Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 189/15

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu IHK-Beiträgen für die Jahre 2009 bis 2013 und begehrt die Erstattung der von ihr bereits geleisteten Beträge.

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Die im Handelsregister des Amtsgerichtes Halle eingetragene Klägerin betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum in der Form einer Kommanditgesellschaft mit einer GmbH als Komplementärin einen Großhandel mit Mineralölerzeugnissen in einer Zweigniederlassung in N-Stadt; Sitz der Firma ist A-Stadt.

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Die Vollversammlung der Beklagten beschloss am 28. November 2007 eine Beitragsordnung, wonach von den Kammerangehörigen Beiträge in Form von Grundbeiträgen und Umlagen erhoben werden. In jährlichen von der Vollversammlung der Beklagten zu erlassenden Wirtschaftssatzungen werden die Grundbeiträge, der Hebesatz der Umlage, das Bemessungsjahr und die Freistellungsgrenze festgesetzt.

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Für die Geschäftsjahre 2009 bis 2013 liegen Wirtschaftssatzungen der Beklagten vor, die sämtlichst für im Handelsregister eingetragene Personengesellschaften - wie damals die Klägerin - einen Grundbeitrag in Höhe von 190,00 € bzw. ab einer Umsatzgröße von über 25 Mill. € einen gestaffelten Grundbeitrag vorsehen, der bei einem Umsatz von über 400 Mill. € maximal 36.000,00 € beträgt.

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Bemessungsjahr für Grundbeitrag und Umlage ist das jeweilige Geschäftsjahr (2009 bis 2013), das dem Kalenderjahr (1. Januar bis 31. Dezember) entspricht.

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Mit Bescheid vom 5. März 2013 setzte die Beklagte den Grundbeitrag für die Jahre 2013 vorläufig (v) und 2012 endgültig (e) auf jeweils 36.000,00 € fest und wies für das Rechnungsjahr 2012 einen bereits bezahlten Betrag in Höhe von 190,00 € aus. Bemessungsgrundlage war der von der Klägerin mit Schreiben vom 28. Februar 2013 mitgeteilte Nettoumsatz in Höhe von 504.414.097,76 € im Jahre 2012. Die Umlage wurde für das Jahr 2013 (v) auf 1.327,84 € und für das Jahr 2012 (v) auf 1.356,49 € festgesetzt sowie ein in 2012 bereits bezahlter Betrag in Höhe von 1.356,49 € ausgewiesen. Die Beklagte forderte die Klägerin hiernach zur Zahlung eines Beitrages in Höhe von insgesamt 73.137,84 € auf.

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Gegen den Bescheid vom 5. März 2013 hat die Klägerin am 2. April 2013 beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben. Am 23. Dezember 2013 hat die Klägerin den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2013 in das Klageverfahren mit einbezogen.

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Dieser setzt den Grundbeitrag jeweils vorläufig (v) für das Rechnungsjahr 2009 auf 13.500,00 €, für 2010 auf 27.000,00 € und für 2011 auf 36.000,00 € fest, weist für jedes der Jahre einen Betrag von 190,00 € als bereits bezahlt aus und geht für das
Jahr 2011 als Berechnungsgrundlage von 400.000.001,00 € im Jahre 2011, für das Jahr 2010 von 300.000.001,00 € im Jahre 2010 und für das Jahr 2009 von 150.000.001,00 € im Jahre 2009 aus. Die Umlage wurde jeweils endgültig (e) für das Rechnungsjahr 2011 in Höhe von 1.327,84 €, für 2010 in Höhe von 1.356,49 € und für 2009 in Höhe von 2.174,58 € festgesetzt. Sämtliche (Umlage-)Beträge wurden als bereits bezahlt ausgewiesen. Insgesamt wurde die Klägerin zur Zahlung eines Beitrages in Höhe von 75.930,00 € aufgefordert.

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Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Beitragsbescheide der Beklagten vom 5. März 2013 und 27. November 2013 seien rechtswidrig, weil sie aufgrund von Wirtschaftssatzungen der Beklagten ergangen seien, die gegen höherrangiges Recht verstießen und deshalb unwirksam seien. Die in den Wirtschaftssatzungen der Jahre 2009 bis 2013 jeweils gleichlautend enthaltene Staffelungsregelung für den Grundbeitrag verstoße gegen § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG, das Äquivalenzprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz.

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Der Grundbeitrag sei ein Sockelbetrag, während die Umlagen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben würden und ein Vielfaches des Grundbeitrages ausmachen könnten. Die an den Umsatz anknüpfende Staffelungsregelung für den Grundbeitrag führe dazu, dass der Grundbeitrag bei allen Handelsunternehmen ein Vielfaches der Umlage betrage; dies widerspreche dem sich aus § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG ergebenden Verhältnis von Grundbeitrag als Sockelbetrag zur Umlage.

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Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip liege vor, weil die Höhe des Grundbeitrages von 36.000,00 € pro Jahr nicht durch die Vorteile der Kammertätigkeit aufgewogen werde. Die Wirtschaftssatzungen der Beklagten orientierten sich bei der Bemessung des Grundbeitrages nicht an einem zwingenden Indiz für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Ein hoher Umsatz führe nicht zwangsläufig zu einem hohen Gewinn/Gewerbeertrag. Sie habe als Handelsunternehmen im Energiesektor extrem hohe Aufwendungen, z. B. beim Einkauf der Ware (ohne Wertschöpfungskette) und wegen der Energiesteuern. Aus diesem Grunde habe der Gewinn ihrer Niederlassung N-Stadt nach Abzug von Steuern im Jahre 2010 bei 0,18 % des Jahresbruttoumsatzes, im Jahre 2011 bei 0,12 % des Jahresbruttoumsatzes und im Jahre 2012 bei 0,186 % des Jahresbruttoumsatzes gelegen. Aus der Höhe des Umsatzes könnten daher keine Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens und auf die Vorteile der Kammertätigkeit hergeleitet werden.

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Das Missverhältnis zwischen der Höhe des Beitrags und dem Vorteil der Kammertätigkeit zeige auch ein Vergleich mit der IHK M-Stadt, die vergleichbare Mitgliederzahlen (Beklagte: 53.696 Mitglieder/IHK M-Stadt: 52.241 Mitglieder) und Personalkosten aufweise (Beklagte: 104 Mitarbeiter/6.119.843,00 €; IHK M-Stadt: 103 Mitarbeiter/5.689.000,00 €). Die IHK M-Stadt sehe in ihrer Wirtschaftssatzung lediglich einen maximalen Grundbeitrag von 6.000,00 € bei einem Umsatz über 32,8 Mill. € vor. Die für ihren Hauptsitz zuständige IHK B-Stadt habe für das Jahr 2013 einen Grundbeitrag in Höhe von 125,00 € und nur 0,21 % vom Gewerbeertrag erhoben, was für sie zu einem IHK-Beitrag in Höhe von 1.647,29 € geführt habe.

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Die Staffelungsregelung des Grundbeitrags verstoße zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Umsatz das einzige Bemessungskriterium sei und nicht zwischen produzierendem Gewerbe und Handel unterschieden werde. Bei Handelsunternehmen sei im Gegensatz zum produzierenden Gewerbe immer ein höherer Umsatz und damit ein höherer Grundbeitrag gegeben. Der Handel habe mangels Wertschöpfungskette immer höhere Einkaufskosten. Bei Handelsunternehmen auf dem Energiesektor komme noch die Energiesteuer hinzu. Der Handel ziehe indes aus der Kammertätigkeit keinen größeren Vorteil als das produzierende Gewerbe. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zeige sich auch im Vergleich mit den (Grund)Beiträgen anderer Industrie- und Handelskammern, die deutlich niedriger seien.

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Der im Wege der Klageerweiterung einbezogene Beitragsbescheid der Beklagten vom 27. November 2013 sei zudem rechtswidrig, soweit er für das Rechnungsjahr 2011 den Grundbeitrag vorläufig auf 36.000,00 € festsetze. Denn der Grundbeitrag für 2011 sei durch die Beklagte bereits endgültig mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 27. Februar 2013 festgesetzt worden. Für eine Neufestsetzung fehle der Beklagten die Ermächtigungsgrundlage. Ein Berichtigungsrecht ergebe sich nicht aus § 173 Abs. 1 AO, weil die Beitragsordnung hierauf nicht verweise. Auch erkläre § 3 Abs. 8 Satz 1 IHKG die Abgabeordnung nur hinsichtlich der Verjährungsvorschriften für anwendbar. § 15 Abs. 4 der Beitragsordnung stelle ebenfalls keine geeignete Rechtsgrundlage dar, weil sich nicht - wie dort angeführt - nach Erteilung des Beitragsbescheides die Bemessungsgrundlage für den Grundbeitrag geändert, sondern sich lediglich die Kenntnis der Beklagten über die Umsatzhöhe geändert habe. Der erläuternde Hinweis im Bescheid, wonach die Kennzeichnung "e = endgültig (vorbehaltlich nachträglicher Korrektur durch die Finanzbehörde)" bedeute, rechtfertige den Schluss, dass die Beklagte ihr Berichtigungsrecht nur in diesen Fällen ausüben wolle. Von einer Rücknahme oder einem Widerruf des Beitragsbescheides vom 27. Februar 2013 habe die Beklagte keinen Gebrauch gemacht.

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Der geltend gemachte Erstattungsbetrag rechtfertige sich als Folgenbeseitigung, weil sie Beiträge in der genannten Höhe bereits an die Beklagte bezahlt habe.

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Die Klägerin hat beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 5. März 2013 und 27. November 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die auf die genannten Beitragsbescheide geleisteten Beträge in Höhe von 149.067,84 € zu erstatten.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat vorgetragen, der Umsatz sei ein zulässiges Kriterium zur Staffelung des Grundbeitrages. Sie habe sich bei der Beitragsgestaltung im Rahmen ihres weit gefassten Gestaltungsspielraumes gehalten. Der festgesetzte Grundbeitrag stehe in keinem Missverhältnis zum Kammervorteil. Da sich ihre Tätigkeit aufgrund der Gesamtinteressenvertretung nur mittelbar auf einzelne Mitglieder auswirke, komme es nicht darauf an, ob die Klägerin einen für sie messbaren Vorteil aus der Kammermitgliedschaft ziehe, der die konkrete Beitragshöhe rechtfertige.

21

Es liege infolge der Staffelung des Grundbeitrages auch keine übermäßig hohe Belastung einzelner Kammermitglieder vor. Der Grundbeitrag sei nur ein Bruchteil der Umsatzbeträge. Sie müsse bei der Festsetzung der Grundbeitragshöhe auch nicht jede Besonderheit der jeweiligen wirtschaftlichen Situation des einzelnen Unternehmens berücksichtigen. Dies sei schon wegen der hohen Anzahl der Mitglieder unzumutbar.

22

Eine Ungleichbehandlung der Mitglieder sie nicht feststellbar. Jedes Mitglied werde mit dem gleichen prozentualen Anteil seines Umsatzes in der jeweiligen (Staffelungs-)Stufe zum Grundbeitrag herangezogen. Auf die Höhe des Grundbeitrages bei anderen Industrie- und Handelskammern komme es nicht entscheidungserheblich an. Sie treffe im Rahmen ihrer Selbstverwaltung ihre eigene Entscheidung; zudem mangele es an der Vergleichbarkeit wegen der spezifischen Besonderheiten eines jeden Kammerbezirkes.

23

Zur Änderung des Grundbeitrages für das Jahr 2011 sei folgendes auszuführen: Die Umsatzmeldung der Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 sei am 23. März 2012 bei ihr - der Beklagten - eingegangen. Am nächsten Tag habe eine Mitarbeiterin der Klägerin mitgeteilt, dass der Umsatz für das Jahr 2012 versehentlich falsch angegeben worden sei. Man habe nicht den Umsatz, sondern den Jahresüberschuss angegeben. Auf telefonische Nachfrage ihrerseits habe dieselbe Mitarbeiterin der Klägerin zudem bestätigt, dass derselbe Fehler auch bezüglich der Umsatzmeldung für die Jahre 2009 bis 2011 vorliege. Eine entsprechend korrigierte Umsatzmeldung sei nur für das Jahr 2012 erfolgt. Der Bescheid vom 27. Februar 2013 sei nicht aufgehoben worden, der darin festgesetzte und von der Klägerin gezahlte Grundbeitrag für 2011 (in Höhe von 190,00 €) sei im Bescheid vom 27. November 2013 angerechnet worden. Über die Nachforderung im Bescheid vom 27. November 2013 sei die Klägerin vorab telefonisch informiert worden; sie sei innerhalb des Festsetzungsverjährungszeitraumes erfolgt.

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Mit Urteil vom 13. Oktober 2015 hat das Verwaltungsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dies wie folgt begründet:

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Die streitgegenständlichen Beitragsbescheide seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, weil die Wirtschaftssatzungen der Beklagten für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 mit ihren Staffelungsregelungen für den Grundbeitrag gegen das Äquivalenzprinzip verstießen. Es fehle eine Differenzierung zwischen dem produzierenden Gewerbe und Handelsunternehmen. Bei Handelsunternehmen sei typischerweise das Verhältnis von Umsatz und Gewinn geringer als bei Fertigungsunternehmen. Sei die Umsatzrendite bei einem Betrieb typischerweise deutlich niedriger als bei anderen, könne die Höhe des Umsatzes allein nicht maßgeblich für die Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit für den beitragsrechtlichen Vorteil sein. Der klägerische Mineralölhandelsbetrieb sei ein gewichtiger Ausnahmefall vom Regelfall. Die Wahrnehmung der Beratung und die Dienstleistungen der Beklagten kämen regelmäßig kleineren Betrieben zugute. Es bestehe ein Missverhältnis zwischen der Höhe des Beitrags und dem abzugeltenden Vorteil. Das Bemessungskriterium "Umsatz" gewährleiste vorliegend keine Gleichbehandlung, es sei nicht aussagekräftig in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die hohen Aufwendungen der Klägerin für den Einkauf der Handelsware und die Energiesteuern einerseits und die geringe Umsatzrendite andererseits seien bei der Bemessung des Kammervorteils zu berücksichtigen. Die Klägerin werde wegen der geringen Umsatzrendite gegenüber anderen Mitgliedern übermäßig hoch belastet. Der Vergleich mit der Beitragsgestaltung anderer Industrie- und Handelskammern zeige, dass auch bei Verwendung des Bemessungskriteriums "Umsatz" für den Grundbeitrag deutlich niedrigere Grundbeiträge möglich seien. Der Erstattungsanspruch sei aus Gründen der Rechtsschutzeffektivität schon vor Rechtskraft des Aufhebungsurteiles zuzuerkennen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Berufung im Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Gegen das der Beklagten am 29. Oktober 2015 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle vom 13. Oktober 2015 hat die Beklagte am 9. November 2015 beim Verwaltungsgericht Halle Berufung eingelegt und diese nach beantragter und vom Senatsvorsitzenden gewährter Fristverlängerung bis zum 29. Januar 2016 am 28. Januar 2016 wie folgt begründet:

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Sie habe sich bei der Bemessung des Grundbeitrages im Rahmen ihres Gestaltungsspielraumes, insbesondere ihrer Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis gehalten. Eine Staffelung nach der Höhe des Umsatzes der einzelnen Kammermitglieder sei zulässig. Leistungsstarke Unternehmen würden in der Regel aus der Kammertätigkeit, namentlich durch eine günstige Beeinflussung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, einen höheren Nutzen ziehen, als wirtschaftlich schwächere. Zudem entspreche es sozialen Erwägungen, wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren zu entlasten. Auch Unternehmen, die keinen Gewinn erwirtschaften würden, profitierten solange von der Kammertätigkeit, wie sie sich am Markt behaupten könnten. Deshalb komme dem eigenen Wertschöpfungsanteil des Unternehmens am Gesamtumsatz keine indikative Bedeutung für die Vorteilsbemessung zu.

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Es gebe keine Pflicht zur kammerexternen Gleichbehandlung, weshalb es rechtlich unerheblich sei, wie andere Kammern ihre Beiträge regelten. Der Gleichheitssatz sei vorliegend in seiner Variante als Willkürverbot anzuwenden, weil die Beitragsgestaltung keine personenbezogene Regelungen, sondern nur sachbezogene, an die wirtschaftlichen Ergebnisse einer unternehmerischen Betätigung anknüpfende Regelungen treffe. Willkür sei nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Normgeber unter mehreren möglichen Lösungen nicht die zweckmäßigste oder vernünftigste gewählt habe oder es an dogmatisch überzeugenden oder systematischen Gründen mangele, sondern nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die Regelung überhaupt nicht finden lasse. Die Unsachlichkeit der Differenzierung müsse evident sein.

29

Hinsichtlich des Verhältnisses von Grundbeitrag zur Umlage gebe es keinen Rechtssatz, wonach die Umlage höher sein müsse als der Grundbeitrag; zu berücksichtigen sei die Gesamtbelastung der Beitragspflichtigen. Ein bestimmter Anteil des Grundbeitrages am Gesamthaushaltsvolumen sei ebenfalls nicht vorgegeben.

30

Die unterschiedliche Umsatzrendite von Produktions- und Handelsunternehmen sei kein Indiz dafür, dass der Umsatz als alleiniges Bemessungskriterium zu einem Missverhältnis von Grundbeitrag und Kammervorteil führe. Ebenso gebe es keinen Anhalt dafür, dass die Grundbeitragsbemessung vorliegend eine Obergrenze überschritten habe, wonach der Höhe des maßgeblichen Umsatzes kein zurechenbarer Kammervorteil mehr gegenüber stehe.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle - 2. Kammer - vom 13. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für rechtens. Bei Handelsunternehmen im Energiesektor korrespondiere der Umsatz wegen der geringen Umsatzrendite ab einer bestimmten Höhe nicht mehr mit dem Kammervorteil. Bei diesen Unternehmen könne wegen der extrem hohen Aufwendungen, zum Beispiel für Wareneinkauf und wegen Steuern, aus dem Umsatz kein Rückschluss auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gezogen werden. Wegen des Verhältnisses von Umsatz zu Umsatzrendite bei Handelsunternehmen würden diese gegenüber anderen Mitgliedern übermäßig hoch belastet. Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip liege darin, dass bei Unternehmen mit vergleichbarem Umsatz, aber einem höheren Gewinn, eine deutlich höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestehe und diese einen höheren Nutzen aus der Kammertätigkeit zögen als Unternehmen mit geringerem Gewinn und geringerer Leistungsfähigkeit.

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Soweit das OVG Niedersachsen in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 (8 LB 191/13) davon ausgehe, dass bei dem nicht gewerbesteuerpflichtigen Teil eines Betriebes keine wirtschaftliche Betätigung gegeben sei und für diesen Teil des Betriebes auch kein Kammervorteil entstehe, weshalb ein Abstellen auf den Gesamtumsatz des Betriebes hinsichtlich des gewerbesteuerbefreiten Anteiles nicht gerechtfertigt sei, sei diese Argumentation entsprechend auf den vorliegenden Fall anwendbar. Wer - wie sie - nur einen hohen Umsatz, aber keinen gewerblichen Gewinn vorweisen könne, habe keinen Vorteil aus der Kammertätigkeit.

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Für das Missverhältnis zwischen Nutzen der Kammertätigkeit und Höhe der Beiträge spreche, wenn auch nicht unter Gleichbehandlungsaspekten, so doch als Indiz ein Vergleich mit anderen Handelskammern, vor allem wenn diese vergleichbare Mitgliederzahlen und Personalkosten aufwiesen, wie die IHK M-Stadt. Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz komme nicht lediglich das Willkürverbot zur Anwendung. Der Umsatz als Bemessungskriterium sei nicht rein sachbezogen, sondern knüpfe an Eigenschaften der Klägerin an. Mit ihrem Gewerbe betätige sie sich im durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten grundrechtsrelevanten Bereich. Um der Anwendung der streitigen Beitragsregelung zu entgehen, müsste sie ihre Tätigkeit ändern. Im Übrigen gebe es keinen sachlich einleuchtenden Grund für die Ungleichbehandlung von Handelsunternehmen und Unternehmen im produzierenden Gewerbe. Zu Recht gehe das Verwaltungsgericht von einem systemimmanenten Anknüpfungspunkt und nicht von einem Einzelfall aus. Selbst wenn es ein Einzelfall wäre, fehle es an einer Härtefallregelung für solche Fälle. Zudem sei der Umsatz kein geeignetes Staffelungskriterium, weil mit dem Umsatz von über 400 Mill. € keine entsprechenden Gewinnmargen einhergingen. Der Umsatz lasse in einem solchen Fall keinen Rückschluss auf die Leistungskraft des Gewerbebetriebes zu und sei deshalb kein geeignetes Staffelungskriterium. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 3 IHKG ergebe sich daraus, dass der Grundbeitrag als Sockelbetrag bei allen Handelsunternehmen ein Vielfaches der Umlage sei.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte A) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats waren.

Entscheidungsgründe

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I. Die Berufung ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet. Sie hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.

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II.1. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

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II.1.1. Die Klage ist unzulässig, soweit sie die in den streitgegenständlichen Bescheiden vom 5. März 2013 und 27. November 2013 festgesetzte Umlage für die Rechnungsjahre 2012 und 2013 - jeweils vorläufig (v) - sowie für die Rechnungsjahre 2009, 2010 und 2011 - jeweils endgültig (e) - betrifft.

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Für sämtliche Festsetzungen liegen bereits identische, bestandskräftige Bescheide vor. So wurde die Umlage 2012 (v) bereits mit Bescheiden vom 7. März 1012 und 21. Mai 2012 in der streitgegenständlichen Höhe von 1.356,49 € festgesetzt. Die Umlage 2013 (v) in Höhe von 1.327,84 € wurde ebenso im Bescheid vom 27. Februar 2013 festgesetzt. Die Umlage 2011 (e) in Höhe von 1.327,84 € wurde bereits im Bescheid vom
27. Februar 2013 festgesetzt. Die Umlage 2010 (e) in Höhe von 1.356,49 € wurde in gleicher Höhe in den Bescheiden vom 21. Mai 2012 und 11. August 2011 festgesetzt. Die Umlage 2009 (e) in Höhe von 2.174,58 € wurde bereits in den Bescheiden vom
21. Mai 2012 und 19. März 2011 festgesetzt.

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Dies wirft zwar die Frage auf, ob es sich bei den streitgegenständlichen Umlage-festsetzungen um sog. „wiederholende Verfügungen“ handelt, die nur informatorischer Natur sind und mangels Regelungswirkung keine Verwaltungsaktqualität besitzen, mit der Folge, dass eine Anfechtungsklage unzulässig, weil bereits nicht statthaft, ist, oder ob sie als sog. „Zweitbescheide“ Verwaltungsaktqualität besitzen und damit grundsätzlich anfechtbar sind.

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Soweit die Abgrenzung von dem objektiven Erklärungswert des jeweiligen Bescheides abhängt, erweist sich dieses Kriterium vorliegend aufgrund der formblattmäßigen, ohne erkennbaren Grund oder Änderung erfolgten, wiederholenden Festsetzungen als unergiebig. Die Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass die unveränderte Wiedergabe von Daten aus vorangegangenen Bescheiden grundsätzlich auf einer nochmaligen Überprüfung beruhe, sprechen allerdings in Zusammenschau mit der nicht differenzierenden Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Bescheide dafür, dass die Beklagte auch bezüglich der Umlage neue Verwaltungsakte erlassen wollte. Ob dies und der Umstand, dass eine solche Auslegung der Klägerin vorliegend jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen würde, die Annahme von „Zweitbescheiden“ bezüglich der Umlagefestsetzung rechtfertigt, bedarf indes keiner weiteren Vertiefung. Denn ein insoweit statthaftes Anfechtungsbegehren erwiese sich in diesem Fall mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin als unzulässig.

45

Die Umlagefestsetzungen in den streitgegenständlichen Bescheiden vom 5. März 2013 und 27. November 2013 rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Beklagte damit zugleich an den Umlagefestsetzungen in den früheren Bescheiden nicht mehr festhalten wollte und diese - unabhängig vom rechtlichen Schicksal der Bescheide vom 5. März 2013 und 27. November 2013 - obsolet werden sollten. Mit anderen Worten, eine erneute Sachüberprüfung, die zum selben Ergebnis wie die Umlagefestsetzung in den früheren, bereits bestandskräftigen Bescheiden führt, ist - jedenfalls soweit es sich um gebundene Entscheidungen, wie hier, handelt - nicht darauf gerichtet, diese früheren Bescheide ohne Rücksicht auf den Bestand der Nachfolgeregelung aufzuheben oder gegenstandslos werden zu lassen, sondern dient vielmehr ihrer Bestätigung. Dies hat indes zur Folge, dass die Klägerin für eine Aufhebung der Umlagefestsetzungen in den Bescheiden vom 5. März 2013 und 27. November 2013 kein rechtsschutzwürdiges Interesse geltend machen kann, weil sich die streitgegenständlichen Festsetzungen (und damit ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung bzw. behalten dürfen der festgesetzten Beträge) bereits aus anderen, bestandskräftigen Bescheiden ergeben.

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II.1.2. Unzulässig ist die Klage ferner, soweit die Klage in Bezug auf den Bescheid vom 5. März 2013 eine Aufhebung des Grundbeitrages 2013 (v) von mehr als 35.810,00 € begehrt. Denn in Höhe von 190,00 € liegt bereits eine (ebenfalls) vorläufige bestandskräftige Festsetzung durch Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2013 vor.

47

Entsprechendes gilt für die Grundbeitragsfestsetzungen der Jahre 2009, 2010 und 2011 - jeweils (v) - im Bescheid vom 27. November 2013, weil in Bezug auf die festgesetzte Beitragshöhe von 13.500,00 € (2009), 27.000,00 € (2010) und 36.000,00 € (2011) bereits jeweils endgültige bestandskräftige Festsetzungen in Höhe von jeweils 190,00 € durch Bescheid vom 21. Mai 2012 (für 2011 zudem durch Bescheid vom
27. Februar 2013) vorliegen.

48

II.1.3. Zulässig ist die Klage in Bezug auf den mit Bescheid vom 5. März 2013 festgesetzten Grundbeitrag 2012 (e) in Höhe von 36.000,00 €. Auf die vorläufigen Festsetzungen in Höhe von 190,00 € durch Bescheide vom 7. März 2012 und 21. Mai 2012 kommt es nicht an, weil die endgültige Festsetzung eine vorläufige Festsetzung gegenstandslos macht (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG).

49

Zulässig ist die Klage ferner in Bezug auf den im Bescheid vom 5. März 2013 fest-gesetzten Grundbeitrag 2013 (v) in Höhe von 35.810,00 € (36.000,00 € abzüglich 190,00 €).

50

Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich der Bescheid vom 5. März 2013 insoweit durch den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2016 erledigt haben könnte. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht Halle angefochten zu haben. Unabhängig davon enthalten die dem Bescheid vom 6. Dezember 2016 beigefügten Rechtsmittelbelehrungen keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung mittels elektronischen Rechtsverkehrs gemäß § 55a VwGO, so dass davon auszugehen ist, dass die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO zur Anwendung kommt (vgl. OVG LSA, Urteil vom 14. Oktober 2014 - 1 L 99/13 -, juris; Urteil vom 12. November 2013 - 1 L 15/13 -, juris) und der Bescheid damit noch nicht in Bestandskraft erwachsen ist.

51

Zulässig ist die Klage daneben in Bezug auf die im Bescheid vom 27. November 2013 festgesetzten Grundbeiträge für 2009 bis 2011 - jeweils (v) - in Höhe von 35.810,00 € (2011: 36.000,00 € abzüglich 190,00 €), 26.810,00 € (2010: 27.000,00 € abzüglich 190,00 €) und 13.310,00 € (2009: 13.500,00 € abzüglich 190,00 €), insgesamt 75.930,00 €.

52

Soweit die Klägerin am 23. Dezember 2013 durch Einbeziehung des Beitragsbescheides der Beklagten vom 27. November 2013 ihr Anfechtungs- und Erstattungsbegehren erweitert hat, ist diese Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO im vorgenannten Umfange zulässig. Die Beklagte hat in die Klageänderung gemäß § 91 Abs. 2 VwGO eingewilligt, indem sie sich, ohne der Klageänderung zu widersprechen, mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2015 und in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2015 rügelos eingelassen hat.

53

II.2. Die Klage ist, soweit sie hiernach zulässig ist, begründet.

54

II.2.1. Soweit sie sich gegen die Festsetzung des Grundbeitrages für das Rechnungsjahr 2012 endgültig auf 36.000,00 € und für das Rechnungsjahr 2013 vorläufig über einen Betrag von 190,00 € hinaus, richtet, hat die Klage Erfolg. Der Bescheid vom 5. März 2013 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

55

Es verstößt zwar nicht gegen § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG, wenn der Grundbeitrag im Falle seiner Staffelung im Verhältnis zur Umlage nicht lediglich einen Sockelbetrag bildet bzw. nicht niedriger, sondern ggf. - wie im vorliegenden Fall - deutlich höher als die Umlage ausfällt (II.2.1.1.). Auch ist das Bemessungskriterium „Umsatz“ ein Staffelungskriterium im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG, das an die Leistungskraft des Gewerbebetriebes anknüpft (II.2.1.2.). Die Wirtschaftssatzungen der Beklagten für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 verstoßen mit ihrer Staffelungsregelung in Ziffer II.2.3. auch nicht gegen das Äquivalenzprinzip (II.2.1.3.) oder gebieten wegen Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine ungleiche Behandlung von Handelsunternehmen und produzierendem Gewerbe bzw. von Handelsunternehmen der Mineralölbranche und anderen Handelsunternehmen sowie dem produzierenden Gewerbe (II.2.1.4.). Die Staffelungsregelung II.2.3. in den Wirtschaftssatzungen der Beklagten für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 verstößt indes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Gebot der Systemgerechtigkeit, weil sich die Unterschiede bei der Bildung der Umsatzspannen und der diesen zugeordneten Grundbeiträge nicht durch sachliche Gründe rechtfertigen lassen und die Regelungen damit willkürlich erscheinen (II.2.1.5.).

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II.2.2. Ebenfalls Erfolg hat die Klage, soweit sie sich gegen die Festsetzung der Grundbeiträge jeweils für die Rechnungsjahre 2009, 2010 und 2011 jeweils vorläufig über einen Betrag von jeweils 190,00 € hinaus richtet. Der Bescheid vom 27. November 2013 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil auch hier die inhaltsgleichen Staffelungsregelungen in Ziffer II.2.3. der Wirtschaftssatzungen für die Geschäftsjahre 2009, 2010 und 2011 gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot verstoßen. Zudem ist nicht feststellbar, dass sich die Beklagte in Bezug auf die der Festsetzung zugrunde liegenden geschätzten Berechnungsgrundlagen auf die Schätz-werte rechtfertigende Anknüpfungstatsachen stützen kann. Rechtlich zu beanstanden ist ferner, dass ohne verfahrensrechtliche Aufhebung der bereits "endgültig" erfolgten Beitragsfestsetzung eine neue "vorläufige" Festsetzungsentscheidung ergangen ist.

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II.2.3. Der Antrag auf Beitragsrückerstattung ist zulässig, aber - als Folge der nur teilweise zulässigen und begründeten Anfechtungsbegehren - lediglich in der tenorierten Höhe begründet.

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Zur Begründetheit der Klage im Einzelnen:

59

II.2.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Kammerbeitrages für die Rechnungsjahre 2013 und 2012 im Bescheid vom 5. März 2013 ist § 3 IHKG i. V. m. der Beitragsordnung der Beklagten vom 28. November 2007 (BeitrO) und deren Wirtschaftssatzungen für die Geschäftsjahre 2012 vom 7. Dezember 2011 und 2013 vom 5. Dezember 2012 (nachfolgend: WS 2012 bzw. WS 2013).

60

Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer - soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind - nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht.

61

Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG i. V. m. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 BeitrO erhebt die beklagte IHK Grundbeiträge und Umlagen.

62

Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG kann der Grundbeitrag gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Entsprechendes sieht die Beitragsordnung der Beklagten in § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 vor. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 BeitrO kann dabei u.a. der Umsatz berücksichtigt werden; die Staffelung und die Höhe der Grundbeiträge legt die Vollversammlung in der Wirtschaftssatzung fest (§ 6 Abs. 1 Satz 4 BeitrO).

63

Die Wirtschaftssatzungen der Beklagten für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 sehen in Ziff. II.2.2. vor, dass u.a. von Personengesellschaften, die im Handelsregister eingetragen sind - wozu die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide gehörte -, ein Grundbeitrag in Höhe von 190,00 € erhoben wird, sofern sie nicht gemäß Ziff. II.2.3. zu veranlagen sind. Nach Ziff. II.2.3. WS 2012/2013 wird von IHK-Zugehörigen ab einer Umsatzgröße über 25 Mill. € der Grundbeitrag nach folgender Staffelung erhoben, (sofern nicht die vorliegend nicht einschlägige Befreiung nach Ziff. II.1. greift):

64

 Stufe

  Umsatz

  Grundbeitrag

 1     

  über € 25.000.000,00 bis € 50.000.000,00

  € 2.250,00

 2     

  über € 50.000.000,00 bis € 150.000.000,00

  € 4.500,00

 3     

  über € 150.000.000,00 bis € 300.000.000,00

  € 13.500,00

 4     

  über € 300.000.000,00 bis € 400.000.000,00

  € 27.000,00

 5     

  über € 400.000.000,00

  € 36.000,00

65

II.2.1.1. Hiervon ausgehend verstößt es nicht gegen § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG, wenn der Grundbeitrag im Verhältnis zur Umlage nicht lediglich einen Sockelbetrag bildet und nicht niedriger, sondern - wie im vorliegenden Fall - (ggf. deutlich) höher als die Umlage ausfällt.

66

Als Sockelbetrag im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 8 B 38.11 -, juris) können vorliegend die in Ziff. II.2.2. (bzw. II.2.1.) der Wirtschaftssatzungen 2012/2013 ausgewiesenen Grundbeiträge in Höhe von 190.00 € (bzw. 60,00 €) angesehen werden, die von allen IHK-Mitgliedern ungeachtet ihrer Zuordnung zu Ziff. II.2.1. oder II.2.2. der Wirtschaftssatzungen 2012/2013

67

(Unterscheidung:

68

- ob im Handelsregister eingetragen oder nicht,

69

- ob kraft Rechtsform als Kaufleute geltend oder nicht,

70

- ob Kaufleute oder Nichtkaufleute)

71

gleichermaßen erhoben werden. Unter einem Sockelbetrag ist eine einheitliche Grundlast zu verstehen, die von allen Mitgliedern ohne Rücksicht auf deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhoben wird. Diese zum Sockelbetrag angestellte Erwägung des Bundesverwaltungsgerichtes (a. a. O., Rdnr. 7) muss aber nicht auf die in § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG vorgesehene Staffelungsmöglichkeit zutreffen, die - wie die Aufzählung der Staffelungskriterien zeigt - u.a. gerade an die unterschiedliche Leistungskraft der Kammerzugehörigen anknüpfen kann. Demgemäß stellt das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O.) auch fest, dass der Kammer im Hinblick auf den Zweck und die Eigenart des Grundbeitrages in weitem Maße Pauschalierungen und Typisierungen offen stehen, wenn sie von der Staffelungsmöglichkeit Gebrauch machen und hierbei an die unterschiedliche Leistungskraft der Kammerzugehörigen anknüpfen will.

72

Im Übrigen hat der Gesetzgeber gerade davon abgesehen, die Bemessung des Grundbeitrages vergleichbar konkret zu regeln wie bei der Umlage und nähere Vorschriften über das Verhältnis der beiden Beitragsarten zueinander zu erlassen. Es steht deshalb weitgehend im normativen Ermessen der Kammer, inwieweit sie umlagefähige Kosten durch Grundbeiträge oder Umlagen decken will (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2006 - 6 C 19.05 -, juris, zu einer ähnlichen Regelungskonstellation in § 113 Abs. 1 HwO).

73

II.2.1.2. Das Bemessungskriterium "Umsatz" ist ein Staffelungskriterium im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG, das an die Leistungskraft des Gewerbebetriebes anknüpft.

74

Der Umstand, dass der Gewerbeertrag, hilfsweise der Gewinn (als Bemessungsgrundlage für die Umlage gemäß § 3 Abs. 3 Satz 6 IHKG) die Leistungsfähigkeit der Unternehmen am zuverlässigsten widerspiegeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000
- 1 C 15.99 -, juris, Rdnr. 14), bedeutet nicht, dass dem Umsatz als allgemeinem Kriterium der Leistungsfähigkeit im Rahmen der Staffelungsmöglichkeit des Grundbeitrages keine Aussagekraft beizumessen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1971
- I C 48.65 -, juris, Rdnr. 33, BVerwGE 39, 100, wonach die "Bruttoeinnahmen" aus ärztlicher Tätigkeit ein Kriterium wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind; OVG NRW, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - 5 A 601/07 -, juris, Rdnr. 12 bis 14). Vielmehr war es das ausdrückliche Ansinnen des Gesetzgebers in Bezug auf das seit 1. Januar 1994 eingeführte Staffelungskriterium der Leistungskraft der Kammerzugehörigen einer engen Auslegung im Sinne einer steuerlichen Leistungsfähigkeit entgegenzuwirken und eine Loslösung vom bloßen Ertrag eines Unternehmens sowie die Berücksichtigung weiterer, die allgemeine Leistungsstärke eines Gewerbebetriebs kennzeichnender Kriterien zu ermöglichen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 4. April 2012 - 1 M 29/12 -, juris mit entsprechenden Hinweisen zu den Gesetzesmaterialien).

75

II.2.1.3. Die Wirtschaftssatzungen der Beklagten für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 verstoßen mit ihrer Staffelungsregelung in Ziff. II.2.3. nicht gegen das Äquivalenzprinzip.

76

Das Äquivalenzprinzip ist die beitragsrechtliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Danach darf die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den sie abgelten sollen (a) und einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden (b) (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 -, juris).

77

Der Beitrag zu der Industrie- und Handelskammer ist eine Gegenleistung für den Vorteil, den das Mitglied aus der Kammertätigkeit zu ziehen vermag. Dieser besteht insbesondere darin, dass die Kammer die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben erfüllt, insbesondere das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrnimmt und für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft wirkt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IHKG). Der Vorteil dieser Interessenvertretung kommt allen Mitgliedern zugute. Dies gilt auch für die Großunternehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese noch andere Möglichkeiten haben, ihre Interessen zur Geltung zu bringen.

78

Eine günstige Beeinflussung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird im Allgemeinen den größeren Unternehmen - entsprechend ihrer größeren Wirtschaftskraft - stärker zugutekommen als kleinen. Die Anknüpfung an den Nutzen, der sich aus der Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Kammerangehörigen ergibt, stellt einen hinreichenden Bezug zwischen Vorteil und Beitragshöhe dar; denn aus dem Äquivalenzprinzip ergeben sich für Beiträge der vorliegenden Art regelmäßig keine konkreteren Anforderungen. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Beitrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil ausgleicht, der sich bei dem einzelnen Kammerangehörigen messbar niederschlägt. Eine solche Bemessungsweise kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kammern in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder zu wahren haben und sich diese Tätigkeit regelmäßig nur mittelbar bei den einzelnen Mitgliedern auswirken kann (so BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a. a. O., Rdnrn. 12, 13 m. w. N.).

79

II.2.1.3a. Hiervon ausgehend ergibt sich die gestaffelte Höhe des Grundbeitrages ab einer Umsatzhöhe von über 25 Mill. € im Allgemeinen, d. h. bei pauschalierender und typisierender Betrachtungsweise, welche der Kammer im Hinblick auf den Zweck und die Eigenart des Grundbeitrages in weitem Maße offen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 1 C 15.99 -, juris, Rdnr. 14), aus den Unterschieden in der Wirtschaftskraft der Mitglieder. Die Höhe des Grundbeitrages rechtfertigt nicht den Schluss, dass es bei Unternehmen einer bestimmten Größenordnung an dem regelmäßig anzunehmenden Zusammenhang zwischen Wirtschaftskraft und (mittelbarem) Vorteil aus der Kammertätigkeit fehlt. Da die Beklagte zudem den Grundbeitrag auf einen Höchstbetrag von 36.000,00 € bei einem Umsatz von über 400 Mill. € begrenzt hat, ist auch nicht ersichtlich, dass der angewandte Umsatzmaßstab zu einem Grundbeitrag führen könnte, dem ab einer bestimmten Umsatzhöhe kein entsprechender (Kammer)Vorteil mehr gegenüberstünde.

80

Der maximale Höchstbetrag von 36.000,00 € Grundbeitrag gibt weder in seiner konkreten Höhe, noch im Hinblick darauf, dass er (zu Beginn einer jeden der fünf Staffelungsstufen) prozentual an 0,009 % (d. h. neun Hunderttausendstel) des maßgeblichen Umsatzes anknüpft, Veranlassung für die Annahme, dass der Klägerin in dieser Höhe kein adäquater Vorteil aus der Kammertätigkeit entstehen könnte. Soweit die Klägerin auf die (geringere) Höhe der Grundbeiträge von nach der Mitgliederzahl und den Personalkosten vergleichbaren anderen Industrie- und Handelskammern verweist, ist dies im Hinblick auf die Selbstverwaltung und den weiten Gestaltungsspielraum der Beklagten bei Ausübung ihres Satzungsermessens nicht entscheidungserheblich. Eine Überschreitung des Satzungsermessens folgt nicht bereits aus vergleichbaren Mitgliederzahlen und Personalkosten. Ein Missverhältnis zwischen Grundbeitrag und Kammervorteil ergibt sich hieraus ebenso wenig wie aus dem schlichten Hinweis auf die Höhe des Grundbeitrages.

81

Ein entsprechendes Missverhältnis wird auch nicht mit dem Verweis auf die von der Klägerin angegebenen bzw. im angefochtenen Urteil errechneten Umsatzrenditen plausibel gemacht. Danach erzielte die Klägerin - jedenfalls im Jahr 2012 - Gewinne von mehr als 1 Mill. €; der Maximalgrundbeitrag macht hiervon weniger als 3,6 % aus.

82

Im Übrigen wird die Verhältnismäßigkeit von Grundbeitrag zu Kammervorteil nicht dadurch schlüssig in Frage gestellt, dass die Klägerin anstelle des - wie bereits ausgeführt - zulässigen Umsatzmaßstabes auf einen anderen Maßstab, nämlich den der Umsatzrendite oder auf das einzelfallspezifisch in ihrem konkreten Gewerbebetrieb anfallende Verhältnis von Umsatz zu Gewinn und die hieraus sich ergebende Umsatzrendite verweist. Soweit letztere im Betrieb der Klägerin geringer ausfällt als in anderen vergleichbar umsatzstarken Betrieben von Kammermitgliedern und dies den Besonderheiten des Einzelfalles geschuldet ist, muss die Beklagte im Rahmen ihrer Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis diesem Umstand nicht Rechnung tragen. Einzelfälle können über die Härtefallregelung des § 19 BeitrO angemessen berücksichtigt werden.

83

Mit der schlichten, nicht substantiierten und belegten Behauptung, die geringe Umsatzrendite sei typisch für Handelsunternehmen (jedenfalls auf dem Energiesektor) gegenüber dem produzierenden Gewerbe, macht die Klägerin ebenfalls noch kein Missverhältnis von Grundbeitrag zu Kammervorteil plausibel. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass der durch die Mitgliedschaft vermittelte Vorteil hierdurch signifikant reduziert werden könnte, hat der Senat nicht. Soweit der Einwand die Frage nach der Typengerechtigkeit des Umsatzmaßstabes als Staffelungsregelung bzw. die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte betrifft, ist auf die nachfolgenden Ausführungen des Senats zu verweisen.

84

Ein Missverhältnis von Kammergrundbeitrag zu Kammervorteil ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund der Erwägungen im Urteil des OVG Niedersachsen vom 18. Juni 2015 (- 8 LB 191/13-, juris). Abgesehen davon, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Dezember 2016 (- 10 C 11.15 - Pressemitteilung d. BVerwG Nr. 99/2016 vom 7. Dezember 2016) das berufungsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen hat, beruht der für die Grundbeitragsbemessung maßgebliche Umsatz der Klägerin nicht auf einer fehlenden gewerblichen Betätigung der Klägerin, woran das OVG Niedersachsen seine Erwägungen zum Bestehen eines Missverhältnisses von Grundbeitrag und Kammervorteil wegen der wesentlichen Erzielung des Umsatzes durch einen gewerbesteuerbefreiten Krankenhausbetrieb, indes gerade anknüpft. Die Klägerin ist bezüglich ihres Umsatzes gewerbesteuerpflichtig, und wegen Berücksichtigung der gewerbesteuerlichen Zerlegung entspricht der berücksichtigungsfähige Umsatz auch ihrer gewerblichen Tätigkeit im Kammerbezirk.

85

II.2.1.3b Es ist auch nicht feststellbar, dass einzelne Mitglieder der Beklagten im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden.

86

Dies ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Umstand, dass die Staffelung erst ab einem Umsatz von mehr als 25 Mill. € beginnt. Die Beklagte durfte bei Mitgliedern mit geringerer Wirtschaftskraft von einem geringeren Nutzen der Kammertätigkeit und einer lediglich begrenzten Belastungsfähigkeit im Verhältnis zu den umsatzstarken Mitgliedern ausgehen. Zudem entspricht eine gewisse Entlastung der wirtschaftlich schwächeren Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren sozialen Erwägungen und dem Gedanken der Solidargemeinschaft, die bei einer Organisation zur Erfüllung gemeinsamer Standesaufgaben mit zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a. a. O., Rdnr. 17).

87

Auch eine Überschreitung der Typisierungsbefugnis der Beklagten ist nicht feststellbar. Der Senat hat keinen Anhalt für die Annahme, dass Handelsunternehmen (insbesondere aus der Mineralölbranche wie die Klägerin) gegenüber dem produzierenden Gewerbe übermäßig hoch belastet werden. Zunächst macht die Klägerin schon nicht plausibel, dass im Kammerbezirk der Beklagten Handelsunternehmen im Mineralölbereich in einer Größenordnung vorhanden sind, die eine eigene Gruppenbildung überhaupt möglich und erforderlich machen könnte. Ferner ist nicht ersichtlich, inwiefern die Umsatzrendite der Klägerin typisch für den Bereich des Mineralölhandels, noch dazu im Kammerbezirk der Beklagten ist. Ebenso stellt es eine unsubstantiierte Behauptung dar, dass es, ausgehend von den Umsatzzahlen der Staffelungsstufen, signifikante Renditeunterschiede zwischen Handel und produzierendem Gewerbe gebe, die keine einzelfallspezifischen Ursachen haben. Der Verweis der Klägerin auf die Höhe der Einkaufskosten ohne Wertschöpfungskette und die Energiesteuern bezieht sich auf ihre spezifische Branche und erlaubt keine Rückschlüsse auf das Umsatz- und Umsatzrenditeverhältnis von Handel im Allgemeinen und produzierendem Gewerbe; insbesondere ergibt sich kein Anhalt für die Annahme, dass die konkrete Struktur der Unternehmen im Kammerbezirk es gebieten könnte, zwischen beiden Unternehmensarten zu differenzieren, weil in Bezug auf die am Umsatz anknüpfende Typisierung sich die Annahme von "Regelfällen" nicht mehr rechtfertigen könnte.

88

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet dem Normgeber, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereiches angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur solange zu rechtfertigen, als nicht mehr als 10 vom Hundert der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 1986 - 8 C 112.84 -, juris, Rdnr. 21). Dabei stellt die Befugnis des Normgebers zur Typisierung und Pauschalierung keinen allgemeinen Rechtfertigungsgrund dar, mit dem unterschiedslos Satzungsmängel für unerheblich erklärt werden können, wenn es durch sie nur zu geringen Abweichungen vom Typus kommt. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit soll vielmehr eine im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor bewahren, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2008 - 9 B 40.08 -, juris, Rdnr. 10). Hiervon ausgehend ist für den Senat nicht ersichtlich, dass Handels- und Produktionsbetriebe im Kammerbezirk bei Zugrundelegung des Umsatzmaßstabes als Staffelungskriterium zwingend eine jeweils eigene Gruppierung gebieten könnten. Auch der Hinweis auf die Spezifika des Mineralölgroßhandels macht eine eigene Gruppenbildung nicht plausibel.

89

Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe beim Wareneinkauf extrem hohe Aufwendungen ohne Wertschöpfungskette, ist dieser Einwand nicht nachvollziehbar. Die zur Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung erforderlichen Wertaktivitäten mögen unterschiedlich sein, aber weder Handel noch Produktion können die zur Erstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung direkt oder mittelbar wertschöpfenden Beiträge bei der Preisgestaltung und damit bei der Gewinnerzielung unberücksichtigt lassen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Herstellung eines Produktes stets kostengünstiger als der Ankauf von Waren ausfällt oder der Verkauf eines Produktes des produzierenden Gewerbes stets mit einer höheren Gewinnmarge einhergeht als der Handel mit Waren. Soweit die Klägerin auf die spezifischen Besonderheiten ihrer Branche und die Höhe der Kosten für den Wareneinkauf verweist, wird die Behauptung nicht näher substantiiert und in Relation zur Verkaufsmenge und zum Verkaufspreis gesetzt. Es lässt sich schon nicht beurteilen, ob die Kosten für den Wareneinkauf im Vergleich zu den Produktionskosten des produzierenden Gewerbes die Gewinnmarge in erheblicher Weise schmälern. Soweit sich der Umsatz aus Absatzmenge multipliziert mit dem Preis errechnet, kann die Höhe des Umsatzes auch der Höhe der Absatzmenge geschuldet sein, was wiederum die Fähigkeit des Unternehmens widerspiegelt, seine Produkte (oder Dienstleistungen) am Markt abzusetzen; letzteres ist Ausdruck der allgemeinen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.

90

Soweit die Klägerin auf die gewinnschmälernde Aufwendung von Energiesteuern verweist, ist dem Hinweis Nr. 1 zur Umsatzangabe auf dem Rückantwortbeleg (vgl. Formular, Bl. 8 Rs. der Beiakte A) zu entnehmen, dass derjenige Verbrauchssteuer in Abzug bringen kann, der Steuerschuldner einer Verbrauchssteuer ist, wobei die Höhe der gezahlten Verbrauchssteuer durch entsprechenden Bescheid zu belegen sei. Die Klägerin legt nicht nachvollziehbar dar, weshalb die von ihr angeführten "Energiesteuern" nicht im vorgenannten Sinne umsatzmindernd geltend gemacht werden könnten. Im Übrigen fehlt es auch insoweit an substantiierten Angaben dazu, weshalb der Anfall der genannten Steuern eine eigene Gruppenbildung im Vergleich zum produzierenden Gewerbe und/oder Handel allgemein sowie im Hinblick auf die Unternehmensstruktur im Kammerbezirk der Beklagten erfordern sollte.

91

II.2.1.4. Es besteht auch kein Anhalt für die Annahme, dass die Staffelungsregelung der Beklagten für den Grundbeitrag wegen Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte, d. h. wegen Gleichbehandlung von Handelsunternehmen (allgemein bzw. der Mineralölbranche) und produzierendem Gewerbe gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen könnte.

92

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, diese bedürfen jedoch der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen, unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (st. Rspr. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 - 1 BvR 16/11 -, juris m. w. N.).

93

Prägend für die Bestimmung des im Einzelfall anzuwendenden Maßstabes ist, dass die Heranziehung zu Kammerbeiträgen aufgrund der gewerblichen Betätigung einer GmbH und Co. KG - in deren Rechtsform die Klägerin bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide geführt wurde - an verhaltensbezogene Merkmale anknüpft. Da die Komplementärin der Klägerin eine juristische Person war, wurden die hinter deren wirtschaftlicher Betätigung stehenden Personen bzw. natürliche Personen als Kommanditisten aufgrund ihrer fehlenden Geschäftsführungsbefugnisse und beschränkten Haftung (vgl. §§ 164, 171 HGB) nur mittelbar und jedenfalls nicht in ihrem Persönlichkeitskern betroffen. Die Erhebung des Kammerbeitrages berührt auch nicht den Schutzbereich des Art. 12 GG. Die Berufsfreiheit ist bei der Erhebung öffentlicher Abgaben dann betroffen, wenn diese im engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz kommt jedoch der nur allgemein an die gewerbliche Betätigung oder Betätigungsmöglichkeit anknüpfenden Beitragsregelung einer Industrie- und Handelskammer nicht zu. Die Erhebung des Kammerbeitrags mag aufgrund der wirtschaftlichen Belastung zwar mittelbar Auswirkungen auf die Berufstätigkeit ihrer Mitglieder entfalten. Allein dies reicht aber für die Annahme einer berufsregelnden Tendenz nicht aus, wenn nicht durch die in einem engen Zusammenhang mit der Berufsausübung stehenden Maßnahmen die Rahmenbedingungen der Berufsausübung selbst verändert werden, insbesondere wenn die Verwendung der erhobenen Abgaben in erheblicher Weise auf die Berufsausübung zurückwirkt (BVerfG, Beschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 113/03 -, juris).

94

Hieran gemessen stellt es einen sachlichen Grund dar, mit dem Bemessungsmaßstab "Umsatz" an ein allgemeines Leistungskriterium anzuknüpfen, das eine Heranziehung der Kammermitglieder mit möglichst geringem Verwaltungs- und Kostenaufwand ermöglicht und durch eine Staffelung darauf ausgerichtet ist, Gedanken der Solidargemeinschaft Rechnung zu tragen. Im Übrigen wird, wie die Ausführungen zum Äquivalenzprinzip, insbesondere zur Typengerechtigkeit, zeigen, Art. 3 Abs. 1 GG vorliegend auch nicht deshalb verletzt, weil bei verschiedenen Sachverhalten (wie: Umsatzrenditen bei Handelsunternehmen allgemein, Handelsunternehmen der Mineralölbranche oder produzierendem Gewerbe) eine etwa zulässige Differenzierung unterbleibt. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass vorliegend wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird. Eine Überschreitung der Typisierungsbefugnis und des weiten Gestaltungsspielraumes der Beklagten ist - wie bereits ausgeführt - nicht feststellbar.

95

Auf einen Vergleich mit anderen Industrie- und Handelskammern kommt es im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht entscheidungserheblich an. Der Anspruch auf Gleichbehandlung kann stets nur gegen den jeweiligen Normsetzer gerichtet sein und den Vergleich mit den übrigen Normunterworfenen betreffen. Die Erhebung von Mitgliedsbeiträgen für Industrie- und Handelskammern können deshalb den allgemeinen Gleichheitssatz nicht dadurch verletzen, dass es in anderen Kammerbezirken keine vergleichbaren Regelungen gibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 113/03 -, juris).

96

II.2.1.5. Der Staffelungsregelung in Ziffer II.2.3. der Wirtschaftssatzungen der Beklagten 2012 und 2013 mangelt es indes an der Folgerichtigkeit der Regelung. Sie verletzt das Gebot der Systemgerechtigkeit und ist mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht (mehr) vereinbar, weil sich keine hinreichende sachliche Rechtfertigung dafür findet, weshalb die Umsatzspannen in der vorliegenden Form wesentlich voneinander abweichen und zu erheblich unterschiedlichen prozentualen Grundbeitragsbelastungen der Kammermitglieder führen. Während Stufe 1 und 3 jeweils eine Verdoppelung des Umsatzes vorsehen, liegt der Spanne in Stufe 2 eine Verdreifachung des (Ausgangs)Umsatzes zu Grunde, die Stufe 4 erhöht den Ausgangsumsatz um ein Drittel und Stufe 5 erfasst alle Umsätze, die über der Umsatzendhöhe der Stufe 4 liegen. Jeder dieser Stufen ist ein fester Grundbeitrag zugeordnet, der zwar zu Beginn der Umsatzstufe jeweils bei 0,009 % des Umsatzbetrages liegt, aber jeweils bezogen auf das Ende der Umsatzstufe auf 0,0045 % (Stufe 1), 0,003 % (Stufe 2), 0,0045 % (Stufe 3) und 0,00675 % (Stufe 4) sinkt. Weshalb trotz steigenden Umsatzes und daraus sinngemäß gefolgerter zunehmender Leistungskraft des Kammermitgliedes die prozentuale Belastung am Ende einer Stufe unterschiedlich stark, auf bis zu einem Drittel des Ausgangswertes der Stufe absinkt, vermochte die Beklagte nicht plausibel zu machen. Soweit dies ihrem Vortrag zufolge auf eine Reduzierung der Anzahl der Staffelstufen, Glättung der Beträge und Senkung der Grundbeiträge zurückzuführen seien sollte, lassen die Staffelungskriterien kein in sich kohärentes System und keine innere Rechtfertigung mehr erkennen. Mangels eines sachlichen Grundes für die Bildung der Umsatzspannen und die sich hieraus ergebenden Beitragshöhen erscheint die Staffelungsregelung in Ziffer II.2.3. der Wirtschaftssatzungen 2012 und 2013 willkürlich und damit nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

97

II.2.2. Hinsichtlich der vorläufigen, über einen Betrag von 190,00 € hinausgehenden Grundbeitragsfestsetzungen für die Rechnungsjahre 2009, 2010 und 2011 im Bescheid vom 27. November 2013 führen die zur fehlenden Systemgerechtigkeit und eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter Punkt II.2.1.5. der Urteilsbegründung getroffenen Feststellungen auch hier zur (Teil)Rechtswidrigkeit des Bescheides, weil die für die Veranlagung maßgeblichen Wirtschaftssatzungen 2009 bis 2011 in Bezug auf ihre Staffelungsregelung II.2.3. mit den Wirtschaftssatzungen 2012 und 2013 identisch sind.

98

Darüber hinaus erweisen sich die jeweils auf geschätzter Berechnungsgrundlage von der Beklagten vorgenommenen vorläufigen Grundbeitragsfestsetzungen jedenfalls schon deshalb als rechtswidrig, weil nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen die Schätzungen erfolgt sind, ob diese danach schlüssig und ihre Ergebnisse wirtschaftlich vernünftig und möglich sind. Ziel einer Schätzung muss eine möglichst realitätsgerechte Bemessung des wirklichen Umsatzes sein. Letzteres ist hier nicht feststellbar.

99

Rechtlich zu beanstanden ist ferner, dass ohne verfahrensrechtliche Aufhebung nach den gesetzlichen Vorschriften der bereits "endgültig" erfolgten Beitragsfestsetzung eine neue "vorläufige" Festsetzungsentscheidung ergangen ist. Während sich eine vorläufige Regelung mit Erlass der endgültigen Regelung gleichsam automatisch erledigt und ihre Wirksamkeit im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG verliert, ist dies umgekehrt nicht der Fall.

100

II.2.3. Der Antrag der Klägerin auf Beitragsrückerstattung ist zulässig, insbesondere spruchreif (§ 113 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO). Es bedarf keiner weiteren Sachaufklärung; die Beklagte hat die auf die streitgegenständlichen Festsetzungen erfolgten Zahlungen der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Der Antrag ist indes lediglich in der tenorierten Höhe begründet. Der von der Klägerin geforderte und ihr erstinstanzlich zugesprochene Erstattungsbetrag in Höhe von 149.067,84 € ergibt sich aus der Summe der Zahlungsaufforderungen in Höhe von 73.137,84 € im Bescheid vom
5. März 2013 und 75.930,00 € im Bescheid vom 27. November 2013. Dieser Betrag war indes um 1.517,84 € (= 1.327,84 € + 190,00 €) auf 147.550,00 € zu kürzen, weil die Umlagefestsetzung im Bescheid vom 5. März 2013 mangels Zulässigkeit der Klage nicht der Aufhebung unterliegt und sich damit die Frage einer Folgenbeseitigung des errechneten Zahlbetrages in Höhe von 1.327,84 € nicht stellt. Entsprechendes gilt für die teilweise Unzulässigkeit der Klage gegen den Grundbeitrag 2013 (v) im Bescheid vom 5. März 2013 wegen dessen bereits vorläufiger bestandskräftiger Festsetzung in Höhe von 190,00 € durch Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2013.

101

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

102

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den
§§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

103

V. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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