Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (2. Kammer) - 2 E 4217/17

Tenor

Dem Antragsteller wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt D.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 6. April 2017 gegen den Bescheid vom 29. März 2017 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsmaßnahme der Überweisung in eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss.

2

Der Antragsteller ist am ... Mai 2002 geboren. Seine Mutter ist verstorben. Er lebt bei seinem allein sorgeberechtigten Vater. Seit dem Schuljahr 2012/2013 besuchte der Antragsteller die Stadtteilschule A., zuletzt in der Jahrgangsstufe 9. In der Vergangenheit wurde der Antragsteller vielfach vom Unterricht ausgeschlossen, jeweils da er den Unterricht trotz mehrfacher Ermahnung massiv gestört hatte, so am 5. Dezember 2014 im Fach Gesellschaft, am 12. Dezember 2014 im Fach Biologie, am 17. Februar 2015 im Fach Gesellschaft, am 5. Januar 2016 im Fach Musik, am 6. April 2016 im Fach Deutsch und am 3. Juni 2016 in einer Vertretungsstunde. Zudem wurde dem Antragsteller mit Bescheid vom 12. Oktober 2016 ein schriftlicher Verweis erteilt, da er am 26. September 2016 im Mathematikunterricht ein Stück Papier entzündet hatte.

3

Am 14. Februar 2017 kam es zu einem Vorfall, der Anlass für die in der Hauptsache angefochtene Ordnungsmaßnahme gegeben hat und deren Bewertung zwischen den Beteiligten in Streit steht. Die Stadtteilschule A. teilte dem Vater des Antragstellers mit Schreiben vom 20. Februar 2017 mit, dass dem Antragsteller vorgeworfen werde, mehrere Mädchen sexuell belästigt zu haben und ein Ordnungsmaßnahmeverfahren eingeleitet werden solle. Der Antragsteller und sein Vater äußerten am 22. Februar 2017 im Schulbüro den Wunsch auf Teilnahme der Klassenelternvertreter und Klassensprecher an einer etwaigen Klassenkonferenz. Vor der Klassenkonferenz am 23. Februar 2007 wurden sie angehört. Im Anhörungsprotokoll ist dazu festgehalten:

4

„Dem Schüler und seinen Erziehungsberechtigten wurde folgender Anlass für die Einleitung eines Ordnungsmaßnahmeverfahrens eröffnet:

5

[Dem Antragsteller] wird vorgeworfen, mehrere Mädchen sexuell belästigt zu haben.

6

[Der Antragsteller], B., C. erscheinen verspätet zum Wahlpflichtunterricht in der 7. Stunde am 14.02.2017. Sie müssen, gemäß Schulordnung, vor dem Gebäude warten, um dann zur folgenden Stunde eingelassen zu werden. Den Schülerinnen und Schülern gelingt es, in das Gebäude zu kommen. Vor der Tür wartend, fordert [der Antragsteller] C. auf, ihr etwas von ihrer Trinkflasche abzugeben. Als diese verneint, umklammert [der Antragsteller] sie von hinten und greift um ihre Brüste herum. C. gelingt es nicht, [den Antragsteller] abzuschütteln. Er drückt stark und langanhaltend. Später sind rote Abdrücke von [des Antragstellers] Händen auf ihrer Brust zu sehen, ihre Mutter bestätigte dieses. B., die während dieser Zeit daneben stand, macht sich über [den Antragsteller] scheinbar lustig, denn es gelingt ihm nicht, auf diese Art und Weise an C.s Trinkflasche zu kommen. Daraufhin geht [der Antragsteller] zu B. und greift ihr von vorn an ihre Brüste. Als B. sich nach etwas bückt, schlägt er ihr mit der flachen Hand auf den Po. […]

7

Der Schüler äußerte sich dazu wie folgt:

8

[Der Antragsteller] gibt den Vorfall zu und gesteht, noch zwei weitere Mädchen ebenfalls sexuell belästigt zu haben, indem er ihnen an die Brüste griff. Er hätte diese Taten aus Spaß unternommen und verstünde nun nicht, weshalb seine Tat weiter verfolgt würde. Er sei darüber hinaus erbost darüber gewesen, dass C. ihm nichts von ihrer Trinkflasche abgab und B. sich über seine Unfähigkeit lustig machte, diese Flasche auch zu erlangen.

9

Die Erziehungsberechtigten äußerten sich wie folgt:

10

[Des Antragstellers] Vater stellt das Verhalten seines Sohnes als Spaß und kleine Neckerei dar. Die Scham- und Angstgefühle der Opfer kann er nicht nachvollziehen. […]“

11

Die Klassenkonferenz – unter Teilnahme nur eines Klassenelternvertreters – beschloss am 23. Februar 2017, den Antrag auf Umsetzung in eine andere Schule mit gleichem Bildungsabschluss zu stellen. Die Stadtteilschule A. teilte dem Vater des Antragstellers mit Schreiben vom 1. März 2017 mit, es sei die Ordnungsmaßnahme „Antrag auf Umsetzung in eine andere Schule mit gleichem Bildungsabschluss“ getroffen worden. Das Schreiben enthält die Belehrung, es könne dagegen Widerspruch eingelegt werden. Dies tat der Antragsteller am 9. März 2017.

