Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (16. Senat) - 16 LB 1/12

Tenor

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 22. Kammer - vom 1. Februar 2012 wird geändert.

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der am ... geborene Beklagte ist verheiratet und Vater zweier 1997 und 2001 geborener Kinder. Am 1. August 1982 wurde er als Auszubildender zur Dienstleistungsfachkraft beim damaligen Postamt ... in ... in den Dienst der Deutschen Bundespost eingestellt. Nach Abschluss seiner Ausbildung wurde er im Juni 1984 als Postoberschaffner zur Anstellung in das Beamtenverhältnis übernommen. Die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit wurde ihm am 14. August 1991 verliehen. Mit Wirkung vom 1. November 1986 wurde er zum Posthauptschaffner (BesGr. A4 BBesO) befördert. Ausweislich der letzten dienstlichen Beurteilung vom 30. November 2010 entsprachen die dienstlichen Leistungen des Beklagten im Beurteilungszeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 voll den Anforderungen. Der Beklagte war zuletzt als Postzusteller im Zustellstützpunkt ... in ... tätig.

2

Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beamte vor den Vorwürfen, die den Gegenstand dieses Verfahren bilden, nicht in Erscheinung getreten.

3

Nachdem im Dezember 2006 im Zustellbezirk des Beklagten vermehrt Unregelmäßigkeiten in der Zustellung auftraten, ergab eine interne Überprüfung der Einsatzpläne, dass in auffällig vielen Fällen der Beklagte der jeweils zuständige Postzusteller war. Aus diesem Grund wurden zwei sogenannte Fangbriefe gefertigt, in denen sich präparierte Banknoten im Wert von insgesamt 195 € befanden und die an eine nicht existente Straße mit einem nicht existenten Empfänger adressiert waren. Diese Fangbriefe wurden am 29. Januar 2007 in den Direktbehälter für den Beklagten eingelegt und sind danach nicht wieder aufgefunden worden.

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Noch am 30. Januar 2007 wurden dem Beklagten mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte und das Betreten der Diensträume untersagt.

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Am 12. Februar 2007 leitete der Leiter der Niederlassung BRIEF ... gegen den Beklagten wegen der Geschehnisse am 29. Januar 2007 ein Disziplinarverfahren ein. Mit Verfügung vom 21. März 2007, zugestellt am 23. März 2007, wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung eines Teils seiner Bezüge angeordnet (1 v.H. der jährlichen Sonderzuwendung).

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Im sachgleichen Strafverfahren verurteilte das Amtsgerichts ... (Urteil vom 6. September 2007) den Beklagten wegen Unterschlagung in Tateinheit mit versuchter Verletzung des Postgeheimnisses (§§ 22, 23, 52, 246 Abs. 1 und 2, § 206 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 40,-- €. In der Berufungsinstanz wurde das Strafverfahren nach Erfüllung der Zahlungsauflage in Höhe von 2000,-- € gemäß § 153a StPO mit Beschluss des Landgerichts ... vom 4. Oktober 2010 endgültig eingestellt.

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In der abschließenden Anhörung (unter dem 24. Februar 2012 unter Übermittlung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen) bestritt der Beklagte weiterhin die Vorwürfe, beantragte das Disziplinarverfahren gemäß § 32 Abs. 1 BDG einzustellen und erbat die Mitwirkung des Betriebsrates.

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Nach Beteiligung des Betriebsrats und der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation hat der Leiter der Niederlassung BRIEF ... am 26. Juli 2011 Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Dienst erhoben und hierzu vorgetragen:

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Am 29. Januar 2007 seien von den Zeugen ... und ... zwei sogenannte Fangsendungen gefertigt worden. Hierbei habe es sich um zwei verschlossene Briefumschläge, jeweils gerichtet an einen nicht existenten Timo ..., Hasenbank 32 in ..., gehandelt; in ... gebe es nur die Anschrift Hasenkamp. In die Umschläge seien Glückwunschkarten sowie Geldscheine eingelegt worden, und zwar in der Stückelung von zweimal 50,-- € sowie von einmal 50,--, zweimal 20,-- und einmal mal 5,-- €. Die Scheine seien jeweils mit Vaseline bestrichen und sodann mit einem von der Post verwendeten speziellen (patentierten) Fangpulver versehen worden. Die beiden so präparierten Briefe seien von dem Zeugen ... in einen Direktbehälter für den Zustellbezirk des Beklagten eingelegt worden. Da es die auf den Umschlägen angegebenen Anschriften nicht gebe, hätte der Beklagte diese beiden Briefumschläge aussondern und in ein Fach für nicht zustellbare Sendungen legen müssen. Dies habe er nicht getan, sondern er habe die beiden Briefe samt Inhalt an sich genommen, um sie für sich selbst zu verwenden.

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Dieser Sachverhalt ergebe sich aus den Aussagen der Zeugen ..., ... und ... sowie dem im Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Die Zeugen hätten auf den Beklagten gewartet, nachdem dieser nach seiner Zustelltour zurück in den Zustellstützpunkt gekommen sei, und ihn beim Verlassen des Zustellungsstützpunkts angesprochen. Der Beklagte habe vor dem Gespräch zum Einkaufen gehen wollen. Bei seiner Rückkehr vom Einkauf hätten ihn die Zeugen mit dem Vorwurf konfrontiert, die Fangsendungen an sich genommen zu haben. Dies habe er zwar bestritten, bei einem Ableuchten des Beklagten mit der Schwarzlichtlampe seien jedoch Spuren des Fangpulvers sichtbar geworden, und zwar an dessen Hand insbesondere im Bereich des Daumens und der Nagelbetten und in der Innenseite der Hosentasche, die auf dem linken Hosenbein von außen auf seiner Diensthose aufgebracht sei. Dort hätten sich erhebliche Ansammlungen des zur Präparierung verwendeten Fangpulvers auffinden lassen; es sei ein rechteckiger Abdruck des Fangpulvers in der Form eines Geldscheines sichtbar gewesen.

