung“ ablehnte. Weiter heißt es in dem Bescheid, dass der Antrag auf Festsetzung eines Lärmschutzbereichs zur Kenntnis genommen und zu gegebener Zeit an die zuständige Stelle weiter geleitet werde. Es bestünden keine Ansprüche auf Aufhebung der Genehmigung oder Erteilung eines Nachtflugverbotes. Soweit § 48 Abs. 1 Satz 1 Luftverkehrs-Zulassungsordnung (LuftVZO) als Anspruchsgrundlage in Betracht komme, seien die Rechte der Kläger verwirkt, denn sie hätten aufgrund der Berichterstattung in den Medien die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Genehmigungserteilung gehabt.

11

Soweit § 48 Abs. 1 Satz 2 LuftVZO als Anspruchsgrundlage in Betracht komme, liege keine Änderung der tatsächlichen Emissionswerte vor, die zur Erteilung eines Nachtflugverbotes oder gar zu einer Aufhebung der Genehmigung berechtigten. Der derzeit durchgeführte Flugbetrieb finde im Rahmen der erteilten Genehmigung statt. Die Voraussetzung auf Erteilung eines Nachtflugverbotes sei nicht erfüllt, insbesondere da im Zeitraum von 00.00 h bis 05.00 h kein Flugbetrieb stattfinde.

12

Für die Festsetzung eines Lärmschutzbereiches sei gemäß § 4 Abs. 2 FluglärmG n.F. die Landesregierung zuständig. Es sei noch nicht geklärt, wer innerhalb der Landesregierung die Festsetzungen vornehmen werde. Wenn die Zuständigkeiten festgelegt worden seien, werde der Antrag zur Prüfung entsprechend weitergeleitet.

13

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 27. Juli 2007 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2007 zurückgewiesen wurde. Hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens sei der Widerspruch wegen Verwirkung unzulässig. Soweit die teilweise Aufhebung der Genehmigung verlangt werde, lägen die Voraussetzungen nicht vor.

14

Die Kläger haben am 14. Dezember 2007 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben, das das Verfahren mit Beschluss 25. Februar 2008 an das Oberverwaltungsgericht verwiesen hat.

15

Die Kläger haben vorgetragen, die Klage sei nicht wegen Verfristung oder Verwirkung unzulässig, da ihnen der streitgegenständliche Bescheid nicht bekanntgegeben worden sei. Eine individuelle Bekanntgabe habe nicht stattgefunden. Eine Verwirkung könne ihnen nicht entgegengehalten werden. Sie hätten von der Existenz der 1996 erteilten Genehmigung erst durch die Akteneinsicht Anfang 2007 zuverlässig Kenntnis erhalten. Die Genehmigung habe zunächst keine sichtbaren Veränderungen im Flugbetrieb zur Folge gehabt, dies habe sich erst 2006 geändert.

16

Die Genehmigung vom 15. Januar 1996 sei formell und materiell rechtswidrig. Sie sei ohne förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung und ohne Beteiligung der Kläger erfolgt. Zudem fehle es an der gemäß § 109 LVwG erforderlichen Begründung. Bei Erteilung der Genehmigung sei das zugunsten der Kläger geltende Gebot der gerechten Abwägung verletzt worden. Die Kläger hätten als fluglärmbetroffene Nachbarn des Flughafens einen Anspruch auf gerechte Abwägung der im Rahmen einer zivilen Folgenutzung eines früher militärisch genutzten Flugplatzes zu prognostizierenden Immissionsauswirkungen. Eine solche Abwägung sei nicht einmal im Ansatz vorgenommen worden.

17

Die Kläger haben beantragt,

18

die Betriebsgenehmigung des seinerzeit zuständigen Ministeriums für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Januar 1996 gemäß § 4 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 5 LuftVG für den Betrieb des Verkehrsflughafens Sylt unter Abänderung des ablehnenden Bescheids des Beklagten vom 28.06.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2007 aufzuheben,
hilfsweise, die Betriebsgenehmigung des seinerzeit zuständigen Ministeriums für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Januar 1996 gemäß § 4 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 5 LuftVG für den Betrieb des Verkehrsflughafens Sylt unter Abänderung des ablehnenden Bescheids des Beklagten vom 28. Juni 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2007 für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
weiter hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes sowie über Entschädigungsansprüche der Kläger zu entscheiden.

19

Der Beklagte hat beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Er ist der Ansicht, der Anfechtungsantrag sei bereits unzulässig. Es fehle an einem ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahren und an der Klagebefugnis.

22

Der Beklagte habe den Widerspruch vom 5. Juni 2007 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, da er angesichts der Bekanntgabe der Genehmigung gem. § 42 Abs. 4 LuftVZO am 12. Februar 1996 verfristet sei. Warum die Genehmigung den Klägern gegenüber hätte bekanntgemacht werden müssen, sei nicht ersichtlich.

23

Selbst wenn man eine Betroffenheit der Kläger annähme, so wäre ihr Widerspruchsrecht im Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs verwirkt gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Genehmigung aus dem Jahre 1996 einen merkbaren Anstieg der Flugbelastungen und Passagierzahlen im Sommer 2006 bewirkt haben solle. Die Nutzung des Flughafens gemessen an den Starts und Landungen habe sich in den Jahren 1996 bis 2006 auf einem sehr gleichmäßigen Niveau bewegt.

24

Die Änderungsgenehmigung sei nicht ursächlich für eine Zunahme der Flugbelastungen, sondern sei lediglich aus formalen Gründen erforderlich gewesen, weil der ohnehin bereits seit langer Zeit in ziviler Mitnutzung befindliche Flughafen aus der militärischen Trägerschaft entlassen worden sei und § 8 Abs. 5 LuftVG für einen solchen Fall die Erteilung einer Änderungsgenehmigung vorschreibe. Die militärische Nutzung des Flughafens sei - abgesehen vom weiterhin stationierten SAR-Hubschrauber – bereits zu Beginn der 70er Jahre aufgegeben worden. Die Nutzung in der derzeit betriebenen Form habe ihren Ursprung vielmehr in der Genehmigung zum Betrieb eines Verkehrslandeplatzes vom 5. November 1970 bzw. in der Genehmigung zum Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs vom 2. Januar 1978. Diese Genehmigungen hätten die Nutzung der Landebahn und der Rollwege in der bis heute bestehenden Form gestattet. Auch hätten die Genehmigungen keine Einschränkungen der zulässigen Flugbewegungen oder der Passagierabfertigungskapazität enthalten. Bei der von den Klägern beanstandeten Nutzung handele es sich somit lediglich um eine Ausnutzung der vorhandenen technischen Kapazität, die zum Zeitpunkt der Änderungsgenehmigung im Jahre 1996 bereits seit mehr als zwanzig Jahren Gegenstand einer flugverkehrsrechtlichen Genehmigung gewesen sei.

25

Über die Aufgabe der militärischen Trägerschaft und die Übernahme des Flughafens in die zivile Trägerschaft sei ausführlich in den politischen Gremien der betroffenen Gemeinden diskutiert und in der Presse berichtet worden. Dementsprechend hätten die Kläger – soweit sie zum damaligen Zeitpunkt überhaupt schon Eigentümer eines Grundstücks auf der Insel Sylt gewesen seien – bereits im Jahre 1996 Kenntnis von der Neufassung der Genehmigung erlangen können. Folglich hätten sie bereits im Jahre 1996 die Möglichkeit gehabt, sich über die tatsächliche Genehmigungssituation zu informieren und Widerspruch gegen die Neufassung der Genehmigung einzulegen. Sie hätten hingegen zwischen dieser Möglichkeit und dem Einlegen des Widerspruchs mehr als elf Jahre verstreichen lassen.

26

Den Klägern fehle zudem die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Eine unmittelbare Betroffenheit in ihrem Eigentumsrecht oder eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit durch den verursachten Fluglärm werde nicht behauptet. Die Kläger machten eine Verletzung in ihrem Recht auf Beteiligung am Verfahren, ihrem Recht auf Durchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung sowie ihres Rechts auf gerechte Abwägung ihrer Belange geltend. Eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung sei nach der bis zum 5. Oktober 1996 geltenden Rechtslage nicht erforderlich gewesen.

27

Beteiligungsrechte der Kläger seien nicht verletzt worden. Es sei schon nicht dargetan, dass die Kläger bereits im Jahre 1996 Eigentümer von Grundstücken gewesen seien, die im Einwirkungsbereich des vom Flughafen ausgehenden Fluglärms liegen. Im Übrigen wäre eine eventuelle Nichtbeteiligung gemäß § 115 LVwG unbeachtlich. Eine Beteiligung der Kläger hätte keine Auswirkungen auf die Erteilung der Genehmigung gehabt, da die Änderungsgenehmigung allein dem Zweck gedient habe, auf die Entlassung des Flughafens aus der militärischen Trägerschaft zu reagieren, wobei die tatsächliche Nutzung sowie die technische Kapazität des Flughafens unverändert geblieben seien.