12

Auf den Antrag der Klassenkonferenz hin beschloss der von der Lehrerkonferenz gewählte Ordnungsmaßnahmenausschuss der Stadtteilschule A. am 2. März 2017 die „Beantragung der Umsetzung des Schülers bei der BSB“. Wiederum auf diesen Antrag hin hielt die Behörde für Schule und Berufsbildung in einem Aktenvermerk vom 29. März 2017 fest:

13

„Dem Antrag des Ordnungsmaßnahmenausschusses der StS A., [den Antragsteller] gemäß § 49 Absatz 4 Nr. 5 HmbSG an eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss zu überweisen, wird entsprochen.

14

Begründung:

15

[Der Antragsteller] gibt in der Anhörung am 23.02.2017 zu, die beiden Mitschülerinnen sexuell belästigt zu haben. Bereits in der 8. Jahrgangsstufe hatte [der Antragsteller] diese Mädchen belästigt. Damals wurden normverdeutlichende Gespräche mit der Klassenlehrkraft, der Abteilungsleitung und der zuständigen Sonderpädagogin geführt und […] Konsequenzen bei weiteren Vorfällen dieser Art angedroht. Da es nun erneut zu sexueller Belästigung kam, ist es erforderlich, [den Antragsteller] der Schule zu verweisen, um die Opfer in Zukunft zu schützen.“

16

Die Antragsgegnerin verfügte mit Bescheid der Behörde für Schule und Berufsbildung vom gleichen Tag gegen den Antragsteller die Ordnungsmaßnahme der „Umschulung zum 03.04.2017 in die Klasse 9 der Schule a. S.“ und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie aus:

17

„Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist erforderlich, da eine zeitlich verzögerte Umsetzung der Maßnahme dem Opferschutz widersprechen würde. Nach Gesprächen mit den betroffenen Mädchen wurde aus schulpsychologischer Sicht deutlich gemacht, dass eine gemeinsame Beschulung mit [dem Antragsteller] denn beiden Opfern nicht zuzumuten ist. Es besteht daher ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Das Interesse [des Antragstellers] auf Beschulung in seiner bisherigen Schule ist somit nachrangig.“

18

Der Antragsteller legte am 6. April 2017 Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. März 2017 ein. Am gleichen Tag hat er bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

19

Die Klassenkonferenz hat am 19. April 2017 erneut über eine Ordnungsmaßnahme beraten und erneut den Antrag auf Überweisung an eine andere Schule beschlossen. Den Vorsitz führte aufgrund einer im Einzelfall durch die Schulleiterin erteilten Delegation die Abteilungsleiterin der Mittelstufe. Die Klassenelternvertreter und Klassensprecher nahmen an der Sitzung teil.

20

Der Antragsteller hat in der Antragsschrift zunächst vortragen lassen, vor der Klassenkonferenz vom 23. Februar 2017 habe eine Anhörung seiner selbst und seiner Mutter, die verwitwet sei, nicht stattgefunden und er weise die von den Mädchen erhobenen Vorwürfe „inständig zurück“. Es hätten weitaus mildere Mittel zur Erziehung in Anspruch genommen werden müssen. Es gelte die Unschuldsvermutung. Das laufende Strafverfahren sei abzuwarten.

21

Die Antragsgegnerin trägt vor, bereits in der Klasse 8 habe es einen Vorfall gegeben, bei dem der Antragsteller den beiden auch jetzt betroffenen Mädchen an die Brüste gefasst habe. Daraufhin sei ihm bei einem Gespräch u.a. durch die Klassenlehrerin verdeutlicht worden, dass er Grenzen überschritten habe und „diese Dinge, die er als Spaß [empfunden] habe, bei den Mädchen so nicht ankommen würden“.

22

Der Antragsteller entgegnet darauf, dass er bei dem Vorfall in der Klasse 8 im Rahmen des Spielens zu einer versehentlichen Berührung der Brüste gekommen sei. Der Antragsteller meint, in „keinster Weise“ sei der Schulfrieden der gesamten Schulgemeinschaft betroffen. Er habe mit seinem Prozessbevollmächtigten ein längerer Gespräch geführt, in dem er „'Reue' bekundet“ habe. Der „bisherige Unterrichtsausschluss“ sei ausreichend, um ihm vor Augen zu führen, dass sein Verhalten, wenn es tatsächlich stattgefunden haben sollte, nicht zu dulden sei. Es werde bestritten, dass er die Brüste des einen Mädchens stark gedrückt habe.

