Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 18 K 4489/17.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils vollstreckbaren Kosten leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.1974 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört zur Volksgruppe der Hindus.
3Er reiste am 26. Juni 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 3. Juli 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag (Aktenzeichen: 0000000 – 423). Am 9. Dezember 2015 fand die Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt statt.
4Mit Bescheid vom 5. Januar 2017 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ebenso ab wie die Anerkennung als Asylberechtigter. Auch den subsidiären Schutzstatus erkannte es nicht zu. Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Schließlich forderte es den Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise auf und befristete die Wirkungen der Abschiebung auf 18 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
5Gegen diesen, an den Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers vom Bundesamt am 6. Januar 2017 als Einschreiben zur Post gegebenen Bescheid, hat der Kläger am 15. März 2017 Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Klagefrist beantragt. Insoweit trägt er vor, der angefochtene Bescheid sei dem Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers am 9. Januar 2017 zugegangen. Am 10. Januar 2017 habe der Prozessbevollmächtigte zu 1. des Klägers den Bescheid an den Kläger zur Kenntnisnahme zur Post gegeben. Dieses Schreiben habe den Kläger, der in einer Sammelunterkunft untergebracht sei, jedoch nicht erreicht. Da der Kläger das Schreiben nicht erhalten habe, habe er seinen Prozessbevollmächtigten zu 1. auch nicht bevollmächtigen können, Klage zu erheben. Sein Prozessbevollmächtigter zu 1. sei davon ausgegangen, dass der Bescheid dem Kläger zugegangen sei und der Kläger keine Klageerhebung wünsche. Der Kläger habe erst am 13. März 2017 von der Ausländerbehörde erfahren, dass es einen ablehnenden Bescheid des Bundesamtes gebe. Nach entsprechender Kontaktierung des Prozessbevollmächtigten zu 1. habe der Kläger diesen am 14. März 2017 bevollmächtigt, Klage gegen den Bescheid zu erheben. Vor diesem Hintergrund sei der Ablauf der Klagefrist nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen.
6Der Kläger beantragt (sinngemäß),
7die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 5. Januar 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
8hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
9weiter hilfsweise festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG besteht.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Das Gericht kann aufgrund entsprechender Übertragung des Rechtsstreits durch die Einzelrichterin entscheiden sowie ferner gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu der Möglichkeit einer solchen Entscheidung gehört worden sind.
15Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist mangels Wahrung der Klagefrist bereits unzulässig.
16Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Diese Zweiwochenfrist ist mit der Erhebung der Klage am 15. März 2017 nicht eingehalten, denn der Bescheid des Bundesamtes vom 5. Januar 2017 ist dem Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers am 9. Januar 2017 zugegangen. Dieser Tag gilt vor dem Hintergrund, dass das Bundesamt den Bescheid als Einschreiben am 6. Januar 2017 zur Post gegeben hat, auch als Zeitpunkt der Zustellung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG. Die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers war auch wirksam. Insbesondere lag kein Fall vor, in dem ein Bescheid des Bundesamtes dem Ausländer selbst zuzustellen ist (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 5 AsylG).
17Für die Erhebung der Klage galt ferner nicht ausnahmsweise die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Der Bescheid des Bundesamtes vom 5. Januar 2017 war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Soweit diese den Passus enthält, die Klage müsse „in deutscher Sprache abgefasst“ sein, macht dieser sie nicht unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
18BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6/18 - juris, Leitsatz.
19Dem Kläger war auf seinen Antrag schließlich auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu gewähren. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (Abs. 1). Dabei ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (Abs. 2 Sätze 1 und 2).
20Vorliegend fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung der Tatsachen, die nach Ansicht des Klägers eine Wiedereinsetzung rechtfertigen. Insoweit hat der Kläger zwar angegeben, sein Prozessbevollmächtigter zu 1. habe den Bescheid an den Kläger zur Kenntnisnahme am 10. Januar 2017 zur Post gegeben. Jedoch hat der Kläger weder angegeben noch durch Vorlage entsprechender Unterlagen glaubhaft gemacht, an welche Anschrift sein Prozessbevollmächtigter zu 1. den Bescheid übersandt haben will. Einer solchen detaillierten Darlegung und Glaubhaftmachung hätte es jedoch schon deshalb bedurft, weil der Kläger sich während des Laufs seines Asylverfahrens vor dem Bundesamt (mindestens) an zwei verschiedenen Anschriften aufgehalten hat (T.------straße 00 bzw. C.---straße 00, jeweils in L. ) und in der Klageschrift eine auch davon noch abweichende weitere Adresse, nämlich F. Straße 000 in L. genannt ist. Auch ist nicht - ohne Weiteres - ersichtlich, dass es sich bei der letztgenannten Anschrift um eine Asylbewerberunterkunft handelt. Der Kläger hat jedoch angegeben, der Bescheid seines Prozessbevollmächtigten zu 1. habe ihn deshalb nicht erreicht, weil er in einer Sammelunterkunft untergebracht sei.