28

Ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung vom 15. Januar 1996 komme zudem nicht in Betracht, weil der Grundsatz des Vorrangs des Planergänzungsanspruchs greife. Im vorliegenden Fall könnte den Bedenken der Kläger hinsichtlich der Lärmbelästigung durch Maßnahmen des passiven Lärmschutzes Rechnung getragen werden.

29

Die Beigeladene hat beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Sie hat sich dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen.

32

Der Senat hat die Klage mit Urteil vom 10. Februar 2011 (-2 KS 1/10 -) abgewiesen. Die Klage sei sowohl hinsichtlich des als Hauptantrag gestellten Anfechtungsantrags wie auch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Feststellungsantrages unzulässig und im Übrigen unbegründet.

33

Der Anfechtungsantrag gegen die Betriebsgenehmigung vom 15. Januar 1996 sei unzulässig. Der insoweit erhobenen Klage sei kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren vorausgegangen. Zwar werde man in dem Schreiben der Kläger vom 5. Juni 2007 angesichts des Aufhebungsantrages und der begründenden Ausführungen die Einlegung eines Widerspruchs sehen können. Dieser Widerspruch sei vom Beklagten in den darauf ergangenen Bescheiden jedoch zu Recht als unzulässig bezeichnet worden.

34

Der Widerspruch sei deshalb unzulässig gewesen, weil die Kläger ihren Anfechtungsanspruch verwirkt hätten.

35

Den Klägern werde durch die angefochtene Genehmigung vom 15. Januar 1996 keine tatsächliche oder rechtliche Belastung auferlegt, über die sie nicht bereits im Jahre 1996 informiert waren bzw. hätten informiert sein können. Diese Genehmigung enthalte keine Regelungen, mit denen die Situation in rechtlicher oder auch tatsächlicher Hinsicht verschlechtert würde. Die räumlichen, zeitlichen und technischen Abläufe würden durch die Genehmigung vom 15. Januar 1996 nicht verändert. Mit der Genehmigung vom 15. Januar 1996 sei der Minister für Verkehr lediglich seiner Pflicht nachgekommen, aus der Aufgabe der militärischen Trägerschaft die rechtlich notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Würde die Genehmigung vom 15. Januar 1996 antragsgemäß aufgehoben, würde sich wegen des mit der Genehmigung vom 5. November 1970 Erlaubten zugunsten der Kläger weder im Rechtlichen noch im Tatsächlichen etwas ändern.

36

Erschöpften sich die Regelungen der angefochtenen Genehmigung vom 15. Januar 1996 aber in der Übertragung in die private Trägerschaft, so sei nicht zu erkennen, dass mit ihnen eine Steigerung von Lärmimmissionen auf die Grundstücke der Kläger bewirkt werde. Es fehlt deshalb an einer kausalen Beziehung zwischen den Regelungen der Genehmigung und einer Lärmzunahme (vgl. hierzu OVG Schleswig, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 4 K 6/94 – zur Betroffenheit durch einen Planfeststellungsbeschluss, mit dem die Elektrifizierung einer Bahnstrecke genehmigt wurde). Auf die Kapazität des Flugbetriebes und seinen technischen Ablauf werde durch die angefochtene Genehmigung hingegen nicht eingewirkt.

37

Die Regelungen der angefochtenen Genehmigung vom 15. Januar 1996 und der Anlass, auf den mit ihnen reagiert wurde, hätten einem zu dieser Zeit auf der Insel Sylt Aufhältlichen nicht verborgen bleiben können. Der Beklagte weise hierzu zu Recht darauf hin, dass die Aufgabe der militärischen Nutzung des Flughafens, die Stationierung lediglich des SAR-Hubschraubers und schließlich die Umnutzung in eine private Trägerschaft Gegenstand intensiver Erörterung in den kommunalen Gremien und der umfangreichen Berichterstattung in den örtlichen Medien waren. Es erscheine deshalb ausgeschlossen, dass ein an den Geschehnissen auf der Insel Sylt auch nur durchschnittlich Interessierter über die bevorstehenden bzw. geschehenen Veränderungen nicht bereits im Jahre 1996 informiert gewesen sei.

38

Auch der erste Hilfsantrag sei gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Die Kläger hätten gegen die Betriebsgenehmigung vom 15. Januar 1996 unter Wahrung der Frist Widerspruch und Anfechtungsklage erheben können.

39

Der zweite Hilfsantrag sei unbegründet, soweit mit ihm begehrt werde, „den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts … über Entschädigungsansprüche der Kläger zu entscheiden“. Zu einer solchen Entscheidung seien die Verwaltungsgerichte nicht berufen. Für einen solchen Antrag gälten gemäß § 28 a Satz 2 Hs. 2 LuftVG die Enteignungsgesetze der Länder entsprechend. Gemäß § 24 Abs. 1 EnteigG SH 1971 i.d.F. vom 31. Dezember 1971 (GVOBl Seite 182) sei für das Verfahren das Innenministerium zuständig und für den Rechtstreit gegen die dort getroffene Entscheidung gemäß § 30 EnteigG i.V.m. Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG der Weg allein zu den ordentlichen Gerichten gegeben (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 GVG).

40

Der weitere Teil des zweiten Hilfsantrages, mit dem begehrt werde, „den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes … zu entscheiden“, habe ebenfalls keinen Erfolg. Das beklagte Landesamt sei für die Entscheidungen zum aktiven und passiven Schallschutz nicht zuständig; ihm fehle die Passivlegitimation. Soweit vom Beklagten die Vornahme von Mitwirkungshandlungen begehrt werde, fehle den Klägern das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sie hätten gegen das beklagte Landesamt zwar einen Anspruch darauf, dass es „die erforderlichen Auskünfte, Daten, Unterlagen und Pläne“ einhole und diese dann an das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume oder die von ihm benannte Stelle“ übermittelt (§ 2 Abs. i.V.m. Abs. 2 FluLärmzustBehV ). Dies sei mit den angefochtenen Bescheiden jedoch bereits in Aussicht gestellt worden. Dem sei der Beklagte offenkundig auch nachgekommen.

41

Für das weitergehende Verfahren, die Festsetzung von Lärmschutzbereichen, war das beklagte Landesamt jedoch nicht zuständig. Gleiches gelte für die Festsetzung der Aufwendungen nach § 10 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 1. Juni 2007, für die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 FluLärmzustBehV die unteren Bauaufsichtsbehörden zuständig seien. Auch insoweit fehle es an der Passivlegitimation des Beklagten.

42

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 4 B 16.11 - hat das Bundesverwaltungsgericht der Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger vom 24. März 2011 stattgegeben, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 133 Abs. 6 VwGO aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Senat habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass er wesentlichen Vortrag der Kläger nicht zur Kenntnis genommen habe. Er habe das mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachte Begehren der Kläger unzureichend erfasst. Die Darlegungen des Gerichts würden dem Vortrag der Kläger nicht gerecht. Es befasse sich weder mit den von den Klägern ausführlich erläuterten Anspruchsgrundlagen, noch differenziere es zwischen Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes. Hinsichtlich der von den Klägern geltend gemachten Entschädigungsansprüche fehle es an Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 28a LuftVG, auf dessen Verfahren das Oberverwaltungsgericht verweise. Den Klägern gehe es nicht um die Einholung und Übermittlung von Daten an das Ministerium oder die Festlegung von Lärmschutzbereichen, sondern um die Anordnung von Schutzauflagen zu der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung, die sich aus der entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 2 LuftVG sowie § 75 Abs. 2 VwVfG ergeben könne und für die gemäß § 75 Abs. 2 Satz 3 VwVfG der Beklagte als Genehmigungsbehörde zuständig sei. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch werde ebenfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 LuftVG sowie § 75 Abs. 2 VwVfG geltend gemacht. Mit diesem Vortrag habe sich das Oberverwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt.

43

Die Kläger tragen nach der Zurückverweisung vor, dass nach dem Tenor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über alle bisherigen Anträge der Kläger neu zu entscheiden sei.

