Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (4. Kammer) - 4 A 62/13

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen eine nachträgliche Anordnung des Beklagten, mit dem dieser eine Sicherheitsleistung fordert.

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Sie ist Betreiberin einer Anlage zur biologischen Behandlung von industriellen und kommunalen Reststoffen auf der Hochhalde B-Stadt. Sie ist Rechtsnachfolgerin der {A.} Betriebsgesellschaft mbH, die mit der Klägerin verschmolzen wurde. Die Verschmelzung wurde am 12. August 2014 im Handelsregister eingetragen.

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Mit Schreiben vom 29. April 1994 beantragte die {B.} GmbH die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Verwertung von industriellen und kommunalen Reststoffen und Abfällen, insbesondere Industrieklärschlämmen, durch Kompostierung in der Gemarkung B-Stadt, Flur 3, Flurstück 16/5. In den Antragsunterlagen wurde die Kapazität mit 9,9 t/h angegeben. Das Anlagenkonzept beinhalte

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- sechs offene Mietenplätze

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- befestigte Flächen zur Aufbereitung und Bereitstellung des Kompostmaterials

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- einen Bereitstellungsraum für landwirtschaftliche Maschinen zur Umsetzung der Mieten

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- eine Logistikfläche und einen Aufstellungsraum für einen Bürocontainer.

8

Als Anlage 3 wurden dem Antrag Anlagen-, Verfahrens- und Betriebsbeschreibungen beigefügt. Auf Blatt 3 wurden unter Nr. 3.3 die Maße der Mieten angegeben. Auf Blatt 8 und 9 erfolgte unter Nr. 3.7.3 eine Erläuterung des Kompostierungsverfahrens. Danach erfolge die Kompostierung in offener Mietenkompostierung, d.h. auf nicht überdachten Rotteflächen. Die Mietenkompostierung werde in Dreiecksmieten mit folgender Geometrie durchgeführt:

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- Höhe:

        

max. 1,5 – 1,8 m

- Breite:

        

max. 5 m

- Länge:

        

ca. 45 m

- Volumen:

        

ca. 4 m³/m.

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Unter Nr. 3.7.3.1 ist dargestellt, dass die angelieferten Rohstoffe getrennt abgelagert werden.

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Im unter Nr. 2.4 eingereichten Lageplan sind das Betriebsgrundstück und dessen Aufteilung dargestellt. Danach befinden sich im östlichen Bereich sechs Mietenplätze, die durch befestigte Fahrspuren getrennt sind und Maße von jeweils 12 m x 145 m aufweisen. Im westlichen Teil ist eine Reservefläche für Ausgangsstoffe mit einer Fläche von 75 m x 100 m vorgesehen.

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Mit Bescheid vom 07. Februar 1995 erteilte das Staatliche Amt für Umweltschutz {C.} (Saale) – STAU – der {D.}GmbH eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer „Anlage zur Verwertung von industriellen und kommunalen Reststoffen und Abfällen, insbesondere Industrieklärschlämmen, mittels Kompostierung“ mit einer Durchsatzleistung von 9,9 t/h (Jahresdurchsatz 86.700 t) am Standort B-Stadt.

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Nach Ziffer III.1.1 des Bescheids ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Anlage nach Maßgabe der unter II. aufgeführten Beschreibungen und Zeichnungen – dazu gehören die vorgenannten Antragsunterlagen – zu errichten und zu betreiben. In der Genehmigung sind zudem die verschiedenen zugelassenen Einsatzstoffe im Einzelnen bestimmt.

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Mit Bescheid vom 18. Dezember 2001 stellte der Landkreis {E.} die zulässigen Einsatzstoffe unter Zuordnung der Abfallschlüsselnummern der Abfallverzeichnisverordnung fest.

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Unter dem 27. Mai/30.Juni 2003 zeigte die {B.} GmbH eine Änderung des Betriebs der Anlage an. Danach werde die Betriebsfläche auf unbestimmte Zeit in zwei Betriebseinheiten aufgeteilt. Im Betriebsteil I werde wie bislang genehmigt verfahren. Im Betriebsteil II werde nur kommunaler Klärschlamm kompostiert. Für den Betriebsteil II werde zudem der Katalog der Einsatzstoffe um drei Abfallarten erweitert. In dem beigefügten Lageplan sind im westlichen Grundstücksteil 12 Mietenplätze mit Abmessungen von je 70 m x 5 m sowie ein Lager für den Betriebsteil II für 1.000 t dargestellt. Im östlichen Bereich sind 5 Mietenplätze mit Abmessungen von je 12 m x 120 m sowie ein „Lager- und Mischplatz“ für den Betriebsteil I dargestellt. Mit Bescheid vom 16. Juli 2003 stellte Regierungspräsidium {C.} fest, dass die angezeigte Änderung keine genehmigungsbedürftige Änderung sei.

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Unter dem 24. Mai 2004 zeigte die {B.} GmbH an, dass einer der 5 Mietenplätze im Betriebsteil I zur Herstellung von kommunalen Klärschlammkomposten zur Verwertung in der Landwirtschaft verwendet werde. Die Lagerfläche im Betriebsteil I werde aufgeteilt in eine Fläche für kommunale Klärschlämme zur Herstellung von Kompost zur Verwertung in der Landwirtschaft, in eine Fläche für industrielle und kommunale Klärschlämme zur Sanierung von MKW-belasteten Klärschlämmen mittels Kompostierung und eine Fläche für Zuschlagstoffe. Im beigefügten Lageplan wurden die einzelnen Flächen dargestellt. Mit Bescheid vom 09. Juli 2004 stellte der Beklagte fest, dass die angezeigte Änderung keine genehmigungsbedürftige Änderung sei.