21Unabhängig davon ist auch unter Zugrundelegung des - nicht glaubhaft gemachten - Vortrags eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen. Denn der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die Klagefrist einzuhalten. Vielmehr ist ein schuldhaftes Verhalten des Prozessbevollmächtigten zu 1. des Klägers festzustellen, welches sich der Kläger auch im Asylverfahren,
22BVerwG, Urteil vom 23. November 1982 - 9 C 167/82 -, juris, Rn. 8,
23gemäß §§ 173 VwGO, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
24Zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts gehört es, im Rahmen des ihm Zumutbaren dafür Sorge zu tragen, dass seine Mitteilungen den Mandanten zuverlässig und rechtzeitig erreichen. Dabei besteht im Asylverfahren die Obliegenheit, den Gründen für das Ausbleiben einer Antwort des Mandanten auf eine Bitte um Rücksprache - rechtzeitig - nachzugehen.
25BVerwG, Urteil vom 24. November 1981 - 9 C 488/81 -, juris, Rn. 14.
26Auch ohne eine solche Rücksprachebitte darf der Rechtsanwalt es in Asylverfahren nicht bei einem einmaligen Benachrichtigungsversuch bewenden lassen. Denn in solchen Verfahren ist regelmäßig eine Reaktion des Mandanten auf entsprechende Benachrichtigungen zu erwarten. Ferner kommt es bei Ausländern nicht selten zu Schwierigkeiten bei der Postzustellung. Vor diesem Hintergrund ist der Rechtsanwalt etwa nach erfolglosem Zustellversuch bei seinem Mandanten gehalten, gegebenenfalls nochmals und nicht nur mit einfachem Brief Rückfrage zu halten oder sich auf sonstige Weise zu vergewissern, ob dieser eine Weiterverfolgung seiner Rechte wünscht.
27BVerwG, Urteil vom 23. November 1982 - 9 C 167/82 -, juris, Rn. 8.
28Unter Anlegung dieser Maßstäbe war der Prozessbevollmächtigte zu 1. des Klägers in Anbetracht des Umstandes, dass gegenüber dem Kläger als afghanischem Staatsangehörigen ein ablehnender Bundesamtsbescheid ergangen war und er diesen Bescheid - seinen Angaben zufolge - an die Anschrift einer Sammelunterkunft übersandt hat, gehalten sich zu vergewissern, dass die mangelnde Reaktion des Klägers tatsächlich seinen Grund darin hatte, dass dieser eine Klage gegen den Bescheid nicht erheben wollte. Indem er weiteren Kontakt zum Kläger - in welcher Form auch immer - weder während des Laufs der Klagefrist noch danach aufnahm, hat er seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten verletzt. Dabei sei an dieser Stelle ergänzend angemerkt, dass weder dargelegt noch glaubhaft gemacht ist, welchen Inhalt das Begleitschreiben hatte, mit dem der Prozessbevollmächtigte zu 1. den Bescheid an den Kläger übersandt hat.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
31Rechtsmittelbelehrung:
32Gegen diesen Gerichtsbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung die Zulassung der Berufung (1) oder mündliche Verhandlung (2) beantragt werden. Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
33(1) Über den Antrag auf Zulassung der Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
341. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
352. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
363. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
37Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich zu stellen. Er muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen.
38Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
39In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
40Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
41Die Antragsschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
42(2) Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
43Der Antrag ist schriftlich, als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen.
44Der Antrag soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- ZPO § 173 Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle 1x
- ZPO § 85 Wirkung der Prozessvollmacht 1x
- VwGO § 84 2x
- VwGO § 167 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 4 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 60 1x
- § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- § 74 Abs. 1 Satz 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG 1x (nicht zugeordnet)
- § 31 Abs. 3 Satz 5 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 58 2x
- VwGO § 154 1x
- RVG § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz 1x
- 1 C 6/18 1x (nicht zugeordnet)
- 9 C 167/82 2x (nicht zugeordnet)
- 9 C 488/81 1x (nicht zugeordnet)