Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 A 194/18

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im zweitinstanzlichen Verfahren wird abgelehnt.

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28. Mai 2018 – 3 K 1060/17 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens tragen die Kläger.

Gründe

I.

Die Kläger sind verheiratet, armenische Staatsangehörige, reisten im Dezember 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag, wobei sie sich als syrische Staatsangehörige mit christlicher Religionszugehörigkeit ausgaben. Nachdem eine Sprach- und Textanalyse ergeben hatte, dass die Kläger keinesfalls aus Syrien, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber aus Armenien stammen, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge als offensichtlich unbegründet ab, verneinte das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote, forderte die Kläger zur Ausreise auf und drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung nach Armenien an.(vgl. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.12.2013 – 5599013-422 –) Rechtsbehelfe dagegen blieben erfolglos.(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 21.1.2014 – 3 L 36/14 – sowie Urteil vom 13.3.2014 – 3 K 35/14 –)

Eine im März 2015 geplante Rückführung der Kläger nach Armenien scheiterte am Gesundheitszustand der hyperventilierenden Klägerin.

Noch im selben Monat beantragten die Kläger unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen und Verweis auf unzureichende Behandlungsmöglichkeiten im Heimatstaat ein Wiederaufgreifen des Verfahrens mit dem Ziel der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote. Nach Einholung von ärztlichen Stellungnahmen zur Reisefähigkeit der Kläger lehnte das Bundesamt diesen Antrag im Juni 2017 unter Verweis auf das Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ab.(vgl. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13.6.2017 – 5971805-422 –) In der Begründung heißt es weiter, auch sonstige Gründe rechtfertigten ein Wiederaufgreifen nicht. Hinsichtlich des Klägers sei die konkrete Gefahr einer erheblichen Gesundheitsverschlechterung bei Rückkehr nach Armenien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Klägerin habe auch im Heimatland Zugang zu einer von ihr benötigten medizinischen Versorgung.

Dagegen haben die Kläger im Juni 2017 erneut Klage erhoben. Sie machten geltend, „Übergriffe und Verfehlungen“ im Heimatland hätten bei ihnen nicht nur zu schweren Depressionen, sondern auch zu erheblichen Folgeschäden geführt. Insoweit haben die Kläger auf von ihnen vorgelegte ärztliche Stellungnahmen verwiesen.

Im Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid der Beklagten abgewiesen und ergänzend ausgeführt, die Erkrankungen der Kläger, insbesondere eine Brustkrebserkrankung der Klägerin, seien zwar schwerwiegend, aber ohne weitere Befunde während ihres Aufenthalts in Deutschland behandelt worden. Was ihre seelische Erkrankung angehe, befinde sie sich ausweislich einer Stellungnahme des behandelten Arztes seit nunmehr knapp zwei Jahren in Behandlung, wobei im therapeutischen Verlauf keine anhaltende kontinuierliche Stabilisierung eingetreten sei. Trotz intensiver psychotherapeutischer Maßnahmen (Einzeltherapie) lasse sich an dem erheblich manifestierten depressiv-phobischen Zustand kaum eine Veränderung bemerken. Im Gegenteil seien eine Tendenzentwicklung und eine andauernde Persönlichkeitsänderung zu beobachten. Insofern liege eine auch nach den Maßstäben des deutschen Gesundheitssystems nicht weiter behandelbare seelische Erkrankung vor. Eine wesentliche Verschlimmerung bei einer Rückkehr nach Armenien sei zwar nicht auszuschließen, würde aber eine krankheitsbedingte Folge darstellen, die auch bei einer Weiterbehandlung im Bundesgebiet eintreten könnte. Bezüglich des Klägers ergebe sich in Bezug auf eine Operation nach einem Oberschenkelhalsbruch aus der vorgelegten Stellungnahme des behandelnden Arztes vom Oktober 2017 keinerlei Hinweis für eine weitere Behandlungsbedürftigkeit. Dies decke sich mit der Diagnose des polizeiärztlichen Gutachtens vom Januar 2017. Wünsche der Kläger auf eine bessere medizinische Behandlung seien menschlich nachvollziehbar, mit Blick auf ein Vorliegen von Abschiebungsverboten vor dem Hintergrund auch in Armenien generell bestehender Behandlungsmöglichkeiten aber ohne rechtlichen Belang. Der Abschiebungsschutz nach dem deutschen Aufenthaltsrecht diene im Übrigen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder die Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschriften begründeten keinen Anspruch auf Teilhabe am Fortschritt und Standard der medizinischen Versorgung in Deutschland. Die Kläger müssten sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen.