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Weitere Änderungsanzeigen der {B.} GmbH betrafen im Wesentlichen die Erweiterung des Katalogs der Einsatzstoffe.

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Unter dem 11. Oktober 2007 teilte die {B.} Betriebsgesellschaft mbH dem Beklagten mit, dass sie neue Betreiberin der Anlage sei.

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Mit nachträglicher Anordnung vom 09. September 2010 forderte der Beklagte von der dieser zur Sicherstellung der Anforderungen nach § 5 Abs. 3 BImSchG eine Sicherheitsleistung in Höhe von 2.213.400,- Euro durch Hinterlegung einer unwiderruflichen selbstschuldnerischen Bankbürgschaft unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechnung und der Vorausklage. Unter dem 15. März 2012 änderte der Beklagte den Bescheid in Bezug auf die Erbringung der Art der Sicherheitsleistung. Auf die Klage der Rechtsvorgängerin der Klägerin hob die Kammer den Bescheid mit auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012 ergangenem Urteil (4 A 358/10 HAL) hinsichtlich eines 45.000,- Euro übersteigenden Betrags wegen fehlerhafter Ermessensausübung auf.

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Mit Schreiben vom 29. November 2012 hörte der Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin zum beabsichtigten Erlass einer nachträglichen Anordnung über die Erhebung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 819.956,25 Euro zuzüglich Umsatzsteuer an. Mit Schreiben vom 22. Januar 2013 machte die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Wesentlichen geltend, die der Berechnung der Sicherheitsleistung zugrunde liegenden Mengen könnten nicht nachvollzogen werden. Da sie nach der Genehmigungslage in der Gestaltung und Anlage der Mieten frei sei, lagerten mitunter deutlich höhere als die angenommenen Mengen auf dem Betriebsgrundstück. Zudem seien die angenommenen Entsorgungspreise überhöht. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass aus den in der Miete mit Strukturmaterial aufgesetzten Klärschlämmen aufgrund des natürlichen Rotteprozesses nach Ablauf einiger Wochen, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Radladers zur Umsetzung, wertvolle Komposte und Düngemittel entstünden, die nicht aufwändig entsorgt werden müssten. Dem Sicherungsbedürfnis werde hinreichend Genüge getan, wenn der vor Ort befindliche Radlader als Sicherheit an das Grundstück gebunden werde und finanzielle Mittel vorhanden seien, um einen Fahrer des Radladers für mindestens eine Woche zu beschäftigen. Dafür sei ein Betrag von 20.000 Euro ausreichend. Umliegende Landwirte seien zudem an dem von ihr hergestellten Dünger interessiert, so dass die Komposte nach Durchlaufen eines sechsmonatigen Kompostierungsprozesses an diese zur Abholung freigegeben werden könne, ohne die Anlage beräumen zu müssen. Da sich der Standort der Anlage im Bereich der Deponie „Hochhalde B-Stadt“ befinde, gehe davon zudem keine Gefahr aus. Auch seien die vom Landesamt für Umweltschutz ermittelten Preise nicht realistisch und unverwertbar. Schließlich sei auch der Ansatz der Umsatzsteuer fehlerhaft.

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Mit nachträglicher Anordnung vom 06. Februar 2013 forderte der Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin auf, eine Sicherheitsleistung zu Gunsten des Landes Sachsen-Anhalt in Höhe von 819.956 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zu hinterlegen (1.). Unter Ziffer 2. der Anordnung ließ ihr der Beklagte nach, den Betrag in fünf Beträgen zu je 163.991,20 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zu erbringen, wobei die erste Rate acht Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids sowie die folgenden Raten jeweils zum Ende der Jahre 2013 bis 2016 fällig würden. Nach Ziffer 3. der Anordnung kann das Mittel der Sicherheitsleistung unter Beachtung der Maßgaben der §§ 233 bis 240 BGB aus den Mitteln des § 232 BGB frei gewählt werden. Vor der Hinterlegung ist dem Beklagten das gewählte Sicherungsmittel mitzuteilen und nach Zustimmung über die Zulässigkeit und Eignung bei dem für den Standort der Anlage zuständigen Amtsgericht (Hinterlegungsstelle) unter Verzicht auf die Rücknahme zu hinterlegen. Eine Kopie des Hinterlegungsscheins ist dem Beklagten binnen vier Wochen zu den Akten zu reichen. Unter Ziffer 5. der Anordnung bestimmte der Beklagte, dass die Höhe der Sicherheit in begründeten Fällen von der zuständigen Behörde an die Bedingungen des Marktes angepasst werden könne. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, die Anordnung beruhe auf § 17 Abs. 4a BImSchG. Im Rahmen der Ermessensentscheidung werde berücksichtigt, dass durch die Sicherheitsleistung sichergestellt werde, dass der Anlagenbetreiber die ihm obliegenden Maßnahmen nach Betriebseinstellung auch tatsächlich auf eigene Kosten erfülle. Das wirtschaftliche Interesse der Rechtsvorgängerin der Klägerin, davon verschont zu bleiben, müsse insoweit zurücktreten. Dies entspräche auch dem Gleichbehandlungsgebot, weil alle bestehenden Abfallentsorgungsanlagen sukzessive auf eine entsprechende Absicherung der Nachsorgekosten überprüft würden. Die Höhe der Sicherheitsleistung bestimme sich nach den voraussichtlichen Entsorgungskosten. Diese seien anhand der höchstzulässigen Abfallmengen und der geschätzten Entsorgungskosten für die jeweilige Abfallart ermittelt worden. Die höchstzulässigen Mengen habe er auf der Grundlage der genehmigten Lagerflächen und der genehmigten Belegung dieser Flächen berechnet. Zudem sei berücksichtigt worden, dass auf den Lagerflächen Abfälle verschiedener Arten lagern könnten. Hinsichtlich der Höhe der Kosten habe er die vom Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt erarbeitete Übersicht zu den durchschnittlichen Entsorgungskosten herangezogen. Verlässliche Nachweise über geringere Entsorgungskosten habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht vorgelegt. Deren Einwand, die zur Kompostmiete aufgesetzten, mit Strukturmaterial durchmischten Klärschlämme wiesen eine neue Qualität, sei dadurch Rechnung getragen worden, dass insoweit lediglich ein gegenüber dem Entsorgungspreis für reinen Klärschlamm reduzierter Preis angesetzt worden sei. Dass bereits mit Bescheid vom 09. September 2010 eine Sicherheitsleistung von 45.000 Euro erhoben worden sei, habe er im Rahmen der Berechnung der nunmehr geforderten Sicherheitsleistung berücksichtigt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung der Sicherheitsleistung wird auf die Seiten fünf bis zwölf des Bescheids des Beklagten vom 06. Februar 2013 verwiesen. Künftigen Unwägbarkeiten solle durch den auf § 240 BGB gestützten Vorbehalt der Nachforderung der Rechnung getragen werden.