II.

23

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Antragsteller unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff., 121 Abs. 2 ZPO. Zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den Prozesskostenantrag hatte der am 6. April 2017 gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz Aussicht auf Erfolg, da der für die Rechtmäßigkeit der Ordnungsmaßnahme erforderliche Antrag der Klassenkonferenz in ordnungsgemäßer Besetzung erst am 19. April 2017 mit heilender Wirkung nachgeholt worden ist (s.u. III. 2. b. bb.). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller bereits seine Bedürftigkeit nachgewiesen.

III.

24

Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 6. April 2017 gegen den aufgrund der behördlichen Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbaren Bescheid vom 29. März 2017 wiederherzustellen, ist unbegründet. In formeller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß ergangen (hierzu unter 1.). In materieller Hinsicht überwiegt nach der vorzunehmenden Abwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsmaßnahme das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. In die Abwägung ist zunächst einzustellen, dass der in der Hauptsache eingelegte Widerspruch voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, da der angefochtene Bescheid vom 29. März 2017 rechtmäßig sein oder zumindest nicht den Antragsteller in seinen Rechten verletzen dürfte (hierzu unter 2.). Darüber hinaus gebietet ein besonderes öffentliches Interesse die sofortige Vollziehung des Bescheids (hierzu unter 3.).

25

1. In formeller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß ergangen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Das Begründungserfordernis dient der Behörde dazu, sich über den Ausnahmecharakter klar zu werden, sowie dem Betroffenen und dem Gericht, über die für die behördliche Entscheidung maßgebenden Erwägungen in Kenntnis gesetzt zu werden, wobei eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderes Interesses gerade an der sofortigen Vollziehung notwendig ist (Schoch, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 32. EL Oktober 2016, § 80 Rn. 245, 247 m.w.N.). Diesem Erfordernis ist genügt. Die Antragsgegnerin hat als auf den Einzelfall bezogene Begründung mitgeteilt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderlich sei, da eine zeitlich verzögerte Umsetzung der Maßnahme dem Opferschutz widersprechen würde, und dazu näher ausgeführt, es sei nach Gesprächen mit den betroffenen Mädchen aus schulpsychologischer Sicht deutlich gemacht, dass ihnen eine gemeinsame Beschulung mit dem Antragsteller nicht zuzumuten sei.

26

2. Der Bescheid vom 29. März 2017 dürfte rechtmäßig sein oder zumindest nicht den Antragsteller in seinen Rechten verletzen. Der Verwaltungsakt stützt sich auf eine gesetzliche Ermächtigung (hierzu unter a.). Den formellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist teils objektiv genügt, teils fehlt es an einer Verletzung des Antragstellers in subjektiven Rechten (hierzu unter b.). Den materiellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes entspricht der Bescheid (hierzu unter c.).

27

a. Der Bescheid findet seine gesetzliche Grundlage in § 49 Abs. 4 Nr. 5 des Hamburgischen Schulgesetzes (v. 16.4.1997, HmbGVBl. S. 97 m. spät. Änd. – HmbSG). Diese Befugnisnorm ermächtigt in den Sekundarstufen I und II zu der Ordnungsmaßnahme einer Überweisung in eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss. Der Bescheid vom 29. März 2017 benennt zwar die Ordnungsmaßnahme fälschlich als „Umschulung“, zielt aber ersichtlich auf eine solche Überweisung ab, nämlich auf eine Überweisung des Antragstellers von der Stadtteilschule A. in die Schule a. S..

28

b. Den formellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist teils objektiv genügt, teils ist der Antragsteller zumindest nicht in subjektiven Rechten verletzt. Die Zuständigkeit zum Erlass der Ordnungsmaßnahme ist gewahrt (hierzu unter aa.). Das Verfahren ist eingehalten. Es fehlt weder an einem ordnungsgemäß gefassten Antrag der Klassenkonferenz (hierzu unter bb.) noch an dem erforderlichen Antrag des Ordnungsmaßnahmenausschusses der Lehrerkonferenz (hierzu unter cc.). Der minderjährige Antragsteller in Person und sein Vater sind ordnungsgemäß angehört worden (hierzu unter dd.). Die im Bescheid angegebene Begründung ist mangelhaft, doch folgt daraus kein Aufhebungsanspruch des Antragstellers (hierzu unter ee.).

29

aa. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Ordnungsmaßnahme einer Überweisung in eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss liegt gemäß § 49 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 5 HmbSG bei der Behörde für Schule und Berufsbildung als zuständiger Behörde gemäß Ziffer I der Anordnung über Zuständigkeiten für das Schulwesen (v. 23.6.1999, Amtl. Anz. S. 1769 m. spät. Änd.).

