Urteil vom Verwaltungsgericht Augsburg - Au 8 K 17.1909

Tenor

I. Der Rücknahmebescheid der Regierung von ... vom 7. Dezember 2017 wird aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Rücknahmebescheid im Rahmen des bayerischen 10.000-Häuser-Programms.

Am 29. September 2015 unterzeichnete der Kläger ein mit der Überschrift „Auftrag zur Lieferung und Erstellung Ihres ...-Hauses“ bezeichnetes Dokument über die Lieferung und Erstellung eines Fertighauses der Baufirma. Am gleichen Tag wurde dem Kläger unter anderem schriftlich ein kostenfreies Rücktrittsrecht „Öffentliche Mittel“ eingeräumt. Dieses setzt voraus, dass die Förderstelle einen entsprechenden Antrag des Klägers auf Gewährung öffentlicher Mittel für das Vertragsobjekt aus sachlichen Gründen nicht bewilligt. Den „Auftragsunterlagen“ wurden insbesondere folgende „Vertragsbedingungen“ der Baufirma zur Lieferung und Erstellung eines Fertighauses beigefügt:

㤠1 Vertragsabschluss

Angebot des Bauherrn (nachfolgend Auftraggeber) - Annahme durch ... - Haus (nachfolgend Auftragnehmer)

1. Der Auftraggeber gibt sein vollständiges und abschließendes Angebot unterschriftlich im Formular „Auftrag zur Lieferung und Erstellung eines ... - Hauses“ ab. Er ist an dieses Angebot ab der Abgabe für vier Wochen unwiderruflich gebunden. Der Vertrag kommt zustande mit dem Zugang der schriftlichen Annahmeerklärung (Auftragsbestätigung) des Angebots durch den Auftragnehmer.“

Dem vom Kläger am 29. September 2015 unterschriebene „Auftrag zur Lieferung und Erstellung“ waren die Anlagen Nr. 1 bis Nr. 15 beigefügt, die zum Bestandteil des Auftrags gemacht wurden. Der Anlage Nummer 6 ist zu entnehmen, dass ein Vertrag erst rechtsverbindlich abgeschlossen werden darf, wenn der elektronische Förderantrag beim Beklagten eingegangen ist. Zudem wurde von der Baufirma in dieser Anlage bestätigt, dass ein Vertrag zur Lieferung und Herstellung eines Hauses erst dann zustande komme, wenn der Kläger das Dokument „Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn“ erhalten habe. Bis zu diesem Zeitpunkt könne der Kläger jederzeit kostenlos von der Realisierung des Bauvorhabens Abstand nehmen. Die Anlage Nummer 6 wurde am 25. Oktober 2015 vom Kläger unterzeichnet.

Mit Formblatt vom 13. Oktober 2015 beantragte der Kläger elektronisch eine Förderung seines Bauvorhabens im Rahmen des bayerischen 10.000-Häuser-Programms. Am gleichen Tag erhielt der Kläger vom Beklagten eine Bestätigungsmail mit der Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn.

Mit Einschreiben vom 22. Oktober 2015 wurde dem Kläger ein mit der Überschrift „Auftragsbestätigung“ versehenes Dokument der Baufirma übersendet. In diesem Schreiben bezieht sich die Baufirma auf das als „Auftrag zur Lieferung und Erstellung Ihres ...-Hauses“ bezeichnete Dokument vom 29. September 2015.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Zuwendungen in Höhe von 8.000,00 € für eine netzdienliche Photovoltaikanlage (TechnikBonus).

Bei der Prüfung des Verwendungsnachweises vom 6. September 2017 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger die Baufirma am 29. September 2015 mit der Lieferung und Erstellung eines Fertighauses beauftragt haben soll. Mit Schreiben vom 8. November 2017 kündigte der Beklagte einen Rücknahmebescheid an und räumte dem Kläger eine Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2017 ein.

Nach umfangreichem E-Mail-Verkehr legte die Baufirma die oben genannte Vertragsanlage Nummer 6 mit EMail vom 7. Dezember 2017 vor (Bl. 228 ff. der Behördenakten).