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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat am 05. März 2013 Klage erhoben.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte Ziffer 5. der nachträglichen Anordnung vom 06. Februar 2013 aufgehoben. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

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Zu Begründung der Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Die Erhebung der Sicherheitsleistung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG lediglich zur Erhebung einer Sicherheitsleistung ermächtige. Da der Beklagte bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 09. September 2010 eine Sicherheitsleistung erhoben habe, scheide die Heranziehung zu einer weiteren Sicherheitsleistung aus. Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 25. Oktober 2012 (2 L 87/11) komme zwar im Falle des Wiederaufgreifens des Verfahrens unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG eine reformatio in peius in Betracht. Sie habe aber bereits keinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gestellt, sondern vielmehr auf die Bestandskraft des Bescheids vom 09. September 2010 vertraut. Zudem habe der Beklagte im Rahmen seiner Ermessensentscheidung ihr besonderes Interesse an der Beibehaltung der bereits festgesetzten Sicherheitsleistung nicht berücksichtigt. Die geforderte Sicherheitsleistung erreiche zudem eine Höhe, die sie aus ihrem zu versteuernden Gewinn nicht aufbringen könne, zumal der Beklagte für die von ihr betriebene Anlage in {F.} ebenfalls eine erhebliche und kaum zu realisierende Sicherheitsleistung fordere. Darüber hinaus seien im Falle der Betriebseinstellung keine Abfälle zu entsorgen. Die aufgesetzten Mieten stellten nach einem gewissen Zeitablauf wertvolle Düngemittel dar, die auf dem Gelände gefahrlos verbleiben könnten und nicht kostenintensiv entsorgt werden müssten. Die Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung sei zudem nicht nachvollziehbar. Schließlich sei die Erhebung einer Umsatzsteuer unzulässig.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 06. Februar 2013 in der Gestalt der Änderung vom 01. September 2014aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er macht im Wesentlichen geltend: Soweit § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG zur Erhebung einer Sicherheitsleistung ermächtige, sei damit keine Beschränkung auf eine einmalige Erhebung verbunden. Auch habe die Klägerin dem Urteil der Kammer zum Aktenzeichen 4 A 358/10 HAL entnehmen können, dass die Sicherheitsleistung von 45.000 Euro zur Erfüllung der Nachsorgepflichten nicht ausreichend sei. Es liege auch kein Fall der reformatio in peius vor, da der Bescheid vom 06. Februar 2013 eine eigenständige Regelung enthalte und den bestandskräftigen Bescheid vom 10. September 2010 nicht unmittelbar berühre. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Gefahr bestehe, dass sich nach einer Betriebseinstellung noch Abfälle auf dem Anlagengelände befänden und behördlich beseitigt werden müssten. Aus den aufgesetzten Mieten entstünden nicht durch reinen Zeitablauf wertvolle Düngemittel, vielmehr sei insoweit regelmäßiges Umsetzen nötig. Unabhängig davon käme der Verfahrensweise auch ohne Umsetzen der Mieten einer Fortführung des Anlagenbetriebs gleich, der bei der Bestimmung der Entsorgungskosten außer Betracht zu lassen sei.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

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Die Klage hat im Wesentlichen keinen Erfolg.

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Die angefochtene nachträgliche Anordnung vom 06. Februar 2013 in der Gestalt der Änderung vom 01. September 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit eine Sicherheitsleistung vom mehr als 818.591,12 Euro zuzüglich Umsatzsteuer bzw. fünf Teilbeträge von mehr als 163.991,22 Euro zuzüglich Umsatzsteuer gefordert werden. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.

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Rechtliche Grundlage der Ziffern 1. bis 3. der angefochtenen nachträglichen Anordnung ist § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG in der seit dem 01. März 2010 geltenden Fassung. Danach soll zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Abs. 3 bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden.

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I. Die Voraussetzungen für die Forderung einer Sicherheitsleistung liegen vor. Bei der Anlage der Klägerin handelt es sich um eine Abfallentsorgungsanlage im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, nämlich um eine nach Nr. 8.6 Buchstaben a und b der Spalte 1 (ab dem 02. Mai 2013 Nr. 8.6.1.1 und 8.6.2.1) des Anhangs zur 4. BImSchV i.V.m. § 1 Abs. 1 4. BImSchV genehmigungspflichtige Anlage zur biologischen Behandlung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Anwendung finden, mit einer Durchsatzleistung von 10 Tonnen bzw. 50 Tonnen Abfällen oder mehr je Tag.