30

bb. Der gemäß § 49 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 5 HmbSG erforderliche Antrag der Klassenkonferenz an die Lehrerkonferenz auf weitergehende Maßnahmen liegt vor. Vorsitz und Zusammensetzung der nunmehr maßgeblichen Klassenkonferenz vom 19. April 2017 sind nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:

31

Die Klassenkonferenz hatte den Beschluss, eine Überweisung zu beantragen, zunächst am 23. Februar 2017 in fehlerhafter Besetzung gefasst und hat ihn sodann in ordnungsgemäßer Besetzung am 19. April 2017 erneuert. Die vorherige Verletzung von Verfahrensvorschriften, die den Bescheid vom 29. März 2017 mangels besonderer Schwere des Fehlers nicht nach § 44 HmbVwVfG nichtig gemacht hat, ist durch den nachträglich gefassten Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 4 HmbVwVfG geheilt. Danach ist die fehlerhafte Besetzung der Klassenkonferenz als Verletzung einer Verfahrensvorschrift dann unbeachtlich, wenn die Klassenkonferenz in ordnungsgemäßer Besetzung ihren Beschluss wiederholt (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 21.4.2006, 11 K 3257/05).

32

Den Vorsitz über die Klassenkonferenz vom 19. April 2017 führte anstelle der grundsätzlich nach § 49 Abs. 6 Satz 1 HmbSG dazu berufenen Schulleiterin aufgrund einer im Einzelfall erfolgten Delegation ausnahmsweise gemäß § 89 Abs. 1 Satz 3 HmbSG die Abteilungsleiterin der Mittelstufe als Inhaberin einer Funktionsstelle gemäß § 96 Abs. 1 HmbSG.

33

An der Klassenkonferenz haben in Einklang mit § 49 Abs. 6 Satz 2 und 3 HmbSG nach dem geäußerten Willen des Antragstellers und seines Vaters beide Klassenelternvertreter und beide Klassensprecher als Vertreter der Schüler gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 HmbSG teilgenommen.

34

Für die Rechtmäßigkeit der mit Bescheid vom 29. März 2017 der Behörde für Schule und Berufsbildung getroffenen Ordnungsmaßnahme ist die fehlerhafte Mitteilung der Stadtteilschule A. an den Vater des Antragstellers vom 1. März 2017 unschädlich. Das Schreiben ist fehlerhaft, weil ein „Antrag auf Umsetzung in eine andere Schule mit gleichem Bildungsabschluss“ weder eine Ordnungsmaßnahme ist noch durch Verwaltungsakt ergeht, gegen den gemäß § 68 Abs. 1 VwGO ein Widerspruch statthaft wäre. Es handelt sich vielmehr um eine behördliche Verfahrenshandlung, gegen die gemäß § 44a Satz 1 VwGO kein isolierter Rechtsbehelf gegeben ist. Mangels Verwaltungsaktes geht der vom Antragsteller insoweit am 9. März 2017 eingelegte Widerspruch ins Leere und entfaltet insbesondere nicht gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung im Hinblick auf die Mitwirkung der Klassenkonferenz.

35

cc. Der gemäß § 49 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 5 HmbSG erforderliche Antrag der Lehrerkonferenz oder eines von ihm gewählten Ausschusses liegt aufgrund des Beschlusses des von der Lehrerkonferenz gewählten Ordnungsmaßnahmenausschuss vom 2. März 2017 vor.

36

dd. Eine Anhörung ist erfolgt. Das gemäß § 1 Abs. 1 HmbVwVfG nachrangige allgemeine Anhörungserfordernis des § 28 Abs. 1 HmbVwVfG findet keine Anwendung. In Übereinstimmung mit der besonderen Regelung des § 49 Abs. 5 Satz 1 HmbSG sind vor der Ordnungsmaßnahme der minderjährige Antragsteller als Schüler und ebenso sein Vater als Sorgeberechtigter gehört worden. Die in der Antragsschrift enthaltene Behauptung, eine Anhörung des Antragstellers habe nicht stattgefunden, ist nach dem vorliegenden Anhörungsprotoll, offensichtlich unwahr. Dort ist ebenfalls festgehalten, dass der Vater angehört worden ist. Entgegen der Darstellung in der Antragsschrift ist zudem die Mutter des Antragstellers verstorben und der Vater allein sorgeberechtigt. Unschädlich ist, dass die Anhörung im Zusammenhang mit der ersten, nicht ordnungsgemäß besetzten Klassenkonferenz vom 23. Februar 2017 stattgefunden hat. Zwar kann gemäß § 49 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Satz 1 HmbSG die gebotene Anhörung zu Beginn der Sitzung der Klassenkonferenz stattfinden, doch ist dies kein zwingendes Erfordernis, wenn nur – wie hier – eine Anhörung überhaupt durchgeführt wird.