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2017 nahm der Beklagte den Zuwendungsbescheid vom 10. Juni 2016 zurück.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger bereits vor der elektronischen Antragstellung mit der Durchführung der Maßnahme begonnen habe. Gemäß den Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms dürfe mit Maßnahmen nicht vor dem Eingang des elektronischen Förderantrags bei der Bewilligungsstelle begonnen werden. Dabei sei der Maßnahmenbeginn mit der Unterzeichnung des ersten Auftrags für Bauleistungen definiert. Den nachgereichten Unterlagen könne entnommen werden, dass bereits am 29. September 2015 ein Auftrag erteilt worden sei. Da die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn erst am 13. Oktober 2015 erfolgt sei, liege ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn vor. Der Zuwendungsbescheid vom 10. Juni 2016 sei damit rechtswidrig und könne zurückgenommen werden. Auf entgegenstehenden Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, da er im Rahmen der elektronischen Antragstellung unrichtige Angaben hinsichtlich einer Auftragserteilung gemacht habe. Eine vertragliche Bindung habe bereits am 29. September 2015 vorgelegen. Auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der Grundsatz der Gleichbehandlung sowie das öffentliche Interesse an einem einheitlichen und rechtmäßigen Vollzug der Förderrichtlinien würden dafür sprechen, den rechtswidrigen Zuwendungsbescheid zurückzunehmen.

Auf den Bescheid wird verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 ließ der Kläger zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben.

Zur Begründung wurde im Einzelnen ausgeführt, dass der Rücknahmebescheid vom 7. Dezember 2017 rechtswidrig sei. Der Zuwendungsbescheid vom 10. Juni 2016 sei rechtmäßig ergangen. Ein Auftrag für Bauleistungen sei entgegen den Ausführungen des Beklagten nicht bereits am 29. September 2015, sondern frühestens am 1. Dezember 2015 erteilt worden. Zwar habe der Kläger am 29. September 2015 einen Auftrag zur Lieferung und Erstellung eines Hauses unterzeichnet. Bestandteil dieses Auftrages seien jedoch auch die unter d) aufgeführten Anlagen Nr. 1 bis Nr. 15 gewesen. Nach Anlage Nummer 6 des „Auftrags“ vom 29. September dürfe ein Vertrag erst rechtsverbindlich abgeschlossen werden, wenn der elektronische Förderantrag bei der Bewilligungsstelle eingegangen sei. Darüber hinaus bestätige die Baufirma, dass ein Vertrag zur Lieferung und Herstellung eines Hauses erst dann zustande komme, wenn der Kläger das Dokument „Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn“ erhalten habe. Bis zu diesem Zeitpunkt könne der Kläger jederzeit kostenlos von der Realisierung des Bauvorhabens Abstand nehmen. Dies sei von der Baufirma mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 noch einmal gegenüber dem Kläger bestätigt worden. Selbst wenn man von einer rechtsverbindlichen Unterzeichnung eines Auftrags am 29. September 2015 ausgehen würde, würde eine Auslegung des Merkblatts A zum Förderprogramm nicht zu dem Ergebnis führen, dass ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn vorläge. Die Auslegung des Begriffs „Maßnahmenbeginn“ sei mithilfe von Sinn und Zweck der jeweiligen Subventionsvorschriften vorzunehmen. Telos dieser Normen sei es, einerseits die Einwirkungsmöglichkeiten des Zuwendungsgebers auf eine wirtschaftliche und zweckmäßige Ausgestaltung des Vorhabens zu sichern, andererseits den Antragsteller vor finanziellen Nachteilen zu schützen. Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 2. Juni 2016 (VG München, U.v. 2.6.2016 – M 15 K 13.5005 – juris) sei ersichtlich, dass erst der Abschluss eines Vertrages, in dem der Antragsteller fest und zwingend gebunden werde, für den Maßnahmenbeginn maßgeblich sei. Der Teilsatz „Unterzeichnung des ersten Auftrages für Bauleistungen“ des Merkblatts A könne daher nur so verstanden werden, dass der rechtswirksame Abschluss eines Bauvertrages gemeint sei. Denn erst dann gebe ein Antragsteller zu erkennen, dass er das Projekt auf jeden Fall und ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren wolle. Damit könne hinsichtlich des Maßnahmenbeginns frühestens auf die Auftragsbestätigung vom 1. Dezember 2015 abgestellt werden. Auch die Formulierung „Auftrag für bauliche Maßnahmen“ im Formular des Förderantrags spreche dafür, dass es hinsichtlich des vorzeitigen Maßnahmenbeginns nicht auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Auftrages, sondern auf den rechtsverbindlichen Abschluss des Auftrages ankomme. Darüber hinaus sei hinsichtlich des Maßnahmenbeginns auch nicht auf die Gesamtmaßnahme abzustellen, sondern auf das tatsächlich geförderte Projekt. Der Kläger könne sich sehr wohl auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Eine klägerische Vermögensdisposition sei darin zu sehen, dass der Bauvertrag endgültig bestandskräftig geworden sei. Dem Kläger könne nicht vorgeworfen werden, Unterlagen nicht bereits früher an den Beklagten übersandt zu haben. Es sei zu keinem Zeitpunkt nach den Auftragsunterlagen gefragt worden. Auch der Umstand, dass der Kläger rechtlicher Laie sei, müsse berücksichtigt werden. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt den Zuwendungsbescheid durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt. Die Rechtswidrigkeit dessen hätte er nicht erkennen können.