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Durch die eigennützigen Briefunterdrückungen und die Inhaltsentnahmen habe der Beklagte die Pflicht eines jeden Postbeamten, die Unversehrtheit von Postsendungen und deren Übermittlung zu garantieren (§ 61 Abs. 1, Satz 2 und 3, 1. Alt. sowie § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) in grobem Maße verletzt.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen

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Er hat gerügt, dass der Betriebsrat unter verschiedenen Aktenzeichen beteiligt worden sei, dass die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (im Folgenden: Bundesanstalt) die Klage nicht ordnungsgemäß geprüft habe, dass die Klage nicht durch die zuständige Behörde erhoben, jedenfalls nicht vom zuständigen Niederlassungsleiter unterschrieben worden sei, und dass in der Klageschrift der Sachverhalt polemisch verfälscht worden sei. Mit Blick auf das Gesamtgeschehen räume er ein, dass unter Berücksichtigung des im Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens der Verdacht eines Dienstvergehens gegen ihn bestehe, der letztlich aber nicht erwiesen sei.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Februar 2012 abgewiesen. Aufgrund des auch im Disziplinarverfahren geltenden Grundsatzes „in dubio pro reo" stehe zwar fest, dass die beiden Fangbriefe im Briefzentrum ... so eingelagert worden seien, dass sie im Direktbehälter des Beklagten im Zustellstützpunkt ... ankommen sollten. Danach verliere sich jedoch jede Spur. Es sei nicht einmal gewiss, ob der Behälter im Zustellstützpunkt ... angekommen sei, jeder der dort Beschäftigten habe zu dem Behälter Zugang gehabt, weder die Zwischenablagen noch der Beklagte seien kontinuierlich beobachtet worden. Die Briefe seien nicht mehr gefunden worden. Zwar gebe es auf der linken aufgesetzten Hosentasche der Diensthose des Beklagten deutlich ermittelbare Spuren des von der Klägerin typischerweise verwendeten Präparats in einer auffällig rechteckigen Form (wie eine Geldnote). Dafür gebe es vielfältige Erklärungsversuche. Entscheidend sei aber, dass der Beklagte als Rechtshänder und nicht als „Beidhänder" ermittelt worden sei und nach allgemeiner Lebenserfahrung an seiner rechten Hand, und zwar am Innenbereich der Handfläche, hätte Nachweisspuren aufweisen müssen. Der weitere Verbleib mit Verwendung des Geldes beim Beklagten sei damit trotz der in der Hose nachgewiesenen Spuren nicht mit der für eine Verhängung der angestrebten Disziplinarmaßnahme gebotenen Sicherheit erwiesen.

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Hiergegen hat die Klägerin am 15. März 2012 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, nach Vernehmung der von ihr benannten Zeugen werde der Vorwurf erwiesen sein.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2012 abzuändern und den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er hält die Berufung bereits für unzulässig, da in der Berufungsschrift kein bestimmter Antrag enthalten sei. Im Übrigen sei das Vorgehen des Verwaltungsgerichts, keine Zeugen zu vernehmen, nicht zu beanstanden und auch von der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht nicht gerügt worden. In der Sache bestreitet er weiterhin, die Briefe samt Inhalt an sich genommen zu haben. Im Zustellstützpunkt und auf dem Weg dahin hätten viele Menschen die Möglichkeit gehabt, die beiden Briefe zu entwenden. Die Beklagte hätte ihre Untersuchungen nicht nur auf ihn konzentrieren dürfen. Es sei nicht nachgewiesen, dass er die Briefe entwendet habe.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Senat aufgrund des Beschlusses vom 20. Mai 2014 die Zeugen ..., ... und ... zu den Geschehnissen um die präparierten Fangsendungen und das Auffinden der Fangpulverspuren im Postgebäude ... Straße ... in ... vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Zu den Fangmittelspuren hat der Senat nach vorherigem Hinweis an die Beteiligten das im Strafverfahren eingeholte Behördengutachten des Landeskriminalamtes des Landes Schleswig-Holstein vom 19. Januar 2009 zugrundegelegt, hierauf wird Bezug genommen. Er hat außerdem den Sachverständigen Dr. ... dieses Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutern lassen sowie die Fotografien in der Strafakte und die Postdiensthose des Beklagten in Augenschein genommen, insoweit wird ebenfalls auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

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Die von der Klägerin vorgelegten Personal- und Disziplinarakten des Beklagten sowie die beigezogene Strafakte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

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1. Die Berufung ist form- und fristgerecht gemäß § 64 BDG eingelegt worden und damit zulässig. Der nach § 64 Abs. 1 Satz 4 BDG bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu stellende "bestimmte" Antrag ist gemäß § 64 Abs. 1 Satz 5 BDG Voraussetzung für eine zulässige Berufung. Dies erfordert indes nicht, dass ein ausdrücklicher Berufungsantrag gestellt wird; dem Antragserfordernis wird regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer das Berufungsverfahren durchführen will. Es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen im Wege der Auslegung erkennbar ist (vgl. zur Parallelvorschrift des § 124a Abs. 3 Satz 4 und 5 VwGO: BVerwG, Beschlüsse vom 10. März 2011 - 2 B 37.10 - juris Rn. 11 und vom 21. September 2011 - 3 B 56.11 - juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Zwar enthielt die Begründungsschrift keinen ausdrücklichen Berufungsantrag, aus ihr ergab sich aber unmissverständlich, dass das Ziel der Berufung weiterhin die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst war.