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II. Die Entscheidung des Beklagten über die Erhebung der Sicherheitsleistung ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden (dazu 1.). Auch die Prognose der potentiellen Entsorgungskosten ist rechtlich frei von Bedenken (dazu 2.). Im Rahmen der Anrechnung der bereits bestandskräftig festgesetzten Sicherheitsleistung von 45.000 Euro brutto ist dem Beklagten jedoch ein Rechenfehler unterlaufen (dazu 3.).

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1. Sind die Voraussetzungen gegeben, „soll“ eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Danach ist die Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Behörde im Regelfall obligatorisch. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen darf sie davon absehen. Atypische Umstände, die es rechtfertigen, ausnahmsweise von der Erhebung einer Sicherheitsleistung abzusehen, liegen nicht vor. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, sicherzustellen, dass die öffentliche Hand bei Zahlungsunfähigkeit des Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage nicht die zum Teil erheblichen Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten zu tragen hat. Die Nachsorgepflichten des § 5 Abs. 3 BImSchG, deren Erfüllung durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung gewährleistet werden soll, entstehen erst nach der – gleich aus welchem Grund erfolgenden – Betriebseinstellung und damit zu einem bei Bescheiderlass nicht vorhersehbaren künftigen Zeitpunkt. Ob dann der Anlagenbetreiber noch liquide sein wird, ist im Allgemeinen nicht vorhersehbar. Etwas anderes gilt nur für Betreiber, bei denen eine Insolvenz von vornherein ausgeschlossen ist, etwa wenn die Anlage von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – unmittelbar oder als Eigenbetrieb – betrieben wird (BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 – BVerwG 7 C 44.07 – Juris Rn. 28 f.). Im Hinblick darauf ist ein behördliches Ermessen hinsichtlich der Frage, ob eine Sicherheitsleistung zu erheben ist, grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn der Betreiber aus Rechtsgründen keinem Insolvenzrisiko unterliegt (Czajka in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Stand 02/2014, § 17 BImSchG Rn. 113). Das trifft auf die Klägerin aber unstreitig nicht zu.

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Die Erhebung der Sicherheitsleistung dem Grunde nach ist auch nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil der Beklagte bereits mit Bescheid vom 09. September 2010 in der Gestalt der Änderung vom 15. März 2012 eine Sicherheitsleistung bestandskräftig im Umfang von 45.000 Euro gefordert hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin gestattet § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG nicht lediglich die einmalige Erhebung einer Sicherheitsleistung. Soweit es in der Norm heißt, dass eine Sicherheitsleistung angeordnet werden soll, handelt es sich dabei – worauf der Beklagte zutreffend hinweist – um den Gebrauch eines unbestimmten Artikels. Auf eine bestimmte Anzahl wird die Anordnung einer Sicherheitsleistung dagegen nicht beschränkt. Das ergibt sich bereits daraus, dass im Gesetz nicht von einer einmaligen Anordnung einer Sicherheitsleistung die Rede ist und im Übrigen aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die öffentliche Hand vor Nachsorgekosten zu bewahren.

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Dass die Klägerin keinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gestellt hatte, änderte an der Befugnis des Beklagten zur Anordnung der Sicherheitsleistung ebenfalls nichts. Hier steht nicht die Aufhebung oder Änderung des Bescheids des Beklagten vom 09. September 2010 in der Gestalt der Änderung vom 12. März 2012 im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens in Rede, sondern vielmehr die Erhebung einer weiteren Sicherheitsleistung durch eine selbständige nachträgliche Anordnung, die neben den vorgenannten Bescheid tritt und diesen unberührt lässt. Der Erlass einer solchen nachträglichen Anordnung setzt einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht voraus, sondern kann unmittelbar auf § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG gestützt werden (Jarass, BImSchG, Kommentar, 9. Auflage 2012, § 17 Rn. 80). Dabei bedurfte es auch keiner Berücksichtigung eines besonderen Vertrauens der Klägerin im Hinblick auf die mit Bescheid vom 09. September 2012 in der Gestalt der Änderung vom 15. März 2012 in Höhe von 45.000 Euro bereits bestandskräftig festgesetzte Sicherheitsleistung. An einem schützenswerten Vertrauen der Klägerin fehlte es insoweit nämlich. Die Kammer hatte mit auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012 ergangenem Urteil (4 A 358/10 HAL) entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung in vorgenannter Höhe festgestellt, sondern vielmehr den Bescheid teilweise aufgehoben, weil der Beklagte sein Ermessen hinsichtlich der Modalitäten der Erbringung der Sicherheitsleistung fehlerhaft ausgeübt hatte und die festsetzte Sicherheitsleistung von 2,2 Mio. Euro zuzüglich Umsatzsteuer überhöht war. Die Beschränkung der Aufhebung des Bescheids beruhte dabei einzig auf dem entsprechend eingeschränkten Klageantrag. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der der seitens der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 L 87/11 – Juris) zugrunde lag. Gegenstand der Entscheidung war nämlich – anders als hier – der Widerruf einer rechtmäßigen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beigefügten Nebenbestimmung zur Erbringung einer Sicherheitsleistung und deren höhere Neufestsetzung.