44

Ein Anspruch auf nachträgliche Ergänzung der Genehmigung sei bei entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG i.V.m. § 9 LuftVG gegeben. Durch den Betrieb des Flughafens seien nicht vorhersehbare nachteilige Auswirkungen nach der Erteilung der Genehmigung eingetreten. Seit Erteilung der Genehmigung vom 15. Januar 1996 seien nachteilige (Lärm-)Auswirkungen eingetreten, die zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar gewesen seien. Die Lärmbelastung durch den Betrieb des Flughafens sei seit diesem Zeitpunkt erheblich angestiegen. Dies sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass seit diesem Zeitpunkt verstärkt gewerbliche Flugzeugtypen größerer Startgewichtklassen den Flughafen nutzten. Diese noch anhaltende Entwicklung gehe auch aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Sei noch im Jahr 2000 nur ein einziger Start mit einem Startgewicht über 20 Tonnen erfolgt, so seien es im Jahr 2007 demgegenüber schon 748 Starts mit einem solchen Startgewicht gewesen. Während bis dahin kein einziger Start eines Motorflugzeugs mit einem Gewicht über 30 Tonnen erfolgt sei, so seien 2011 insgesamt 2.323 Starts von Flugzeugen mit einem Gewicht über 20 Tonnen zu verzeichnen, davon die Mehrzahl von 2.291 Starts und Landungen mit einem Startgewicht über 25 Tonnen und 30 Starts und Landungen von Flugzeugen mit einem Gewicht über 75 Tonnen. In den Folgejahren der Genehmigungserteilung zwischen 1998 und 2006 habe die Zahl der Fluggäste nach den Daten der Beigeladenen jeweils bei rund 50.000 gelegen. Im Jahre 1998 seien es 51.848, 1999 seien es 59.380 und im Jahre 2000 seien es 50.210 gewesen. Im Jahre 2006 sei die Passagierzahl sprunghaft auf 113.711 und im Jahr 2008 sogar auf 153.726 angestiegen. Dies entspreche in etwa der Verdreifachung der Passagierzahlen im Vergleich mit den Jahren vor 2006.

45

Der Anstieg der Lärmbelastung sei außerdem auf eine Steigerung von Starts und Landungen zurückzuführen. Dabei sei nicht die Zahl der Flugbewegungen insgesamt ausschlaggebend, sondern in lärmtechnischer Hinsicht insbesondere die Zahl der gewerbliche Flugbewegungen größerer und pegelbestimmender Muster.

46

Vor Erteilung der Genehmigung sei der Flughafen seit der (Mit-)Nutzung durch zivile Luftfahrzeuge in den 70er Jahren für Luftfahrzeuge mit einer Gewichtklassifizierung von maximal LCN 30 (= „Load Classification Number) genehmigt gewesen. Die Genehmigung von 1996 habe sodann eine Gewichtklassifizierung von LCN 38 vorgesehen. Auch bei dieser Gewichtklassifizierung seien Starts und Landungen größerer Maschinen nicht möglich. Erst die von der Beigeladenen als „Sanierung“ bezeichnete Baumaßnahme an der Start- und Landebahn im Jahre 2006 habe Starts und Landungen von Flugzeugtypen mit einer Gewichtklassifizierung von LCN 80 ermöglicht. Erst durch Werte oberhalb LCN 40 sei der Weg für erheblich größere Startgewichte und damit auch für lärmintensivere Flugzeugtypen eröffnet worden.

47

Die durch die Zunahme der Starts und Landungen mit größerem Startgewicht bedingte Lärmsteigerung sei schließlich auch beachtlich und damit erheblich im Sinne der Rechtsprechung. Dies zeigten Vergleichsbetrachtungen der Einzelschallpegel verschiedener Flugzeugtypen. Der Schallpegel einer 6-sitzigen Piper 34 beim Überflug in 300 m Höhe mit einem maximalen Startgewicht von 2 Tonnen liege bei etwa 70 (dB(A). Eine 50-sitzige ATR 42 mit einem maximalen Startgewicht von 15 Tonnen weise einen Schallpegel von 74 dB(A) beim Start in einer Entfernung von 300 m auf. Demgegenüber wiesen eine 112-sitzige Avro RJ mit einem maximalen Startgewicht von 44 Tonnen bereits einen Schallpegel von etwa 80 dB(A) sowie ein Airbus A 320 mit 180 Sitzplätzen und einem maximalen Startgewicht von 74 Tonnen einen Schallpegel von 85 dB(A) auf, jeweils gemessen beim Start in einer Entfernung von 300 m. Durch den Sachverständigen ... sei im Herbst 2006 ein fluglärmbedingter Dauerschallpegel für den Durchschnittstag von 52 dB(A) und ein Maximalpegel von 96,1 dB(A) ermittelt worden, 2007 sei sogar ein Maximalpegel von 103,0 dB(A) gemessen worden. Diese Werte ließen sich auf die Grundstücke der Kläger interpolieren. Damit sei festzustellen, dass im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Genehmigungserteilung um mehr als 3 dB(A) zugenommen habe.

48

Diese Lärmzunahme habe der Beklagte ausweislich der Verwaltungsakte nicht vorhergesehen. Eine Lärmprognose, wie sie bei vergleichbaren planerischen Entscheidungen üblich sei, sei vor diesem Hintergrund zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht für erforderlich gehalten und daher auch nicht erstellt worden. Der Beklagte sei offensichtlich davon ausgegangen, dass keine nachteiligen Auswirkungen vom Betrieb des Flughafens ausgehen würden. Diese Erkenntnis habe erst später eingesetzt und auch trotz zuvor bestehender gesetzlicher Verpflichtungen erst nach Inkrafttreten der Neufassung des Fluglärmschutzgesetzes zur Festlegung der – wenn auch unzureichenden - Lärmschutzbereiche geführt.

49

Damit bestehe dem Grunde nach der Anspruch gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Vorrangig anzuordnen seien dabei Maßnahmen aktiven Schallschutzes, also Beschränkungen des Flugbetriebs, denn es sei nicht erkennbar, weshalb solche Maßnahmen untunlich sein sollten. Als solche Maßnahmen kämen in Betracht:

50

- die Festlegung bestimmter An- und Abflugwege über nicht oder wenig bewohntes Gelände,

51

- Flugverbote oder –einschränkungen zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten (insbesondere nachts wegen des gebotenen Schutzes der Nachtruhe, § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG),

52

- eine Lärmfestschreibung,

53

- eine Herabsetzung der Zahl der höchstzulässigen Flugbewegungen einschließlich einer Beschränkung der Größe der Verkehrsflugzeuge, die den Flughafen anfliegen dürfen.

54

Die nachträglichen Anordnungen hätten die Kläger unter Beachtung der Frist des § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beantragt. Die nachteiligen Wirkungen durch den Einsatz größerer Maschinen seien ab dem Jahre 2006 aufgetreten. Die Kläger hätten sich außergerichtlich mit Schreiben vom 5. Juni 2007 an den Beklagten gewandt und diesen zu entsprechenden Maßnahmen aufgefordert. Die Jahresfrist des § 75 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 VwVfG sei gewahrt.

55

Die Kläger beantragen weiterhin,

56

die Betriebsgenehmigung des seinerzeit zuständigen Ministeriums für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Januar 1996 gemäß § 4 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 5 LuftVG für den Betrieb des Verkehrsflughafens Sylt unter Abänderung des ablehnenden Bescheids des Beklagten vom 28. Juni 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2007 aufzuheben.
hilfsweise, die Betriebsgenehmigung des seinerzeit zuständigen Ministeriums für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Januar 1996 gemäß § 4 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 5 LuftVG für den Betrieb des Verkehrsflughafens Sylt unter Abänderung des ablehnenden Bescheids des Beklagten vom 28. Juni 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2007 für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
weiter hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes sowie über Entschädigungsansprüche der Kläger zu entscheiden.

57

Der Beklagte beantragt weiterhin,

58

die Klage abzuweisen.

59

Er trägt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe das Senatsurteil vom 10. Februar 2011 nur hinsichtlich des Hilfsantrages zu 3 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, weil die Abweisung dieses Antrages im Urteil nicht hinreichend begründet worden sei.

60

Ein auf § 9 Abs. 1 LuftVG i.V.m. § 142 Abs. 2 LVwG gestützter Anspruch bestehe nicht, weil zum Zeitpunkt der Erteilung der Landeplatzgenehmigung am 5. November 1970 weder die Vorschrift des § 142 Abs. 2 LVwG noch die Vorschrift des § 75 Abs. 2 VwVfG oder eine vergleichbare Vorschrift bestanden habe, welche die Durchbrechung der Bestandskraft einer Genehmigung vorsehe. Zu solchen Konstellationen habe das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass Nachbesserungsansprüche aufgrund einer rückwirkenden Anwendung des § 75 Abs. 2 VwVfG oder der Parallelnormen der Länderverwaltungsverfahrensgesetze ausgeschlossen seien (BVerwG, ZUR 2007, 370 und BVerwGE 61, 1).

61

Selbst wenn man von einer rückwirkenden Anwendbarkeit des § 142 Abs. 2 LVwG ausginge, wären darauf gestützte Ansprüche jedoch wegen des Ablaufs der 30-Jahre-Frist des § 142 Abs. 3 LVwG ausgeschlossen, da es hierfür auf die Erteilung der Genehmigung vom 5. November 1970 ankomme.

62

Die Anwendung der von den Klägern angezogenen Vorschriften käme auch deshalb nicht in Betracht, weil sie sich ausschließlich auf planfestgestellte Vorhaben bezögen. Beurteilungsmaßstab für die „nicht vorhersehbaren Einwirkungen“ eines Vorhabens sei die Prognose, die beim Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses getroffen worden sei. Sei hingegen – wie hier – keine Prognoseentscheidung angestellt, weil kein Planfeststellungsbeschluss bzw. keine Plangenehmigung, sondern ausschließlich eine luftverkehrsrechtliche Genehmigung erteilt worden sei, greife auch die von den Klägern bemühte Planergänzungsvorschrift ins Leere.

63

Gleiches gelte für die beanspruchten Maßnahmen des passiven Lärmschutzes. Auch hier lasse sich der Anspruch mangels ihrer Anwendbarkeit nicht auf die Vorschriften des § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG bzw. § 142 Abs. 2 Satz 2 bis 4 LVwG stützen. Hiergegen spreche zudem eine systematische Betrachtung der Regelungen des Luftverkehrsrechts, insbesondere ein Vergleich mit den Vorschriften des Fluglärmschutzgesetzes. Hiernach seien für Flugplätze sogenannte Lärmschutzbereiche festzusetzen. Dies seien Bereiche, die von flugbedingten Geräuschimmissionen besonders betroffen seien. In diesen Bereichen gälten Baubeschränkungen und es bestünden für die Betroffenen Ansprüche auf Maßnahmen des passiven Lärmschutzes. Der schleswig-holsteinische Normgeber habe solche Lärmschutzbereiche für den Flughafen Westerland durch Erlass der Landesverordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Sylt vom 2. Oktober 2010 (LFlugLSVO Sylt) geschaffen. In der Verordnung seien die Tagesschutzzonen 1 und 2 festgesetzt. Beide Schutzzonen lägen nahezu vollständig auf dem Flughafengelände. Die Tagesschutzzone 1 reiche nicht über das jeweilige Ende der Start- und Landebahn hinaus. Die Tagesschutzzone 2 ende im Nordwesten etwa 150 m und im Südosten etwa 250 m jeweils jenseits des Bahnendes. Keines der klägerischen Grundstücke liege in einem der Lärmschutzbereiche. Ein Anspruch auf bestimmte Lärmschutzmaßnahmen nach dem Fluglärmschutzbereich bestehe deshalb nicht.

64

Da das Fluglärmschutzgesetz den Bereich des passiven Lärmschutzes abschließend und als Gesamtsystem regele, schieden andere Anspruchsgrundlagen aus. Aber selbst wenn man dies anders sähe, wären die Werte des § 2 Fluglärmschutzgesetzes zumindest als Orientierungshilfe für etwaige Ansprüche gemäß § 75 Abs. 2 VwVfG bzw. § 142 Abs. 2 LVwG maßgeblich. Hierfür spreche nicht zuletzt § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG. Danach seien die Werte des § 2 Abs. 2 FlugLärmSchG (nunmehr) auch im Rahmen von Planfeststellungen zu beachten. Diese Werte würden vorliegend wegen der geographischen Lage der klägerischen Grundstücke aber auch nicht annäherungsweise erreicht.

65

Nichts anderes gelte hinsichtlich der behaupteten Fluglärmbelastungen in der Nachtzeit. Zwar treffe es zu, dass die LFlugLSVO Sylt keine Nachtschutzzone festsetze. Dies sei jedoch schon deshalb nicht notwendig, weil es keine Nachtflugbewegungen gebe. Es habe lediglich im Jahre 2006 Nachtflugbewegungen gegeben, darüber hinaus, von Notfallsituationen wie beispielsweise dem Einsatz von Rettungshubschraubern abgesehen, jedoch nicht. Etwas anderes sei auch für die Zukunft nicht geplant.

66

Den Klägern stehe auch kein Anspruch auf Entschädigung zu. Selbst wenn man der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts folge, wonach über eine Entschädigung offenbar auf Grundlage der § 75 Abs. 2 VwVfG bzw. § 142 Abs. 2 LVwG zu entscheiden sein solle, bestünde ein solcher Anspruch nicht. Dies sei schon wegen Ablaufs der 30-Jahres-Frist ausgeschlossen. Ferner scheide eine Entschädigung auf der Grundlage dieser Norm aus, weil für die Genehmigung des Flughafens Westerland keine Prognoseentscheidung getroffen worden sei und es folglich auch nicht zu „nicht voraussehbaren Wirkungen“ gekommen sei.

67

Die Kläger haben hierauf erwidert, dass der Beklagte im Zusammenhang mit der rückwirkenden Anwendung des § 75 Abs. 2 VwVfG bzw. der inhaltsgleichen Landesrechte verkenne, dass es nicht um die luftrechtliche Genehmigung vom 5. November 1970 gehe, sondern um die Betriebsgenehmigung vom 15. Januar 1996. Soweit der Beklagte vortrage, es fehle schon an einer Planfeststellung und damit an der Anwendbarkeit des § 75 LVwG, blende er die von der Rechtsprechung geklärte entsprechende Anwendbarkeit der Norm bei luftrechtlichen Genehmigungen ohne nachfolgende Planfeststellung aus.

68

Der Beigeladene unterstützt das Vorbringen des Beklagten und beantragt ebenfalls,

69

die Klage abzuweisen.

70

Der Senat hat aufgrund eines Beschlusses vom 27. Mai 2014 über die Frage, welches Ausmaß die Lärmeinwirkungen haben, die von dem Betrieb des Verkehrsflughafens Westerland ausgehen und auf die Grundstücke der Kläger einwirken, Beweis erhoben durch Auswertung des „Schalltechnischen Berichts Nr. LL4590.2/01 zur Fluglärmsituation in der Nachbarschaft des Flughafens Sylt im Zusammenhang“ vom 30. April 2013 sowie durch Erläuterung dieses Berichts durch den Gutachter ... in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2014. Wegen weiterer Einzelheiten zu dieser Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 30. April 2013 (Beiakte B) sowie auf die Verhandlungsniederschrift vom 10. Juli 2014 Bezug genommen.

71

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

72

Die Klage ist zum überwiegenden Teil abzuweisen. Sie ist mit dem Hauptantrag sowie dem ersten Hilfsantrag unzulässig und mit dem zweiten Hilfsantrag nur zum Teil begründet.

73

Soweit die Kläger auch nach der Zurückweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht mit ihrem Hauptantrag weiterhin die Aufhebung der Genehmigung vom 15. Januar 1996 und mit ihrem ersten Hilfsantrag den Antrag stellen, die Rechtswidrigkeit bzw. Nichtvollziehbarkeit dieser Genehmigung verfolgen, haben diese Anträge keinen Erfolg.

74

Abgesehen davon, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2011 ausschließlich mit einem Verfahrensmangel befasst hat, der dem erkennenden Senat bei der Behandlung des zweiten Hilfsantrags unterlaufen war, und ein solches Verfahren die zuvorige Billigung der Klagabweisung zum Haupt- und ersten Hilfsantrag voraussetzt und die Entscheidung deshalb insoweit rechtskräftig geworden ist, hält der Senat an der im Urteil vom 10. Februar 2011 (- 2 KS 1/10 -) vertretenen Auffassung fest, dass die Anfechtungsklage aufgrund eingetretener Verwirkung und der Feststellungsantrag gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO aufgrund Subsidiarität unzulässig sind, und verweist auf die dortigen Ausführungen (Bl. 10 ff. und Bl. 13 des Urteilsabdrucks).

75

Soweit die Kläger mit dem zweiten Hilfsantrag beantragen, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes sowie über Entschädigungsansprüche der Kläger zu entscheiden, ist dieser Antrag jedoch zum Teil begründet.

76

Dieser Antrag ist inhaltlich darauf gerichtet, die Anordnung von Schutzauflagen zu (Betriebsregelungen in) der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung wegen einer mittlerweile eingetretenen erheblichen Steigerung der Lärmbelastungen, die bei Erteilung der Genehmigung vom 15. Januar 1996 nicht vorhersehbar gewesen sei, zu erreichen. An diese Auslegung ist der Senat durch den zurückverweisenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts nach § 133 Abs. 6 VwGO gemäß § 144 Abs. 6 VwGO gebunden, obwohl die anwaltlich vertretenen Kläger ihren Antrag nicht entsprechend umformuliert haben.

77

Soweit dieser Antrag allerdings auf die besonderen Vorschriften zum Fluglärmschutz gestützt werden sollte, bleibt mit dem Urteil vom 10. Februar 2011 festzustellen, dass der Beklagte für solche Ansprüche nicht passivlegitimiert ist. Für die Festsetzung der Aufwendungen nach § 10 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 1. Juni 2007 sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 FluLärmzustBehV die unteren Bauaufsichtsbehörden zuständig.

78

Der von den Klägern gestellte Antrag lässt sich jedoch dem Grunde nach auf § 142 Abs. 2 Satz 2 bis 4 LVwG stützen. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass es sich vorliegend bei der Genehmigung vom 15. Januar 1996 nicht um einen förmlichen Planfeststellungsbeschluss, sondern um eine (Änderungs-)Genehmigung handelt. Auch bei einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung handelt es sich um eine Planungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7. November 1996 - BVerwG 4 B 170.96 -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 13 m.w.N.); es sind deshalb nachträgliche Genehmigungsergänzungsansprüche entsprechend § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG bzw. § 142 Abs. 2 Satz 2 LVwG i.V.m. § 9 Abs. 2 LuftVG denkbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. September 1999 - 11 A 22.98 -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17 = UPR 2000, 116).

79

Diese Vorschriften des § 142 Abs. 2 Satz 2 bis 4 LVwG erfassen zwar keine Vorgänge, die vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossen waren (vgl. zur entsprechenden Regelung in § 17 Abs. 6 Satz 2 FStrG 1974: BVerwG, Urt. v. 12. September 1999 - IV C 74.77 -, BVerwGE 61, 1 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 35 = NJW 1981, 835 sowie Beschl. v. 24. August 1999 - 4 B 58.99 -, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 29 = NVwZ 2000, 70). In seiner ursprünglichen Fassung vom 18. April 1967 (GVOBl S. 131) enthielt das Landesverwaltungsgesetz noch keine dem heutigen § 142 Abs. 2 und 4 LVwG (gleichlautend § 75 Abs. 2 und 3 VwVfG) entsprechende Regelung. Eine Anpassung an das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes unter Einfügung des heutigen § 142 LVwG erfolgte jedoch durch das Gesetz zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes vom 18. Dezember 1978 (GVOBl 1979 S. 2), das am 1. April 1979 in Kraft getreten ist.

80

Zwar war der Beigeladenen die Genehmigung zum Betrieb eines Landeplatzes erstmals bereits am 5. November 1970 vom seinerzeit zuständigen Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein erteilt worden, also zeitlich vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung. Gleiches gilt für die am 2. Januar 1978 erteilte Genehmigung zum Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs mit der Bezeichnung „Flughafen Westerland/Sylt“ für die Durchführung nach Sichtflugregeln bei Tage und bei Nacht, Instrumentenflugregeln während der Aktivität der Kontrollzone sowie zum Betrieb eines Segelfluggeländes zur Durchführung von Segelflugbetrieb. Seitdem waren alle Arten von Luftfahrzeugen zugelassen, ausgenommenen Freiballone und Modellflugzeuge. Die mit Bescheid vom 1. Februar 1989 geänderte Genehmigung brachte keine wesentliche inhaltliche Änderung; nunmehr waren alle Arten von Luftfahrzeugen, ausgenommen Freiballone, Ultraleichtfahrzeuge, Hängegleiter und Modellflugzeuge zugelassen.

81

Auch die hier maßgebliche Genehmigung vom 15. Januar 1996 brachte für die Betriebsabläufe keine Veränderungen. Diese Genehmigung enthält keine Regelungen, mit denen die Situation in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht über das bereits zuvor genehmigt Gewesene hinaus umgestaltet würde. Die räumlichen, zeitlichen und technischen Abläufe werden durch diese Genehmigung nicht verändert; sie bleiben vielmehr im Rahmen des durch die Genehmigung vom 5. November 1970 Erlaubten. Mit der Genehmigung vom 15. Januar 1996 ist der Minister für Verkehr lediglich seiner Pflicht nachgekommen, aus der Aufgabe der militärischen Trägerschaft die rechtlich notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Diese Genehmigung erschöpft sich hinsichtlich des neu Geschaffenen allein in der Übertragung in die private Trägerschaft.

82

Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die Kläger eine Rechtsbeeinträchtigung durch diesen Bescheid vom 15. Januar 1996 besteht, sind allein die in diesem Bescheid getroffenen Regelungen. Ein Änderungsverfahren verschafft rechtliche Betroffenheiten nur im Hinblick auf neue oder weitergehende Belastungen, nicht jedoch auch im Hinblick auf die Festsetzungen einer bereits bestandskräftigen Genehmigung (BVerwG, Beschl. vom 17. November 2004 - 9 VR 3.04 -, Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 = NVwZ 2005, 330 = DVBl 2005, 194).

83

Die Genehmigung vom 15. Januar 1996 formuliert jedoch ausdrücklich, dass der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr die der Beigeladenen erteilt gewesene Genehmigung zum Betrieb des Verkehrsflughafens „geändert und neugefaßt“ habe. Der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr hatte die der Beigeladenen mit Bescheiden vom 5. November 1970 und vom 1. Februar 1989 erteilten Genehmigungen somit nicht belassen und lediglich um weitere Inhalte erweitert oder modifiziert, sondern in uneingeschränktem Maße durch die neue Genehmigung ersetzt. Dies hat zur Folge, dass die Genehmigung vom 15. Januar 1996 im gesamten Inhalt und vollumfänglich dem Regime des § 142 LVwG in der seit dem 1. April 1979 geltenden Fassung unterfällt. Entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 1 LVwG sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Treten aber nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der der Genehmigung entsprechenden Anlagen auf das Recht einer oder eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit der Genehmigung auf, so können die Betroffenen entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 2 LVwG Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen.

84

Daraus folgt, dass die Kläger Ansprüche auf nachträgliche Anordnung von Schutzauflagen zur Genehmigung vom 15. Januar 1996 nicht erst dann geltend machen können, wenn die Belastung durch erzeugten Verkehrslärm bereits die durch das Verfassungsrecht gezogene äußerste Zumutbarkeitsgrenze („Enteignungsschwelle“, „Gesundheitsgefährdungsgrenze“) überschreitet. § 142 Abs. 2 Satz 2 LVwG setzt vielmehr bereits dann ein, wenn nach Unanfechtbarkeit der an die Stelle der Planfeststellung getretenen Genehmigung „nicht vorhersehbare Wirkungen des Vorhabens“ auf die Rechte der Kläger auftreten.

85

In diesem Zusammenhang bedarf es allerdings des näheren Eingehens auf das Erfordernis der fehlenden Vorhersehbarkeit der eingetretenen Wirkungen. Nicht ohne Berechtigung weist der Beklagte nämlich darauf hin, dass sich dem Inhalt der am 15. Januar 1996 erteilten Genehmigung nicht entnehmen lässt, welche Wirkungen bei ihrem Erlass vorausgesehen worden sind, so dass ein Abweichen der tatsächlichen von der prognostizierten Entwicklung nicht ohne weiteres festgestellt werden kann.

86

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr die Genehmigung vom 15. Januar 1996 bei rechtmäßigem Handeln nur dann hatte ohne weitergehende Regelungen erteilen dürfen, wenn er aufgrund seiner Ermittlungen und darauf fußender Überlegungen hinreichend gewiss war, dass unzumutbare nachteilige Auswirkungen auf Rechte Dritter nicht eintreten würden. Es ist somit zu unterstellen, dass der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr solche prognostischen Überlegungen angestellt hat und dass er davon ausgegangen ist, dass unzumutbare Emissionen nicht auftreten werden. Treten nach Unanfechtbarkeit dennoch solche Emissionen auf, haben sie als im Sinne des § 142 Abs. 2 Satz 2 LVwG „nicht vorhersehbar“ zu gelten.

87

Denn anderenfalls bestand nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Verpflichtung zu weitergehenden Regelungen nach § 6 Abs. 1 Satz 4 oder Abs. 4 LuftVG in der seinerzeit geltenden Fassung vom 12. Dezember 1990 (§ 6 LuftVG aF). Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob der Genehmigung eine Planfeststellung nach § 8 LuftVG in der seinerzeit geltenden Fassung vom 17. Dezember 1993 (§ 8 LuftVG aF) nachfolgt oder nicht, mithin auch unabhängig davon, ob die Genehmigung neben ihrer Eigenschaft als Unternehmergenehmigung zugleich Planungsentscheidung ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1998 – 11 B 11.98 -, juris Rn. 4 mwN).

88

Auch wenn der Minister grundsätzlich nicht erst dann verpflichtet war, die Genehmigung mit flugbetrieblichen Regelungen zu versehen, wenn die Entlassung aus der militärischen Nutzung zu unzumutbaren Belastungen (im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG in der seinerzeit geltenden Fassung vom 23. Juli 1992 (§ 9 LuftVG aF) führte, sondern jegliche Lärmbelastungen, die nicht lediglich als nur geringfügig einzustufen sind, in seinen Abwägungsprozess einzubeziehen hatte (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff., juris Rn. 187 und vom 27. Oktober 1998 – 11 A 1.97 –, BVerwGE 107, 313 ff., juris Rn. 96 mwN sowie Beschluss vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - NVwZ-RR 1991, 118 mwN), folgt daraus hier kein anderes Ergebnis. In diese Abwägung war nämlich einzustellen, dass flugbetriebliche Regelungen nur dann zu treffen sind, wenn sie nach dem Ergebnis der Abwägung erforderlich oder geboten sind. Ob dies der Fall ist, hängt vom Umfang und den Auswirkungen des Vorhabens ab. Denn selbst bei Änderungsvorhaben, die unabhängig davon, ob sie aufgrund ihrer "Wesentlichkeit" nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG aF der Zulassung im Wege der Planfeststellung bedürfen, keine Auswirkungen auf die Funktion und Kapazität eines Flughafens haben und auch keine neuen oder erweiterten (gesteigerten) Lärmbetroffenheiten auslösen, gilt Folgendes: Selbst in einem solchen Fall eröffnet die aufgrund der Planfeststellung gebotene Abwägung nicht die Möglichkeit zu flugbetrieblichen Regelungen aus Lärmschutzgründen. Eine generelle (Neu-)Regelung der Betriebszeiten, mit der Lärmschutzgesichtspunkten Rechnung getragen werden könnte, ist bei einer solchen Fallgestaltung nicht angezeigt, weil der Flughafen zulassungsrechtlich nicht auf eine neue Grundlage gestellt wird oder werden muss. Darüber hinaus sind bei fehlender Ausweitung oder Steigerung der Lärmbetroffenheiten keine Lärmschutzbelange in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 5.07 -, juris Rn. 17 und LS 1). Lärmschutzbelange sind also grundsätzlich nur dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung durch das Vorhaben bzw. die Änderung ansteigt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 <10 f.>; Beschluss vom 15. Januar 2008 - BVerwG 9 B 7.07 - NVwZ 2008, 675 <676>). Das gilt unabhängig von der Höhe der Lärmbelastung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 – 9 A 5.07 –, juris Rn. 17).

89

Insofern ergab sich mit der Entlassung des Flughafens aus der militärischen Nutzung unabhängig von § 8 Abs. 5 Satz 3 LuftVG aF keine wesentliche Änderung, die zum Erlass weitergehender Regelungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 4 LuftVG aF Anlass gab. Selbst wenn der Minister aufgrund der Entlassung des Flughafens aus der militärischen Nutzung von einer Lärmsteigerung ausgegangen sein sollte, weil er allgemein mit einer Zunahme des zivilen Luftverkehrs in der Zukunft gerechnet hat, wird er auf der anderen Seite gegenübergestellt haben, dass Luftfahrzeuge der Zukunft sicher geräuschärmer sind und zudem die bisherigen Lärmbelastungen durch die militärische Nutzung entfallen. Er wird außerdem aufgrund der (Insel-)Lage des Flughafens, dessen Verkehrsanbindung, und seiner Größe eine erhebliche Zunahme der Lärmbelastungen auch für die Zukunft ausgeschlossen haben, denn ansonsten hätte er einschränkende Regelungen, etwa in Gestalt einer Befristung der Genehmigung zur Überprüfung der Lärmsituation in der Zukunft vorgesehen. Auch die Kläger machen nicht geltend, dass durch die Genehmigung vom 15. Januar 1996 ein Ansteigen der Lärmbelastung eingetreten sei. Diese soll nach ihrem Vortrag vielmehr erst ab dem Jahr 2006 eingetreten und darauf zurückzuführen sein, dass verstärkt gewerbliche Flugzeugtypen größerer Startgewichtsklassen den Flughafen nutzten, wobei dies erst die Sanierung der Start- und Landebahn ermöglicht habe.

90

Dementsprechend durfte der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr die Genehmigung vom 15. Januar 1996 nur dann mit weitergehenden Regelungen versehen, wenn die Lärmbelastungen jetzt oder in Zukunft unzumutbar sein würden. Eine normativ festgesetzte Zumutbarkeitsgrenze für den Fluglärm gab es nicht; es bestand vielmehr seinerzeit hinsichtlich des Lärmschutzes ein planerisches Ermessen. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht stets betont, dass bei der Frage der Zumutbarkeit des in einer Flugplatzgenehmigung vorgesehenen Lärmschutzes auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1998 – 11 B 11.98 -, Juris Rn. 8 mwN zu einer Lärmgrenzlinie bei Wohnbebauung von 55 dB(A) Dauerschallpegel).

91

Da die Bestimmung der Grenze in § 9 Abs. 2 LuftVG aF, jenseits derer die Belastung durch Fluglärm der Umgebung mit Rücksicht auf deren durch Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, der uneingeschränkten richterlichen Überprüfung unterliegt (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff., juris LS 11), ist auch vor diesem Hintergrund für die weitere Prüfung eine Festlegung durch die Genehmigung entbehrlich. Der Senat hat vielmehr im Nachhinein zu ermitteln, welche Grenze der Minister insoweit seinerzeit hatte (rechtmäßig) zugrunde legen dürfen, um festzustellen, ob – wie die Kläger meinen - seinerzeit niedrigere Lärmgrenzwerte zugrunde zu legen waren, als sie heute gelten. Waren nämlich niedrigere Grenzwerte zugrunde zu legen, wären diese Anknüpfungspunkt für die Feststellung, ob heute im Sinne des § 142 Abs. 2 Satz 2 LVwG von dem Flughafen „nicht vorhersehbare“ Auswirkungen ausgehen, die Ansprüche der Kläger auf Ergänzung der Genehmigung begründen.

92

Einen ersten Anhaltspunkt bietet § 2 Abs. 1 FluglärmG in der seinerzeit geltenden Fassung vom 30. März 1971 (aF). Danach waren Lärmschutzbereiche für Gebiete außerhalb des Flugplatzgeländes vorzusehen, in dem der durch Fluglärm hervorgerufene äquivalente Dauerschallpegel 67 dB(A) übersteigt. Absatz 2 der Vorschrift sah zwei Schutzzonen vor, als Schutzzone 1 das Gebiet, in dem der äquivalente Dauerschallpegel 75 dB(A) übersteigt, als Schutzzone 2 das übrige Gebiet des Lärmschutzbereichs. Aus dem weiteren Umstand, dass solche Schutzzonen erst mit der Landesverordnung über die Festsetzungen des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Sylt (LFlugLSVO Sylt) vom 2. Juni 2010 (GVOBl S. 463) und damit zu einem Zeitpunkt festgelegt worden sind, seit das Gesetz zum Schutz vor Fluglärm in seinem § 2 (Nr. 2) niedrigere Werte für die Festlegung von Schutzzonen vorsieht (Tag-Schutzzone 1: 65 dB(A), Tag-Schutzzone 2: 60 dB(A), Nacht-Schutzzone: 55 dB(A), maximal 6 mal 57 dB(A)), kann zumindest hergeleitet werden, dass mit der Genehmigung zumindest von Werten weit unter dem seinerzeit für die Festlegung von Schutzzonen festgesetzten Bereich auch für die Zukunft ausgegangen worden ist.

93

Grundsätzlich hat die nähere Bestimmung der auf die Umgebung bezogenen Zumutbarkeit von Verkehrslärm im Ausgangspunkt jeweils an die bebauungsrechtlich geprägte Situation der Umgebung anzuknüpfen (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Mai 1976 – 4 C 50.74 u.a. –, juris, und vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, München II - BVerwGE 87, 332 ff., juris Rn. 247). Einen weiteren Anhaltspunkt mag daher die für Lärmbelastungen durch Straßen- und Schienenverkehr geltende Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung bieten. Deren § 2 Abs. 1 sah als Immissionsgrenzwerte an Krankenhäusern, Schulen, Kurheimen und Altenheimen bei Tag 57 dB(A) und bei Nacht 47 dB(A) (Nr. 1), in reinen und allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten bei Tag 59 dB(A) und bei Nacht 49 dB(A) vor (Nr. 2). In Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten waren bei Tag 64 dB(A) und bei Nacht 54 dB(A) festgelegt (Nr. 3), in Gewerbegebieten bei Tag 69 dB(A) und bei Nacht 59 dB(A) (Nr. 4). Hiervon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht (seinerzeit) als Zumutbarkeitsschwelle von Verkehrslärm für ein von anderen Störfaktoren nicht vorbelastetes Wohngebiet im Sinne der BauNVO § 3 und § 4 - vorbehaltlich einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls - die Grenze des noch zumutbaren Straßenverkehrslärms etwa bei einem äquivalenten Dauerschallpegel (Außenpegel) von 55 dB (A) am Tage und 45 dB (A) in der Nacht angesetzt (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 1987 – 4 C 33.83 u.a. -, BVerwGE 77, 285 ff., juris Rn.18, und vom 20. Oktober 1989 - BVerwG 4 C 12.87 - BVerwGE 84, 31 <39 ff.>) und für Kurgebiete eine deutlich wahrnehmbare Herabsetzung der für Wohngebiete anzusetzenden Zumutbarkeitsschwelle als geboten angesehen (Verminderung um mindestens 5 dB(A): vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – 4 C 33.83 u.a. -, BVerwGE 77, 285 ff., juris Rn. 21).

94

Allerdings können diese für Straßenverkehrslärm entwickelten Werte für Fluglärm nicht unbesehen übernommen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff. juris Rn. 255). Abgesehen von den Unterschieden in den Berechnungsmethoden waren die hier zu betrachtenden Grundstücke der Kläger zudem vorbelastet (zum Begriff der Vorbelastung vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 1985 - 4 C 63.80 -, BVerwGE 71, 156, juris LS 2; zum Maß einer plangegebenen Vorbelastung vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – 4 C 33.83 u.a. -, BVerwGE 77, 285 ff., juris Rn. 29 f.). Der Sylter Flughafen besteht als Militärflughafen bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts; mit der Genehmigung vom 5. November 1970 wurde daneben die zivile Luftfahrt eröffnet. Am 26. April 1973 wurde der Beigeladenen gestattet, den Bundeswehrflugplatz für den zivilen Flugbetrieb mit Luftfahrzeugen aller Art zu benutzen. Mit Bescheid vom 2. Januar 1978 wurde der Beigeladenen die Genehmigung zum Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs erteilt, die mit Bescheid vom 1. Februar 1989 dahingehend geändert worden war, dass nunmehr alle Arten von Luftfahrzeugen, ausgenommen Freiballone, Ultraleichtfahrzeuge, Hängegleiter und Modellflugzeuge zugelassen waren.

95

Ob und welche Grenzgebiete für vorbelastete Wohngebiete – oder hier für ein vorbelastetes Kurgebiet - demnach anzusetzen sind (niedriger oder höher) lässt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum damaligen Zeitpunkt nicht ohne weiteres ermitteln. So ist dies im Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 – (München II - BVerwGE 87, 332 ff., juris Rn. 254 f.) letztlich offen gelassen worden, weil die dort festgesetzte (Gebiets-) Grenze von 67 dB(A) durch weitere Einschränkungen modifiziert worden war (Ausschluss höherer Schallpegel als 55 dB(A) zur Vermeidung fluglärmbedingter Kommunikationsstörungen bzw. Ausschluss von Spitzenpegeln im Rauminnern von 55 dB(A)). In der Entscheidung zum Flughafen ... hat das Bundesverwaltungsgericht einen für das Nachtlärmschutzgebiet festgelegten Maximalpegel von 75 dB(A) dann als zu hoch angesehen, wenn ab einer bestimmten Häufigkeit keine weiteren Nachtflugbeschränkungen in Betracht gezogen worden sind (Grundlage waren Untersuchungen, wonach 16 oder mehr Überflüge in den empfindlichsten Nachtstunden mit einem Überflugpegel von 55 dB(A) innen zumindest für die älteren Flughafenanwohner eine deutliche Beanspruchung darstellten) und deshalb weitere einschränkende Regelungen vermisst (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 – 11 A 1.97 –, BVerwGE 107, 313 ff., juris Rn. 104). Als „Passiver Schutz gegen Fluglärm" war u.a. als Immissionsgrenzwert für den Nachtflugbetrieb am Flughafen ... festgelegt, dass keine höheren fluglärmbedingten Maximalpegel als 55 dB(A) in Schlafräumen bei ausreichender Belüftung auftreten dürften; ausgenommen hiervon seien sechs nächtliche Fluglärmereignisse von mehr als 75 dB(A) im Freien. Deutlicher verhielt sich das Bundesverwaltungsgericht noch in seinem Urteil vom 7. Juli 1978 – 4 C 79.76 – (BVerwGE 56, 110 ff., juris Rn. 91 – Frankfurt), in dem es für ein von anderen Störfaktoren nicht vorbelastetes Wohngebiet die Grenze des innerhalb der Gebäude noch zumutbaren Verkehrslärms etwa bei einem äquivalenten Dauerschallpegel (Außenpegel) von 55 dB (A) am Tage und von 45 dB (A) in der Nacht annahm. Im Beschluss vom 5. Oktober 1990 – 4 CB 1.90 – (juris Rn. 54 – Stuttgart) hat es bei einer vorbelasteten Wohnbebauung eine als in den sechs verkehrsreichsten Monaten eines Jahres nach Maßgabe der DIN 4564/3 ermittelte Dauerschallbelastung von 70/60 dB(A) tags/nachts nicht beanstandet.

96

Im Hinblick darauf, dass sich die vorbelasteten Grundstücke der Kläger im Kurgebiet befinden, ist hiervon ein Abschlag von 5 dB(A) zu machen Daraus ergibt sich zumindest annäherungsweise ein den nach § 2 Abs. 1 FluglärmG aF festgelegten äquivalente Dauerschallpegel von 67 dB(A) relativierender Grenzwert von 65 dB(A) tagsüber und von 55 dB(A) nachts. Wo die genaue Grenze liegt, muss letztlich nicht entschieden werden. Denn eine in der Flugplatzgenehmigung zu treffende Regelung hat auch in infolge ihrer späteren Ausnutzung möglicherweise einmal entstehende Lärmkonflikte in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 – 11 A 1.97 –, BVerwGE 107, 313 ff., juris Rn. 104). Da die Genehmigung vom 15. Januar 1996 aber keinerlei begrenzende Regelungen enthält, ist davon auszugehen, dass der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr seinerzeit annahm, dass der Flughafen auch bei voller Ausnutzung seiner Kapazität (etwa aufgrund seiner sich aus seiner Größe und Lage abzuleitenden Verkehrsfunktion) in der Zukunft derartige Werte nicht erreichen wird.

97

Diese Werte (65/55 dB(A) Tag/Nacht) unterscheiden sich nicht von den heute nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG (in der derzeit geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 31. Oktober 2007, BGBl I S. 2550) festgesetzten Werte für bestehende zivile Flugplätze. Diese Vorschrift legt für die Tag-Schutzzone 1: L(tief)Aeq Tag = 65 dB(A), für die Tag-Schutzzone 2: L(tief)Aeq Tag = 60 dB(A) und für die Nacht-Schutzzone: L(tief)Aeq Nacht = 55 dB(A) und L(tief)Amax = 6 mal 57 dB(A) fest (zur Maßgeblichkeit dieser gesetzlichen Festlegungen vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 4 A 4001.10 –, BVerwGE 141, 1 ff., juris Rn. 163 ff. mwN auch zur Rspr. des BVerfG). Zur Maßgeblichkeit dieser gesetzlichen Festlegungen hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 13. Oktober 2011 – 4 A 4001.10 – (a.a.O., juris Rn. 167) ausgeführt:

98

Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986) mussten mangels normativer Vorgaben die Zulassungsbehörde und im Streitfall die Gerichte entscheiden, welche Lärmpegel den Anwohnern tags und nachts zugemutet werden dürfen; die im Fluglärmschutzgesetz vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282) genannten Lärmwerte waren hierfür nicht aussagekräftig (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 254). Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Gesetz vom 1. Juni 2007 geändert. Das neu gefasste Fluglärmschutzgesetz - FluglärmG - verfolgt zwar weiterhin nur einen eingeschränkten Zweck. Es soll in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Fluglärm regeln (§ 1 FluglärmG); die Regelung des sogenannten aktiven Schallschutzes insbesondere durch Betriebsbeschränkungen bleibt dem Planfeststellungsverfahren vorbehalten (vgl. BTDrucks 16/508 S. 17; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - NVwZ 2011, 991 Rn. 23). Durch den neu eingefügten § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG hat es nunmehr jedoch auch Bedeutung erhalten für die bei der Planfeststellung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG erforderliche Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG sind hierbei zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass bei der Bewältigung der durch Fluglärm hervorgerufenen Probleme im Rahmen der Abwägung keine anderen als die nach dem Fluglärmschutzgesetz maßgeblichen Werte für die Lärmschutzbereiche zugrunde gelegt werden (BTDrucks 16/508 S. 24). § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglärmG legt die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze auch mit Wirkung für die fachplanerische Abwägung normativ fest (Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG
4 B 61.08 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 34 Rn. 33; zustimmend: Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Stand August 2010, § 6 Rn. 126; Kämper, ZLW 2009, 16 <22>; Paetow, NVwZ 2010, 1184 <1190>; a.A. Mechel, ZUR 2007, 561 <566>). Jedenfalls zur Bestimmung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze müssen lärmmedizinische Gutachten im luftrechtlichen Zulassungsverfahren nicht mehr eingeholt werden (vgl. BTDrucks 16/3813 S. 11 f.).

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Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an und überträgt sie auf die die Planfeststellung ersetzende Genehmigung und die in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FluglärmG festgesetzten Werte für bestehende zivile Flugplätze. Da die danach zugrunde zu legenden Werte aber – wie ausgeführt – nicht niedriger sind, als diejenigen, die seinerzeit bei Erteilung der Genehmigung vom 15. Januar 1996 zugrunde zu legen waren, bedarf es keiner Entscheidung, welche Rechtsfolgen sich aus der Maßgeblichkeit der gesetzlichen Festlegungen in § 2 FlugLärmG für bestehende Flugplätze ergeben und ob insbesondere Anwohner aus diesen Festlegungen Ansprüche herleiten können.

100

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass auf die Grundstücke der Kläger zur Zeit noch keine Lärmimmissionen einwirken, die diese Grenzwerte überschreiten. Das vom Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 411a ZPO herangezogene Gutachten, das von der ... Ingenieurgesellschaft für das Landgericht Flensburg in den dortigen Verfahren 2 O 274/07 und 3 O 413/08 gefertigt worden war (Schalltechnischer Bericht LL4590.2/10) sowie die Erläuterungen des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2014 zeigen in Übereinstimmung mit den Daten, die der Landesverordnung über die Festsetzungen des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Sylt (LFlugLSVO Sylt) vom 2. Juni 2010 (GVOBl S. 463) zu Grunde gelegt wurden, dass die errechneten und gemessenen Pegelwerte im Jahre 2011 „allenfalls“ im Bereich 55 bis 60 dB(A), in den übrigen Jahren sogar darunter anzusiedeln sind und sich deshalb unterhalb der für den Tag beachtlichen Schwelle von 60 dB(A) bewegen. Festzustellen ist zudem, dass die für die Nacht zu wahrenden Grenzwerte zur Zeit keine Rolle spielen, da Flugbewegungen in dieser Zeit aktuell nicht vorgesehen sind und tatsächlich so gut wie nicht stattfinden.

101

Damit steht fest, dass die Kläger den in den vergangenen Jahren und heute aktuell bestehenden Zustand hinzunehmen haben und ihnen ein Anspruch auf eine Veränderung der zur Zeit gegebenen Verhältnisse nicht zusteht. Dabei ist maßgeblich, dass das Regelwerk zum Fluglärmschutz eine Differenzierung nach dem unterschiedlichen Schutzbedarf der unterschiedlichen Gebietsarten nicht vorsieht und bei der Lärmbewertung zur Tageszeit Lärmspitzen keine eigenständige Bedeutung zukommt.

102

Auch wenn somit die aktuell gegebene Lage keine Rechtsverletzungen der Kläger erkennen lässt, so darf gleichwohl nicht aus dem Blick verloren werden, dass die nach § 142 Abs. 2 Satz 2 LVwG zu treffende Entscheidung an die Stelle der Entscheidung tritt, die mit der Genehmigung vom 15. Januar 1996 zu treffen gewesen wäre, und dass deshalb die dort anzustellenden Überlegungen ebenfalls auch hier anzustellen sind. Ebenso wie im Jahre 1996 die künftigen Veränderungen und die voraussichtliche Entwicklung in der Zahl der Flugbewegungen und die voraussichtlich verkehrsgängigen Flugmuster in das Feld der prognostischen Erwartungen und deshalb in die Abwägung mit einzubeziehen waren, so dürfen heute ebenfalls die zukünftigen Entwicklungen und Erwartungen nicht ausgeblendet bleiben. Da zudem seinerzeit davon ausgegangen war, dass der Wert von 60 dB(A) am Tag unter keinen Umständen erreicht wird, sich die errechneten und gemessenen Pegelwerte jedoch zumindest im Jahre 2011 schon („allenfalls“) im Bereich 55 bis 60 dB(A) bewegten, ist eine weitere (schleichende) Lärmzunahme für die Zukunft nicht mehr auszuschließen, in der diese Werte möglicherweise sogar dauerhaft erreicht oder überschritten werden.

103

Der Beklagte wird daher darüber zu befinden haben, welche Vorkehrungen erforderlich sind, um zu verhindern, dass die Grundstücke der Kläger auch in Zukunft nicht hinnehmbaren Lärmeinwirkungen ausgesetzt sein werden. Das Erreichen der aufgezeigten Grenzwerte zeigt, dass insoweit – anders als dies noch bei Erteilung der Genehmigung am 15. Januar 1996 der Fall war – ein weiteres Anwachsen der Lärmbelastung für die Zukunft möglich erscheint, so dass vom Beklagten den derzeitigen Zustand konservierende Betriebsregelungen zu treffen sind. Eine derartige Lärmfestschreibung trägt einem durchaus wichtigen Anliegen der Flughafenanwohner Rechnung. Aufgrund technischer Fortschritte bei den Start- und Landeverfahren ("Mikrowellensystem") mag in absehbarer Zeit eine weitere deutliche Steigerung der tatsächlichen Kapazität des Flughafens möglich sein. Der dadurch entstehende Zuwachs an Lärm dürfte durch die fortschreitende Umstellung auf "leisere" Flugzeuge nur zum Teil ausgeglichen werden. Im Hinblick auf eine Lärmfestschreibung auf der Grundlage einer Kapazitätsbestimmung und -begrenzung ist in diesem Fall jedoch einer "schleichenden Lärmsteigerung" ohne verbindliche Prüfung der veränderten tatsächlichen Situation in einem neuen Verwaltungsverfahren vorgebeugt; eine wesentliche Erweiterung des Flugbetriebs kann dann nur auf der Grundlage einer Änderungsgenehmigung bzw. nach einem neuen Planfeststellungsverfahren vollzogen werden (zur Lärmfestschreibung vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff., juris Rn. 208).

104

Ein bestimmtes Lärmkontingent zu entwickeln und dem Beklagten vorzuschreiben, ist nicht Aufgabe des Gerichts (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff.). Betriebsregelungen, die sich innerhalb des durch den Widmungszweck vorgezeichneten Kapazitätsspielraumes bewegen, sind vielmehr vom Beklagten zu treffen. Es ist ihm überantwortet, zum Zwecke der ihm obliegenden Problembewältigung eine Betriebsregelung in Form einer allgemeinen Auflage (etwa eine Lärmkontingentierung im Rahmen des Tagesschutzes oder eine Nachtflugregelung) anzuordnen, wie sie für die luftrechtliche Genehmigung in § 6 Abs. 1 Satz 4 LuftVG (ebenso in § 6 Abs. 1 Satz 4 LuftVG aF) ausdrücklich vorgesehen ist (und wie sie sogar noch im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens festgelegt werden kann, § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG in der jetzigen und in der alten Fassung; vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff., juris Rn. 191; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff., juris Rn. 190). Freilich darf die Lärmfestschreibung nicht auf einer so hohen Schwelle erfolgen, dass sie ihre beschränkende Wirkung dadurch verliert, dass sie auf einer völlig unrealistischen Kapazitätsannahme beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ff., juris Rn. 207).

105

Das Gericht kann insoweit nur wenig Vorgaben machen. Ihm wird die Beantwortung der Frage, ob den Klägern bei der gegebenen Sachlage ein Anspruch auf bestimmte Vorkehrungen besteht, die geeignet sind, künftig zu befürchtende nachteilige Wirkungen ausschließen, zudem dadurch erschwert, dass die Kläger trotz des gerichtlichen ausdrücklichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2014 den bis dahin gestellten zweiten Hilfsantrag in der bisherigen Formulierung aufrechterhalten und eine konkreter bescheidungsfähige Antragsfassung damit vermieden gelassen haben. Der Senat stand somit vor der Aufgabe, das Begehren der Kläger aus der Gesamtheit ihrer Schriftsätze zu erschließen.

106

Dabei ist festzustellen, dass die Kläger Veränderungen hinsichtlich der An- und Abflugwege schon wegen der bestehenden topographischen Verhältnisse nicht beanspruchen können.

107

Auffällig ist, dass nach den Einlassungen des Beklagten und der Beigeladenen der Flughafen einer uneingeschränkten Betriebspflicht unterliegt und sich deshalb auch für nächtliche Starts und Landungen bereithalten muss. Für die Nachtzeit gelten jedoch niedrigere Lärmpegel und eine begrenzt zulässige Anzahl von Einzelschallereignissen mit Lärmspitzen. Auch wenn nach den Bekundungen des Beigeladenen ein Nachflugbetrieb tatsächlich zur Zeit nicht stattfindet, weil der Flughafen nächtens personell nicht besetzt ist, so ist der Beigeladene rechtlich nicht daran gehindert, dies bei veränderten betriebswirtschaftlichen Verhältnissen – im Umfang des Genehmigten weiterhin verbleibend - jederzeit zu ändern.

108

Es bietet sich deshalb z.B. an, durch eine entsprechende Bestimmung den Flugbetrieb ausdrücklich auf den Zeitraum von 6.00 h bis 22.00 h zu beschränken und außerhalb dieses Zeitraums lediglich verspätete Landungen sowie Flugbewegungen aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen sowie aus Gründen des katastrophenbezogenen oder medizinischen Hilfeleistungseisatzes zuzulassen.

109

Ferner ist zu beachten, dass die Lärmbelastung nach dem Vortrag der Kläger nicht von den Propellermaschinen und dem Hubschrauber ausgehen, die andere Start- und Landebahnen nutzen als die in den Vordergrund der Auseinandersetzung gestellten, sondern in erster Linie und vornehmlich von den düsengetriebenen Flugzeugmustern. Hier ist deshalb zu betrachten, welche dieser Flugzeugmuster welche Lärmimmissionen bewirken und ob den Auswirkungen durch eine Begrenzung der Größen und eine Modifikation der Flugbewegungen nach Anzahl und Verteilung auf den Tag begegnet werden kann.

110

Die Kostentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 4 ZPO, die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

111

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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