37

ee. Der Bescheid dürfte objektiv mangelhaft begründet sein, doch folgt daraus keine Verletzung des Antragstellers in subjektiven Rechten, die einen mit dem Widerspruch durchsetzbaren Anspruch auf Aufhebung tragen könnte. Im Einzelnen:

38

Der Bescheid vom 29. März 2017 muss sich an dem allgemeinen Begründungserfordernis nach § 39 HmbVwVfG messen lassen, da der diesbezügliche Anwendungsausschluss nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG nur für die Tätigkeit der Schulen, nicht für den Erlass eines Verwaltungsaktes durch die Behörde für Schule und Berufsbildung eingreift. Im Einzelnen verlangt § 39 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Satz 2 und 3 HmbVwVfG grundsätzlich, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, wobei die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen soll, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Dem dürften die Ausführungen im Bescheid vom 29. März 2017 nicht genügen. Die nach dem Aktenvermerk vom gleichen Tag für die Entscheidung der Behörde für Schule und Berufsbildung tragenden Gründe wurden im Bescheid nicht vollständig mitgeteilt. Eine Begründung war auch nicht gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVfG ausnahmsweise entbehrlich, denn der Adressat des Verwaltungsaktes konnte die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage nicht ohne weiteres, nämlich nicht ohne Einsicht in die behördlichen Akten, erkennen.

39

Gleichwohl folgt aus diesem Fehler in der Form, der mangels Schwere den Verwaltungsakt nicht nach § 44 HmbVwVfG nichtig macht, gemäß § 46 HmbVwVfG kein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes. Denn es ist offensichtlich, dass die Verletzung der Formvorschrift des § 39 HmbVwVfG die Entscheidung in der Sache nicht zulasten des Antragstellers beeinflusst hat. Die Behörde für Schule und Berufsbildung hat ihre Entscheidung unabhängig davon aus den im Aktenvermerk niedergelegten Gründen getroffen, ob sie diese Gründe dem Antragsteller ordnungsgemäß mitgeteilt hat.

40

Außerdem ist im Widerspruchsverfahren eine Heilung des Begründungmangels gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 HmbVwVfG zu erwarten, so dass der Widerspruch auch aus diesem Grund voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.

41

c. Den materiellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes genügt der Bescheid der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 29. März 2017. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Behörde nach Ermessen über die Ordnungsmaßnahme der Überweisung in eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss entscheidet, sind gegeben (hierzu unter aa.). Die getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden (hierzu unter bb.).

42

aa. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Befugnisnorm sind gegeben.

43

Nach § 49 Abs. 4 HmbSG können in den Sekundarstufen I und II zur Sicherung der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schule oder zum Schutz beteiligter Personen die dort bezeichneten Ordnungsmaßnahmen, bei schwerem Fehlverhalten insbesondere gemäß § 49 Abs. 4 Nr. 5 die Überweisung in eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss, getroffen werden. Eine Ordnungsmaßnahme ist damit eine Maßnahme der Gefahrenabwehr (VG Hamburg, Beschl. v. 8.5.2015, 4 K 2748/14; Urt. v. 13.2.2013, 15 K 368/12, juris Rn. 43), wobei bei der Ordnungsmaßnahme einer Überweisung in eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss die abzuwehrende Gefahr für die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schule oder beteiligte Personen aus einem schweren Fehlverhalten des betroffenen Schülers der Sekundarstufe I oder II folgen muss. Diese Voraussetzungen sind mit einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hinreichenden Wahrscheinlichkeit erfüllt. Die aktenkundig durchgeführten Ermittlungen und präsenten Beweismittel genügen, um eine hinreichende Grundlage zu schaffen. Im Einzelnen:

44

Der Antragsteller gehört als Schüler der Jahrgangsstufe 9 einer Stadtteilschule gemäß §§ 11 Abs. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 HmbSG der Sekundarstufe I an.

45

Nach dem Erkenntnisstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist in tatsächlicher Hinsicht von folgenden Umständen auszugehen: Am 14. Februar 2017 im Schulgebäude wartend forderte der Antragsteller seine Mitschülerin C. auf, ihm etwas von ihrer Trinkflasche abzugeben. Als diese sein Ansinnen verneinte umklammerte der Antragsteller sie von hinten und griff um ihre Brüste herum. C. gelang es nicht, den Antragsteller abzuschütteln. Er drückte langanhaltend. Ihm gelang es nicht, auf diese Art und Weise an die Trinkflasche zu gelangen. Die weitere Mitschülerin B., die während dieser Zeit daneben stand, machte sich über den Antragsteller deshalb lustig. Daraufhin ging der Antragsteller zu B. und griff ihr von vorn an ihre Brüste. Als B. sich nach etwas bückte, schlug der Antragsteller ihr mit der flachen Hand auf das Gesäß.