Ergänzend wurde mit Schriftsatz vom 18. Juni 2018 geltend gemacht, dass auf Grund des vereinbarten kostenfreien Rücktrittsrechts für den Kläger eine vertragliche Bindung im Zeitpunkt der Auftragserteilung am 29. September 2015 nicht vorgelegen habe.

Auf die Klagebegründung und die ergänzenden Schriftsätze wird verwiesen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2017 aufzuheben.

Der Beklagte trat dem mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017 entgegen und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte die Anlage Nummer 6 erst nach Erlass und Versand des Rücknahmebescheides erhalten habe. Dieser Anlage lasse sich weder eine Unterschrift noch ein Eingangsstempel der Baufirma entnehmen. Die vertragliche Bindung am 29. September 2015 sei somit ohne Vorbehalt erfolgt. Im Programmteil EnergieSystemHaus werde hinsichtlich der Beurteilung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns auf eine vertragliche Bindung des Zuwendungsempfängers durch die Auftragserteilung abgestellt. Die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens werde durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. April 2018 (W 8 K 18.34) bestätigt. Danach müsse eine Einschränkung der verbindlichen Willenserklärung ausdrücklich und eindeutig für den Fall der Nichtgewährung der Zuwendung vereinbart und bereits in der Bestellung enthalten sein. Vertrauensschutztatbestände zugunsten des Klägers würden nicht eingreifen. Der Kläger sei mehrfach auf die Definition des vorzeitigen Maßnahmenbeginns hingewiesen worden. Das Merkblatt A werde bei elektronischer Antragstellung zusammen mit den Richtlinien und dem Förderantrag dem jeweiligen Antragsteller per E-Mail zugesendet. Da der Kläger den Förderantrag erhalten habe, müsse er auch die E-Mail mit diesem Merkblatt erhalten haben. Darüber hinaus habe der Kläger auf der Antragsplattform aktiv bestätigt, dass er die einschlägigen Merkblätter kenne und zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung noch keinen Auftrag für eine Bauleistung beziehungsweise Anlagentechnik erteilt habe. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des später erlassenen Zuwendungsbescheides hätte der Kläger zumindest grob fahrlässig gehandelt. Vom Beklagten seien mehrfach die vollständigen Vertragsunterlagen inklusive aller Anlagen angefordert worden. Dem Kläger könne damit der Vorwurf gemacht werden, die vollständigen Unterlagen nicht bereits früher übersandt zu haben. Die Abfrage des Datums der ersten Auftragsvergabe erfolge erst nach Durchführung der Maßnahme im Rahmen des Verwendungsnachweisverfahrens, da davon ausgegangen werde, dass gemäß den Erklärungen des Antragstellers kein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn und damit auch noch keine Auftragsunterlagen vorliegen könnten. Dem klägerseits angeführten Aufhebungsbescheid der Regierung von Unterfranken liege eine Fallkonstellation zugrunde, die mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar sei.

Auf die Klageerwiderung und den ergänzenden Schriftsatz vom 6. Juli 2018 wird Bezug genommen.

In der Sache wurde am 17. Juli 2018 mündlich vor Gericht verhandelt. Das Gericht hat den von der Klagepartei genannten Zeugen aufgrund Beschlusses vom 17. Juli 2018 zu sämtlichen Umständen im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss zwischen dem Kläger und der Baufirma über die Errichtung des Einfamilienhauses des Klägers vernommen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme sowie auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2018 wird im Einzelnen Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Behördenakten.