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2. Die Höhe der insgesamt erforderlichen Sicherheitsleistung hat der Beklagte auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei bemessen. Da die Sicherheitsleistung der Erfüllung der Nachsorgepflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG dient, hat sich die Anordnung einer Sicherheitsleistung an der voraussichtlichen Höhe der Kosten für die Erfüllung dieser Pflichten durch die Behörde im Wege der Ersatzvornahme zu orientieren. Insoweit liegt der Festsetzung der Sicherheitsleistung eine Prognose der Kosten einer künftigen Ersatzvornahme zugrunde, die im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Anordnung betrifft in der Zukunft liegende Pflichten, und die Behörde muss abschätzen, ob und in welchem Umfang diese Pflichten entstehen werden. Eine solche Prognose ist schon ihrem Wesen nach stets mit Unwägbarkeiten hinsichtlich ungewisser zukünftiger Entwicklungen belastet. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich daher insoweit darauf, ob der Beklagte bei seiner Entscheidung den zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat und ob die Prognose der Kosten über die voraussichtlichen Entsorgungskosten vertretbar ist (OVG LSA, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 L 87/11 – Juris Rn. 47).

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Hiervon ausgehend ist die Prognose des Beklagten, die Entsorgungskosten beliefen sich voraussichtlich auf insgesamt 856.406 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, nicht zu beanstanden.

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a. Maßstab für die Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung ist der Sicherungszweck. Dieser wird bestimmt durch die aus § 5 Abs. 3 BlmSchG folgenden Nachsorgepflichten; denn die Sicherheitsleistung wird erbracht, damit die für die Überwachung und Durchsetzung der Nachsorgepflichten zuständige Behörde gegebenenfalls mit diesen Mitteln eine Ersatzvornahme finanzieren kann. Nach § 5 Abs. 3 BlmSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu betreiben, dass auch nach einer Betriebseinstellung von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands des Betriebsgeländes gewährleistet ist. Diese sog. Nachsorgepflichten sind im Hinblick auf die jeweilige Anlage zu konkretisieren, d.h. es ist festzustellen, welche Gefahren durch die Anlage verursacht werden (OVG LSA, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 L 87/11 – Juris Rn. 48).

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Der Beklagte hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass hier die Gefahr besteht, dass sich nach einer Betriebseinstellung Abfälle aus den Mietenflächen und aus dem Lager für Ausgangsstoffe auf dem Betriebsgrundstück befinden und durch den Beklagten entsorgt werden müssen.

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Der Einwand der Klägerin, die Abfälle könnten auf dem Grundstück verbleiben, da sich die von ihr betriebene Anlage auf dem Gelände einer Deponie befinde, geht fehl. Es liegt auf der Hand, dass die Ablagerung der Abfälle auf den von der Klägerin genutzten Flächen keine gemeinwohlverträgliche Abfallbeseitigung im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG, § 15 Abs. 2 KrWG darstellt. Das folgt schon daraus, dass nach § 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG Abfälle zum Zwecke der Beseitigung nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen (Abfallbeseitigungsanlagen) abgelagert werden dürfen. Insoweit muss die Anlage für die Beseitigung (Ablagerung) der konkret in Rede stehenden Abfälle zugelassen sein. Das trifft auf das Betriebsgrundstück der Klägerin offensichtlich schon deshalb nicht zu, weil die Ablagerungsphase auf der Deponie Hochhalde B-Stadt seit mehreren Jahren beendet ist (vgl. http://www.laf-lsa.de/projekte/altdeponien/).

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b. Im Rahmen der Ermittlung der Höhe der Entsorgungskosten hat der Beklagte zu Recht auf die bei der Stilllegung potentiell lagernden Abfälle und insoweit auf die maximal durch die Genehmigung zugelassene Abfallmenge abgestellt. Dies entspricht der – nicht zu beanstandenden – Regelung Ziffer 3.1 Buchstabe a Satz 1 im Runderlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 20. Januar 2005 (- 32.1 - 44002, MBl. LSA 2005, S. 52), zuletzt geändert durch Runderlass vom 22. Mai 2009 (MBl. LSA 2009, S. 398) – im Folgenden: Runderlass MLU –, der insoweit eine den Beklagten bindende und seine Prognose lenkende Verwaltungsvorschrift darstellt (OVG LSA, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 L 87/11 – Juris Rn. 45, 49), und ist sachgerecht, weil der konkrete Umfang der bei einer möglichen Betriebseinstellung auf dem Anlagengrundstück lagernden Abfälle nicht vorhersehbar ist (BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 – BVerwG 7 C 44.07 – Juris Rn. 42).

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Da in der Anlagengenehmigung der Klägerin ausdrückliche Festlegungen zu den maximalen Lagermengen der einzelnen Abfälle nicht getroffen worden sind, hat der Beklagte diese auf der Grundlage der genehmigten Lagerflächen und der genehmigten Belegung dieser Flächen ermittelt bzw. – soweit die Genehmigung auch insoweit keine Regelungen enthält – auf die Mengen abgehoben, die unter Berücksichtigung des erlaubten Anlagenbetriebs maximal zu erwarten sind. Er hat zudem berücksichtigt, dass die von der Genehmigung des STAU vom 07. Februar 1995 in Bezug genommenen Anlagenbeschreibungen und der Lageplan Nr. 2.4 der Antragsunterlagen Genehmigungsinhalt geworden sind, die {B.} GmbH zudem unter dem 27. Mai/30. Juni 2003 bzw. dem 24. Mai 2004 Änderungen der Anlage angezeigt hat, aufgrund derer das Regierungspräsidium {C.} bzw. der Beklagte mit Bescheiden vom 16. Juli 2003 und vom 09. Juli 2004 festgestellt hatte, dass die angezeigten Änderungen keiner Genehmigung bedürfen, und dass die Klägerin berechtigt ist, ihre Anlage nicht nur im angezeigten, sondern auch im ursprünglich genehmigten Umfang zu betreiben, weil den Anzeigen der {B.} GmbH nicht zu entnehmen ist, dass auf die Genehmigung verzichtet werde, soweit die angezeigten Änderungen davon abweichen. Infolge dessen hat der Beklagte in seiner Prognose der potentiellen Entsorgungskosten auf den Anlagenbetrieb abgestellt, in dem die größten Abfallmengen bzw. die höchsten Entsorgungskosten zu erwarten sind. Dagegen ist nichts zu erinnern. Dies entspricht vielmehr der Rechtsprechung der Kammer (Urteil vom 12. Mai 2012 – 4 A 358/10 HAL –).