46

Diese tatsächlichen Umstände sind bereits im Anhörungsprotokoll vom 23. Februar 2017 festgehalten. In der Anhörung vom 23. Februar 2017 haben der Antragsteller und sein Vater die erhobenen Vorwürfe in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten. Vielmehr hat der Antragssteller den Vorfall zugestanden sowie noch eine weitere Belästigung eingeräumt und angegeben, er habe diese Taten als Spaß unternommen und er seo über das Verhalten der Mädchen erbost gewesen. Der Vater hat das Verhalten seines Sohnes ebenfalls als Spaß dargestellt. Soweit der Antragsteller mit der Antragsschrift hatte vortragen lassen, er weise die erhobenen Vorwürfe „inständig zurück“, ist bereits nicht ersichtlich, ob die Sachverhaltsschilderung bestritten werden oder nur in rechtlicher Hinsicht eine andere Bewertung als durch die Antragsgegnerin vorgenommen werden sollte. Zumindest fehlt es an dem substantiierten entgegenstehenden Sachverhaltsvortrag. Auch bestreitet der Antragsteller ausgehend von seinen späteren Schriftsätzen die oben genannten tatsächlichen Umstände jedenfalls nicht mehr, sondern bestreitet lediglich, dass er die Brüste des einen Mädchens stark gedrückt habe.

47

Ausgehend von den tatsächlichen Umständen fällt dem Antragsteller ein schweres Fehlverhalten als Schüler zur Last. Er hat in der Schule die sexuelle Selbstbestimmung zweier seiner Mitschülerinnen verletzt. Er hat zugleich die Achtung vermissen lassen, die jeder Person zukommt. Er hat sich so verhalten, als ob es ihm zustünde, darüber zu entscheiden, von wem sich die Mitschülerinnen an intimen Körperstellen anfassen lassen. Die – besondere – Schwere seines Fehlverhaltens folgt aus seinem verantwortlichen Alter, der Art und Weise der Tatausführung und seiner Motivation. Der Antragsteller war bei dem Vorfall 14 Jahre alt, somit gemäß § 19 StGB kein strafunmündiges Kind mehr, sondern nach Maßgabe des § 3 JGG für seine Taten verantwortlich. Der Antragsteller hat seine Mitschülerinnen nicht nur verbal, sondern körperlich angegriffen. Bei dem Vorfall am 14. Februar 2017 handelt sich auch nicht um ein Augenblicksversagen. Er hat nicht spontan seine Hand unter Ausnutzung des Überraschungsmoments an eine Körperstelle geführt, an der er kein Mädchen und keine Frau ohne Einwilligung berühren darf. Vielmehr liegt gegen C. eine Gewalttat vor. Er hat sie von hinten umklammert und langanhaltend um ihre Brüste gegriffen, wobei es ihr zunächst nicht gelungen ist, ihn abzuschütteln. Gegen B. liegen zwei sexuelle Grenzüberschreitungen vor, ein Griff von vorne an die Brüste und ein Schlag mit der flachen Hand auf das Gesäß. Mit diesen Handlungen wollte der Antragstellerin – was ihm nicht zukommt – seine Mitschülerin bestrafen, wodurch er seine grundlegend mangelnde Achtung zum Ausdruck gebracht hat.

48

Dahinstehen kann dabei die strafrechtliche Bewertung der Tat oder der Taten, etwa als sexueller Übergriff gemäß § 177 Abs. 1 StGB, als sexuelle Belästigung gemäß § 184i Abs. 1 StGB, als Beleidigung mittels einer Tätlichkeit gemäß § 185 Var. 2 StGB, als Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB, als versuchte Nötigung gemäß §§ 22, 23 Abs. 1, 240 Abs. 1, Abs. 3 StGB und/oder als versuchter Raub gemäß §§ 22, 23 Abs. 1, 249 Abs. 1 StGB. Ebenso kann dahinstehen, zu welchen Folgen das laufende jugendstrafrechtliche Verfahren führen wird. Denn während im Strafverfahren gegen einen jugendlichen Beschuldigten die Ahndung begangenen Unrechts und der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen, bezweckt das Ordnungsmaßnahmenverfahren, wie dargestellt, die Abwehr von Gefahren. Insbesondere dient es dem Schutz beteiligter Personen davor, in der Zukunft (erneut) Opfer eines (wiederholten) schweren Fehlverhaltens des Schülers zu werden. Auch die vom Antragsteller benannte Unschuldsvermutung findet im Gefahrenabwehrrecht keine Anwendung, sondern gilt gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK nur für Strafverfahren.