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2. Die Berufung ist auch begründet.

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a) Weder dem behördlichen Disziplinarverfahren noch der Klageschrift haften wesentliche Mängel i.S.d. § 55 BDG an.

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Die sich aus § 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 BPersVG, §§ 28, 29 Abs. 5 PostPersRG ergebende Mitwirkungsbefugnis des Betriebsrats bei der Erhebung der Disziplinarklage ist vom Betriebsrat der Niederlassung BRIEF ... als dem Betriebsrat desjenigen Betriebes wahrgenommen worden, bei dem der Beklagte beschäftigt war (sog. örtlicher Betriebsrat). Dessen Zuständigkeit folgt aus den Zuständigkeitsregeln des Betriebsverfassungsgesetzes, die gemäß § 24 Abs. 1 PostPersRG Anwendung finden. Danach ist der von den Arbeitnehmern - im Bereich der Deutschen Post AG einschließlich der Beamten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG) - in den einzelnen Betrieben gewählte Betriebsrat für die Ausübung der gesetzlichen Beteiligungsbefugnisse zuständig. Die jeweilige Niederlassung ist als selbstständige Organisationseinheit ein Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG (zum Ganzen vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 11.05 - LS 1 und Rn. 16 ff.).

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Die Nennung eines in der drittletzten Ziffer abweichenden Aktenzeichens (5 statt 6) im Schriftwechsel zwischen dem Leiter der Niederlassung BRIEF in ... und dem Betriebsrat der Niederlassung BRIEF ... mag auf einem Schreibversehen beruhen. Dies führt aber nicht dazu, dass das Mitwirkungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Ausschlaggebend ist insoweit allein, dass im Schriftwechsel stets die gleiche und vor allem das Verfahren genau bezeichnende Betreffzeile („Disziplinarverfahren gegen den PHSch ...“) genannt wurde, wodurch bereits jede Verwechslungsgefahr ausgeschlossen war. Dasselbe gilt für die Beteiligung der Bundesanstalt. In dessen Schreiben vom 19. Juli 2011 heißt es in der Betreffzeile „Disziplinarsache des PHSch ..., Niederlassung BRIEF ...“.

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Das Prüfverfahren durch die Bundesanstalt ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Beabsichtigt der Vorstand der Deutschen Post AG oder ein ihm nachgeordneter Stelleninhaber mit den Befugnissen eines Dienstvorgesetzten, Disziplinarklage zu erheben, hat er nach Abschluss des personalvertretungsrechtlichen Mitwirkungsverfahrens die Klageschrift vor ihrer Einreichung bei Gericht unverzüglich unter Vorlage der Akten von der Bundesanstalt auf Rechtmäßigkeit und sachgerechte Ausübung des Ermessens prüfen zu lassen; dem Prüfergebnis hat er Rechnung zu tragen (§ 1 Abs. 5 PostPersRG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 und § 15 BAPostG). Die Bundesanstalt als eine unabhängige Behörde hat den gesamten bisherigen Disziplinarverfahrensgang auf Rechtmäßigkeit in formeller und materieller Hinsicht sowie auf sachgerechte Ermessensausübung zu überprüfen (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 – 2 C 11/05 – LS 2 und Rn. 22, juris). Diesen gesetzlichen Vorgaben entsprechend hat der Leiter der Niederlassung BRIEF ... den Entwurf der Disziplinarklage mit der Ermittlungsakte nach abgeschlossener Mitwirkung des Betriebsrats der Bundesanstalt übermittelt. Diese hat „nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen (…) auf Rechtmäßigkeit und sachgerechte Ausübung des Ermessens (…) die Voraussetzungen für die Erhebung der beabsichtigten Disziplinarklage“ als gegeben erachtet. Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfung nicht den Vorgaben des § 15 BAPostG entsprochen haben könnte, gibt es nicht. Dass die Prüfung möglicherweise - das Übersendungsschreiben findet sich nicht in der Akte – nicht länger als einen Tag gedauert hat, ist unerheblich ist, da weder der Sachverhalt so unüberschaubar noch der Akteninhalt so umfangreich ist, dass eine sachgerechte Prüfung notwendig mehrere Tage erfordern würde.

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Die Klage ist durch die zuständige Behörde erhoben worden. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BDG liegt die Befugnis zur Erhebung einer Disziplinarklage gegen einen Beamten bei der obersten Dienstbehörde. Deren Befugnisse werden im Bereich der Deutschen Post AG vom Vorstand wahrgenommen, der durch das Personalvorstandsmitglied (Arbeitsdirektor) handelt (§ 1 Abs. 2 und 7 PostPersRG). Dieser hat von der Übertragungsmöglichkeit der Zuständigkeit zur Klageerhebung auf eine nachgeordnete Stelle nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG Gebrauch gemacht und diese für Beamte der Besoldungsgruppe A1 bis A13 auf die Leiter der selbständigen Niederlassungen übertragen (vgl. Abschnitt II der Anordnung zur Übertragung disziplinarrechtlicher Befugnisse im Bereich der Deutschen Post AG vom 13. November 2001, BGBl I S. 3355, geändert durch Anordnung vom 29. Januar 2002, BGBl I S. 678, i.V.m. Abschnitt I Nr. 2 der Anordnung zur Übertragung dienstrechtlicher Zuständigkeiten für den Bereich der Deutschen Post AG vom 24. Juni 1999, BGBl I, 1583).