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Die insoweit konkret angestellte Berechnung des Beklagten ist nachvollziehbar und vertretbar und daher nicht zu beanstanden.

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aa. Der Beklagte hat die maximal zulässigen bzw. zu erwartenden Abfallmengen anhand des Lageplans Nr. 2.4 und der Anlagenbeschreibungen, die Inhalt der Genehmigung des STAU vom 07. Februar 1995 geworden sind, ermittelt und berücksichtigt, dass der Klägerin insoweit sechs Mietenplätze mit Abmessungen von je 145 m x 12 m genehmigt sind, auf denen Dreiecksmieten mit einer Höhe von maximal 1,8 m und einer maximalen Breite von 5 m errichtet werden dürfen. Mittels der mathematischen Formel für die Berechnung des Volumens eines Dreiecksprismas hat er insoweit zunächst das maximale Volumen je laufenden Meter – ebenso wie die Rechtsvorgängerin der Klägerin in ihrem Schreiben an den Beklagten vom 15. Oktober 2012 – mit 4,5 m³ fehlerfrei errechnet. Sodann hat er das Volumen einer 145 m langen Miete mit 652,5 m³ zutreffend ermittelt (145 m x 4,5 m³/lfd. m). Unter Annahme einer durchschnittlichen Dichte der Abfälle von 0,7 t/m³, die die Beteiligten im Verfahren 4 A 358/10 HAL übereinstimmend angegeben haben, hat er im Weiteren eine Lagermenge von 456,75 t je Miete ermittelt (652,5 m³ x 0,7 t/m³). Da auf einem 12 m breiten Mietenplatz zwei Mieten mit einer maximalen Breite von 5 m Platz finden und insgesamt sechs Mietenplätze genehmigt sind, hat der Beklagte schließlich eine potentielle Lagermenge auf den Mietenplätzen von 5.481 t prognostiziert (456,75 t x 2 x 6). Das ist plausibel. Da für die 75 m x 100 m große Lagerfläche für Ausgangsstoffe keine Belegungsvorgaben in der Genehmigung des STAU vom 07. Februar 1995 enthalten sind, hat der Beklagte insoweit die maximal zu erwartende Abfallmenge mit dem Doppelten der auf den Mietenplätzen zulässigen Abfallmenge (5.481 t x 2 = 10.962 t) angenommen. Auch dies ist vertretbar und wird von der Klägerin nicht substantiiert (als überhöht) in Frage gestellt.

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bb. Im Folgenden hat der Beklagte berücksichtigt, dass die Klägerin in ihrer Anlage sowohl kommunale als auch industrielle Klärschlämme behandeln darf und diese nach den Jahresübersichten der Rechtsvorgängerin Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 im Verhältnis von etwa 75 % zu 25 % durchgesetzt worden seien. Daran anknüpfend hat der Beklagte sodann angenommen, dass die auf den Mietenflächen potentiell lagernden Abfälle zu 75 % auf kommunale Klärschlämme (5.481 t x 75 % = 4.110,75 t) und zu 25 % auf industrielle Klärschlämme und Abfälle (5.481 t x 25 % = 1.370,25 t) entfielen. Für die kommunalen Klärschlämme hat er einen Entsorgungspreis von 21 Euro/t (4.110,75 t x 21 Euro/t = 86.325,75 Euro) und für die industriellen Klärschlämme und Abfälle von 70 Euro/t (1.370,25 t x 70 Euro/t = 95.917,50 Euro) angesetzt.

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Auch die Annahme derartiger Entsorgungspreise ist vertretbar. Der Beklagte hat insofern entsprechend Ziffer 3.2 des Runderlasses des MLU die vom Landesamt für Umweltschutz (LAU) erarbeitete und jährlich fortzuschreibende Übersicht über die durchschnittlichen Entsorgungskosten (für das Jahr 2011) als Bemessungsgrundlage herangezogen. Da in der Anlage der Klägerin verschiedene Abfälle angenommen und zu Mieten aufgesetzt werden können, hat er aus den vom LAU ermittelten Kosten für die einzelnen Abfallarten einen Durchschnittspreis gebildet und diesen im Hinblick darauf, dass die Klärschlämme mit Zuschlagstoffen versetzt zu Mieten aufgesetzt werden und insoweit mehr oder weniger angerottet sind, vermindert. So hat er zum einen die vom LAU ermittelten durchschnittlichen Entsorgungskosten für kommunale Klärschlämme (ASN 19 08 05) von 27,- Euro/t auf 21 Euro/t reduziert. Zum anderen hat er für die Mieten mit industriellen Klärschlämmen und Abfällen berücksichtigt, dass die Entsorgungskosten für die von der Klägerin in den Jahren 2008 bis 2011 behandelten industriellen Klärschlämme und Abfälle nach der Übersicht des LAU zwischen 28,90 Euro/t und 313 Euro/t gelegen haben und den insoweit angenommenen Durchschnittspreis von 90 Euro/t auf 70 Euro/t reduziert.