Die Kläger begehren die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

Die beantragte Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren war abzulehnen. Die Sache bot, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, von Anfang an keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§§ 166 VwGO, 114 Abs. 1 ZPO).

III.

Dem nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AsylG statthaften Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28.5.2018 – 3 K 1060/17 –, mit dem ihre Verpflichtungsklage auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG durch die Beklagte abgewiesen wurde, kann nicht entsprochen werden. Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen der Kläger in der Antragsbegründung (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) rechtfertigt die begehrte Zulassung des Rechtsmittels nicht.

Die ohne ausdrücklichen Verweis auf den § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG geltend gemachten Verfahrensverstöße im erstinstanzlichen Verfahren liegen offensichtlich nicht vor.

Das gilt zunächst, soweit die Kläger eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör vor Gericht reklamieren. Dieser gewährleistet grundsätzlich das Recht, sich in dem Verfahren sowohl zur Rechtslage als auch zum zugrunde liegenden Sachverhalt äußern zu können (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen. Ebenso wenig ist das Gericht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Die Annahme einer Verletzung der Pflicht des Gerichts zur Kenntnisnahme des Beteiligtenvorbringens ist auch nicht schon dann gerechtfertigt, wenn in der angefochtenen Entscheidung auf einen bestimmten Sachvortrag der Beteiligten nicht eingegangen worden ist, da das Gericht nicht verpflichtet ist, sich in den Entscheidungsgründen mit jeder Einzelheit des Vorbringens zu befassen. Es genügt vielmehr die Angabe der Gründe, „die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind“.

Eine Verletzung des Gehörsgebots (Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 108 Abs. 2, 138 Nr. 3 VwGO, 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) kann nur angenommen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches, für die Entscheidung wesentliches Vorbringen eines Beteiligten vom Gericht entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23.11.2018 – 2 A 117/18 –, FA (Beilage zu Fachanwalt Arbeitsrecht) 2019, 24, Leitsatzübersicht/“Spruchpraxis“ für das 2. Halbjahr 2018 auf der Homepage des Gerichts, dort Seite 14, Leitsatz Nr. 9, bei juris) Dies kann im konkreten Fall nicht ansatzweise angenommen werden.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil nach zulässiger Bezugnahme auf die Ausführungen in dem Bescheid des Bundesamts vom 13.6.2017 (§ 77 Abs. 2 AsylG) selbst eine Bewertung der von beiden Klägern im Rahmen ihres Wiederaufgreifensbegehrens geltend gemachten gesundheitlichen Probleme mit Blick auf die tatbestandlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 AufenthG vorgenommen, im Ergebnis einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots einzelfallbezogen verneint und nicht etwa, wie die Kläger behaupten, die Folgen ihrer Erkrankungen „eigenmächtig ausgeschlossen“. Wo hier ein Gehörsverstoß liegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Letzteres gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kläger (erneut) auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO), in deren Rahmen zusätzliche Gelegenheit bestanden hätte, sich zu der Sache und zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs gegenüber dem Gericht zu äußern. Wenn die Kläger nun ganz pauschal geltend machen, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung „aufgrund völlig fehlerhafter Einordnung des Sachverhalts sowie fehlerhaft erteilter Auskünfte“ getroffen, mag zunächst dahinstehen, ob es sich bei dieser Floskel um einen fallunabhängigen „bausteinmäßig“ verwandten Einwand handelt. Dafür spricht auch der „Einwand“, es sei „symptomatisch“ für die Beklagte, dass sie „nicht vor Gericht auftrete“. Wenn sie hier „aufgetreten“ wäre, hätte sie – wie gesagt – die Kläger oder ihren Prozessbevollmächtigten jedenfalls nicht angetroffen, um sich rechtlich über den Fall auszutauschen. Was die Beklagte ansonsten „nicht bestritten“ hat, ist vor dem Hintergrund der für den Verwaltungsprozess geltenden Amtsermittlungspflicht (§ 86 VwGO) auch eher zweitrangig.