Gründe

I.

Die auf Aufhebung des Bescheids vom 7. Dezember 2017 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Beklagte stützt die Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 10. Juni 2016, mit dem dem Kläger eine einmalige Zuwendung in Höhe von 8.000,00 € für eine netzdienliche Photovoltaikanlage im Rahmen des bayerischen 10.000-Häuser-Programms gewährt wurde, auf Art. 48 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG).

Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt auch nach Unanfechtbarkeit zurückgenommen werden. Soweit durch den Verwaltungsakt ein rechtlicher erheblicher Vorteil begründet wurde, insbesondere eine – wie vorliegend – einmalige Geldleistung gewährt wurde, müssen die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG erfüllt sein.

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach Art. 48 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG liegen nicht vor, der Zuwendungsbescheid vom 10. Juni 2016 ist entgegen der Auffassung des Beklagten rechtmäßig. Allein die Unterzeichnung des „Auftrags über die Lieferung und Erstellung eines Fertighauses“ der Baumfirma am 29. September 2015 durch den Kläger stellt keinen förderschädlichen Maßnahmenbeginn dar.

a) Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 23 BayHO dürfen staatliche Zuwendungen nur dann gewährt werden, wenn ein erhebliches staatliches Interesse an der Zweckerfüllung besteht, das ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann. Einen Verstoß gegen Art. 23 BayHO stellt es dar, wenn Zuwendungen einem Empfänger gewährt werden, der das erhebliche staatliche Interesse an der Zweckerfüllung auch befriedigt, ohne dass ihm hierfür staatliche Zuwendungen gewährt werden. Ein solcher Empfänger gibt zu erkennen, dass er das Vorhaben auch ohne staatliche Zuwendungen verwirklichen will (BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 18). Zusätzlich zu diesem förderrechtlichen Grundsatz soll durch die Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmenbeginns sichergestellt werden, dass der Staat regelmäßig die Möglichkeit hat, auf die Ausgestaltung des Vorhabens Einfluss zu nehmen, um so die Erreichung des staatlicherseits erwünschten Zwecks sicherzustellen. Bei einem förderschädlichen Maßnahmenbeginn vor der Prüfung der Maßnahme wäre diese Einflussmöglichkeit nicht mehr gegeben (VG München, U.v. 2.6.2016 – M 15 K 13.5005 – juris Rn. 50; VG Würzburg, U.v. 16.4.2018 – W 8 K 18.34 – juris Rn. 40).

Dementsprechend bestimmt Nr. 1.3 der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO, dass Zuwendungen nur für solche Vorhaben bewilligt werden dürfen, die noch nicht begonnen worden sind. Nach Nr. 1.3.1 der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO ist als Vorhabenbeginn grundsätzlich der Abschluss eines der Bauausführung zuzurechnenden Lieferungs- und Leistungsvertrags zu werten.

Auch gemäß Ziffer 6.1 Satz 1 und 3 der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms in Form der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 29. Juli 2015 (Az.: 91-9151/3/1), zuletzt geändert am 4. April 2016 (Az.: 91-9151/3/5), darf „mit der Durchführung der zu fördernden Maßnahme nicht vor dem Eingang des elektronischen Förderantrags bei der Bewilligungsstelle begonnen werden. […] Als Maßnahmenbeginn gilt der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags“.

b) Ein solcher der Ausführung zuzurechnender Lieferungs- oder Leistungsvertrag wurde vom Kläger am 29. September 2015 nicht abgeschlossen. Der in den Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO sowie in den Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms verwendete Begriff des „Abschlusses“ eines Vertrags ist dahingehend zu verstehen, dass ein Vertrag geschlossen werden muss. Dafür sprechen der Wortlaut der gerade genannten Regelungen sowie auch die oben dargelegten förderrechtlichen Grundsätze. Erst wenn eine rechtliche Bindung eintritt, gibt ein Empfänger zu erkennen, dass er das Vorhaben auch ohne staatliche Zuwendungen verwirklichen will.