50

cc. Die potentiellen Entsorgungskosten für die im Inputlager lagernden Abfälle hat der Beklagte ermittelt, indem er zunächst angenommen hat, dass je 20 % der Abfälle auf kommunale bzw. industrielle Klärschlämme und 60 % auf Zuschlagstoffe entfielen. Sodann hat er für den kommunalen Klärschlamm den vom LAU ermittelten durchschnittlichen Entsorgungspreis von 27 Euro/t angesetzt und einen Betrag von 59.194,80 Euro errechnet (10.962 t x 20 % x 27 Euro/t). Die potentiellen Entsorgungskosten für die industriellen Klärschlämme und Abfälle hat er ermittelt, indem er wegen der großen Unterschiede der in der Übersicht des LAU für die einzelnen Abfallarten dargestellten durchschnittlichen Entsorgungskosten einen Durchschnittspreis einerseits für die Abfälle mit den höheren und andererseits für die Abfälle mit den geringeren Entsorgungskosten bildete. Insoweit hat er für die erste Kategorie (ASN 13 05 01*, 15 01 10*, 15 02 02*, 05 01 06*) im Hinblick darauf, dass die durchschnittlichen Kosten je Abfallart zwischen 120 Euro/t und 313 Euro/t betrügen, einen Preis von 212 Euro/t angesetzt und mit 10 % der Lagermenge vervielfacht (10.962 t x 10 % x 212 Euro/t = 232.394,40 Euro). Für die zweite Kategorie (ASN 02 01 01, 02 02 01, 03 03 10, 10 01 01, 19 01 12, 19 09 02, 10 08 07*, 19 08 11*, 19 08 12, 19 08 13*, 19 08 14, 13 05 03, 04 02 20, 04 01 06, 04 01 07) hat der Beklagte einen Durchschnittspreis von 37 Euro/t im Hinblick auf die von 28,90 Euro/t bis 60 Euro/t reichende Spanne der durchschnittlichen Entsorgungskosten für die einzelnen Abfallarten angenommen und ebenfalls mit 10 % der Lagermenge multipliziert (10.962 t x 10 % x 37 Euro/t = 40.559,40 Euro). Schließlich hat er für die Zuschlagstoffe (ASN 02 03 99, 03 01 01, 03 01 05, 03 03 01, 15 01 03, 17 02 01, 19 08 02, 19 09 01, 20 01 38, 20 02 01) durchschnittliche Entsorgungskosten in Höhe von 27 Euro/t angenommen, da sich die seitens des LAU ermittelten durchschnittlichen Entsorgungskosten für die einzelnen Abfallarten zwischen 18,50 Euro/t und 50 Euro/t bewegten, und mit 60 % der Lagermenge multipliziert (10.962 t x 60 % x 27 Euro/t = 177.584,40 Euro). Auch dies ist plausibel und nicht zu beanstanden.

51

Soweit die Klägerin geltend macht, die vom Beklagten zugrunde gelegten Entsorgungspreise seien überhöht, vermag sie damit die Vertretbarkeit der Prognose des Beklagten nicht zu erschüttern. Zwar sieht der Runderlass MLU in Ziffer 4.6 vor, dass dem Betreiber die Möglichkeit zu geben ist, geringere Kosten für die Durchführung der einzelnen Nachsorgepflichten verlässlich nachzuweisen. Einen derartigen Nachweis hat die Klägerin aber nicht erbracht. Unmaßgeblich ist insoweit, zu welchen Preisen sie selbst einzelne Abfallarten zur Entsorgung annimmt. Dies kann keine geeignete Grundlage für die Schätzung von Entsorgungskosten sein. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es angesichts des Normzwecks nicht darauf ankommt, welchen Preis die Klägerin gegebenenfalls nach ausführlicher Sondierung des Markts und Verhandlungen mit verschiedenen Unternehmen erzielen kann. Vielmehr richten sich die Kosten der Ersatzvornahme zur Erfüllung der Nachsorgepflichten nach den Angeboten, die der Behörde dann auf ihre Nachfrage unterbreitet werden. Gerade aber wenn eine Behörde auf eine kurzfristige Abholung bzw. eine Abnahme des Abfalls angewiesen ist, werden die ihr angebotenen Konditionen in der Regel ungünstiger sein als die, die die Klägerin gegebenenfalls unter Ausnutzung ihrer Geschäftskontakte erzielen kann (OVG LSA, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 L 87/11 – Juris Rn. 50).

52

Soweit die Klägerin meint, der Beklagte könne im Falle der Betriebseinstellung eine kostengünstige Abfallbeseitigung erreichen, indem die (zu Mieten aufgesetzten) Abfälle liegen gelassen würden, bis sie zu Dünger verrottet seien, bzw. indem die Tätigkeit der Klägerin bezüglich der in der Anlage vorhandenen Abfälle weitergeführt werde, greift dies ebenfalls nicht durch. Maßgeblich sind die potentiellen Entsorgungskosten, die für die Abfälle im Zeitpunkt ihrer Anlieferung aufzuwenden sind. Dies folgt aus der bezweckten präventiven Durchsetzung der Nachsorgepflichten nach der Betriebseinstellung und damit auch nach der Einstellung von Abfallbehandlungen (OVG Münster, Beschluss vom 02. Februar 2011 – 8 B 1675/10 – Juris Rn. 39). Es ist zudem nicht Aufgabe des Beklagten, den Betrieb der Klägerin nach deren Betriebsaufgabe fortzuführen, sei es auch nur durch mehrmonatiges „Liegenlassen“ der zu Mieten aufgesetzten Abfälle, bis deren Verrottungsprozess abgeschlossen ist.

53

dd. Der Ansatz von Transportkosten in Höhe von 10 Euro/t (insgesamt 164.430 Euro) gibt zu Beanstandungen ebenfalls keinen Anlass (OVG LSA, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 L 87/11 – Juris Rn. 61). Dass die Klägerin mit ihren Abnehmern teilweise die Abholung des Fertigkomposts vereinbart hat, steht dem nicht entgegen. Im Falle der Betriebseinstellung der Klägerin und einer notwendigen Entsorgung der Abfälle durch den Beklagten greifen derartige Vereinbarungen nicht, so dass der Transport der zu entsorgenden Abfälle zum jeweiligen Entsorger bzw. die dafür notwendigen Kosten ebenfalls mittels Sicherheitsleistung abzusichern ist. Ungeachtet dessen steht im Falle der Betriebseinstellung zudem nicht die Abholung des Fertigkomposts, sondern der noch unbehandelten Abfälle bzw. der Abfälle, deren Behandlung noch nicht abgeschlossen ist, in Rede.

54

ee. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im Rahmen der Sicherheitsleistung auch die Umsatzsteuer zu berücksichtigen. Dass die Klägerin oder ein Insolvenzverwalter vorsteuerabzugsberechtigt ist, steht dem nicht entgegen, denn die Sicherheitsleistung soll gerade den Fall abdecken, dass weder die Klägerin noch ein Insolvenzverwalter die Beseitigung der Abfälle vornimmt, sondern dies durch den Beklagten erfolgen muss. Dieser ist aber im Falle des Tätigwerdens nicht umsatzsteuerbefreit. Dass das im Rahmen der Ersatzvornahme beauftragte Unternehmen die Umsatzsteuer wiederum an den Staat abführen muss, ändert nichts daran, dass dem Beklagten diese Kostenposition entsteht und er daher insoweit eine Sicherheit verlangen kann.

55

c. Dem Antrag der Klägerin, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass die Entsorgungskosten im Sicherungsfall einen Betrag von 45.000 Euro nicht übersteigen, war nicht nachzugehen. Da dem Beklagten bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung eine Prognose der Kosten einer künftigen Ersatzvornahme obliegt, die im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt darauf überprüfbar ist, ob der Beklagte bei seiner Entscheidung den zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat und ob die Prognose der Kosten über die voraussichtlichen Entsorgungskosten vertretbar ist, ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens ein ungeeignetes Beweismittel (BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1989 – BVerwG 7 B 104.89 – Juris Rn. 9).

56

3. Die vom Beklagten beabsichtigte Anrechnung der bereits bestandskräftig festgesetzten Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 Euro brutto ist indes insoweit missglückt, als der Beklagte lediglich eine Netto-Sicherheitsleistung von 36.450 Euro angenommen hat, indem er von dem festgesetzten Bruttobetrag (45.000 Euro) 19 Prozent (8.550 Euro) abgezogen hat. Dies ist mathematisch fehlerhaft, da die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent auf den Nettobetrag zu entrichten und nicht als Abzugsposten vom Bruttobetrag zu verstehen ist. Richtigerweise entspricht der Bruttobetrag 119 % des Nettobetrags, weshalb die bereits festgesetzten 45.000 Euro brutto 37.815,13 Euro zuzüglich (19 %) Umsatzsteuer enthalten.

57

Von der sich nach der nicht zu beanstandenden Prognose des Beklagten ergebenden Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 856.406,25 Euro (86.325,75 Euro + 95.917,50 Euro + 59.194,80 Euro + 232.394,40 Euro + 40.559,40 Euro + 177.584,40 Euro + 164.430 Euro) zuzüglich Umsatzsteuer sind daher 37.815,13 Euro zuzüglich Umsatzsteuer aufgrund der bestandskräftigen Festsetzung durch Bescheid vom 09. September 2010 in der Gestalt der Änderung vom 12. März 2012 anzurechnen, so dass sich eine Sicherheitsleistung von 818.591,12 Euro zuzüglich Umsatzsteuer ergibt. In dem darüber hinausgehenden Umfang ist Ziffer 1. der nachträglichen Anordnung des Beklagten vom 06. Februar 2013 hingegen rechtswidrig und aufzuheben. Dem entsprechend sind auch die unter Ziffer 2. der nachträglichen Anordnung angegebenen fünf Teilbeträge auf 163.718,22 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zu kürzen.

58

III. Die Entscheidung des Beklagten über die Art der zu erbringenden Sicherheitsleistung und die Modalitäten der Erbringung ist frei von Ermessensfehlern (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat der Klägerin in Übereinstimmung mit Ziffer 5. des Runderlasses MLU die Sicherungsmittel des § 232 BGB zur Wahl gestellt und entsprechend Ziffer 4.5 des Runderlasses MLU die Möglichkeit eingeräumt, die Sicherheitsleistung in fünf gleichen Raten über einen Zeitraum von knapp vier Jahren zu erbringen. Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei zur Erbringung der Sicherheitsleistung auch durch die gewährte Ratenzahlung nicht in der Lage, macht dies die Forderung nicht unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Vielmehr obliegt es ihr, ihren Betrieb so zu führen und gegebenenfalls einzuschränken, dass die notwendigen Sicherheiten aufgebracht werden können.

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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 161 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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