Soweit sich die Kläger damit im Ergebnis gegen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils wenden, verkennen sie, dass zum einen bezogen auf den § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG das Prozessrecht auf rechtliches Gehör nicht gewährleistet, dass die angegriffene Entscheidung frei von materiellen Rechtsfehlern ergeht und daher keine Möglichkeit eröffnet, auf diesem Wege eine nach Ansicht des unterlegenen Beteiligten inhaltlich falsche Bewertung seines Sachvorbringens zum Gegenstand einer berufungsgerichtlichen Neubeurteilung zu machen.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 29.10.2018 – 2 A 307/18 – Leitsatzübersicht/“Spruchpraxis“ für das 2. Halbjahr 2018 auf der Homepage des Gerichts, dort Seite 12, Leitsatz Nr. 5, st. Rspr., wonach die Frage, ob die grundsätzlich dem Verwaltungsgericht obliegende rechtliche Würdigung des Sachvortrags eines Asylbewerbers oder einer Asylbewerberin im Einzelfall im Ergebnis richtig ist oder nicht, allein das materielle Recht.) Ob das Gericht dem tatsächlichen Vorbringen die richtige Bedeutung beigemessen und die zutreffenden Folgerungen daraus gezogen hat, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs. Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen.

Soweit die Kläger in einem Konglomerat von Darlegungen auch darauf hinweisen, es sei „entscheidend“, „dass im Rahmen der Zulassung der Berufung die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung“ habe, ist mit Blick auf den thematisch einschlägigen Zulassungstatbestand in dem § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu ergänzen, dass das hier sicher nicht und allgemein nur dann der Fall ist, wenn sie eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.(vgl. zuletzt etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 2.5.2019 – 2 A 184/19 –, m.w.N.) Diese Anforderungen sind hier offensichtlich weder hinsichtlich des Darlegungserfordernisses noch inhaltlich erfüllt. Die Frage, ob speziell die Kläger bei einer Rückführung nach Armenien wegen ihres individuellen Gesundheitszustands in eine den Schutzanspruch nach dem § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG begründende Situation geraten, ist nur einzelfallbezogen zu beurteilen und daher nicht geeignet eine generelle („grundsätzliche“) Klärung im Verständnis des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG in dem Zusammenhang herbeizuführen oder zu befördern. Dies rechtfertigt keine Zulassung des Rechtsmittels wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).(vgl. dazu auch OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 29.3.2018 – 2 A 113/18 –, vom 4.4.2018 – 2 A 123/18 – und vom 5.4.2018 – 2 A 133/18 – (alle Bulgarien), vom 4.4.2018 – 2 A 93/18 und 2 A 95/18 – sowie vom 5.4.2018 – 2 A 128/18 – (alle Rumänien), vom 16.4.2018 – 2 A 59/18 – (Griechenland))

Der Hinweis der Kläger, ihre Erkrankungen rechtfertigten abweichend von der Beurteilung des Verwaltungsgerichts die Annahme einer letztlich noch von der Ausländerbehörde aktuell zu klärenden „Nichtreisefähigkeit“ gibt Anlass, darauf hinzuweisen, dass die im gerichtlichen Asylverfahren geltenden, stark eingeschränkten Zulassungsgründe abschließend der Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG zu entnehmen sind. Die dem § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO zugrundeliegende Frage einer Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt daher im asylrechtlichen Zulassungsverfahren kein Kriterium dar.(Vgl. dazu zuletzt OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 3.6.2019 – 2 A 157/19, 2 A 161/19, 2 A 162/19, 2 A 173/19 und 2 A 179/19 –, alle zu Zulassungsbegehren der Beklagten im Zusammenhang mit Sekundärmigration/Bulgarien)

Soweit die Kläger schließlich Hinweispflichten des Gerichts nach § 139 ZPO ansprechen, bleibt festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht zum einen den Beteiligten nicht vorab mitteilen muss, auf welche Gesichtspunkte es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt,(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.9.2018 – 2 A 729/17 –, Leitsatzübersicht/“Spruchpraxis“ für das 2. Halbjahr 2018 auf der Homepage des Gerichts, dort Seite 57 Leitsatz Nr. 65) und dass sich ihm eine weitere Beweiserhebung nach dem Akteninhalt nicht zwingend aufdrängen musste.

Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, 83b AsylG. Der Gegenstandswert des Verfahrens ergibt sich aus dem § 30 Abs. 1 RVG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

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