Der Vertrag über die Lieferung und Herstellung eines Fertighauses zwischen dem Kläger und der Baufirma ist jedoch nicht am 29. September 2015 zu Stande gekommen, sondern erst mit dem Zugang des als „Auftragsbestätigung“ versendeten Dokuments vom 22. Oktober 2015 beim Kläger (Bl. 173 der Behördenakte).

Unabhängig davon, wie der geschlossene Vertrag rechtlich zu qualifizieren ist, kommt ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Antrag und Annahme, zu Stande, §§ 145 ff. BGB. Das Dokument „Auftrag zur Lieferung und Erstellung Ihres ... - Hauses“ vom 29. September 2015 stellt einen Antrag des Klägers dar, § 145 BGB. Dies ergibt sich durch Auslegung dieser Erklärung gemäß §§ 133, 157 BGB, da die Baufirma als Erklärungsempfängerin nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte diese als Angebot auf Abschluss eines Vertrags zur Lieferung und Erstellung eines Fertighauses verstehen musste (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 133 Rn. 9). Dies ergibt sich insbesondere auch aus § 1 Nr. 1 Satz 1 der „Vertragsbedingungen“ der Baufirma vom Juli 2015. Danach gibt der Auftraggeber „sein vollständiges und abschließendes Angebot unterschriftlich im Formular „Auftrag zur Lieferung und Erstellung eines ...-Hauses“ ab“.

Dieses Angebot nahm die Baufirma durch die „Auftragsbestätigung“ vom 22. Oktober 2015 (Bl. 173 der Behördenakte) an. Nicht maßgeblich war somit das klägerseits angeführte Dokument vom 1. Dezember 2015. Die „Auftragsbestätigung“ vom 22. Oktober 2015 stellt die Annahmeerklärung (§ 147 BGB) dar, da der Kläger als Erklärungsempfänger diese nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als Annahme seines Angebots auf Abschluss eines Vertrags zur Lieferung und Erstellung eines Fertighauses verstehen musste (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, § 133 Rn. 9). Dies ergibt sich wiederum insbesondere aus § 1 Nr. 1 Satz 3 der „Vertragsbedingungen“ der Baufirma vom Juli 2015. Danach kommt der Vertrag zu Stande mit dem „Zugang der schriftlichen Annahmeerklärung (Auftragsbestätigung) des Angebots durch den Auftragsnehmer“. Wann vorliegend dem Kläger die „Auftragsbestätigung“ zugegangen ist, kann dahinstehen. Da die „Auftragsbestätigung“ vom 22. Oktober 2015 datiert, ist es auf jeden Fall nach dem 13. Oktober 2015 zu einem Zugang i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB gekommen. Damit ist der zwischen dem Kläger und der Baufirma geschlossene Vertrag auch erst nach der Erteilung der Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn vom 13. Oktober 2015 zu Stande gekommen. Ein förderschädlicher frühzeitiger Maßnahmenbeginn liegt somit nicht vor.

c) Diesem Ergebnis steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass gemäß § 1 Nr. 1 Satz 2 der „Vertragsbedingungen“ der Baufirma vom Juli 2015 der Auftraggeber an sein Angebot „ab der Abgabe für vier Wochen unwiderruflich gebunden“ ist. Diese Bindung gibt nur die Gesetzeslage wieder. Gemäß § 145 BGB ist derjenige, der einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Nach § 146 BGB erlischt der Antrag, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den §§ 147 bis 149 BGB rechtzeitig angenommen wird. Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, § 147 Abs. 2 BGB.

Da der Kläger eine Gebundenheit an seinen Antrag vom 29. September 2015 ausweislich der Vertragsunterlagen nicht ausgeschlossen hat und eine Ablehnung des Antrags durch die Baufirma nicht erfolgt ist, war der Kläger bis zum Verstreichen der Annahmefrist an seinen Antrag gebunden. Die Dauer der Annahmefrist ergibt sich aus § 147 Abs. 2 BGB, da der Antrag postalisch gegenüber einem Abwesenden erfolgte. Bei einem Antrag auf Abschluss eines Vertrages zur Lieferung und Herstellung eines Fertighauses kann der Antragende den Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen (zumindest) innerhalb von vier Wochen erwarten. Die Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrags an den Erklärungsempfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegzeit sowie der Zeit für die Rückübermittlung der Antwort an den Antragenden (Ellenberger in Palandt, BGB, § 147 Rn. 6). Hier beträgt die Bearbeitungs- und Überlegzeit der Baufirma nach glaubwürdiger Aussage des in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2018 vernommenen Zeugen vier bis sechs Wochen. Dies erscheint angesichts der Tatsache, dass es sich bei einem Wohnhaus um ein größeres und komplexeres Vorhaben handelt, sowie der Tatsache, dass die Baufirma unter anderem die Kalkulationen des Vertragsvermittlers überprüfen muss, als angemessen. Somit begründet § 1 Nr. 1 Satz 2 der „Vertragsbedingungen“ der Baufirma vom Juli 2015 keine weitergehende Bindung als sie ohnehin von Gesetzes wegen schon besteht.