49

Die Gefahr, dass der Antragsteller sein Verhalten in der Zukunft fortsetzen wird, folgt zum einen aus der Art und Weise der Tatausführung, die auf eine fehlende Achtung gegenüber Mädchen und Frauen schließen lässt. Zum anderen war der Antragsteller durch die Schule gesondert vorgewarnt, dass die sexuelle Selbstbestimmung der Mitschülerinnen zu achten ist. Unstreitig kam es in der Jahrgangsstufe 8 zu einem Vorfall, bei dem der Antragsteller die Brüste von Mitschülerinnen berührt hatte, wobei der Antragsteller dies nunmehr als Versehen hingestellt hat. Unstreitig wurde ihm nochmals verdeutlicht, wie wichtig die Achtung des anderen Geschlechts ist. Es wurden nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin normverdeutlichende Gespräche mit der Klassenlehrkraft, der Abteilungsleitung und der zuständigen Sonderpädagogin geführt und Konsequenzen bei weiteren Vorfällen dieser Art angedroht. Dennoch hat der Antragsteller bei dem Vorfall vom 14. Februar 2017 keine Achtung für seine Mitschülerinnen aufgebracht und sie behandelt, als ob sie nicht selbst über ihre Sexualität bestimmen dürften. Es steht nicht zu erwarten, dass sein allein sorgeberechtigter Vater auf den Antragsteller in einer Weise erzieherisch einwirken wird, die eine Wiederholung seines Fehlverhaltens ausschließen würde. Der Vater hat in der Anhörung vom 23. Februar 2017 das Verhalten seines Sohnes als Spaß und kleine Neckerei dargestellt und damit nicht hinreichend als gravierender Verstoß gegen grundlegende Verhaltensregeln erkannt.

50

bb. Die getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden.

51

Der gerichtliche Kontrollmaßstab ergibt sich aus § 114 Satz 2 Var. 1 VwGO. Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht nach dieser Vorschrift auch, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dahinstehen kann, ob der Behörde für Schule und Berufsbildung hinsichtlich der Ordnungsmaßnahme der Überweisung in eine andere Schule mit dem gleichen Bildungsabschluss ein gerichtlich nur eingeschränkter „Bewertungsspielraum“ zukommt, wie es zum Teil für die Klassenkonferenz bei der Anordnung und Auswahl einer in ihre Zuständigkeit fallenden schulischen Ordnungsmaßnahme angenommen wird (so VG Hamburg, Urt. v. 13.2.2013, 15 K 368/12, juris Rn. 33). Denn auch bei Annahme eines solchen „Bewertungsspielraums“ ist zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer Ordnungsmaßnahme vorliegen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob von einer vollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen worden ist, ob von dem Ermessen ein dem gesetzlichen Zweck entsprechender Gebrauch gemacht worden ist, ob keine sachfremden Erwägungen angestellt worden sind und ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde. Dies läuft im Ergebnis auf eine Ermessensprüfung hinaus.

52

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Im Einzelnen:

53

Ein Ermessensausfall ist nicht gegeben. Die Behörde für Schule und Berufsbildung hat erkannt, dass ihr Ermessen zukommt. Sie hat ihr Ermessen auch ausgeübt. Ausweislich des Aktenvermerks vom 29. März 2017 hat sie ihre Entscheidung unter Abwägung der Gründe des Einzelfalls getroffen.

54

Ein Ermessensfehlgebrauch liegt nicht vor. Die Behörde für Schule und Berufsbildung hat ihre Entscheidung an dem von der gesetzlichen Ermächtigung in § 49 Abs. 4 HmbSG gedeckten Zweck des Schutzes beteiligter Person ausgerichtet. Aus dem Aktenvermerk sowie auch aus der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid vom 29. März 2017 geht hervor, dass die Überweisung in eine andere Schule einen Opferschutz bezweckt.

55

Eine Ermessensüberschreitung ist nicht festzustellen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere in seinen Konkretisierungen durch § 49 Abs. 1 HmbSG, ist beachtet.

56

Die Überweisung des Antragstellers in eine andere Schule ist ein geeignetes Mittel, um der aus seinem Fehlverhalten folgenden Wiederholungsgefahr (s.o. aa.) zu begegnen.

57

Erforderlich ist die Überweisung, da mildere Mittel nicht ebenso effektiv sind. Eine Umsetzung des Antragstellers in eine Parallelklasse nach § 49 Abs. 4 Nr. 3 HmbSG hätte die Mitschülerinnen im Bereich der Schule außerhalb des jeweiligen Unterrichts nicht in dem Maß geschützt, wie die Überweisung in eine andere Schule. Gleichwohl gemäß § 49 Abs. 1 Satz 5 HmbSG bei fortgesetzten Erziehungsschwierigkeiten Erziehungsmaßnahmen einschließlich der Hilfestellung durch die Beratungslehrkraft, den Schulberatungsdienst oder die Schulsozialbetreuung grundsätzlich Vorrang vor Ordnungsmaßnahmen haben, steht dies der getroffenen Ordnungsmaßnahme hier nicht entgegen. Zum einen folgt aus der gegenwärtigen Fassung des Gesetzes eben nicht, dass Ordnungsmaßnahmen in jedem Fall nur dann zulässig sind, wenn pädagogische Maßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben (noch zur früheren Fassung des Gesetzes VG Hamburg, Beschl. v. 19.10.2009, 15 K 134/09). Zum anderen haben im vorliegenden Einzelfall pädagogische Maßnahmen anlässlich vorheriger Vorfälle nicht zur einer Konfliktlösung geführt. Das in der Jahrgangsstufe 8 geführte normverdeutlichende Gespräch mit dem Antragsteller über die Achtung von Mädchen und Frauen blieb, wie der Vorfall vom 14. Februar 2017 zeigt, ohne nachhaltigen Erfolg. Nunmehr steht keine Erziehungsmaßnahme zur Verfügung, die für sich allein den gebotenen Schutz beteiligter Personen erreichen könnte.

58

Soweit der Antragsteller geltend macht, der „bisherige Unterrichtsausschluss“ sei ausreichend, um ihm vor Augen zu führen, dass sein Verhalten, wenn es tatsächlich stattgefunden haben sollte, nicht zu dulden sei, und er habe mit seinem Prozessbevollmächtigten in einem längeren Gespräch „'Reue' bekundet“, kommt darin nicht zum Ausdruck, dass er nunmehr ernsthaft und nachhaltig die Schwere seines Fehlverhaltens einsieht. Vielmehr deutet sich lediglich an, dass der Antragsteller gegenwärtig seiner Schulpflicht, die er aufgrund des sofort vollziehbaren Bescheids vom 29. März 2017 ab dem 3. April 2017 an der Schule a. S. zu erfüllen hat, nicht nachkommt.

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Die getroffene Maßnahme steht in einem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten des Schülers, wie das in § 49 Abs. 1 Satz 3 HmbSG konkretisierte Übermaßverbot verlangt. Zwar ist für den Antragsteller, der seine Schulpflicht noch nicht erfüllt hat, die Überweisung in eine andere Schule die schärfste zu Gebote stehende Ordnungsmaßnahme. Auch beeinträchtigt die Überweisung das Interesse des Antragstellers, in seinem gewohnten schulischen Umfeld zu verbleiben. Doch ist nicht bereits bei einem ersten Fehlverhalten eines sich ansonsten tadellos verhaltenden Schülers sogleich die am stärksten in seine Rechte eingreifende Maßnahme gewählt worden. Vielmehr ist der Antragsteller in der Vergangenheit bereits vielfach durch massive Störungen des Unterrichts aufgefallen. Auch ist, weniger als vier Monate zuvor, bereits einmal ein schriftlicher Verweis als erste förmliche Ordnungsmaßnahme gegen ihn ergriffen worden. Das Interesse der Mitschülerinnen, dass zukünftig ihre Person und ihre sexuelle Selbstbestimmung geachtet werden, muss nicht hinter dem Interesse des Antragstellers zurückstehen. Selbst gegen einen nur zwölf Jahre alten Schüler kann auch ohne körperlichen Übergriff eine sexuelle Belästigung die Überweisung in eine andere Schule rechtfertigen (VG Stuttgart, Beschl. v. 3.5.2016, 12 K 2336/16, juris Rn. 17). Das Fehlverhalten des Antragstellers wiegt nach den Umständen des Einzelfalls besonders schwer. Dies folgt, wie im Einzelnen bereits dargestellt, aus seinem verantwortlichen Alter von 14 Jahren, der Art und Weise der Tatausführung mit Gewalt und der Motivation einer Bestrafung von Mitschülerinnen (s.o. aa.).

60

Die Schule a. S., der der Antragsteller durch die Ordnungsmaßnahme zugewiesen ist, befindet sich für den Antragsteller als Schüler der Jahrgangsstufe 9 in zumutbarer Entfernung. Die beiden Standorte sind von der Wohnung des Antragstellers 1.979 m bzw. 2.405 m entfernt. Ausgegangen wird vom Schulweg-Routenplaner der Behörde für Schule und Berufsbildung, der im Internet frei verfügbar ist und dessen Anwendung gleichmäßige Ergebnisse sicherstellt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.8.2012, 1 Bs 197/12, VG Hamburg, Beschl. v. 16.7.2013, 2 E 2258/13).

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3. Ein besonderes öffentliches Interesse gebietet die sofortige Vollziehung des Bescheids. Da Ordnungsmaßnahmen die Erziehungs- und Unterrichtarbeit der Schule sichern und betroffene Personen schützen sollen, stellen sie schulrechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr dar und dulden schon deshalb regelmäßig keinen Aufschub (VG Hamburg, Urt. v. 13.2.2013, 15 K 368/12, juris Rn. 43). Im Fall des Antragstellers müssen die Mitschülerinnen auch für die Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens in der Hauptsache vor weiteren Übergriffen geschützt werden.

IV.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 1.5, 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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