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Der danach zuständige Leiter der Niederlassung BRIEF B-Stadt, Herr ..., hat auch die Disziplinarklage unterzeichnet und eingereicht. Zwar sind bei einem Vergleich seiner Unterschriften einerseits unter der Einleitungsverfügung und andererseits unter der rund vier Jahre später unterzeichneten Disziplinarklageschrift diese nicht völlig identisch. Dies wäre aber auch mehr als ungewöhnlich, da Unterschriften sich nie absolut gleichen. Das vom Beklagten behauptete unterschiedliche Schriftbild vermag der Senat nicht zu erkennen. Dass die Unterschrift des Herrn ... vom 16. Mai 2011 wiederum – und zwar deutlich – von den beiden anderen Unterschriften abweicht, beruht darauf, dass es sich hierbei um die lediglich mit Paraphe unterzeichnete Verfügung für das Schreiben an den Betriebsrat handelt.

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Auch im Übrigen entspricht die Klageschrift den Vorgaben des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG. Sie enthält eine geordnete Darstellung des persönlichen und beruflichen Werdegangs des Beamten, des bisherigen Gangs des Disziplinarverfahrens, der Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und der anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind. Mit der Bezeichnung der Beweiswürdigung durch die Klägerin als polemische Verfälschung des Sachverhaltes zeigt der Beklagte keinen wesentlichen Mangel der Klageschrift auf.

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b) Aufgrund der Vernehmung der Zeugen ..., ... und ..., der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel, insbesondere des im Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens und der Erläuterungen des Sachverständigen Dr. ... sowie der Einlassungen des Beamten, soweit ihnen gefolgt werden kann, geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus:

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Nachdem im Dezember 2006 im Zustellbezirk des Beklagten vermehrt Unregelmäßigkeiten in der Zustellung (Verlustmeldungen) auftraten, ergab eine interne Überprüfung der Einsatzpläne, dass in auffällig vielen Fällen der Beklagte der jeweils zuständige Postzusteller war. Aus diesem Grund fertigten die Zeugen ... und ... zwei sogenannte Fangbriefe. Sie waren äußerlich als Glückwunschbriefe verschiedener Absender zu erkennen und an „Timo ..., Hasenbank 32 in ...“ adressiert; weder gab es den Adressaten noch die Adresse. In die verschlossenen Umschläge legten die beiden Zeugen beschriftete Glückwunschkarten sowie Geldscheine, und zwar in der Stückelung von zweimal 50,-- € sowie von einmal 50,--, zweimal 20,-- und einmal 5,-- € (insgesamt 195 €). Die Geldscheine waren von ihnen jeweils mit Vaseline bestrichen und sodann mit einem von der Post verwendeten speziellen (patentierten) Fangpulver versehen worden.

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Diese Fangbriefe wurden vom Zeugen ... am Morgen des 29. Januar 2007 im Briefzentrum ... in den Direktbehälter für den Beklagten eingelegt. Der Beklagte nahm diese beiden Briefe im Zustellstützpunkt ... aus seinem Direktbehälter und sonderte sie nicht wie vorgeschrieben als unzustellbar aus, sondern nahm sie an sich, öffnete sie und steckte die in ihnen enthaltenen Geldscheine, um sie für sich zu behalten, zunächst in die linke Hosentasche seiner Diensthose. Gegen Dienstschluss hatte er die Geldscheine nicht mehr bei sich.

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Der Beklagte selbst hat bestritten, die beiden Fangsendungen an sich genommen zu haben; diese seien vielmehr gar nicht in seinen Besitz gelangt. Sie hätten von jedem im Zustellstützpunkt an sich genommen werden können. Es sei auch nicht jeder im Zustellstützpunkt kontrolliert worden. Es bestünde ein angespanntes Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn, so dass er eine Intrige gegen ihn vermute, mit der ihm die Unterschlagung der beiden Briefsendungen habe untergeschoben werden sollen.

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Es steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte die benannten Fangsendungen an sich genommen hat, um diese für sich zu verwenden. Der Senat folgt den glaubhaften und nachvollziehbaren Aussagen der drei Zeugen. Sie stimmen mit dem Inhalt der Disziplinarakte und der beigezogenen Strafakte überein, insbesondere dem seinerzeit am Folgetag, dem 30. Januar 2007 gefertigten Vermerk der Zeugen ... und ..., den Aussagen der Zeugen ... (vom 5. März 2007) und ... (vom 19. März 2007) vor der Polizei sowie den Aussagen der drei Zeugen in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht am 23. August und am 6. September 2007. Die Zeugen haben in der mündlichen Verhandlung die genannten früheren Äußerungen im Wesentlichen sachlich, widerspruchsfrei und in zurückhaltender Form wiederholt; das Kerngeschehen haben sie - soweit sie es haben wahrnehmen können - immer wieder gleich geschildert. Einzelne Details zum Randgeschehen, etwa ob auf dem auf dem Betriebsgelände an der Seite oder auf dem ...-Parkplatz geparkt wurde, haben sie infolge des längeren Zeitablaufs nicht mehr genau erinnern können. Derartige „Erinnerungslücken“ zeigen, dass sie ihre Aussagen nicht abgesprochen haben und sprechen nicht gegen, sondern im Gegenteil für ihre Glaubwürdigkeit. Sofern sie bestimmte Details noch genau erinnert haben, etwa wo sich am Beklagten die Fangmittelspuren beim Ableuchten zeigten, haben sie dies nachvollziehbar erläutert. Eine Belastungstendenz hat der Senat nicht feststellen können. Ebenso fehlen Anhaltspunkte für die vom Beklagten im Strafverfahren vermutete Intrige. Vielmehr war die Fangbriefeinschleusung allein durch die vom Zeugen ... festgestellte ungewöhnlich hohe Anzahl an Verlustmeldungen im Zustellbezirk des Beklagten veranlasst. Dies haben die Zeugen ... und ... glaubhaft bekundet und deckt sich auch mit den in der Disziplinarakte enthaltenen internen Verlustauswertungen.

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Aufgrund dieser Verlustmeldungen fertigten die Zeugen ... und ..., der das erste Mal bei einer solchen Aktion dabei war, die beiden Briefe mit den präparierten Geldscheinen. Der Zeuge ... überprüfte zum Schluss, ob die beiden Briefe so verschlossen waren, dass das Fangmittelpulver nicht ungewollt aus den Briefen austreten konnte. Am nächsten Morgen legte der Zeuge ... die beiden Fangbriefe im Briefzentrum ... in den Direktbehälter für den Beklagten und verfolgte dessen Beladung und Transport bis in den Zustellstützpunkt ..., indem er mit seinem Auto dem Postauto nachfuhr.

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Die Zeugen ..., ... und ... haben glaubhaft (und übereinstimmend) versichert, dass die Fangsendungen im Laufe des Tages und nach Abschluss der Tätigkeit des Beklagten sich nicht in den Behältnissen für Fehlsendungen aufgefunden haben. Dies deckt sich mit der Einlassung des Beklagten, der nicht angibt, die Sendungen zurück in die Behältnisse für Fehlsendungen gelegt zu haben, sondern diese gar nicht erst in seinen Besitz übernommen zu haben. Allerdings trifft es zu, dass der Beklagte von den Zeugen nicht ununterbrochen beobachtet worden war und Dritte im Zustellstützpunkt vielfach die Möglichkeit hatten, die Fangbriefe an sich zu nehmen:

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Die drei Zeugen trafen sich vor dem Zustellstützpunkt. Um nicht vorzeitig bemerkt zu werden, hielten sie sich zunächst im Auto auf dem Parkplatz auf. Erst nachdem die Zusteller den Zustellstützpunkt verlassen hatten, um die am Morgen aus dem Briefzentrum ... angelieferten Postsendungen zuzustellen, kontrollierten die drei Zeugen im Zustellstützpunkt den Arbeitsplatz des Beklagten (Sortierspind) und die Behälter für nicht zustellbare Sendungen. Da es die auf den Umschlägen angegebene Anschrift nicht gab, hätte der Beklagte diese beiden Briefumschläge aussondern und in ein Fach oder in den Behälter für nicht zustellbare Sendungen legen müssen. Dort konnten die Zeugen die beiden Briefe jedoch nicht finden. Anschließend fuhren sie dem Beklagten auf dessen Zustelltour hinterher, wo sie versuchten, ihn – punktuell - im Auge zu behalten. Dabei kontrollierten sie den Briefkasten der Adresse Hasen... 32 besonders, dort war aber der Brief auch nicht zu finden. Da es für sie ohnehin nicht möglich war, den Beklagten während seiner gesamten Zustelltour im Blick zu behalten, ohne vorzeitig entdeckt zu werden, brachen sie die Observation ab und platzierten sich wieder im Auto auf dem Parkplatz beim Zustellstützpunkt ... . Dort warteten sie, bis die Zusteller wieder im Zustellstützpunkt eintrafen. Zu dem Zeitpunkt hielten sie es immer noch für möglich, dass der Beklagte die beiden Briefe von seiner Tour zurück gebracht hätte und nunmehr als unzustellbar zurücklegen würde. Als der Beklagte den Zustellstützpunkt wieder verließ, sprach ihn der Zeuge ... an. Was er genau zum Beklagten gesagt hatte, hat sich nicht mehr aufklären lassen. Der Beklagte, der einen Stoffbeutel und einen Fahrradhelm bei sich trug, ging zügigen Schrittes weiter und erwiderte nur, dass er Einkaufen wolle. Die Zeugen gingen in den Zustellstützpunkt und durchsuchten erneut – vergebens - die Direktbehälter für Fehlsendungen und den Sortierspind des Beklagten. Als der Beklagte vom Einkauf zurückkam, wurde er von den Zeugen mit dem Vorwurf konfrontiert, die Fangsendungen an sich genommen zu haben, was er bestritt. Beim Ableuchten des Beklagten mit der Schwarzlichtlampe wurden Spuren des Fangpulvers sichtbar, und zwar im Bereich des rechten Daumens und der Nagelbetten, an der linken, auf dem Hosenbein angebrachten Hosentasche und auf dem Schnürsenkel sowie - in erheblicher Menge - in der Innenseite der Hosentasche. Geldbörse und Leinenbeutel enthielten keine Spuren. Auch im - im Beisein der mittlerweile gerufenen Polizeibeamten durchsuchten - Kleiderspind des Beklagten war nichts zu finden. Einige der anwesenden Kollegen wurden ebenfalls durchsucht, ohne dass an ihnen Leuchtmittelspuren gefunden worden sind.

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Die Zeugen fanden auf der Herrentoilette in einer der beiden Toilettenkabinen am Spülkasten, am Toilettendeckel, im Toilettenbecken und auf dem Boden neben der Toilette Leuchtmittelspuren. Da die Reinigungskraft zwischenzeitlich die Toiletten gereinigt hatte und zudem die Spuren nur fotografisch gesichert worden sind, lässt sich zwar nicht ausschließen, dass die Spuren von Reinigungsmitteln herrühren, so das gemäß § 3 BDG, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 98 VwGO iVm § 411a ZPO herangezogene Sachverständigengutachten und der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung. Dies erklärt aber nicht, warum in der anderen Toilettenkabine keine solchen Spuren zu finden waren. Letztlich kann der Senat diese Frage jedoch offen lassen, da feststeht, dass der Beklagte die Briefsendungen geöffnet und die präparierten Geldscheine an sich genommen hat. Dies ergibt sich neben den bereits wiedergegebenen Bekundungen der Zeugen insbesondere aus dem Sachverständigengutachten und den Erläuterungen des Sachverständigen sowie der (unter Schwarzlicht) in Augenschein genommenen Diensthose des Beklagten einschließlich der Fotografien derselben.

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Wie bereits dargestellt, haben die Zeugen ..., ... und ... ausgesagt, am Tattag, nachdem der Beklagte vom Einkaufen zurückkam, beim Ableuchten an ihm an mehreren Stellen Spuren des Fangpulvers gefunden zu haben. Die beschriebenen Spuren an der Hand waren für sie ungewöhnlich. Auffällig war für die Zeugen insbesondere, dass sich in der Innenseite der Hosentasche, die auf dem linken Hosenbein von außen auf die Diensthose des Angeklagten aufgebracht war, erhebliche Ansammlungen des Fangpulvers befanden. Die Hose ist - dies hat auch der Beklagte bestätigt - von der Polizei beschlagnahmt worden. Sie ist von Sachverständigen sowohl im Disziplinarverfahren als auch im Strafverfahren untersucht worden. Der Senat hat die dem Sachverständigengutachten beigefügten Fotografien der Hose in Augenschein genommen sowie sich die Leuchtstoffpulverspuren auf der Hose unter Schwarzlicht angesehen und ebenfalls erkennen können, dass in der Innenseite der Hosentasche erhebliche Mengen an Leuchtpulver mit den für das von der Post verwendete Material charakteristischen grünen und roten Leuchtkristallen sichtbar sind, an der Spur an der Außenseite (direkt über der Tasche) weniger. Nach dem im Strafverfahren eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten (Behördengutachten isv § 256 StPO) des Dr. ... und den Erläuterungen des Sachverständigen Dr. ... in der mündlichen Verhandlung, haben die an der Hose aufgefundenen Spuren das typische Muster und die typische Zusammensetzung, die für das patentierte Fangpulver bei der Post charakteristisch ist. Es besteht aus zwei verschiedenen Materialien, welche unter Schwarzlicht rot bzw. grün aufleuchten und die einzelnen Kristalle weisen charakteristische Formen auf. Ebenso wie im schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das Bild der Spuren an der Hose nur von dem Fangpulver der Post herrühren kann. Aufgrund der großen Menge des Fangmittels in der Hosentasche ist eine Sekundärübertragung ausgeschlossen; diese ist von der Menge her nur denkbar bei der äußeren Spur auf der Hose. Anderweitig, als durch unmittelbaren Kontakt mit den präparierten Geldscheinen, so der Sachverständige ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung, kann man sich diese Spuren in der Hosentasche nicht einfangen.

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Der Senat hat keine Zweifel daran, dass es sich bei den Spuren an der Hose um das Fangpulver handelt, welches auf die Geldscheine in den Fangbriefe eingebracht worden war. Der Beklagte selbst hat keine Erklärung dafür angeboten, wie das Pulver in seine linke Hosentasche, an seine Hose und an seine Finger gelangt sein könnte. Zwar fanden sich an den Fingern des Beklagten nur noch wenig Pulverspuren. Der Sachverständige hat hierzu erläutert, dass das Leuchtpulver der Post mit einfachem Händewaschen entfernt werden kann, was zu den aufgefundenen Spuren in den Nagelbetten passt. Die auf der Vorderseite des linken Hosenbeins aufgenähte Hosentasche ist mit einem Klettverschluss verschlossen, so dass das Gericht es für ausgeschlossen hält, dass vor der Ansprache durch die Zeugen ..., ... und ... jemand anderes - vom Beklagten unbemerkt - Fangpulverspuren in die Tasche seiner Hose eingebracht haben könnte. Zweifel an der Überzeugung des Gerichts, dass die Fangpulverspuren nur durch das Einbringen der Geldscheine durch den Beklagten selbst in die Hosentasche gelangt seien können, ergeben sich auch nicht aus der Mutmaßung des Angeklagten, es könne ihm lediglich eine Falle gestellt worden sein. Wie dies geschehen sein soll, verschließt sich der Vorstellung des Gerichts und ist auch vom Beklagten nicht erläutert worden.

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Dasselbe gilt hinsichtlich der Ausführungen des Verwaltungsgerichts, es gebe für das Auffinden des Leuchtpulvers in der linken Hosentasche „vielfältige Erklärungsversuche“. Die Hose war entweder im Kleiderspind des Beklagten eingeschlossen oder - und so soll es nach seiner Erinnerung am Tattag gewesen sein - er hatte sie bereits auf dem Weg zum Dienst an. Der Senat kann sich keine einzige Erklärung dafür vorstellen und ihm ist auch keine dafür genannt worden, wie jemand, während der Beklagte die Hose trug, unbemerkt in die durch Klettverschluss verschlossene auf der Vorderseite befindliche Hosentasche, Leuchtpulver eingebracht haben soll. Der weitere Hinweis des Verwaltungsgerichts, die Spuren ließen eher auf einen Linkshänder denn auf einen Rechtshänder schließen, sind bereits aufgrund der Auskunft des Beklagten, dass dieser seine Geldbörse üblicherweise in der aufgenähten linken Hosentasche trug, nicht verständlich. Soweit das Verwaltungsgericht schließlich meint, der Beklagte hätte nach der allgemeinen Lebenserfahrung als Rechtshänder an der rechten Hand Spuren aufweisen müssen, war dieses auch der Fall. Dass es sich hierbei nicht um Fangpulverspuren in großer Menge gehandelt hatte, erklärt sich ohne weiteres aufgrund der Auskunft des Sachverständigen, dass sich das Pulver bereits mit einfachem Händewaschen entfernen lässt.

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Der Umstand, dass nicht der gesamte Zustellstützpunkt bzw. alle Arbeitsplätze und alle weiteren Mitarbeiter, die sich zum Tattag in dem Zustellstützpunkt befunden haben, mit der Schwarzlichtlampe kontrolliert worden sind, spricht nicht gegen die Überzeugung des Gerichts, dass der Beklagte die Fangsendungen an sich genommen hat. Die Möglichkeit für andere Personen auf dem Zustellstützpunkt, auf den Direktbehälter des Beklagten im Zustellstützpunkt zuzugreifen, kann der Senat zwar nicht ausschließen. Ein Zugriff Dritter auf die Fangsendungen würde aber keine Erklärung für das Auffinden der Fangpulverspuren in der Hosentasche des Beklagten bieten.

49

Dass schließlich die Briefe oder zumindest die präparierten Geldscheine nicht aufgefunden werden konnten, weckt ebenfalls keine Zweifel beim Gericht daran, dass der Beklagte die Fangsendungen an sich genommen hat. Der Beklagte hatte zur Überzeugung des Gerichts durchaus die Möglichkeit gehabt, sich der Fangbriefe zu entledigen, und zwar auf seiner Zustelltour, im Zustellstützpunkt oder auch nach dem Verlassen des Zustellstützpunktes zum Einkaufen. Zu derartigen Vorsichtsmaßnahmen hatte er, nachdem er das Geld aus den Briefen an sich genommen hatte, spätestens aufgrund der der Ansprache durch den Zeugen ... auch allen Anlass. Dass sich an seiner Geldbörse keine Leuchtpulverspuren befanden, dürfte darauf beruhen, dass er die Scheine unmittelbar in die Hosentasche gesteckt hat - wie ausgeführt rühren die Spuren vom direkten Kontakt der Hosentasche mit den Geldscheinen her -, diese also mit seiner Geldbörse gar nicht in Kontakt gekommen waren.

50

c) Durch die festgestellten eigennützigen Briefunterdrückungen und die Entnahme der in ihnen enthaltenen Geldscheine im Wert von insgesamt 195 Euro hat der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig und damit schuldhaft die Pflicht eines jeden Postbeamten, die Unversehrtheit von Postsendungen und deren Übermittlung zu garantieren, verletzt. Durch diese Verletzung seiner Dienstpflichten aus § 54 Satz 2 und 3, 1. Alt. (uneigennützige Dienstführung, achtungs- und vertrauensgerechtes Verhalten) und § 55 Satz 2 (Folgepflicht) BBG aF hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG aF, wortgleich mit § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG nF). § 61 Abs. 1, Satz 2 und 3, 1. Alt. sowie § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG nF sind nicht maßgeblich, weil die Vorschriften mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die geschlechtergerechte Sprache mit den genannten Vorgängerregelung übereinstimmen und damit für den Beklagten keine günstigere Rechtslage geschaffen haben, auf die er sich nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB im Disziplinarverfahren berufen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - G. 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 = juris, jeweils Rn. 33).

51

d) Das Dienstvergehen erfordert seiner Art und Schwere nach die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

52

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung zu bestimmen. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Das Kriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (stRspr. des BVerwG, grundlegend: Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 ff. = juris; Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - G. 235.1 § 13 BDG Nr. 3 = juris, jeweils Rn. 11 ff.; zuletzt Urteile vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - juris Rn. 39 ff. und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 ff = juris jeweils Rn. 13 ff. ).

53

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Das bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 14 mwN).

54

Für die Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter oder dienstlich zugänglicher Gelder und Güter, ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit, die derzeit bei 50 Euro liegt, deutlich übersteigen (zuletzt BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 15 f. mwN). Zu dieser Fallgruppe zählt auch die sogenannte Briefberaubung.

55

Ein Postbeamter, der eine ihm dienstlich zugängliche Postsendung in der Absicht öffnet, den vorgefundenen Inhalt für sich zu behalten, erschüttert regelmäßig das Vertrauensverhältnis derart nachhaltig, dass er nicht im Dienst belassen werden kann. Die Post ist in hohem Maße auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten im Umgang mit Beförderungsgut angewiesen, weil eine lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters nicht möglich ist. Wer sich als Beamter über diese aus leicht erkennbarer Notwendigkeit begründete Pflicht zur Vertrauenswürdigkeit unter Missbrauch seiner Dienstbefugnisse hinwegsetzt, beweist im Kernbereich seiner Pflichten ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit und Vertrauensunwürdigkeit, dass er grundsätzlich mit der einseitigen Auflösung des Dienstverhältnisses rechnen muss (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. April 2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 18, vom 22. Oktober 2001 - 1 D 6.02 - juris Rn. 31 mwN).

56

Unerheblich ist, dass es sich bei den beiden vom Beklagten geöffneten Briefen nicht um Sendungen im normalen Postlauf, sondern um sogenannte Fangsendungen gehandelt hat, die vom Betriebssicherungsdienst in den Postlauf eingeschleust worden sind. Derartige Briefe genießen grundsätzlich denselben Schutz gegenüber unberechtigten Zugriffen wie „normale“ Postsendungen, die der Übermittlung von Gegenständen oder Nachrichten zwischen Absender und Empfänger dienen und der Post zur Beförderung anvertraut sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. April 1981 - 1 D 23.90 - juris Rn. 17 und vom 15. September 1998 - 1 D 90.97 - juris Rn. 12).

57

Danach ist für die festgestellten Briefberaubungen, bei der sich der Beklagte insgesamt 195 Euro angeeignet hat, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach § 10 BDG Richtschnur für die Maßnahmebemessung.

58

Diese Indizwirkung entfällt jedoch, wenn sich im Einzelfall aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beamten Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis noch nicht endgültig zerstört. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Beamten ein anerkannter Milderungsgrund zugute kommt oder sonstige mildernde Umstände von insgesamt vergleichbarem Gewicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 18 mwN, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - juris Rn. 21). Der Senat vermochte mildernde Umstände von derart erheblichem Gewicht, die trotz der Schwere des Dienstvergehens ein Verbleiben des Beklagten im Beamtenverhältnis rechtfertigen könnten, nicht festzustellen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass der Beklagte nicht nur einmal, sondern gleich zweimal - wenn auch am selben Tag - unerlaubt Briefe an sich genommen, geöffnet und sich deren Inhalt, der jeweils deutlich oberhalb der Geringwertigkeitsgrenze lag, angeeignet hat.

59

Der Beklagte hat selbst keine Umstände geschildert, die sein Verhalten nachvollziehbar machen und in einem insgesamt milderen Licht erscheinen lassen könnten. Solche Umstände sind aber auch ansonsten nicht ersichtlich. Die familiären und die finanziellen Verhältnisse des Beklagten sind geordnet. Er ist nicht straf- oder disziplinarisch vorbelastet, seine dienstlichen Leistungen entsprachen voll den Anforderungen. All dies sind jedoch Umstände, die von einem Beamten erwartet werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012, - 2 A 11.10 - juris Rn. 82). Erkrankungen, insbesondere psychischer Art bereits zum Tatzeitpunkt oder zum jetzigen Zeitpunkt sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Ausweislich eines im Strafverfahren vorgelegten Attestes seines Neurologen vom 24. April 2009 war der Beklagte dort seit Oktober 2007 wegen einer depressive Reaktion in Behandlung, die sich im Rahmen eines Arbeitsplatzkonfliktes entwickelt und aufgrund des Todes seines Vaters im Mai 2008 verstärkt habe. Die seinerzeit deshalb im Strafverfahren vorgebrachten Zweifel an seiner Verhandlungsfähigkeit konnte der Amtsarzt (Kurzgutachten vom 22. Mai 2009) nicht bestätigen.

60

Der Beklagte hat zwar im Strafverfahren vorgetragen, es bestünde ein angespanntes Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn, dies wertet der Senat jedoch als bloße Schutzbehauptung. Zum Einen steht die Behauptung im Zusammenhang mit bzw. dient als Begründung der vom Beklagten behaupteten Intrige, dass ihm sein Dienstherr die Fangsendungen habe unterschieben wollen. Für eine derartige Intrige konnte der Senat keine Anhaltspunkte finden. Zum Anderen begründet er die Behauptung näher damit, dass er nach Echtzeit zu zahlen sei, was für seinen Dienstherrn ungünstiger sei, als wenn er wie seine Kollegen für die Touren pauschal vergütet werden würde. Beamte erhalten aber kein Gehalt (Stundenlohn) oder gar eine pauschale Vergütung für erbrachte Leistungen (je Zustelltour?), sondern werden alimentiert, so dass eine Änderung seiner „Entlohnung“ schon vom Ansatz her nicht möglich wäre. Zudem ist nach Auskunft der Klägerin für die Zusteller die Echtzeiterfassung frei wählbar und diese haben nur dann darauf verzichtet worden, wenn sie mit ihrem Zustellbezirk schneller als mit der vorgegebenen Bemessungszeit fertig werden. Auch aus diesen Gründen ist nicht ersichtlich, weshalb das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn „angespannt“ sein soll.

61

Seit dem Dienstvergehen sind nunmehr sieben Jahre vergangen. Indes kann dann, wenn - wie hier - die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens ergibt, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, nicht davon abgesehen werden, nur weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer überlangenVerfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen aus, dass ein Beamter weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn auftreten kann, obwohl er durch ein gravierendes Fehlverhalten untragbar geworden ist. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen (zum Ganzen vgl. BVerwG, stRspr, vgl. insbesondere Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 – BVerwGE 146, 98 = juris jeweils LS 4 und Rn. 53 ff, zuletzt Beschluss vom 10. Oktober 2014 - 2 B 66.14 - juris Rn. 5 ff., beide Entscheidungen auch mit Nachweisen zur Rspr. des BVerfG).

62

Die gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verstoßende unangemessen lange Dauer eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens kann nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen A. nicht zusteht. Daher kann der Verstoß für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle A. dies vorschreibt oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der entscheidungserheblichen materiell-rechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze zu ermitteln. Bei dieser Auslegung ist das Gebot der konventionskonformen Auslegung im Rahmen des methodisch Vertretbaren zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 50).

63

Dementsprechend hat der Gesetzgeber die Verfahrensbeteiligten wegen der unangemessen langen Verfahrensdauer auf Entschädigungsansprüche nach Maßgabe der §§ 198 ff. GVG in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I, 2302) verwiesen. Diese Vorschriften finden auch für gerichtliche Disziplinarverfahren Anwendung (§ 173 Satz 2 VwGO, § 3 BDG, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 51).

64

Die Kostenentscheidung folgt aus und § 77 Abs. 1 BDG iVm § 154 Abs. 1 VwGO, der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 3 BDG, § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

65

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 69 BDG, § 132 Abs. 2 VwGO), sind nicht ersichtlich.


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