d) Von den vorstehenden Ausführungen ist auch unter Berücksichtigung der Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Würzburg (VG Würzburg, U.v. 16.4.2018 – W 8 K 18.34 – juris) zum förderschädlichen frühzeitigen Maßnahmenbeginn nicht abzuweichen.

Zwar führt das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Urteil aus, dass „nach dem Sinn und Zweck der Vorbeginnklausel schon die rechtsverbindliche Bestellung (Auftragsvergabe) erfasst ist, die der Betreffende nicht mehr einseitig rückgängig machen kann“ (VG Würzburg, U.v. 16.4.2018 – W 8 K 18.34 – juris Rn. 40). Dieser Auffassung schließt sich das entscheidende Gericht jedoch für den vorliegenden Sachverhalt nicht an. Wie oben bereits ausgeführt ist für das Vorliegen eines förderschädlichen Maßnahmenbeginns allein der Abschluss eines Vertrags maßgeblich und nicht die bloße Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Vertrags. Ziffer 6.1 Satz 5 der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms in Form der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 16. März 2017 (Az.: 91-9151/8/1), zuletzt geändert am 24. Januar 2018 (AllMBl. S. 189), die für den Zeitpunkt des förderschädlichen Maßnahmenbeginns nun ausdrücklich auf die „Abgabe einer bindende[n] Willenserklärung des Antragstellers zum Vertragsschluss“ abstellt, kann mangels Anwendbarkeit nicht in die streitgegenständliche Fassung der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms (Stand: 4. April 2016) hineingelesen werden. Zudem stellt auch das vom Beklagten in Bezug genommene Merkblatt A bei der Definition des Maßnahmenbeginns auf die „Unterzeichnung des ersten Auftrags für Bauleistungen (z.B. Bauvertrag)“ ab. In einer Gesamtbetrachtung dieses Merkblatts A sowie Nr. 1.3.1 der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 BayHO und Ziffer 6.1 Satz 1 und 3 der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms in Form der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 29. Juli 2015 (Az.: 91-9151/3/1), zuletzt geändert am 4. April 2016 (Az.: 91-9151/3/5) ist allein der Abschluss eines rechtsverbindlichen Vertrags maßgeblich für den Zeitpunkt des Maßnahmenbeginns. Im Übrigen würden diesbezügliche Zweifel zu Lasten des Beklagten gehen.

Dem steht auch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2016 (BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris) nicht entgegen. Unter Berücksichtigung des Urteils der Vorinstanz (VG München, U.v. 2.6.2016 – M 15 K 13.5005 – juris) ist mit dem Begriff der „Auftragsvergabe“ (BayVGH, B.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 3, 12, 16 u.a.) der Abschluss eines Vertrags (VG München, U.v. 2.6.2016 – M 15 K 13.5005 – juris Rn. 49, 54) gemeint. Ein derartiger rechtsverbindlicher Vertragsabschluss ist vorliegend jedoch, wie oben im Einzelnen dargelegt, nicht gegeben.

3. Auch die Voraussetzungen für einen Widerruf des Zuwendungsbescheids vom 10. Juni 2016 gemäß Art. 49 Abs. 2a BayVwVfG liegen nicht vor. Da der Kläger die Leistung nicht erhalten hat, scheidet Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG begrifflich schon aus. Auch Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG liegt nicht vor, da mit dem Zuwendungsbescheid vom 10. Juni 2016 keine Auflage verbunden war, gegen die der Kläger verstoßen hat.

Nach alledem war der Bescheid der Regierung von ... vom 7. Dezember 2017 aufzuheben.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen