Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Hamburg (16. Kammer) - 16 A 6012/18

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheids vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine irakische Staatsangehörige, wendet sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig sowie gegen die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien und begehrt hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots.

2

Die am […] 1995 in Dahouk (Irak) geborene Klägerin ist kurdischer Volkszugehörigkeit und jesidischer Religionszugehörigkeit. Sie reiste nach eigenen Angaben am 5. Oktober 2018 in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. Oktober 2018 bei der Beklagten einen förmlichen Asylantrag.

3

Am 11. Oktober 2018 wurde die Klägerin bei der Beklagten zur Zulässigkeit ihres Asylantrags angeh46;rt. Am 25. Oktober 2018 wurde die Klägerin bei der Beklagten vorsorglich nach § 25 AsylG angehört. Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Protokolle der Anhörungen Bezug genommen.

4

Auf der Grundlage eines Abgleichs der Fingerabdrücke der Klägerin mit der Eurodac-Datei vom 8. Oktober 2018 richtete die Beklagte am 29. Oktober 2018 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-Verordnung an die Republik Bulgarien. Mit Schreiben vom 16. November 2018 erklärte die bulgarische staatliche Agentur für Flüchtlinge bei dem Ministerrat (hiernach: SAR) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-Verordnung.

5

Mit Bescheid vom 19. November 2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig sei, da Bulgarien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags der Klägerin zuständig sei. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Bescheid vom 19. November 2018 verwiesen. Am 21. November 2018 wurde der Bescheid der Klägerin zugestellt.

6

Am 26. November 2018 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletzte sie in ihren Rechten. Ihre Überstellung nach Bulgarien sei unzulässig, weil das Asylverfahren und die Aufnahmebedingung in Bulgarien systemische Schwachstellen aufwiesen, insbesondere hinsichtlich des Zugangs zum Asylverfahren, der Aufnahmebedingungen und der inhaltlichen Prüfung des Asylbegehrens. Es sei schon nicht sichergestellt, dass ihr Asylverfahren dort wiedereröffnet und fortgesetzt werde. Auch eine vollständige und angemessene Prüfung ihres Antrags sei nicht gewährleistet. Zudem dauere das Asylverfahren von „Dublin-Rückkehrern“ länger als das Verfahren anderer Asylsuchender. Die europäische Kommission habe deshalb mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet. Im Übrigen habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 29. Januar 2018 festgestellt, dass eine Rücküberstellung nach Bulgarien rechtswidrig sei, da dort grundlegende Defizite in den Aufnahmebedingungen bestünden, die in ihrer Gesamtheit die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen würden.

7

Die Klägerin beantragt,

8

1. die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 19. November 2018 aufzuheben,

9

2. die Beklagte zur Durchführung ihres Asylverfahrens zu verpflichten,

10

3. hilfsweise Abschiebungshindernisse festzustellen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

14

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 25. September 2017 erklärt, mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer einverstanden zu sein. Ein entsprechendes Einverständnis der Beklagten folgt aus ihrer allgemeinen Prozesserklärung vom 27. Juni 2017.

15

Das Gericht hat den Beteiligten mitgeteilt, dass es erwäge, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und ihnen unter Fristsetzung Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags gegeben. Zugleich hat das Gericht ihnen eine Auflistung seiner Erkenntnisquellen zur Lage in Bulgarien übermittelt.

16

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Asylakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

n-left:90pt">I.

>
17

Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 AsylG). Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beteiligten sind vorher gehört worden.

II.

18

Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags zu 1) zulässig [hierzu unter 1.], hat jedoch in der Sache keinen Erfolg [hierzu unter 2.]. Der zulässige Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die Feststellung von Abschiebungsverboten begehrt, ist unbegründet [hierzu unter 3.].

lass="RspDL">
19

1. Soweit die Klägerin mit dem Hauptantrag zu 1) die Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2018 begehrt, ist die Klage zulässig. Für dieses Rechtsschutzbegehren ist die Anfechtungsklage statthaft.Weist das Bundesamt – wie hier – einen Asylantrag als unzulässig mit der Begründung ab, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei, ist allein eine isolierte Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016, 1 C 4.16, juris, Rn. 13 ff). Dem darüber hinaus von der Klägerin gestellten Hauptantrag zu 2), die Beklagte zur Durchführung ihres Asylverfahrens zu verpflichten, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil dieses Ziel bereits mit der isolierten Anfechtungsklage erreicht werden kann, da die Beklagte hierzu nach einer gerichtlichen Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit ohnehin verpflichtet wäre. Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden. Die Klägerin hat mit der am 26. November 2018 eingegangenen Klage die gemäß §§ 34a Abs. 2 Satz 1, 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG geltende Klagefrist von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheids am 21. November 2018 eingehalten.

20

2. Die auf die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 19. November 2018 gerichtete Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat zu Recht in Ziffer 1 des Bescheids den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt [hierzu unter a)]. Sie hat in Ziffer 3 des Bescheids rechtmäßig die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet [hierzu unter b)] und in Ziffer 2 rechtmäßig festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen [hierzu unter c)]. Auch die von der Beklagten vorgenommene Befristung der Sperrwirkung der Abschiebung (Ziffer 4 des Bescheides) begegnet keinen rechtlichen Bedenken [hierzu unter d)].

21

a) Die Beklagte hat zu Recht in Ziffer 1 des Bescheids vom 9. November 2018 den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt.

22

Rechtsgrundlage der in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides getroffenen Unzulässigkeitsentscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31; hiernach: Dublin III-VO), für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 AsylG, zur Vereinbarkeit dieser Regelung mit der Dublin III-VO: EuGH Urt. v. 25.1.2018, C-360/16, juris, Rn. 29, 40) vor.

23

Die Zuständigkeit der Republik Bulgarien für das Asylverfahren der Klägerin ist aufgrund der Dublin III-VO begründet worden [hierzu unter aa)]. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO zum sogenannten Selbsteintritt wegen etwaiger systemischer Schwachstellen im Asylsystem der Republik Bulgarien verpflichtet [hierzu unter bb)].

24

aa) Die von § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG vorausgesetzte Zuständigkeit der Republik Bulgarien für das Asylverfahren der Klägerin ist nach Maßgabe der Dublin III-VO begründet worden.

25

(1) Die Zuständigkeit der Republik Bulgarien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin folgt aus Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO. Nach dieser Vorschrift ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig, wenn sich anhand der Kriterien der Dublin III-VO der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt. Dies ist vorliegend der Fall.

26

Aus den vorrangig heranzuziehenden Regelungen in Kapitel III der Dublin III-VO – auf deren Einhaltung die Klägerin sich nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Übrigen im Falle eines Wideraufnahmeverfahrens nicht berufen könnte (EuGH, Urt. v. 2.4.2019, C-582/17, juris Rn. 80) – ergibt sich die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nicht. Nach Aktenlage hat die Klägerin zuerst einen Antrag auf internationalen Schutz in der Republik Bulgarien gestellt. Dies ergibt sich aus dem vorliegenden Eurodac-Treffer der Kategorie 1 („[…]“ Bl. 3 der Asylakte), der gemäß Art. 24 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 die Abnahme von Fingerabdrücken bei mindestens 14-jährigen Personen, die internationalen Schutz beantragen [hiernach Eurodac-VO] dokumentiert. Nach dieser Mitteilung (Bl. 3 der Asylakte) hat die Klägerin am 8. August 2018 in Bulgarien in RPC Vražhdebna, einer Unterkunftseinrichtung für Schutzsuchende, internationalen Schutz beantragt. Zudem hat die Republik Bulgarien dem Wiederaufnahmegesuch der Beklagten mit Schreiben vom 16. November 2018 (Bl. 127 der Asylakte) unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b stattgegeben und hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Klägerin um eine Antragstellerin handelt, die während der Prüfung ihres dort gestellten Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat (vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO).

27

(2) Die Beklagte hat auch die Vorgaben der Dublin III-VO zum Wiederaufnahmeverfahren beachtet.

28

(a) Die Beklagte hat die Frist für die Übermittlung des Wiederaufnahmegesuchs nach Art. 23 Abs. 2 der Dublin III-VO eingehalten. Sie hat gemä;ß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung vom 8. Oktober 2018 am 29. Oktober 2018 ein Wiederaufnahmeersuchen für die Klägerin an die Republik Bulgarien gerichtet (Bl. 105 - 108 der Asylakte). Diese hat mit Schreiben vom 16. November 2018 (Bl. 127 der Asylakte) dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben.

29

(b) Auch ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen. Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien liegt inzwischen zwar länger als sechs Monate zurück, jedoch ist die Überstellungsfrist vor ihrem Ablauf durch den gemeinsam mit der Klage fristgerecht gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 26. November 2018 (Verfahren 16 AE 6013/18) unterbrochen worden (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO, vgl. BVerwG, Urt. v. 26.5.2016, 1 C 15/15, juris, Leitsatz). Dem unionsrechtlichen Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ eines Rechtsbehelfs in Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO unterfällt nämlich auch das allein durch die Antragstellung nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG bewirkte gesetzesunmittelbare Abschiebungsverbot nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG (BVerwG, Urt. v. 26.5.2016, a.a.O., Rn. 11).

30

bb) Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO zur Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin im Wege des sogenannten Selbsteintritts wegen systemischer Schwachstellen im Asylsystem der Republik Bulgarien verpflichtet.

31

(1) Nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III Dublin III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (ABl. Nr. C 303 S. 1, hiernach: GRCh) mit sich bringen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin III-VO wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

32

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine Abweichung von den unionsrechtlichen Regelungen zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen geboten. Nur dann, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedsstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GRCh implizieren, darf die Überstellung nicht erfolgen (zur Dublin II-Verordnung: EuGH, Urt. v. 14.11.2013, C-4/11; Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, juris, Rn. 86). Diese Rechtsprechung hat in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO eine Kodifikation durch die europäischen Gesetzgeber gefunden.

33

Für das durch den Untersuchungsgrundsatz geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren in Deutschland hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grund-rechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Erforderlich ist deshalb, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (zum Vorstehenden: BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, juris, Rn. 9).

34

Dabei ist es nach Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der das Gericht folgt, gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, Urt. v. 19.3.2019, C-163/17, juris, Rn. 88). Legt der Antragsteller zum Nachweis des Risikos einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK Angaben vor, ist auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen im Staat der Schutzgewährung vorliegen (EuGH, Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 90).

35

Solche Schwachstellen unterfallen nur dann Art. 3 EMRK sowie dem dieser Vorschrift entsprechenden Art. 4 GRCh, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 91). Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geriete, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Nicht erreicht ist diese Schwelle hingegen selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind (EuGH, Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 92 f.).

36

(2) Nach der Gesamtwürdigung der dem Gericht zu der Situation schutzsuchender Personen in Bulgarien (vgl. hierzu die den Beteiligten übersandte Auflistung der Erkenntnisquellen des Gerichts, Bl. 43 - 48 d.A.; vgl. zum diesbezüglichen Aufklärungsmaßstab: BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.04.2016, 2 BvR 273/16, juris, Rn. 11) vorliegenden Erkenntnisquellen sind systemische Mängel im Sinne der zuvor unter (1) dargestellten Maßstäbe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festzustellen:

37

Der Klägerin ist der Zugang zu ihrem in Bulgarien eingeleiteten Asylverfahren bei einer Rückkehr nicht verwehrt [hierzu unter (a)]. Systemische Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen würden, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich [hierzu unter (b)]. Der Klägerin droht auch im vorliegend in die Prüfung des Gerichts einzustellenden (vgl. hierzu: EuGH, Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 88) Fall einer etwaigen Zuerkennung internationalen Schutzes keine Verletzung von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK in Bulgarien [hierzu unter (c)].

38

(a) Für die Klägerin ist bei einer Rückkehr nach Bulgarien der Zugang zu ihrem dort eingeleiteten Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes gewährleistet.

39

(aa) Aus der dem Gericht vorliegenden Auskunftslage folgt bei summarischer Prüfung, dass Personen, die auf der Grundlage der Dublin- III-VO nach Bulgarien zurückkehren (sog. „Dublin-Rückkehrer“) grundsätzlich wieder Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien haben (Auskunft des UNHCR vom 17. Dezember 2018 an das Verwaltungsgericht Köln, G 9/18, hiernach: UNHCR-Auskunft, 17.12.2018; Country Report Bulgaria 2018 der Asylum Information Database (aida) vom 31.12.2018, G 2/19, hiernach: aida 2018, S. 28; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Köln vom 28.1.2019, 2019/2, S. 1, hiernach: Auswärtiges Amt, 28.1.2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Gießen vom 27.12.2017, 2017/2, hiernach: Auswärtiges Amt, 27.12.2017, S. 2).

40

Nach einer Rücküberstellung auf der Grundlage der Dublin III-VO wird das Asylverfahren in Bulgarien regelmäßig eingeleitet bzw. wieder aufgenommen (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 1 f). Dabei wird je nach Verfahrensstand unterschieden: Eine Person, die noch kein Asylgesuch in Bulgarien gestellt hat, erhält die Möglichkeit, ein erstes Asylgesuch zu stellen (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 1 f; Länderinformation Bulgarien des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Stand Mai 2018, Seite 5, G 2/18, hiernach: BAMF-Länderinformation, 2018, S. 5). Bei asylsuchenden Personen, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung beendet worden ist, wird das Verfahren gemäß dem am 22. Dezember 2015 eingeführten Art. 77 Abs. 4 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetzes (hiernach: BGAuFG) automatisch wiederöffnet und in der Sache geprüft, wenn die Person mittels Dublin III-VO zurückgekehrt ist (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 1 f; Auskunft des UNHCR vom 29. März 2019 an das Verwaltungsgericht Köln, G 1/19, hiernach UNHCR vom 29.3.2019, S. 1; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 5; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27. November 2017, G-12/17, im Folgenden: BFA, 27.11.2017, S. 8; aida 2018, S. 29;Auswärtiges Amt, 28.1.2019, S. 2; 27.12.2017, S. 2). Diese Wiedereröffnung des Verfahrens erfolgt von Amts wegen (UNHCR vom 29.3.2019, S. 1). Die Verwaltungspraxis der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (hiernach: SAR) entspricht diesen Rechtsvorschriften und „Dublin-Rückkehrer“ sehen sich auch keinen Hindernissen bei der Wiedereröffnung der Verfahren ausgesetzt (aida 2018, S. 29). Wenn ein Antragsteller auf der Grundlage der Dublin-Vorschriften nach Bulgarien zurückgeführt wird, wird eine Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens vorbereitet. In der Praxis werden in Sofia ankommende Personen nach der Überstellung unterrichtet, dass sie verpflichtet sind, sich bei der staatlichen Asylbehörde vorzustellen. Wenn sie dort vorstellig werden, erhalten sie die Entscheidung, dass das Verfahren wiedereröffnet wird (UNHCR vom 29.3.2019, S. 1 f). Sind mehr als sechs Monate seit Beendigung des Verfahrens vergangen, gilt der Antrag zudem als Erstantrag (und nicht als Folgeantrag), falls er noch nicht inhaltlich behandelt worden ist (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 5; BFA, 27.11.2017, S. 8, m.w.N.). Im Falle eines noch laufenden Asylverfahrens wird die zurückkehrende Person in einem Aufnahmezentrum der SAR untergebracht (aida 2018, S. 28) [vgl. zur Unterbringung auch im Folgenden unter (2) (b) (cc)].

41

Einer etwaigen Beendigung des Verfahrens liegt in rechtlicher Hinsicht zu Grunde, dass nach dem bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetz ein Asylverfahren ausgesetzt werden kann, wenn die asylsuchende Person innerhalb von zehn Werktagen nicht zu einem Termin bei der Behörden erscheint oder sie ihre Adresse ändert, ohne die Behörde davon in Kenntnis zu setzen (Art. 14 BGAuFG, UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S.1 f; Auswärtiges Amt, 27.12.2017, S. 2). Nach weiteren drei Monaten wird das Asylverfahren beendet, wenn die asylsuchende Person sich nicht bei den Behörden meldet und ihre Abwesenheit oder mangelnde Kooperation erklärt hat (Art. 15 BGAuFG, UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 1 f; Auswärtiges Amt, 27.12.2017, S. 2).

42

Wenn der Asylantrag jedoch aufgrund einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen wurde, muss der Rückkehrer, sofern er keine Gründe für sein Fernbleiben vorbringen kann, einen neuen Asylantrag stellen, der als Folgeantrag gewertet wird und nur zulässig ist, wenn dieser neues Vorbringen zur Person des Antragstellers oder seinem Herkunftsland enthält (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2; BFA, 27.11.2017, S. 9; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 5). Wird der Folgeantrag als zulässig erachtet oder eine Entscheidung über die Zulässigkeit nicht binnen 14 Tagen getroffen, wird der Asylantrag im regulären Verfahren geprüft (UNHCR, 17.12.2018, S. 2). Hinsichtlich der Anwendung von Asylhaft auf Rückkehrer, deren Asylantrag aufgrund einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen worden ist, wird auf die folgenden Ausführungen unter (b) (j) verwiesen.

43

(bb) Aus der vorstehend dargelegten Auskunftslage folgt, dass das Asylverfahren der Klägerin bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien wiedereröffnet und fortgesetzt werden wird.

44

Aus der Rückübernahmeerklärung der Republik Bulgarien vom 16. November 2018 (Bl. 127 d. Asylakte) folgt, dass die Rückübernahme der Klägerin ausdrücklich unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO zugesagt worden ist und es sich somit nach der Auffassung der bulgarischen Behörde um eine Antragstellerin handelt, die während der Prüfung ihres Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat (vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO). Umstände, die eine andere Annahme begründen könnten, hat die Klägerin weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich. Die Klägerin hat insbesondere nicht vorgetragen, dass ihr Asylantrag in Bulgarien in der Sache abgelehnt worden sei. Soweit sie in der Antragsbegründung unter Verweis auf die Rechtsprechung des VG Minden im Urteil vom 21.9.2016 (3 K 2346/15.A) behauptet hat, dass ihr Asylverfahren bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht fortgesetzt werden würde, entspricht dies nicht der dem Gericht vorliegenden Erkenntnislage [hierzu unter (aa)].

45

(b) Es sind vor dem Hintergrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse systemische Mängel, die die Annahme einer menschenunwürdigen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh oder Art. 3 EMRK begründen könnten, weder bezüglich der Aufnahmebedingungen noch in Bezug auf das Asylverfahren in Bulgarien festzustellen.

46

Unter Berücksichtigung der dem Gericht aktuell vorliegenden Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Stellung Schutzsuchender in Bulgarien [hierzu unter (aa)], deren Anspruch auf Sozialhilfe [hierzu unter (bb)], deren Unterbringung [hierzu unter (cc)], deren Versorgung [hierzu unter (dd)], deren Arbeitsmöglichkeiten [hierzu unter (ee)], die Bildungsmöglichkeiten von Kindern [hierzu unter (ff)], die medizinische Versorgung [hierzu unter (gg)] sowie die Aufnahmebedingungen von Personen, die im Rahmen der Dublin III-Verordnung nach Bulgarien zurücküberstellt werden [hierzu unter (hh)], können bei einer Gesamtbetrachtung systemische Mängel, die die Annahme einer menschenunwürdigen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh oder Art. 3 EMRK begründen, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden [hierzu unter (ii)]. Dies gilt auch bezüglich der Asyl- und Abschiebehaft in Bulgarien [hierzu gesondert unter (jj)].

47

(aa) Nach dem bulgarischen Recht haben die Antragsteller im Asylverfahren einen Anspruch (vgl. Art. 29 Abs. 1 BGAuFG) auf Unterkunft, Verpflegung, Sozialhilfe, Krankenversicherung, Gesundheitsfürsorge und psychologische Betreuung (aida 2018, S. 46; BFA, 27.11.2017, 13; UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2). Diese Rechte können jedoch nur von Asylbewerbern in Anspruch genommen werden, die in den Aufnahmezentren untergebracht sind. Asylsuchende, die sich entweder freiwillig für ein Leben außerhalb der Aufnahmezentren entschieden haben oder denen die dortige Unterbringung verweigert wurde, haben keinen Zugang zu diesen Leistungen (aida 2018, S. 46,UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2).

48

Schutzsuchende haben in Bulgarien einen rechtlichen Anspruch auf Ausstellung einer Registrierungskarte, die ihrer Identifikation dient und die Voraussetzung für die Wahrnehmung der ihnen zustehenden Rechte ist (aida 2018, S. 45;BFA, 27.11.2017, 14). Folgeantragsteller erhalten keine Asylbewerberkarte und haben auch kein Recht auf Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen, während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags geprüft wird (BFA, 27.11.2017, 14).

49

Das bulgarische Recht unterscheidet zwischen Personen, die einen Asylantrag in Bulgarien gestellt haben und Personen, die sich illegal im bulgarischen Staatsgebiet aufhalten und keinen Asylantrag gestellt haben, oder für die ein Dublin-Verfahren mit einem anderen Zielstaat anhängig ist. Letzterem Personenkreis stehen die Rechte auf Unterbringung und Unterstützung nicht zu (aida 2018, S. 45). Eine staatlich finanzierte Rechtshilfe ist nach dem bulgarischen Recht für alle Phasen des Asylverfahrens vorgesehen und wird in der Praxis auch gewährt (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 3).

50

(bb) Bis zum Februar 2015 betrug die monatliche Sozialhilfe für Asylsuchende in Bulgarien 65 BGN (33,23 EUR), wobei diese nur an Antragsteller gezahlt wurde, die in den Aufnahmezentren untergebracht waren (aida 2018, S. 46 f). Um außerhalb der Aufnahmezentren leben zu können, mussten Asylbewerber schriftlich erklären, dass sie über ausreichende Mittel verfügen, um sich selbst zu versorgen, und auf die staatlichen Unterstützungsleistungen verzichten (aida 2018, S. 47). Seit dem Februar 2015 hat die SAR – im Widerspruch zum bulgarischen Recht – die Auszahlung der Sozialhilfe für Schutzsuchende eingestellt, unter Verweis darauf, dass diesen in den Aufnahmezentren dreimal täglich Nahrungsmittel bereitgestellt würden (aida 2018, S. 46; BFA, 27.11.2017, 14; UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2). Ein gegen diese Praxis gerichtetes Klageverfahren einer Nichtregierungsorganisation wurde mangels eines individuellen Rechtschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen. Etwaige Individualklagen gegen diese Praxis der SAR sind inzwischen verfristet (aida 2018, S. 46). Im Jahr 2018 wurden dreimal täglich Lebensmittel für drei Mahlzeiten an die Bewohner der Aufnahmezentren ausgegeben (aida 2018, S. 46).

51

(cc) Die Unterbringung der Antragsteller erfolgt in Aufnahmezentren, die von der SAR betrieben werden (aida 2018, S. 49). Ende 2018 gab es in Bulgarien die folgenden Aufnahmezentren: drei Aufnahmeeinrichtungen im Großraum Sofia (Ovča Kupel, Vraždebna, Voenna Rampa), eines in Zentral-Bulgarien (Banya), eines im Südosten des Landes (Harmanli) und ein Transitzentrum im Südosten (Păstrogor) (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 2). Die bekannten Kapazitäten und Auslastungen der Aufnahmezentren waren am 31. Dezember 2018 wie folgt (Belegung/Kapazitäts-Verhältnis): Sofia-Ovcha Kupel: 192/860, Sofia-Voenna Rampa: 98/800, Sofia-Busmantsi: 4/60, Banya: 0/70, Pastrogor: 7/320, Harmanli: 143/2710, insgesamt 444/4760 9,33 % (aida 2018, S. 49; BFA, 27.11.2017, S. 14).Im Januar 2019 meldete die SAR wiederum eine Belegungsrate von 10% mit 542 Insassen auf 5.190 Plätzen (aida 2018, S. 49). Diese Daten zeigen auf, dass die Kapazität der Aufnahmeeinrichtungen die Anzahl der benötigen Plätze deutlich übersteigt. Die Kapazitäten in den bulgarischen Aufnahmezentren sind insofern ausreichend, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden unterzubringen (vgl. BAMF-Länderinformation, 2018, S. 2).

52

Das Gesetz beschränkt die Aufenthaltsdauer von Asylbewerbern in einer Aufnahmeeinrichtung während des Verfahrens nicht. Asylsuchende können bis zum Einspruchsverfahren gegen eine ablehnende Entscheidung in der Unterkunft bleiben (aida 2018, S. 51BFA, 27.11.2017, 14). Gegen die Verweigerung einer Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (BFA, 27.11.2017, S. 15). Asylsuchende dürfen außerhalb der Aufnahmezentren auf eigene Kosten wohnen, wenn sie einen formellen Verzicht auf Unterkunft und Sozialhilfe erklären und die Miete und Nebenkosten selbst zahlen (aida 2018, S. 49; BFA, 27.11.2017, S. 15).

53

Die SAR versucht, Kernfamilien in den Aufnahmezentren gemeinsam in eigenen Räumen unterzubringen (aida 2018, S. 49; BFA, 27.11.2017, S. 15). Einige der Unterkünfte werden hauptsächlich für Schutzsuchende einer bestimmten Nationalität genutzt. So waren in der Unterkunft Vraždebna vor deren Schließung überwiegend Syrer untergebracht, in Voenna Rampa fast ausschließlich afghanische und pakistanische Asylsuchende, während in den anderen Aufnahmezentren Schutzsuchende unterschiedlicher Herkunftsländer untergebracht waren, wie im Harmanli, im Banya und Ovcha Kupel (aida 2018, S. 49). Nach Vorfällen interethnischer Gewalt unter Asylbewerbern haben die bulgarischen Behörden begonnen, die Asylbewerber nach Herkunftsländern getrennt unterzubringen (Council of Europe, Report of the fact-finding mission by Ambassador Tomáš Boček, Special Representative of the Secretary General on migration and refugees, to Bulgaria, 13-17 November 2017, SG/Inf(2018)18, vom 19.4.2018, G 10/18, hiernach: CoE fact-finding Report, 2018, S. 11).

54

Die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren sind ärmlich und liegen trotz der durch die SAR regelmäßig durchgeführten Teilrenovierungen auf oder unter dem Mindeststandard (aida 2018, S. 50; BFA, 27.11.2017, S. 15). Die Warmwasserversorgung sowie die rechtzeitige Reparatur von Geräten und Ausrüstungen in Badezimmern, Räumen und öffentlichen Bereichen bleibt problematisch (aida 2018, S. 50). Insassen aller Aufnahmezentren mit Ausnahme von Vraždebna klagen über insgesamt schlechte sanitäre Bedingungen, insbesondere über Bettzeug, das von Wanzen befallen sei und Hautkrankheiten verursache (aida 2018, S. 50). Die bulgarischen Behörden haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um alte Schulen oder Militärgebäude in Einrichtungen für die Unterbringung von Asylbewerbern umzuwandeln. Während einige Aufnahmeeinrichtungen wie die in Vraždebna nunmehr gute Lebensbedingungen bieten (vgl. zur dieser Einrichtung: Prof. Dr. Harald Dörig, Bericht über einen Aufenthalt in Sofia/Bulgarien vom 25. - 28.10. 2018 – Aufnahmebedingungen für Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge, G 8/18, S. 1 ff, hiernach: Dörig, 2018), weisen andere noch Mängel in Bezug auf Hygiene, Zugang zu heißem Wasser und Bettzeug auf (Council of Europe, Report of the fact-finding mission by Ambassador Tomáš Boček, Special Representative of the Secretary General on migration and refugees, to Bulgaria, 13-17 November 2017, SG/Inf(2018)18, vom 19.4.2018, G 10/18, hiernach: CoE fact-finding Report, 2018, S. 11).

55

Die Aufnahmezentren werden regelmäßig von Nichtregierungsorganisationen auf die Mindeststandards der Flüchtlingskonvention überprüft. In den meisten Aufnahmezentren gibt es weiterhin Bau- und Renovierungstätigkeiten (BFA, 27.11.2017, S. 15). Das vorübergehend geschlossene Aufnahmezentrum in Vraždebna wurde vor Kurzem mit EU-Mitteln vollständig renoviert (aida 2018, S. 50). In dieser, in einer ehemaligen Schule untergebrachten Einrichtung befanden sich im Oktober 2018 Asylbewerber aus Nordafrika und aus dem Nahen Osten (z.B. Syrien). In der Einrichtung erfolgen Kooperationen mit dem UNHCR, dem Bulgarischen Roten Kreuz, dem Bulgarischen Helsinki Komitee und der Caritas. Die Antragsteller werden in Videos in unterschiedlichen Sprachen über ihre Rechte informiert. Sie können mit Rechtsanwälten sprechen, Beratungsangebote wahrnehmen und Sprachkurse besuchen (zum Vorstehenden: Dörig, 2018, S. 2 ff.). In der Aufnahmeeinrichtung bestehen zudem geschützte Zonen für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge (Dörig, 2018, S. 2).

56

Die SAR führt in den Aufnahmezentren sogenannte Vulnerabilitäts-Screenings in Form von Befragungen insbesondere zu Krankheit, Behinderung, Schwangerschaft und Familientrennung durch (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 3). Für jeden unbegleiteten Minderjährigen ist nach bulgarischem Recht ein Vormund zu bestellen, der für eine rechtliche Vertretung des Minderjährigen im Asylverfahren sorgt. Alternativ kann auch ein Sozialarbeiter zur Seite gestellt werden, was oft der Fall ist (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 3). Sozialmediatoren des Roten Kreuzes und von Nichtregierungsorganisationen, die Kooperationsvereinbarungen mit der Asylbehörde haben, können ungehindert in den Zentren tätig sein (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 3). Eine ausreichende Anzahl von Dolmetschern ist in den Unterkünften vorhanden (Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Hamburg vom 30.11.2015, 2015/2, Auskunft an das VG Aachen vom 27.01.2016, 2016/1).

57

(dd) Hinsichtlich der Versorgung der Asylsuchenden ergeben sich die folgenden Erkenntnisse: Seit 2018 werden in den Aufnahmezentren drei Mahlzeiten pro Tag angeboten (aida 2018, S. 50; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 3). Qualität und Quantität der Lebensmittel werden jedoch von den Asylsuchenden im Allgemeinen beanstandet (aida 2018, S. 50). Neben der Versorgung mit Nahrungsmitteln werden in den Aufnahmezentren Hygienepakete bereitgestellt (aida 2018, S. 50). Jedoch werden gesonderte Geldmittel für Medikamente, Labortests sowie für den Kauf von Babynahrung, Windeln und Körperpflegemitteln nicht gezahlt (aida 2018, S. 50). Spezielle gesundheitliche Bedürfnisse können deshalb nicht angemessen berücksichtigt werden, was besonders für Familien mit kleinen Kindern, chronisch Kranke und ältere Menschen problematisch ist (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 3).

58

(ee) Das bulgarische Recht ermöglicht Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn das Asylverfahren länger als drei Monate dauert (aida 2018, S. 50; BFA, 27.11.2017, S. 14, 15 ). Die Genehmigung wird von der SAR in einem einfachen Verfahren erteilt. Nach Erteilung der Genehmigung haben Asylsuchende Zugang zu Arbeits- und Sozialleistungen sowie zu einer Berufsausbildung. Im Jahr 2018 erteilte die SAR 134 Arbeitsgenehmigungen an Asylbewerber (aida 2018, S. 52). Die Arbeitsaufnahme wird in der Praxis jedoch durch Sprachbarrieren, die wirtschaftliche Rezession und die hohe Arbeitslosenquote erschwert (aida 2018, S. 50; BFA, 27.11.2017, S. 15).

59

(ff) Das bulgarische Recht gewährleistet den Zugang asylsuchender Kinder zu kostenlosem Unterricht in regulären staatlichen Schulen sowie zur Berufsausbildung nach den für bulgarische Kinder geltenden Bedingungen (aida 2018, S. 52). Das Bildungsangebot in den Unterkünften selbst ist allerdings begrenzt: Kurse für die bulgarische Sprache für Kinder werden nur von Nichtregierungsorganisationen organisiert (CoE fact-finding Report, 2018, S. 11). In der Unterkunft in Harmanli besuchen die asylsuchenden Kinder grundlegende Kurse, die von der Gemeinde mit Unterstützung der SAR organisiert werden. Erwachsene haben demgegenüber keinen Zugang zu Sprachkursen, Bildung oder sozialen Aktivitäten in den Aufnahmezentren (CoE fact-finding Report, 2018, S. 11).

60

(gg) Asylsuchende haben in Bulgarien Anspruch auf die gleiche medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsangehörige (aida 2018, S. 53;BFA, 27.11.2017, S. 16; UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 3; CoE fact-finding Report, 2018, S. 11). Die SAR ist gesetzlich verpflichtet, die Krankenversicherung für Asylsuchende zu übernehmen. In der Praxis haben Asylbewerber zwar Zugang zu verfügbaren Gesundheitsdiensten, sehen sich jedoch aufgrund des allgemeinen Zustands des bulgarischen Gesundheitssystems, das unter erheblichen Mängeln leidet, mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert wie bulgarische Staatsangehörige (aida 2018, S. 53;BFA, 27.11.2017, S. 16). Fehlende Dolmetscher und die mangelnde Bereitschaft einiger Ärzte, Asylsuchende als Patienten zu registrieren, stellen zudem praktische Hindernisse beim Zugang zu einer medizinischen Versorgung außerhalb der Unterkünfte dar. Zudem umfasst die Grundsicherung nicht alle medizinischen Behandlungen und Medikamente. Insbesondere bei schweren und chronischen Erkrankungen können einige Behandlungen nur teilweise erstattet werden (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 3). Dieses Problem wurde durch die Aussetzung der monatlichen Sozialhilfe in Höhe von 33 EUR im Frühjahr 2015 verschärft, da Asylsuchende dieses Geld unter anderem verwendet haben, um Medikamente zu kaufen (CoE fact-finding Report, 2018, S. 11). Das Bulgarische Rote Kreuz verfügt indessen über einen kleinen, vom UNHCR finanzierten Fonds, um die Kosten für die medizinische Versorgung und Medikamente für eine begrenzte Anzahl besonders vulnerabler Asylsuchender zu decken (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 3).

61

Die Aufnahmezentren sind mit medizinischen Beratungsräumen ausgestattet und bieten grundlegende medizinische Dienstleistungen an. Ihr Umfang hängt jedoch von der Verfügbarkeit der medizinischen Personals an dem jeweiligen Standort ab (aida 2018, S. 53). In einigen Aufnahmezentren ist während der gewöhnlichen Arbeitszeit ein Allgemeinarzt anwesend (CoE fact-finding Report, 2018, S. 11), so insbesondere auch in der Aufnahmeeinrichtung in Vražhdebna (Dörig, 2018, S. 4). Die medizinische Versorgung kann auch durch Überweisung an Notfallstationen in örtlichen Krankenhäusern (aida 2018, S. 54; BFA, 27.11.2017, S. 16) erfolgen. In der Praxis ist der Zugang zu geeigneter medizinischer Versorgung durch Personalmangel oder den mangelnden Zugang zu Übersetzungen eingeschränkt (BFA, 27.11.2017, S. 16).

</dl>
62

Entfällt das Recht auf Versorgung [vgl. hierzu zuvor aa)], betrifft dies auch die medizinische Versorgung (BFA, 27.11.2017, S. 16).Eine medizinische Notfallversorgung ist jedoch wie auch für bulgarische Staatsangehörige, von denen etwa eine Million nicht krankenversichert sind (BFA, 27.11.2017, S. 20), unabhängig vom Versicherungsstatus gewährleistet (Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG Lüneburg vom 18.07.2017, 2017/1, S. 4). Diese basiert auf Art. 7 der Verordnung Nr. 25 vom 4.11.1999 über die medizinische Notfallversorgung (Dr. Valeria Ilareva, Auskunft an das OVG Lüneburg vom 7.4.2017, G 11/17, S. 11).

63

Art. 29 Abs. 1 BGAuFG legt fest, dass alle Asylsuchenden Anspruch auf eine psychologische Betreuung haben. In der Praxis wird eine psychologische Unterstützung in den Aufnahmezentren von Nichtregierungsorganisationen geleistet, die nicht in allen Zentren auf gleichem Niveau und in gleicher Häufigkeit ihre Leistung anbieten (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 3). Die Zahl qualifizierter Psychologen zur Unterstützung vulnerabler Personen ist weiterhin ungenügend. Die NGO „Zentrum NADYA“ bietet auf Projektbasis psychologische Betreuung an. Eine zweite NGO (ACET) ist seit 2017 nicht mehr aktiv, weswegen zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Örtlichkeiten psychologische Betreuung nicht oder nur reduziert möglich ist (BFA, 27.11.2017, S. 16 f).

64

(hh) Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen von Personen, die im Rahmen der Dublin III-Verordnung nach Bulgarien überstellt werden, liegen dem Gericht die folgenden, weiteren Erkenntnisse vor:

65

Die Aufnahmebedingungen von Personen, die nach der Dublin III-Verordnung zurückkehren, sind abhängig vom Verfahrensstand. Eine Person, die noch kein Asylgesuch in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in eines der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung gebracht werden. Nach dem Einreichen eines Asylgesuchs werden sie in ein Aufnahmezentrum der SAR überstellt. Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in einem Aufnahmezentrum untergebracht (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2, aida 2018, S. 28).

66

Nach den Angaben des UNHCR sind in der letzten Zeit keine Fälle beobachtet worden, in denen einem „Dublin-Rückkehrer“, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen war, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert worden ist (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2). Ein solches kann jedoch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn die Aufnahmezentren wieder ihre volle Kapazität erreichen (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2). Vor dem Hintergrund der zuvor dargelegten geringen Auslastung der Aufnahmezentren hält das Gericht dies jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 VwGO) für nicht beachtlich wahrscheinlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der in den Erkenntnisquellen belegten Anzahl von Personen, die nach der Dublin III-Verordnung nach Bulgarien überstellt wurden: Im Jahr 2018 erhielt die Republik Bulgarien 3448 Anfragen nach der Dublin III-Verordnung und es fanden 86 Überstellungen statt. Im Jahr 2017 waren es 7934 Anfragen und 446 Rücküberstellung, im Jahr 2016 10.377 Anfragen und 624 Überstellungen (aida 2018, S. 28).

67

„Dublin-Rückkehrer“, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen worden ist und die die Entscheidung vor ihrer Ausreise erhalten und nicht fristgerecht angefochten haben, werden in einem geschlossenen Zentrum (Asylhaft, vgl. BAMF-Länderinformation, 2018, S. 4) untergebracht (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2;vgl. auch Auskunft des UNHCR an das VG Aachen vom 29.1.2017, G 1/16, hiernach: UNHCR-Auskunft vom 29.1.2017, S. 1). Während des sich anschließenden Verfahrens kommt es dann darauf an, ob der asylsuchenden Person die ablehnende Entscheidung vor der Ausreise aus Bulgarien zugestellt worden ist. Ist die Entscheidung der Person vor der Ausreise noch nicht zugestellt worden, wird die Person einem Aufnahmezentrum zugewiesen (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2; aida 2018, S. 28). Wurde die Entscheidung vor der Ausreise aus Bulgarien zugestellt und wurde diese nicht innerhalb der gesetzlichen Frist angefochten, bleibt die Person inhaftiert (UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2; aida 2018, S. 28). Die Haft kann dann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern. Selbst wenn ein etwaig gestellter Folgeantrag als zulässig erachtet wird – mit der Folge einer regulären Prüfung des Asylantrags – ist eine weitere Inhaftierung wahrscheinlich (UNHCR-Auskunft v. 29.01.2016, S. 1). Auch abgelehnte Schutzsuchende, die aus der Haft entlassen werden, haben keinen Zugang zu einem regulären Aufnahmezentrum und haben keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (Art. 29 Abs. 7 BGAuFG, UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2). Entsprechendes gilt auch im Falle eines als unzulässig abgelehnten Folgeantrags oder bei einer Entlassung während der Überprüfung des Folgeantrags (UNHCR-Auskunft v. 17.12.2018, S. 2). Folgeantragsteller haben keinen Anspruch auf medizinische Versorgung, jedoch auf eine kostenlose medizinische Notfallversorgung (BFA S. 9, 14, 16).

68

(ii) Bei einer Gesamtwürdigung dieser Erkenntnislage [(aa) - (ii)] sind im Fall der Rückführung der Klägerin nach Bulgarien systemische Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens, die die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urt. v. 19.3.2019, C-163/17, juris, Rn. 91 ff) begründen würden, nicht zu erwarten. Dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Bulgarien in eine Situation geraten würde, die durch eine derartige extreme materielle Not geprägt ist, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementaren Bedürfnisse (Ernährung, Obdach und Körperhygiene) zu befriedigen, die ihre Gesundheit gefährden würde oder die sie in den Zustand einer menschenunwürdigen Verelendung bringen würde (vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 92 f.) ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Insbesondere geht das Gericht auf der Grundlage der vorstehenden Erkenntnisse davon aus, dass die Klägerin nach einer Rücküberstellung nach Bulgarien dort wieder einer regulären Aufnahmeeinrichtung zugewiesen wird und dass ihr dort die gleichen Rechte auf Unterbringung und materielle Versorgung zustehen, wie den anderen dort untergebrachten Schutzsuchenden. Denn sie zählt – wie zuvor dargelegt – zu dem Personenkreis von „Dublin-Rückkehrern“, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das Gericht kann nach der vorliegenden Erkenntnislage auch nicht erkennen, dass die Bedingungen der Unterbringung der Klägerin in einem Aufnahmezentrum zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK der Klägerin führen würden.

69

(jj) Eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK ergibt sich schließlich auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aus einer etwaigen Unterbringung der Klägerin in einer geschlossenen Unterkunft (Asylhaft) in Bulgarien. Hiergegen spricht im Ausgangspunkt bereits, dass die Klägerin wegen ihres Verfahrensstandes bei einer Rückkehr nach Bulgarien – wie zuvor dargelegt – in einem regulären Aufnahmezentrum und nicht in einer geschlossenen Unterkunft untergebracht werden wird. Unabhängig hiervon können systemische Mängel, die die Annahme der Gefahreiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen würden, weder im rechtlichen Rahmen der Asyl- und Abschiebehaft in Bulgarien [im Folgenden unter (i)] noch in den Rechtsschutzmöglichkeiten [im Folgenden unter (ii)] noch in den Haftbedingungen [im Folgenden unter (iii)] mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

70

(i) Der für das Gericht aus den Erkenntnisquellen ersichtliche rechtliche Rahmen der Asyl- und Abschiebehaft in Bulgarien lässt nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf systemische Mängel im Asylsystem Bulgariens schließen, die die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten.

71

Die geschlossene Unterbringung bzw. Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen mit dem Zweck ihrer Rückführung in ihren Herkunftsstaat ist in der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältige Drittstaatsangehöriger (ABl. Nr. L 348 S. 98 ff, hiernach: Rückführungs-RL) vorgesehen und wird durch diese unionsrechtlich vorstrukturiert. Die Richtlinie findet gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL auf die illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältigen Drittstaatsangehörigen Anwendung und enthält Regelungen sowohl zu den rechtlichen Voraussetzungen, als auch zu den Bedingungen der Haft.

72

Demgegenüber richten sich wiederum gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Asylverfahrens-RL für Antragsteller während eines laufenden Asylverfahrens die Gründe und Bedingungen des Gewahrsams nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. Nr. L 180 S. 96, hiernach: EU-Aufnahme-RL). In der EU-Aufnahme-RL werden in Art. 8 die Gründe für die Inhaftierung von Antragstellern, in Art. 9 die Garantien für die in Haft befindlichen Antragsteller, in Art. 10 die Haftbedingungen und in Art. 11 die Inhaftnahme von schutzbedürftigen Personen und von Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme unionsrechtlich für das Recht der Mitgliedstaaten vorbestimmt. In diesem Zusammenhang ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urt. v. 15.2.2016, C-601/15, juris, Rn. 43 ff, 82) die Haftgründe nach Art. 8 Abs. 3 EU-Aufnahme-RL verhältnismäßig sind und nicht die Grundrechte der Art. 6 und 52 Abs. 1 und 3 der GRCh berühren.

73

Das bulgarische Recht ermöglicht die Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen unmittelbar nach ihrer Einreise: Nach Art. 44 Abs. 6 des bulgarischen Ausländergesetzes kann ein Drittstaatsangehöriger in Haft genommen werden, wenn seine Identität ungeklärt ist, er die Durchführung einer Zurückweisung verhindert oder Fluchtgefahr besteht (aida 2018, S. 58), was auch unionrechtlich in Art. 8 Abs. 3 der EU-Aufnahme-RL vorgesehen ist. In der Praxis wird die Inhaftierung von Drittstaatsangehörigen von der Grenz- oder Einwanderungspolizei wegen unbefugter Einreise, unregelmäßigen Aufenthalts oder fehlender gültiger Ausweispapiere angeordnet (aida 2018, S. 58). Nach den Änderungen des bulgarischen Ausländergesetzes Ende 2016 kann die Grenzpolizei zunächst eine Inhaftierung von 30 Kalendertagen anordnen, was im Einklang mit den Vorgaben in Art. 9 Abs. 3 EU-Aufnahme-RL stehen dürfte, nach dem Haftanordnungen auch durch Verwaltungsbehörden zulässig sind. Wenn der Ausländer allerdings einen Asylantrag gestellt hat, muss die Polizei innerhalb dieser Frist entscheiden, wann die Person in ein offenes Aufnahmezentrum eingewiesen wird (aida 2019, S. 58). Für Antragsteller aus bestimmten Ländern (Afghanistan, Türkei, Ukraine, China und Algerien) führt die SAR auch innerhalb der geschlossenen Einrichtungen das Asylverfahren einschließlich der Anhörungen durch, wobei diese Verwaltungspraxis von den bulgarischen Gerichten überwiegend gestattet wird (aida 2018, S. 58 f). Das oberste bulgarische Verwaltungsgericht hat indessen Ende 2018 entschieden, dass die Einreichung eines Asylantrags den Asylbewerber berechtigt, die sofortige Freilassung aus der Haft zu beantragen (aida 2018, S. 59). Im Jahr 2018 wurden 2.456 Personen unmittelbar nach der Einreise inhaftiert, wovon 1876 einen Asylantrag stellten (aida 2018 S. 58). Die Anordnung der Inhaftierung Drittstaatsangehöriger unmittelbar nach der Einreise erfolgt zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten. Die maximale Haftdauer einschließlich Verlängerungen beträgt in diesen Fällen 18 Monate. Eine sogenannte kurzfristige Inhaftierung kann wiederum für maximal 30 Tage angeordnet werden (aida 2018, S. 62). Im bulgarischen Flüchtlingsgesetz ist seit 2016 geregelt, dass Asylanträge innerhalb von sechs Arbeitstagen registriert werden müssen und dass inhaftierte Antragsteller nach der Registrierung freigelassen werden müssen (Art. 58 Abs. 4 BGAuFG; aida 2018, S. 62). Hierdurch hat sich die Dauer der Inhaftierung von Antragstellern nach ihrer Einreise im Jahr 2016 auf durchschnittlich 9 Tage verkürzt (aida 2018, S. 62). Im Jahr 2017 waren es durchschnittlich 19 Tage, im Jahr 2018 waren es wieder durchschnittlich 9 Tage (aida 2018, S. 62). Nach der BAMF-Länderinformation 2018 soll die durchschnittliche Haftdauer in allen Einrichtungen wiederum bei 12 bis 14 Tagen liegen (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 4). Nach Stellung eines Asylantrags werden die Antragsteller in einem offenen Aufnahmezentrum der SAR untergebracht (aida 2018, S. 49). Dies gilt auch für Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurden (vgl. UNHCR-Auskunft, 17.12.2018, S. 2, aida 2018, S. 28).

74

Asylsuchende können in Bulgarien unter bestimmten Bedingungen aber auch während des laufenden Asylverfahrens in geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden: Art 45b Abs. 1 BGAuFG sieht vor, dass ein Asylbewerber in einer geschlossenen Unterkunft untergebracht werden kann, um seine Identität oder Staatsangehörigkeit festzustellen, zur Ermittlung der Gründe des Antrags auf internationalen Schutz, wenn die Gefahr besteht, dass der Antragsteller flüchtet, wenn der Schutz der nationalen Sicherheit dies erfordert, oder zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (aida 2018, S. 59 f). Auch diese Haftgründe während des laufenden Asylverfahrens finden eine unionsrechtliche Grundlage in Art. 8 Abs. 3 der EU-Aufnahme-RL. Im Jahr 2018 wurden während des laufenden Verfahrens insgesamt zehn Antragsteller in Asylhaft genommen, wobei als Haftgründe die Identifikation des Antragstellers oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit angegeben worden sind (aida 2018, S.60). Die durchschnittliche Haftdauer betrug hierbei 196 Tage (aida 2018, S. 63).

75

Wie von Art. 8 Abs. 4 der EU-Aufnahme-RL gefordert, sind im bulgarischen Ausländergesetz als Alternativen zur Inhaftierung von Asylsuchenden die Abgabe von Ausweisdokumenten, finanzielle Sicherheiten und eine wöchentliche Meldepflicht vorgesehen (Art. 44 Abs. 5 des bulgarischen Ausländergesetzes; aida 2018, S. 60). Im bulgarischen Flüchtlingsgesetz (BGAuFG) ist als Alternative zur Inhaftierung in Art. 45a ferner eine zweiwöchige Meldepflicht vorgesehen (aida 2018, S. 60). Wie in Art. 9 Abs. 1 EU-Aufnahme-RL unionsrechtlich vorgesehen, ist die Inhaftierung während des laufenden Asylverfahrens in geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen gesetzlich auf den kürzest möglichen Zeitraum begrenzt (Art. 45e BGAuFG), wobei die SAR in Einzelfällen Antragsteller in den geschlossenen Zentren solange untergebracht hat, bis die Entscheidung über ihren Asylantrag bestandskräftig wurde (aida 2018, S. 63). Die gesetzlich vorgeschriebene (Art. 45d Abs. 2 BGAuFG) und unionsrechtlich vorbestimmte (Art. 9 Abs. 3 EU-Aufnahme-RL) Haftprüfung wird formell durchgeführt, wobei inhaftierte Asylbewerber oftmals erst nach Einschaltung eines Rechtsbeistands freigelassen worden sein sollen (aida 2018, S. 63; Bulgarian Helsinki Committee, Monthly Situation Report: December 2017, 10 January 2018).

76

Das bulgarische Ausländergesetz verbietet die Inhaftierung unbegleiteter Kinder (Art. 44 Abs. 9 des bulgarischen Ausländergesetzes; CoE fact-finding Report, 2018, S. 14; aida 2018, S. 61), was über das Schutzniveau von Art. 11 Abs. 3EU-Aufnahme-RL hinausgeht, der im Ausnahmefall auch die Inhaftierung unbegleitete Minderjähriger gestattet. Für die – unionsrechtlich nach Art. 11 Abs. 4 EU-Aufnahme-RL zulässige – Inhaftierung von Kindern in Begleitung ihrer Eltern (Familien) ist nach bulgarischem Recht eine Inhaftierung bis zu drei Monaten möglich (aida 2018, S. 60). Durch eine Gesetzesänderung im Juli 2018 haben die bulgarischen Grenzbehörden die bisherige Praxis aufgegeben, unbegleitete minderjährige Antragsteller einem in ihrer Reisegruppe angetroffenen Erwachsenen „zuzuordnen“, um sie hierdurch als begleitete Minderjährige kategorisieren und diese gemeinsam in geschlossenen Einrichtungen unterbringen zu können (aida 2018, S. 61). Die Reform führte zu einer umgehenden Änderung der Praxis der Polizei. Seit Ende Juli 2018 überweist die Grenz- und Einwanderungspolizei unbegleitete Kinder unter 14 Jahren aus gemischten Migrationsgruppen direkt an Kinderbetreuungseinrichtungen (aida 2018, S. 61).

77

Schließlich kann in Bulgarien ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, in Abschiebehaft genommen, wenn eine Fluchtgefahr besteht (Art. 44 Abs. 6 des bulgarischen Ausländergesetzes; CoE fact-finding Report, 2018, S. 10 f). Die Inhaftierung kann von der Migrationsbehörde, der Grenzpolizei, der Bezirkspolizei und der Regionalpolizei angeordnet werden (CoE fact-finding Report, 2018, S. 10, Fn. 18). Die Abschiebehaft kann für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten angeordnet werden, mit Ausnahme von Familien mit Kindern, die bis zu drei Monate inhaftiert werden können (Art. 44 Abs. 8 und Abs. 9 des bulgarischen Ausländergesetzes) (CoE fact-finding Report, 2018, S. 10 f). Nach dem bulgarische Recht können alternative Maßnahmen zur Inhaftierung von ausreispflichtigen Ausländern nur dann ergriffen werden, wenn der betroffene Ausländer gehindert ist, das Land zu verlassen, und keine konkreten Maßnahmen hinsichtlich einer Abschiebung geplant sind (CoE fact-finding Report, 2018, S. 11). Solche alternative Maßnahmen umfassen ein wöchentliches Erscheinen bei einer Behörde am Wohnsitz des Ausländers, die Zahlung einer Kaution und die Vorlage des Reisepasses oder eines Reisedokuments (Art. 44 Abs. 5 des bulgarischen Ausländergesetzes). Diese werden jedoch in der Praxis nur selten angewandt (CoE fact-finding Report, 2018, S. 11). Ein Ausländer ist nach bulgarischem Recht freizulassen, sobald die Möglichkeit seiner Abschiebung aus rechtlichen oder technischen Gründen nicht mehr besteht (Council of Europe, Report to the Bulgarian Government on the visit to Bulgaria carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 25 September to 6 October 2017, CPT/Inf (2018) 15, G 11/18, hiernach: CoE Report, 2018, S. 28 Fn. 42).

78

Dieser rechtliche Rahmen der Abschiebehaft in Bulgarien dürfte mit den relevanten Vorgaben der Rückführungsrichtlinie in Einklang stehen. Die nach dem bulgarischen Recht vorgesehene Inhaftierung zur Vorbereitung einer Abschiebung – die insbesondere im Fall von abgelehnten Asylbewerbern einschlägig sein dürfte – steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Denn Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Rückführungs-RL sieht eine Inhaftnahme Drittstaatsangehöriger vor, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn Fluchtgefahr besteht oder die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern. Dem entspricht die Regelung in Art. 44 Abs. 6 des bulgarischen Ausländergesetzes, nach der ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, in Abschiebehaft genommen werden kann, wenn eine Fluchtgefahr besteht. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 Rückführungs-RL muss die Haftdauer so kurz wie möglich sein und darf sich nur auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen erstrecken. Sie darf gemäß Art. 15 Abs. 5 Rückführungs-RL nur solange aufrechterhalten werden, wie die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Rückführungs-RL vorliegen. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 Rückführungs-RL wird die Inhaftnahme in jedem Fall – entweder auf Antrag der betreffenden Drittstaatsangehörigen oder von Amts wegen – in gebührenden Zeitabständen überprüft. Nach Art. 15 Abs. 5 Satz 2 Rückführungs-RL legen die Mitgliedstaaten eine Höchsthaftdauer der Haft fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. Erkenntnisse dazu, dass diese Vorgaben im bulgarischen Recht in einer systemische Mängel begründenden Weise nicht umgesetzt sein könnten, hat das Gericht auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisquellen nicht gewinnen können. Nach den vorstehend dargelegten Erkenntnissen kann die Abschiebehaft in Bulgarien für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten angeordnet werden, mit Ausnahme von Familien mit Kindern, die bis zu drei Monate inhaftiert werden können. Auch ist ein Ausländer nach bulgarischem Recht freizulassen, sobald die Möglichkeit seiner Abschiebung aus rechtlichen oder technischen Gründen nicht mehr besteht.

79

(ii) Trotz praktischer Probleme bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe kann das Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten inhaftierter Asylsuchender in Bulgarien systemische Mängel, die die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erkennen:

80

Inhaftierte Asylsuchende werden in Bulgarien vom Personal der Haftanstalt mündlich über die Gründe ihrer Inhaftierung und die Möglichkeit informiert, gerichtlich gegen diese vorzugehen, jedoch nicht darüber, wie sie Prozesskostenhilfe erlangen können (aida 2018, S. 67). Sie erhalten eine Kopie des Haftbefehls. In den geschlossenen Unterkunftseinrichtungen sollen jedoch zum Teil Dolmetscher fehlen (aida 2018, S. 67). Trotz dieser Auskunftslage kann das Gericht nicht erkennen, dass die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 EU-Aufnahme-RL (schriftliche Anordnung und Begründung der Haftentscheidung) und Art. 9 Abs. 4 EU-Aufnahme-RL (Unterrichtung über die Haftgründe, die Rechtsmittel sowie unentgeltliche Rechtsberatung) in einer systemische Mängel begründenden Weise verletzt würden. Zwar dürfte der Mangel an Dolmetschern (aida 2018, S. 67) hierbei ein Problem begründen, jedoch dürfte dies wiederum durch die kostenlose Rechtshilfe des Bulgarischen Helsinki Komitees sowie durch Nichtregierungsorganisationen, die die geschlossenen Unterkünfte zum Teil wöchentlich besuchen und ungehinderten Zugang haben (aida 2018, S. 68), jedenfalls in einer die beachtliche Wahrscheinlichkeit systemischer Mängel ausschließenden Weise kompensieren.

81

Das bulgarische Gesetz sieht zwar inzwischen keine automatische gerichtliche Überprüfung von Haftentscheidungen mehr vor, weshalb eine gerichtliche Überprüfung der Haftentscheidung nur auf den Antrag der Inhaftierten möglich ist (aida 2018, S. 67), was indessen mit Art. 9 Abs. 3 EU-Aufnahme-RL vereinbar sein dürfte, da Art. 9 Abs. 3 Satz 3 EU-Aufnahme-RL im Falle fehlender Haftprüfungen von Amts wegen (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 EU-Aufnahme-RL) eine Haftprüfung auf Antrag des Inhaftierten vorsieht, über die schnellstmöglich gerichtlich zu entscheiden ist. Gegen die Haftanordnungen kann innerhalb von 14 Kalendertagen beim Verwaltungsgericht im Bereich des Sitzes der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, Beschwerde eingelegt werden (Art. 46 des bulgarischen Ausländergesetzes), der jedoch keine aufschiebende Wirkung zukommt (Art. 46a des bulgarischen Ausländergesetzes; aida 2018, S. 67). Die Beschwerdemöglichkeit wird zwar durch die unzureichende Übersetzung der Haftentscheidung praktisch erschwert (aida 2018, S. 67). Auch hat das Bulgarische Helsinki Komitee die von ihr untersuchte Rechtsprechungspraxis über Haftentscheidungen als formalistisch kritisiert (Bulgarian Helsinki Committee, Detention Mapping report Bulgaria, October 2016, para 23; aida 2018, S. 67). Der Bericht zeigt indessen, dass eine gerichtliche Kontrolle der Haftentscheidungen auch in der Praxis stattfindet. Vor diesem Hintergrund und wegen der kostenlosen Rechtshilfe des Bulgarischen Helsinki Komitees sowie der in den Unterkünften tätigen Nichtregierungsorganisationen kann das Gericht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit systemische Mängel im Rechtsschutzsystem erkennen.

82

Gemäß Art. 22 Abs. 9 des bulgarischen Gesetzes über Prozesskostenhilfe haben inhaftierte Asylsuchende einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (aida 2018, S. 67), was den Anforderungen des Art. 9 Abs. 6 EU-Aufnahme-RL entspricht, der eine unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung für Inhaftierte im Falle einer gerichtlichen Überprüfung vorsieht. Aufgrund der Haushaltsbeschränkungen des bulgarischen Prozesskostenhilfebüros, wurde jedoch in Bulgarien inhaftierten Personen, einschließlich Asylsuchenden, in Haftanstalten praktisch keine Prozesskostenhilfe gewährt (aida 2018, S. 67; CoE Report, 2018, S. 34). In der Praxis sind die inhaftierten Asylsuchenden damit auf die kostenlose Rechtshilfe des Bulgarischen Helsinki Komitees beschränkt (aida 2018, S. 68; CoE Report, 2018, S. 34). Auch für die Einreichung von Rechtsmitteln gegen gerichtliche Entscheidungen sind die Inhaftierten auf die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen angewiesen (aida 2018, S. 68).

83

Rechtsanwälte und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und der UNHCR haben jedoch nach dem bulgarischen Recht und in der Praxis während der Besuchszeiten oder ad hoc, wenn dies von den Inhaftierten angefordert wird, Zugang zu den geschlossenen Unterkünften, ohne dass dies einem Genehmigungsvorbehalt unterliegen würde (aida 2018, S. 66; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 4), wodurch insbesondere der Anforderung von Art. 10 Abs. 3 und 4 EU-Aufnahme-RL und Art. 16 Abs. 2 und Abs. 3 Rückführungs-RL entsprochen wird. Einige Nichtregierungsorganisationen haben sogar Vereinbarungen mit der Direktion Migration geschlossen und besuchen die Haftanstalten wöchentlich zur Überwachung und Unterstützung (aida 2018, S. 66). Ferner ist das Recht von Nichtregierungsorganisationen und Rechtsbeiständen auf Zugang zu Asylbewerbern im bulgarischen Recht in Art. 23 Abs. 3 BGAuFG ausdrücklich geregelt (aida 2018, S. 66). Die geschlossene Unterkunft in Lyubimets wird insbesondere von dem bulgarischen Helsinki Komitee besucht, deren Vertreter inhaftierte Ausländer über ihre Verfahrensrechte informieren und sie bei ihren Einwanderungs- und Asylverfahren unentgeltlich unterstützen (CoE Report, 2018, S. 34). Auch der UNHCR in Bulgarien bemüht sich mit seinen lokalen Partnerorganisationen um die Verbesserung der Informationen der Asylsuchenden in den geschlossenen Einrichtungen. Die Inhaftierten werden hierbei mit Informationen allgemeiner Art, auch in Form von mehrsprachigen Broschüren, sowie in individueller Form durch Einzel- oder Gruppenberatungen betreut (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Aachen vom 27.01.2016, 2016/1, hiernach: Auswärtiges Amt, 27.01.2016, S. 4;27.12.2017, S. 2).

84

Nach der vorstehenden Erkenntnislage erscheint der unionsrechtliche Anspruch auf einunentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung zwar im bulgarischen Recht geregelt, jedoch praktisch aufgrund der Haushaltsbeschränkungen nicht umgesetzt. Da indessen das Bulgarische Helsinki Komitee eine kostenlose Rechtshilfe bereitstellt, auch andere Nichtregierungsorganisationen die Haftanstalten wöchentlich zur Überwachung und Unterstützung besuchen und die Überwindung der Haushaltsbeschränkungen des bulgarischen Prozesskostenhilfebüros kein unüberwindbares Strukturproblem darstellen dürfte, vermag das Gericht insgesamt nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit systemische Mängel zu erkennen, die zur Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK führen.

85

(iii) Auch hinsichtlich der Unterkunfts- und Lebensbedingungen in der bulgarischen Asyl- und Abschiebehaft konnte das Gericht systemische Mängel, die die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erkennen.

86

Der unionsrechtliche Rahmen der Haftbedingungen von Asylsuchenden im laufenden Asylverfahren wird durch Art. 10 derEU-Aufnahme-RL ausgestaltet, der Vorgaben für die Haftbedingungen in den Mitgliedstaaten für Antragsteller in einem laufenden Asylverfahren trifft. Die Haftbedingungen von sich in den Mitgliedstaaten illegal aufhaltenden Drittstaatsangehöriger, die in ihre Herkunftsstaaten zurückgeführt werden sollen, werden wiederum unionsrechtlich durch Art. 16 der Rückführungs-RL vorbestimmt.

87

In Bulgarien werden Asylsuchende nicht in Haftanstalten für Strafgefangene festgehalten, es sei denn, sie wurden wegen einer Straftat verurteilt (aida 2018, S. 63), was der Regelung in Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EU-Aufnahme-RL sowie in Art. 16 Abs. 1 Rückführungs-RL entspricht. Die geschlossene Unterbringung von Asylsuchenden (Asylhaft, vgl. BAMF-Länderinformation, 2018, S. 4) erfolgt in den geschlossenen Einrichtungen Busmantsi in Sofia oder in Lyubimets in der Nähe der türkischen Grenze (aida 2018, S. 28, 57; UNHCR-Auskunft vom 29.01.2016, S. 1; CoE fact-finding Report, 2018, S. 11), die unter der Aufsicht der Direktion „Migration“ beim Ministerium für Inneres stehen (Auswärtiges Amt, 27.12.2017, S. 3). Auch für die Inhaftierung von illegal eingereisten Drittstaatsangehörigen bis zu ihrer Asylantragstellung werden die geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen in Busmantsi (400 Plätze) und Lyubimets (300 Plätze) genutzt (aida 2018, S. 63). Auch die kurzfristige Inhaftierung erfolgt in diesen geschlossenen Einrichtungen (aida 2018, S. 64). Für die Inhaftierung während des laufenden Asylverfahrens im Verantwortungsbereich der SAR wird wiederum der dritte Block der Einrichtung von Busmantsi mit 60 Plätzen genutzt (aida 2018, S. 64).

88

In den vergangenen Jahren waren die Einrichtungen in Busmantsi und Lyubimets häufig überfüllt. Dies hat sich jedoch inzwischen verändert: Im Jahr 2018 wurden die Kapazität der Einrichtungen (Busmantsi: 400 Plätze; Lyubimets: 300 Plätze) nicht überschritten und die Gesamtzahl der inhaftierten Personen betrug 204 Personen Ende Januar 2018, 182 Personen Ende Juni 2018 und 211 Personen zum Ende des Jahres 2018 (aida 2018, S. 64).

89

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts erfolgt die Versorgung der körperlichen und psychischen Bedürfnisse in den Einrichtungen entsprechend der geltenden Gesetze. Die Bedingungen sind nicht strukturell mangelhaft (Auswärtiges Amt, 27.12.2017, S. 2). In den Hafteinrichtungen gibt es jeweils getrennte Räumlichkeiten für Familien und unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge; alleinstehende Frauen sind von alleinstehenden Männern getrennt untergebracht. Vulnerable Personen teilen sich Räumlichkeiten mit allen anderen Insassen (zum Vorstehenden: BAMF-Länderinformation, 2018, S. 4).

90

Die Nahrungsmittelversorgung in den Einrichtungen ist einfach und es gibt keine besonderen Nahrungsmittel für Schwangere und Kinder (aida 2018, S. 64). Die Rahmenbedingungen hinsichtlich der Waschmöglichkeiten in den Einrichtungen sind unbefriedigend (aida 2018, S. 64). Wenn die Räumlichkeiten überfüllt sind, reichen die vorhandenen Duschen und Toiletten nicht aus (aida 2018, S. 64), was jedoch vor dem Hintergrund der aktuellen Belegungsrate (211 Personen Ende 2018) im Vergleich zu den Kapazitäten (insgesamt 700 Plätze) nicht mehr als beachtlich wahrscheinlich erscheinen kann. Die untergerbachten Personen können die Unterkunftsbereiche selbstständig reinigen, wobei sie die Reinigungsmittel und -utensilien hierfür selbst erwerben müssen (aida 2018, S. 64). Kleidung für die untergebrachten Personen wird durch Nichtregierungsorganisationen bereitgestellt (aida 2018, S. 64). Die Bettwäsche wird in der Regel einmal im Monat gewaschen (aida 2018, S. 64).

91

Ein Arzt besucht die Einrichtung wöchentlich (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 4), wobei Sprachprobleme und die unzureichende Arzneimittelversorgung die Behandlung erschweren (aida 2018, S. 64). Darüber hinaus ist eine medizinische Notfallversorgung gewährleistet (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 4). In der Einrichtung von Lyubimets erfolgt die gesundheitliche Versorgung durch das in der Einrichtung täglich anwesende medizinische Personal (ein Arzt und weiteres Pflegepersonal) und in Notfällen durch in der Nähe gelegene Krankenhäuser (CoE Report, 2018, S. 32). Dass die diesbezüglichen Vorgaben in Art. 11EU-Aufnahme-RL Art. 16 Abs. 3 Satz 1 Rückführungs-RL zur medizinischen Versorgung in systemisch mangelhafter Weise umgesetzt sein könnten, erscheint vor diesem Hintergrund nicht beachtlich wahrscheinlich.

92

Die Räume in den geschlossenen Einrichtungen sind ausreichend groß (aida 2018, S. 64). Der Zugang zu einem Außenbereich mit Frischluft wird den untergebrachten Personen zweimal täglich für jeweils eine Stunde ermöglicht (aida 2018, S. 64), womit den Vorgaben von Art. 10 Abs. 2 EU-Aufnahme-RL entsprochen wird. Die untergebrachten Personen, einschließlich der Kinder, können in dem Außenbereich Freizeiteinrichtungen nutzen, wobei es außer den üblichen Ballsportarten kaum Möglichkeiten für körperliche Betätigung gibt (aida 2018, S. 64). Lese- und Freizeitmaterialien werden auf der Grundlage von Spendengeldern zur Verfügung gestellt (aida 2018, S. 64).

93

Zu den Aufenthaltsbedingungen in der geschlossenen Einrichtung in Lyubimets liegt dem Gericht ferner der Bericht für den Council of Europe (Europarat) vom 4. Mai 2018 (CoE Report, 2018) vor: In Lyubimets sind die Insassen in einem Internierungsblock mit zwei Ebenen untergebracht. Frauen und Familien mit Kindern befinden sich im Erdgeschoss. Alleinstehende Männer sind in zwei Einheiten im Erdgeschoss und im ersten Stock untergebracht. Die großen Schlafsäle sind gut beleuchtet und belüftet, allerdings mit zahlreichen Etagenbetten und Schließfächern ausgestattet. Das Mobiliar ist baufällig und schmutzig. Bettwäsche und Matratzen waren bei dem Besuch der Delegation von Bettwanzen befallen. Gesonderte Lebensmittel, Kleidung und Spielzeug für Kinder werden nicht bereitgestellt. Nach Auffassung der CoE-Delegation bietet die Einrichtung in Lyubimets für die Unterbringung von Minderjährigen keine ausreichenden Bedingungen (zum Vorstehenden: CoE Report, 2018, S. 30). Dem entspricht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil vom 7. Dezember 2017 (Nr. 8138/16, Asylmagazin 2018, S. 77 ff) die Republik Bulgarien wegen der mangelhaften Bedingungen für minderjährige Schutzsuchende in den Hafteinrichtungen verurteilt hat. Die Klägerin ist allerdings nicht minderjährig und nicht besonders schutzbedürftig.

94

In der Einrichtung in Lyubimets werden täglich drei Mahlzeiten ausgegeben. Darüber hinaus können sich die Insassen in einem Geschäft versorgen. Gegenüber der CoE-Delegation beklagten die Insassen die Qualität des Essens und die Preise in dem Geschäft (CoE Report, 2018, S. 31). Den Insassen steht in Lyubimets für fünf Stunden am Tag ein asphaltierter Außenbereich zur Verfügung. Gegenstände für Aktivitäten (wie etwa Radio- oder Fernsehgeräte, Bücher, Gesellschaftsspiele, Sporträume oder Spielplätze für Kinder) sind nicht vorhanden (CoE Report, 2018, S. 32).

95

Gegenüber der CoE-Delegation haben sich mehrere in Lyubimets untergebrachte Asylsuchende darüber beklagt, dass ihr Zugang zu den Gemeinschaftstoiletten zur Nachtzeit, wenn die Schlafsäle verschlossen seien, erschwert worden sei, da hierfür das Personal gerufen werden müsse. Einzelne Asylsuchende hätten sich gegenüber der Delegation in diesem Zusammenhang auch über körperliche Misshandlungen durch das Personal beschwert (zum Vorstehenden: CoE Report, 2018, S. 29 und 32). Ähnliche Probleme sind im Jahr 2016 auch für die Einrichtung in Busmantsi berichtet worden (aida 2018, S. 65).

96

In Lyubimets werden zudem 400 zusätzliche Plätze in Wohncontainern, die sich auf einem Teil des ausgedehnten Außengebiets befinden, bereitgehalten, die nicht vollständig an das Wasser/Abwasser- und Stromnetz angeschlossen sind. In jedem Container befinden sich zwei kleine Räume, in denen inhaftierte Personen auf engem Raum leben (zwei Etagenbetten auf einer Fläche von ca. 6 m²) (CoE Report, 2018, S. 31).

="rd_97">97

Die gesundheitliche Versorgung der Insassen in Lyubimets erfolgt durch das in der Einrichtung täglich anwesende medizinische Personal (ein Arzt und Pflegepersonal) in der Einrichtung und in Notfällen durch in der Nähe gelegene Krankenh28;user (CoE Report, 2018, S. 32). Psychologen sind in der Einrichtung vorhanden, auch insoweit bestehen allerdings mangels ausreichender Dolmetscherressourcen Kommunikationsprobleme (CoE Report, 2018, S. 33). Mehrere Inhaftierte berichteten der CoE-Delegation von einer unzureichenden fachärztlichen Versorgung (Zahnärzte, Geburtshelfer, Psychiater). Auch die Basismedikamente müssen käuflich erworben werden. Bei der Ankunft werden die in Lyubimets untergebrachten Personen untersucht und erhalten eine individuelle Krankenakte (CoE Report, 2018, S. 33).

98

Die in den geschlossenen Einrichtungen untergebrachten Asylsuchenden können Briefpost senden und empfangen und ihre Mobiltelefone oder Münztelefone in der Einrichtung nutzen. Besuche werden bis zu zweimal pro Woche auf Antrag gestattet und erfolgen unter offenen Bedingungen (CoE Report, 2018, S. 34), wodurch insbesondere der Anforderung von Art. 10 und 4 EU-Aufnahme-RL und Art. 16 Abs. 2 Rückführungs-RL entsprochen wird.

99

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse kann das Gericht nicht erkennen, dass die Unterkunfts- und Lebensbedingungen in der bulgarischen Asyl- und Abschiebehaft die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK für dort untergebrachte Personen begründen. Zwar sind die Wohn- und Lebensbedingungen in den geschlossenen Einrichtungen auf niedrigem Niveau, jedoch ist ein ausreichender Schlafplatz, Zugang zum Freien, die Versorgung mit Nahrungsmitteln, die Kommunikation mit der Außenwelt sowie eine medizinische Versorgung gewährleistet. Die Einrichtungen sind zudem nach der Erkenntnislage derzeit nur zu einem Bruchteil ihrer Kapazität belegt. Dass die in der Asyl- und Abschiebehaft in Bulgarien untergebrachten Personen durch die Lebensbedingungen in eine Situation extremer materieller Not im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urt. v. 19.3.2019, C-163/17, juris, Rn. 91 f.) geraten könnten, kann vor diesem Hintergrund nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Das Gericht kann auch nicht mit der erforderlichen Gewissheit erkennen, dass aus dem in den Erkenntnisquellen beschriebenen Problem, dass die in der Einrichtung von Lyubimets untergebrachten Antragsteller für den Zugang zu den Toiletten während der Nachtzeit das Personal herbeirufen müssen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK resultiert. Allein auf der Grundlage der diesbezüglichen einzelnen Schilderungen untergebrachter Personen gegenüber der Delegation des Europarats in dem Bericht vom 4. Mai 2018, zu denen in dem Bericht keine weiteren Ermittlungen erkennbar sind, konnte das Gericht nicht auf einen systemischen Mangel in den Unterbringungsbedingungen schließen.

100

(c) Der Klägerin droht auch in dem in die Bewertung des Gerichts einzustellenden Fall einer Zuerkennung internationalen Schutzes durch die Republik Bulgarien (vgl. hierzu: EuGH, Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 88) keine Verletzung von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK.

101

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit den Urteilen vom 19. März 2019 (C-163/17, a.a.O., sowie C-297/17 u.a., a.a.O.) die rechtlichen Maßstäbe für die Annahme einer Verletzung von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK für die Rückführung sowohl von Asylbewerbern (hierzu in: C-163/17) als auch von international Schutzberechtigten (hierzu: C-297/17 u.a.) innerhalb der Europäischen Union präzisiert. Insoweit wird auf die zuvor dargelegten rechtlichen Maßstäbe verwiesen [hierzu zuvor unter (1)].

102

Im Fall anerkannter Schutzberechtigter hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 19. März 2019 (C- C-297/17, u.a., a.a.O.) zum rechtlichen Maßstab ergänzend ausgeführt, dass der Umstand, dass Schutzberechtigte in dem schutzgewährenden Mitgliedstaat keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, nur dann zu der Feststellung einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen kann, wenn sich ein Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die den Kriterien im Urteil vom 19. März 2019 (C-163/17, Rn. 89-91) – hier zuvor unter (1) – entspricht (vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2019, C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17, juris, Rn. 93).

103

Unter Berücksichtigung dieser unionsrechtlichen Maßstäbe droht international Schutzberechtigten, die nicht zum Kreis der besonders verletzlichen Personen (vulnerable Personen) gehören, in Bulgarien nach Einschätzung des Gerichts angesichts der derzeit verfügbaren Erkenntnisquellen keine Verletzung von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK aufgrund der sie dort erwartenden Lebensumstände (so auch: VGH Mannheim, Beschl. v. 27.05.2019, A 4 S 1329/19, juris, Rn. 7 ff; OVG Magdeburg, Beschl. v. 22.8.2018, 3 L 50/17, juris, Rn. 14 ff; VG Schleswig, Gerichtsbesch. v. 7. 5. 2019, 10 A 628/18, juris, Rn. 26 ff; VG Schwerin, Urt. v. 2.4.2019, 3 A 3644/17, juris, Rn. 39 ff; VG Berlin, Beschl. v. 28.03.2019, 23 L 103.19 A, juris, Rn. 7; VG Würzburg, Urt. v. 14. Mai 2019, W 2 K 18.32496, juris, Rn. 23 ff; VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 12.3.2019, A 5 K 1829/16, juris, Rn. 26 ff; VG Karlsruhe, Urt. v. 30.10.2018, A 13 K 3922/18, juris, Rn 19 ff; VG Schwerin, Urt. v. 18.6.2018, 3 A 3589/17 As SN, juris, Rn 32 ff; VG Cottbus, Beschl. v. 10.3.2017, VG 5 L 673/16.A, juris, Rn. 9 ff.; VG Hamburg Urt. v. 9.1.2017, 16 A 5546/14, juris, Rn. 44 ff; andere Ansicht: OVG Schleswig, Urt. v. 24.5.2018, LB 17/17, juris, Rn. 57 ff.; OVG Saarlouis, Urt. v. 19.4.2018, 2 A 737/17, juris, Rn. 18 ff.; OVG Lüneburg, Urt. v. 29.1.2018, 10 LB 82/17, juris, Rn. 26 ff.).

104

Diese Einschätzung beruht auf der Auswertung der dem Gericht zu der Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien aktuell vorliegenden Erkenntnisquellen (vgl. hierzu die den Beteiligten übersandte Auflistung der Erkenntnisquellen des Gerichts mit Stand vom Mai 2019, Bl. 43 - 48 d.A.; vgl. zum diesbezüglichen Aufklärungsmaßstab: BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.04.2016, 2 BvR 273/16, juris, Rn. 11), denen das Folgende entnommen werden kann:

105

(aa) Anerkannte Schutzberechtigte haben in Bulgarien nach dem bulgarischen Asylgesetz Zugang zu Leistungen nach Art. 36 und Art. 40 der Vorschrift für die Anwendung des Gesetzes für soziale Unterstützung. Sie haben insbesondere das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und sind insoweit rechtlich den Inländern gleichgestellt (Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG Lüneburg vom 18.7.2017, 2017/1, S.6 f, hiernach: Auswärtiges Amt, 18.7.2017; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 6). Anerkannte Flüchtlinge erhalten ein Identitätsdokument mit fünf Jahren Gültigkeit, subsidiär Schutzberechtigte ein solches mit drei Jahren Gültigkeit (BFA, 27.11.2017, S. 18). Anerkannte Schutzberechtigte haben das Recht auf Gleichbehandlung mit bulgarischen Staatsangehörigen mit nur wenigen Ausnahmen, wie etwa der Teilnahme an Wahlen sowie der Ausübung von Berufen, für die die bulgarische Staatsangehörigkeit gesetzlich vorgeschrieben ist (aida 2018, S. 69; BFA, 27.11.2017, S. 8). Sie genießen Freizügigkeit im bulgarischen Staatsgebiet und sie werden nicht nach einem bestimmten Schema auf das Staatsgebiet verteilt (aida 2018, S. 75).

106

Die Integration von anerkannten Schutzberechtigten in die bulgarische Gesellschaft soll durch die Verordnung Nr. 144 (sog. „Integrationsverordnung“) vom 19. Juli 2017 gefördert werden, die am 25. Juli 2017 in Kraft trat (eine Übersetzung dieser Verordnung befindet sich im Anhang der Mitteilung der Deutschen Botschaft Sofia an das Auswärtige Amt vom 1.3.2018, 2018/1, S. 3 ff.). Die Verordnung regelt unter anderem die Integrationsvereinbarungen, die zwischen Kommunen und anerkannten Flüchtlingen geschlossen werden können (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Potsdam vom 16.1.2019, 2019/1, hiernach: Auswärtiges Amt, 16.1.2019, S. 1; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 6; Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 2; BFA, 27.11.2017, S. 8; CoE fact-finding Report, 2018, S. 17; vgl. hierzu auch: UNHCR/Bulgarisches Rotes Kreuz, Handbook on the Integration of Persons who have been granted Asylum or International Protection in Municipalities, 2017, G 15/17).

107

Anerkannte Schutzberechtigter können innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt eines positiven Bescheids zur Schutzgewährung einen Antrag auf Abschluss einer Integrationsvereinbarung stellen, wobei in der Verordnung kein Verfahren für den Fall geregelt ist, in dem der Schutzberechtigte keine Gemeinde findet, die mit ihm eine solche Vereinbarung zu schließen bereit ist (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 6 f; Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 2). Die Nichterfüllung einer geschlossenen Integrationsvereinbarung durch die Gemeinde kann wiederum im Klagewege geltend gemacht werden (Art. 18 IntVO, BAMF-Länderinformation, 2018, S. 7). In die Integrationsvereinbarung ist ein Integrationsplan aufzunehmen, der den Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Ausbildung, Unterkunft, Gesundheitsversorgung, soziale Fürsorge sowie zu sozialen Dienstleistungen enthält (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 7; Auswärtiges Amt, 16.1.2019, S. 1; BFA, 27.11.2017, S. 18). Zwischen den Flüchtlingen und Gemeinden vermittelt die SAR (Auswärtiges Amt, 16.1.2019, S. 1). Dem stellvertretenden bulgarischen Premierminister ist nach Art. 19 IntVO eine Koordinierungs- und Kontrollfunktion zugewiesen (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 7, m.w.N.; BFA, 27.11.2017, S. 18).

108

Die praktische Umsetzung der Integrationsverordnung verläuft indessen schleppend (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Oberverwaltungsgericht Thüringen vom 18. Juli 2018, 2018/4, S. 1, hiernach: Auswärtiges Amt, 18.7.2018).Laut Angaben der SAR gegenüber dem Auswärtigen Amt wurde mit Stand vom Juli 2018 eine Integrationsvereinbarung geschlossen und es sollen 38 Profile für Flüchtlinge (Einzelpersonen und Familien) erstellt worden sein, um die Vermittlung an einen Bürgermeister der möglichen Empfängergemeinden zu ermöglichen (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 1). Aus Sicht der Nichtregierungsorganisationen sei die Integrationsverordnung dennoch ein Fortschritt, da sie vor Gericht als kodifizierte Anspruchsgrundlage dienen kann (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 1). Hinsichtlich der Integrationsvereinbarung kritisiert der UNHCR, dass die Probleme bezüglich der Unterbringung für Schutzberechtigte nicht geregelt worden seien und dass die Flüchtlingsintegration weiterhin auf einem Vertrag des Flüchtlings mit seiner Wohnsitzgemeinde basiere (BFA, 27.11.2017, S. 18, unter Verweis auf einen Bericht des UNHCR in bulgarischer Sprache). Auch die neuen Bestimmungen der Verordnung vermitteln Schutzberechtigten keinen Zugang zu Sozialwohnungen und -leistungen, weshalb der UNHCR ein Obdachlosigkeitsrisiko unter Schutzberechtigten sieht (BFA, 27.11.2017, S. 18).

109

Nach Auskunft der SAR gegenüber der Deutschen Botschaft handelt es sich bei den Kommunen, die Integrationsvereinbarungen geschlossen haben, um Gemeinden in der Provinz, die unter dem Rückgang der Wohnbevölkerung leiden (Mitteilung der Deutsche Botschaft Sofia an das Auswärtige Amt vom 1.3.2018, 2018/1, S. 2, hiernach: Deutsche Botschaft Sofia, 1.3.2018). Einige Unternehmen haben sich zudem bei der SAR erkundigt, wie sie mit den lokalen Gemeinden aufgrund der Verordnung die Beschäftigung von Flüchtlingen realisieren können (Deutsche Botschaft Sofia, 1.3.2018, S. 2). Potenzielle Arbeitsplatzangebote in diesem Zusammenhang betreffen einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft und in der Gastronomie (Deutsche Botschaft Sofia, 1.3.2018, S. 2).

110

Nach der Auskunft von Nichtregierungsorganisationen treffen anerkannte Flüchtlinge im Umgang mit Behörden auf administrative Hürden, bei deren Überwindung Nichtregierungsorganisationen jedoch Unterstützung leisten (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 10). Nichtregierungsorganisationen [hierzu auch im Folgenden unter (gg)] unterstützen Flüchtlinge zudem im Anerkennungsverfahren und nach Zuerkennung eines Schutzstatus mit Informationsschriften über ihre Rechte und das Verfahren sowie durch Hilfeleistung bei der Arbeitsvermittlung und Wohnungssuche (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 10).

111

Im Jahr 2015 wurden in Bulgarien 5.597 und im Jahr 2016 1.351 Personen als Schutzberechtigte anerkannt (Dr. Valeria Ilareva, Auskunft an das OVG Lüneburg vom 7.4.2017, G 11/17, S. 8 f, hiernach: Ilareva 7.4.2017, S. 1). Bis zum März 2017 wurden 612 Personen als Schutzberechtigte anerkannt (Ilareva 7.4.2017, S. 2). Statistiken dazu, wie viele Anerkannte sich in Bulgarien aufhalten, bestehen jedoch nicht (Ilareva 7.4.2017, S. 2). Es soll jedoch die Tendenz bestehen, dass anerkannte Schutzberechtigte das Land verlassen (Ilareva 7.4.2017, S. 2, mit Verweis auf: UNHCR Representation in Bulgaria, 2016 Age, Gender and Diversity Participatory Assessment (AGD PA), Report, April 2017, S. 10; Ilareva, 27.8.2015, S. 2).

112

(bb) Aus den vom Gericht ausgewerteten Quellen ergeben sich hinsichtlich der Unterbringungs- und Wohnbedingungen anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien die folgenden Erkenntnisse:

113

Anerkannten Schutzberechtigten, die in Bulgarien bleiben, steht der in Art. 32 Abs. 3 BGAuFG geregelte Anspruch auf finanzielle staatliche Unterstützung für eine Unterkunft für die Dauer von sechs Monaten zu (aida, 2018, S. 76; Auswärtiges Amt, 16.1.2019, S. 2; 18.7.2018, S. 2, Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 8; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8; UNHCR Auskunft an das VG Hamburg vom 13.3.2017, G1/17, hiernach: UNHCR, 13.3.2017, S. 2). In Ermangelung einer praktischen Umsetzung dieses Rechtsanspruchs soll sich nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen die Praxis etabliert haben, dass anerkannte Schutzberechtigte auf Antrag in der Flüchtlingsunterkunft bis zu sechs Monate bleiben dürfen, wobei die Dauer des Aufenthaltes von der Belegungsrate der Unterkunft [vgl. zu den aktuellen Belegungsraten zuvor unter: (2) (b) (cc)] und der Schutzbedürftigkeit der Schutzberechtigten abhängen soll (Auswärtiges Amt, 16.1.2019, S. 2, 18.7.2018, S. 3, 18.7.2017, S. 8; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8; aida 2018, S. 76; BFA, 27.11.2017, S. 19; CoE fact-finding Report, 2018, S. 17). Vor diesem Hintergrund hat der Europarat Bulgarien empfohlen, anerkannten Schutzberechtigten mindestens sechs Monate nach der Statusgewährung Sozialhilfe zu leisten, um diesen einen Umzug in privaten Wohnraum zu ermöglichen (CoE fact-finding Report, 2018, S. 17).

114

Ende des Jahres 2016 waren 229 anerkannte Schutzberechtigte in Aufnahmezentren untergebracht (BFA, 27.11.2017, S. 19). Im März 2017 waren 202 Schutzberechtigte in Aufnahmezentren untergebracht (Ilareva 07.04.17, S. 8; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 9). Dabei handelte es sich nach der Mitteilung der SAR um Personen, deren Verfahren positiv abgeschlossen wurden (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8.). Ende 2018 befanden sich noch 29 anerkannte Schutzberechtigte in bulgarischen Aufnahmezentren (aida 2018, S. 76). Es gibt Fälle, in denen Familien sowie psychisch oder chronisch kranke Schutzberechtigte länger als ein Jahr in der Unterkunft bleiben durften (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 8; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8). Die Verwaltungspraxis ist jedoch schwer vorherzusagen (Dr. Valeria Ilareva, Auskunft an den VGH Mannheim vom 27.8.2015, G 5/15, S. 6, hiernach: Ilareva, 27.8.2015) und kann nicht als sicher angesehen werden (Ilareva 7.4.2017, S. 8).

115

Die Praxis einer fortgesetzten Unterkunftsgewährung in den Aufnahmezentren wird jedoch nicht auf anerkannte Schutzberechtigte angewandt, die die Unterkunft zwischenzeitlich verlassen haben, wozu auch aus dem Ausland zurückkehrende, anerkannte Schutzberechtigte zählen (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 8; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8; Ilareva, 7.4.2017, S. 8 f, m.w.N.). Dies ist der Fall, weil nach dem bulgarischen Gesetz die fortgesetzte Unterkunftsgewährung nur innerhalb der ersten sechs Monate nach Erhalt des Anerkennungsbescheids möglich ist (Ilareva 7.4.2017, S. 8). Grundsätzlich müssen sich deshalb anerkannte Schutzberechtigte im Falle ihrer Rückkehr selbständig um eine Unterkunft bemühen, wobei sie Hilfe von Nichtregierungsorganisationen erhalten sollen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 26.4.2018, 2018/3, S. 1, hiernach: Auswärtiges Amt, 26.4.2018). In einigen Fällen soll Rückkehrern auch eine Unterkunft in einer staatlichen Einrichtung gewährt worden sein. Da die staatlichen Flüchtlingsunterkünfte im April 2018 nicht ausgelastet waren, wird eine solche Unterbringungsmöglichkeit für möglich gehalten (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 1;Auskunft an das BAMF vom 25.3.2019, 2019/4, S. 1).

116

Bei der Suche einer eigenen Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt sehen sich anerkannte Schutzberechtigte einer besonderen administrativen Problemlage ausgesetzt (aida 2018, S. 70, 76; Ilareva, 27.8.2015, S. 4; erneut bestätigend: Ilareva 7.4.2017, S. 5 f.): Um einen Mietvertrag abzuschließen, ist es erforderlich, einen gültige Ausweis vorzulegen. Ein solcher kann jedoch nur ausgestellt werden, wenn die Person in dem nationalen Melderegister („ЕСГРAОН“: гражданска регистрация и административно обслужване на населението = Einheitliches System der zivilen Registrierung und des Verwaltungsdienstes der Bevölkerung, Übersetzung aus der bulgarischen Sprache durch einen Dienst von Google) erfasst ist. Die Registrierung in diesem Melderegister ist für anerkannte Schutzberechtigte vorgeschrieben und Bedingung für die Ausstellung eines Ausweisdokuments (aida 2018, 70). Für die Registrierung im Melderegister ist wiederum die Angabe einer Wohnanschrift erforderlich (Art. 92 Abs. 2 des bulgarischen Meldegesetzes, aida 2018, S. 70). Anerkannten Schutzberechtigten, die in Aufnahmezentren gelebt haben, wird von der SAR jedoch nicht mehr gestattet, die Adresse der Aufnahmezentrums als Wohnsitz anzugeben (aida 2018, S. 70). Da die anerkannten Schutzberechtigten in Ermangelung einer Wohnanschrift kein Ausweisdokument erlangen können, können sie keinen privaten Wohnraum anmieten (aida 2018, S. 70). Um Ausweispapiere zu erhalten, haben anerkannte Schutzberechtigte sich deshalb zum Teil fiktive Adressen auf der Grundlage fiktiver Mietverträge verschafft (aida 2018, S. 70, 76). Überdies fehlt den bulgarischen Gemeinden zum Teil der Wille, anerkannten Schutzberechtigten bei der Registrierung behilflich zu sein (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 9; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8), was insgesamt zu Problemen bei der Ausstellung von Dokumenten, dem Zugang zu staatlichen Hilfen oder auch der Eröffnung eines Bankkontos führt (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 9). Die zwischen der Europäischen Kommission und der Republik Bulgarien im Februar 2017 unterzeichnete, bis zum 31. Januar 2018 gültige Finanzhilfevereinbarung für Soforthilfe sieht jedoch in ihrem letzten Abschnitt die „Verbesserung des Prozesses der Identifizierung und Ausstellung von Ausweispapieren von Drittstaatsangehörigen, die internationalen Schutz suchen oder erhalten haben“ insbesondere die Schaffung eines einheitlichen Registers sowie die Bereitstellung von Ausrüstung für die Abteilungen des Innenministeriums, die Ausweispapiere ausstellen, vor (Ilareva 7.4.2017, S. 4).

117

Dass anerkannte Schutzberechtigte in der Lage sind, von der staatlichen Hilfe für Wohnungsmiete zu profitieren, gilt als unrealistisch (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8; Ilareva 7.4.2017, S. 9). Auch bulgarische Staatsangehörige beziehen in der Regel kein Wohngeld, da die Voraussetzungen für die Gewährung derartiger Leistungen kaum zu erfüllen sind (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 2). Es gibt eine begrenzte Anzahl preiswerter Sozialwohnungen, auf die sich auch anerkannte Flüchtlinge bewerben können (Auswärtiges Amt, 16.1.2019, 2019/1, S. 2, 18.7.2017, S. 8). Einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben jedoch weder anerkannte Schutzberechtigte noch bulgarische Staatsangehörige (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 2; UNHCR, 13.3.2017, S. 2). Zum Teil sehen kommunale Verordnungen über eine Unterbringung in Sozialwohnungen vor, dass ein Mitglied des Unterbringung begehrenden Haushalts bulgarischer Staatsangehöriger sein muss (Ilareva 7.4.2017, S. 9).

118

Alleinstehende Frauen oder Familien mit kleinen Kindern sollen deshalb bei einer Rückkehr nach Bulgarien am ehesten von Obdachlosigkeit bedroht seien, wenngleich sie durch die bulgarischen Behörden zuweilen in den Genuss besonderen Schutzes (z.B. hinsichtlich der Unterbringung) kommen sollen (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 10; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8 f).

119

Anerkannte Schutzberechtigte, die aus dem Ausland zurückkehren, können jedoch die „Zentren für temporäre Unterbringung“ in Anspruch nehmen, die als übergangsweise Unterkünfte dienen können (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8). Sie müssen sich hierzu an eine Regional- oder Lokaldirektion der Agentur für soziale Unterstützung wenden, die eine kostenlose Unterkunft in einem der landesweit zwölf „Zentren für temporäre Unterbringung“ (Gesamtkapazität: 607 Plätze) vermittelt (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8). Die Unterbringung ist dort für maximal drei Monate innerhalb eines Jahres möglich. Daneben gibt es in Sofia zwei kommunale „Krisenzentren“ für die Unterbringung von Bedürftigen während der Wintermonate mit einer Gesamtkapazität von 170 Plätzen (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 9). Die Zentren bieten zudem eine soziale Beratung und andere Unterstützungsleitung an, wie etwa die Hilfe bei der Registrierung als Arbeitsuchender (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 9).

120

Außerhalb der Flüchtlingsunterkünfte helfen Nichtregierungsorganisationen bei der Wohnungssuche (Auswärtiges Amt, 16.1.2019, 2019/1, S. 2), wobei konkrete Hilfsprogramme nicht bestehen sollen (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 9; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 8;Ilareva 7.4.2017, S. 9). Die Nichtregierungsorganisationen helfen in einzelnen Fällen bei der Wohnungssuche, wie z.B. Verhandlungen mit dem Vermieter, Zahlung der ersten Miete für die anerkannten Schutzberechtigten und andere Maßnahmen (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 8). Das Bulgarische Rote Kreuz (BRK) teilte ferner mit, dass jeweils bis zum 31. März sogenannte „Winterunterkünfte“ betrieben würden, in denen auch Rückkehrer unterkommen könnten (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 2).

121

Die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen in Verbindung mit der geringen Anzahl von in Bulgarien befindlichen Schutzberechtigten, sorgt nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes im Ergebnis dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt (Auswärtiges Amt, 16.1.2019, 2019/1, S. 2). Die Unterbringungssituation in Obdachlosenunterkünften ist bescheiden, aber in den dem Auswärtigen Amt bekannten Fällen nicht menschenunwürdig (Auswärtiges Amt, 16.1.2019, 2019/1, S. 2; Auskunft an das BAMF vom 25.3.2019, 2019/4, S. 1). In einem Bericht vom Juli 2017 lagen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse dazu vor, dass eine größere Anzahl anerkannter Schutzberechtigter obdachlos ist (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 9).

122

(cc) Zu der Zahlung von Sozialhilfe für anerkannte Schutzberechtigte liegen dem Gericht die folgenden Erkenntnisse vor:

123

Anerkannte Schutzberechtigte haben unter denselben Bedingungen wie bulgarische Staatsangehörige Anspruch auf Sozialhilfe, wobei hierfür eine Registrierung als Flüchtling erforderlich ist (Art. 29 BGAuFG; Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 2, 18.7.2017, S. 7;UNHCR, 13.3.2017, S. 2; aida 2018, S. 77; Ilareva, 27.8.2015, S. 5). Für anerkannte Schutzberechtigte wie auch für bulgarische Staatsangehörige ist jedoch der Zugang zur staatlichen Sozialhilfe aufgrund der allgemeinen Zulassungskriterien schwierig (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 2, 18.7.2017, S. 7; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 9; UNHCR, 13.3.2017, S. 2).

124

Für die Sozialhilfe ist die Agentur für Sozialhilfe des Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitik zuständig, wobei ein Antrag nur bei der Agentur gestellt werden kann, in dessen Bezirk der Schutzberechtigte seinen registrierten Wohnsitz hat (aida 2018, S. 77; BFA, 27.11.2017, S. 19; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10). Für den Zugang zu staatlicher sozialer Unterstützung ist somit die Eintragung in das Melderegister Voraussetzung (BFA, 27.11.2017, S. 19; Ilareva, 27.8.2015, S. 4; vgl. zu den Problemen der Eintragung in das Melderegister zuvor unter: (bb)). In der Praxis stellt dies ein großes Hindernis dar (aida 2018, S. 77). Darüber hinaus sind die auch die weiteren formellen Bedingungen bei der Einreichung von Sozialhilfeanträgen schwer zu überwinden, wobei Nichtregierungsorganisationen hierbei Unterstützung leisten (aida 2018, S. 77). In der Regel kann der Lebensunterhalt deshalb nur durch Erwerbstätigkeit gesichert werden, da die Voraussetzungen für den Bezug von Sozialhilfeleistungen – wie auch für bulgarische Staatsangehörige – kaum zu erfüllen sind (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 3).

125

Die gesetzliche Sozialhilfe beträgt seit dem 1. Januar 2018 monatlich 75,00 BGN (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 9, m.w.N; Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 2.), umgerechnet zurzeit: 38,37 EUR. Die bulgarischen Gewerkschaften beziffern die monatlichen Lebenshaltungskosten auf 305 EUR im Landesschnitt; für Sofia sind die monatlichen Lebenshaltungskosten auf 397 EUR beziffert worden (Auswärtiges Amt, 16.1.2019, 2019/1, S. 3).

126

In der Gruppe der anerkannten Schutzberechtigten erhielten beispielsweise im Jahr 2014 vier Personen bzw. Familien Sozialhilfe, drei Personen bzw. Familien erhielten eine Einmalzahlung, zwei Personen bzw. Familien erhielten einen Heizkostenzuschuss, eine Person erhielt Unterstützung für die Ausstellung eines Ausweisdokumentes und zwei Personen erhielten Unterstützung im Rahmen des Gesetzes zur Integration von Personen mit Behinderung (Ilareva, 27.8.2015, S. 5). Nach Auskunft eines hochrangigen Mitarbeiters der bulgarischen Flüchtlingsagentur gegenüber der Deutschen Botschaft erhielten im Mai 2017 20 Schutzberechtigte Sozialhilfe (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 7; 26.4.2018, S. 3).

127

Der Deutschen Botschaft lagen im Juli 2017 keine Erkenntnisse dazu vor, dass eine große Anzahl anerkannter Schutzberechtigter unter Hunger und Entbehrung leiden würde (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 8).

128

(dd) Hinsichtlich der medizinischen Versorgung anerkannter Schutzberechtigter hat das Gericht in den vorliegenden Erkenntnisquellen das Folgende ermitteln können:

129

Mit der Anerkennung als Schutzberechtigter endet die Übernahme der Krankenversicherung durch die SAR (aida 2018, S. 77; Ilareva, 27.8.2015, S. 7; Ilareva 7.4.2017, S. 10). Anerkannte Flüchtlinge müssen sich deshalb wie bulgarische Staatsangehörige selbst krankenversichern und erhalten auf dieser Grundlage dieselbe medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsangehörige (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 9, 18.7.2018, S. 2; BFA, 27.11.2017, S. 20). Die Mindestgebühr der Krankenversicherung beträgt 20,40 BGN = 10,46 EUR (aida 2018, S. 77). Alle versicherten Personen haben Zugang zu Medikamenten, die ganz oder teilweise von der Krankenkasse bezahlt werden. Hierzu zählen auch bestimmte Psychopharmaka (BFA, 27.11.2017, S. 20). Ist der anerkannte Schutzberechtigte als Arbeitnehmer angestellt, werden die Beiträge zur Krankenversicherung vom Arbeitgeber bezahlt (Ilareva, 27.8.2015, S. 7). Arbeitslose anerkannte Schutzberechtigte müssen für die Aufnahme in die Krankenversicherung ein komplexes Registrierungsverfahren durchlaufen (dargestellt bei: Ilareva, 27.8.2015, S. 7).

130

Die medizinische Notfallversorgung ist wie auch für bulgarische Staatsangehörige, von denen etwa eine Million nicht krankenversichert sind (BFA 27.11.2017, S. 20), unabhängig vom Versicherungsstatus kostenlos (Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S. 9, 26.4.2018, S. 4). Diese basiert auf Art. 7 der Verordnung Nr. 25 vom 4.11.1999 über die medizinische Notfallversorgung (Ilareva 7.4.2017, S. 11). Weder dem Auswärtigen Amt noch den Nichtregierungsorganisationen noch der Sachverständigen Dr. Ilareva sind Fälle bekannt geworden, in denen kranken Schutzberechtigte diese Versorgung verweigert worden ist und es deshalb zu ernsthaften Schäden für Leib und Leben gekommen ist (Ilareva, 07.04.2017, S. 11; Auswärtiges Amt, 18.07.2017, S.10).

131

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die eine psychologische oder psychiatrische Behandlung brauchen, werden an „NADYA“ oder an das Zentrum für psychische Gesundheit „Prof. N. Shipkovenski“ verwiesen. Von einem Hausarzt können sie zu einem Psychiater überwiesen werden (BFA, 27.11.2017, S. 20).

132

(ee) Zu den Arbeitsmarktbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte hat das Gericht die folgenden Erkenntnisse:

133

Anerkannte Schutzberechtigte haben einen Anspruch auf Zugang zum bulgarischen Arbeitsmarkt (Auswärtiges Amt, 18.7.2017 S. 6; 18.7.2018, S. 2; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10; aida 2018, S. 76; BFA, 27.11.2017, S. 20; Ilareva, 27.8.2015, S. 2; CoE fact-finding Report, 2018, S. 18). Für sie wird kein Arbeitsmarkttest durchgeführt und der Zugang ist auch nicht auf bestimmte Sektoren beschränkt (aida 2018, S. 76). Sie sind damit rechtlich den Inländern gleichgestellt (Auswärtiges Amt, 18.07.2017 S. 6).

134

Anerkannte Schutzberechtigte sind jedoch beim Eintritt in den Arbeitsmarkt mit Hindernissen konfrontiert, die sich aus mangelnden Sprachkenntnissen und einer mangelnden staatlichen Unterstützung für die Berufsausbildung ergeben (aida 2018, S. 76; BFA, 27.11.2017, S. 20). Berufsqualifikationen, die im Herkunftsland erworben worden sind, sind anerkennungsbedürftig (Ilareva, 27.8.2015, S. 2), werden jedoch praktisch nicht anerkannt (aida 2018, S. 76). Vor allem wegen fehlender Sprachkenntnisse haben bisher nur wenige Schutzberechtigte eine Arbeit finden können (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 6; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10).

135

Die Mehrheit der arbeitenden anerkannten Schutzberechtigten soll entweder in schlecht bezahlten, unqualifizierten Betätigungen oder bei Arbeitgebern gleicher Herkunft beschäftigt sein, die sich in Bulgarien (vornehmlich in Sofia) ein Geschäft aufgebaut haben (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10; Auswärtiges Amt, 18.7.2017 S. 6). Arbeitsplatzangebote beziehen sich oftmals auf einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft und in der Gastronomie, für die eine besondere Ausbildung oder Sprachkenntnisse nicht erforderlich sind (Auskunft der dt. Botschaft Sofia vom 1.3.2018; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10). Personen mit internationalem Schutzstatus werden auch in Callcentern mit arabischer Sprache oder in der verarbeitenden Industrie eingestellt, wo sie gering qualifizierte Arbeiten ausführen. Manche anerkannte Flüchtlinge arbeiteten auch im Graubereich der Wirtschaft (Auswärtiges Amt, 18.7.2017 S. 6). Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist in den ländlichen Gebieten hoch (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 4). Viele der vom UNHCR im Jahr 2016 befragten Schutzberechtigten waren allerdings arbeitslos und lebten von den Geldüberweisungen ihrer in anderen europäischen Ländern lebenden Verwandten (Ilareva 7.4.2017, S. 6, die diesbezüglich UNHCR, Representation in Bulgaria, 2016 Age, Gender and Diversity Participatory Assessment, S. 10, zitiert). Gegenüber der Delegation des Europarats haben einige der Flüchtlinge, die in Unterkünften in Sofia oder in Harmanli lebten, angegeben, dass die von ihnen aufgenommene Arbeit vorübergehend sei und nicht ausreichend bezahlt werde, um außerhalb der Unterkunft wohnen zu können (CoE fact-finding Report, 2018, S. 18).

136

Nach den Angaben von Nichtregierungsorganisationen und der SAR sollen für anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien Möglichkeiten bestehen, einen Arbeitsplatz zu finden, wobei eine feste Meldeanschrift hierbei keine entscheidende Rolle spielen soll (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 3). Viele anerkannte Schutzberechtigte haben ihre Arbeitsstelle auch mit der Hilfe von Landsleuten oder bulgarischen Freiwilligen gefunden (Ilareva, 27.8.2015, S. 4).

137

Die Möglichkeiten einer Arbeitsvermittlung durch die staatliche Agentur für Arbeit sollen aufgrund der Sprachbarriere und der Schwierigkeiten, die bisherige Ausbildung nachzuweisen, beschränkt sein (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 6; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10). Im Juni 2016 waren in bulgarischen Arbeitsämtern 61 anerkannte Schutzsuchende arbeitslos gemeldet; elf von ihnen fanden Arbeitsstellen und zehn Personen nahmen an Schulungsmaßnahmen teil (BFA, 27.11.2017, S. 20).

138

Die staatliche Arbeitsagentur sendet regelmäßig Arbeitsplatzangebote an die SAR, die ihrerseits arbeitssuchende Schutzberechtigte mit den jeweiligen Arbeitgeber verbindet (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10 unter Verweis auf: UNHCR, http://www.unhcr.org/bg/wp-content/uploads/sites/18/2016/12/Employment-for-Refugees-FINAL-BG.pdf; UNHCR, Where there is a will, there is a way – Private Sector Engagement in the Employment of Beneficiaries of International Protection, 26.4.2017, G 14/17, S. 19). Die SAR organisiert Informationsveranstaltungen mit Firmen, die Asylbewerber und anerkannte Schutzberechtigte rekrutieren möchten. Mit diesen Informationsveranstaltungen wurden im Jahr 2017 236 Menschen bei der Suche unterstützt, von denen dann 68 eine Beschäftigung fanden (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 11 unter Verweis auf eine Stellungnahme der SAR, vom 28.2.2018). Nach dem UNHCR-Bulgarien sollen im Jahr 2015 insgesamt 192 Arbeitsverträge von Schutzberechtigten bei der nationalen Einnahmenagentur registriert worden sein, im Jahr 2016 162 Arbeitsverträge (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 11). Im Februar 2017 wurde eine Berufsmesse für Flüchtlinge veranstaltet (BAMF-Länderinformation, 2018, S. 11), bei der 60 vorselektierte Kandidaten beraten wurden (BFA, 27.11.2017, S. 20). Zudem haben Sozialarbeiter zivilgesellschaftlicher Organisationen Kontakt zu privaten Unternehmen aufgenommen und sammeln die Qualifikationsprofile und Beschäftigungsanfragen von Arbeitssuchenden. Diese Organisationen bieten auch Schulungen zum Verfassen von Lebensläufen und individuelle Unterstützung bei der Arbeitssuche an. Sie bieten Dolmetscherdienste an, vermitteln bei Institutionen und begleiten Arbeitsuchende zu den Arbeitsämtern (zum Vorstehenden: UNHCR, Where there is a will, there is a way – Private Sector Engagement in the Employment of Beneficiaries of International Protection, 26.4.2017, G 14/17; S. 19). Am 21. Februar 2017 organisierte die Nichtregierungsorganisation „CVS-Bulgaria“ einen Austausch zwischen Arbeitgebern und Flüchtlingen, der im Gebäude der Vertretung der Europäischen Kommission in Bulgarien stattfand (Ilareva, 7.4.2017, S. 7).

139

Zum Teil sollen bulgarische Arbeitgeber auch die SAR kontaktiert haben, um anerkannte Flüchtlinge einzustellen (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 6 f.; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 10). Diese Unternehmen bieten dabei nicht nur Arbeitsstellen an, sondern auch eine Unterkunft sowie Hilfe bei der Registrierung der Kinder in der Schule und in Sprachkursen (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 7). Nichtregierungsorganisationen, die SAR und der Direktor der Flüchtlingsunterkunft in Harmanli sollen gegenüber dem Auswärtigen Amt berichtet haben, dass sich in der jüngsten Vergangenheit Unternehmer ausdrücklich bezüglich der Möglichkeiten erkundigt hätten, Flüchtlinge zu beschäftigen, insbesondere auf dem Land (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 4).

140

(ff) Hinsichtlich des Schulbesuchs minderjähriger Schutzberechtigter hat das Gericht aus den ihm vorliegenden Quellen die folgenden Erkenntnisse gewonnen:

141

Minderjährige schulpflichtige Kinder können jederzeit zum Schulbesuch angemeldet werden (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 2). Ihre Eltern sollen jedoch im Allgemeinen nicht geneigt sein, ihre Kinder in bulgarische Schulen zu schicken, weil sie beabsichtigen, in andere europäische Länder weiterzureisen (CoE fact-finding Report, 2018, S. 18). Die SAR hat deshalb Anstrengungen unternommen, um anerkannte Schutzberechtigte von den Vorteilen des Schulbesuchs ihrer Kinder in Bulgarien zu überzeugen. Die SAR hat die Anmeldung der Kindern an örtlichen Schulen erleichtert und deren Transport von den Unterkünften zu den Schulen organisiert (CoE fact-finding Report, 2018, S. 18). Infolgedessen sind 2017 von den 363 Kindern in den Unterkünften 130 in bulgarischen Schulen angemeldet gewesen (CoE fact-finding Report, 2018, 18).

142

(gg) Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen sind in Bulgarien ferner mehrere Nichtregierungsorganisationen tätig, die Hilfsprogramme für Flüchtlinge anbieten (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 4). Sie sind in den Aufnahmezentren präsent und informieren dort die Schutzsuchenden mit Informationsschriften über ihre Rechte und die Verfahrensabläufe (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 3).

143

Das Bulgarische Rote Kreuz (BRK) unterstützt Asylbewerber und anerkannte Schutzberechtigte durch eine Begleitung, Beratung und Übersetzung beim Besuch von Ämtern, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, durch Nachhilfe für Kinder, durch Sozial- und Rechtsberatung, durch Hilfe bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, durch Bulgarisch- und Englischkurse, durch die Unterstützung Vulnerabler, durch Bereitstellung humanitärer Hilfe sowie durch Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit Verwandten (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 4, 18.7.2018, S. 3; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 11; BFA 27.11.2017, S. 21; vgl. hierzu die einschlägige Internetseite des Bulgarischen Roten Kreuzes, Abrufdatum 12.6.2017, mit Übersetzung: G 8/17).

144

Das Bulgarische Rote Kreuz betreibt insbesondere den sogenannten Refugee-Migrant Service (RMS), der seit 1997 in der Flüchtlingsintegration tätig ist. Dieser verfügt über Zweigstellen in mehreren bulgarischen Städten und bietet Asylbewerbern, anerkannten Flüchtlingen und abgelehnten Asylwerbern Geld- und Sachleistungen an. Der RMS arbeitet mit der SAR, dem UNHCR, der Grenzwache und anderen europäischen Rotkreuzgesellschaften zusammen (BFA, 27.11.2017, S. 21). Das Bulgarische Rote Kreuz stellt auch Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel bereit und bietet sozial-kulturelle Orientierungskurse, Übersetzungen von Dokumenten sowie Übersetzertätigkeiten bei Behördengängen an. Schutzberechtigte werden während ihrer Teilnahme am Sprachkurs oder einer Berufsausbildung krankenversichert (Auswärtiges Amt, 18.7.2017 S. 4). Die Vergabe der Plätze für diese Programme erfolgt nach dem Prioritätsprinzip, wobei vor kurzem anerkannte Schutzberechtigte und Schutzberechtigte, die noch keinen Sprachkurs besucht haben, bevorzugt werden (Auswärtiges Amt, 18.7.2017 S. 4; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 11). Im Jahr 2017 sollen 40 Personen in Sofia an diesen Programmen des BRK teilgenommen haben (Auswärtiges Amt, 18.7.2017 S. 4; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 12). Das BRK bietet auch Sachleistungen oder eine einmalige finanzielle Hilfe in Notsituationen bei drohender Obdachlosigkeit oder Krankheit an (Auswärtiges Amt, 18.7.2017 S. 4). Es implementiert die Integrationsmaßnahmen des UNHCR und unterstützt den Zugang Schutzberechtigter zu medizinischer Versorgung und Bildung (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 3).

145

Die besondere Bedeutung des BRK folgt auch aus seiner rechtlichen Stellung im Asylsystem Bulgariens: Es nimmt im Auftrag des Staates und in Kooperation mit der SAR zentrale Aufgaben im Asylverfahren wahr, insbesondere bei der Unterbringung, der Bereitstellung von Hilfen zur Anpassung an die bulgarischen Verhältnisse und der (Mit-)Organisation von Sprachkursen (Art. 53 Nr. 1 BGAuFG). In Art. 53 Nr. 4, 56 Abs. 1 BGAuFG ist geregelt, dass das BRK auch bei der Integration der anerkannten Schutzberechtigten mitwirkt und sowohl soziale, medizinische und psychologische Begleitung als auch Hilfe bei der Suche nach einer Beschäftigung anbietet (zum Vorstehenden: OVG Magdeburg, Beschl. v. 22.8.2018, 3 L 50/17, juris, Rn. 20).

146

Die Caritas Bulgarien betreibt in Sofia eine Zentrum für soziale Rehabilitation und Integration (Св. Анна – център за интеграция на бежанци и мигранти отвори врати в София = „St. Anna – ein Zentrum für die Integration von Flüchtlingen und Migranten“, Übersetzung mit dem Dienst von Google), das Kurse für die bulgarische Sprache, psychologische Hilfe, Sozialberatung und praktische Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche anbietet (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 5; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 11, BFA, 27.11.2017, S. 21; Ilareva, 7.4.2017, S. 4; vgl.https://caritas.bg/novini/novini-bezhantsi/caritas-bezhanci-centar-sveta-anna/). Im Jahr 2016 haben dort 287 Flüchtlinge, teils Anerkannte, teils Asylbewerber im laufenden Verfahren diverse Unterstützungsleistungen erhalten, meist Sprachkurse und Hilfe bei der Suche von Arbeit und Unterkunft und der Erlangung von sozialer oder medizinischer Hilfe (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 5; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 12; BFA, 27.11.2017, S. 21). Laut der Internetseite unterstützt das Zentrum Personen durch Sozialberatung, psychologische Betreuung, Übersetzung und Begleitung verschiedener Institutionen, Kurse in bulgarischer Sprache, Hilfe bei der Registrierung für die Anmeldung bei einem Hausarzt, Hilfe bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, Hilfe bei der Einschreibung in Schulen und Kindergärten, künstlerischen Aktivitäten und Sport (Ilareva, 7.4.2017, S. 4). Außerdem soll die Caritas ein landesweites „Mentoring Programm“ durchführen, in dessen Rahmen ca. 90 Flüchtlinge bulgarische Freunde gefunden hätten, mit denen sie sich einmal wöchentlich träfen und die ihnen bei der Integration hälfen (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 5; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 12).

147

Das vom UNHCR finanzierte Bulgarian Helsinki Committee (BHC) (vgl. auch dessen Website: http://www.bghelsinki.org/en/) leistet rechtliche Hilfe in Fällen von Rechteverletzungen (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 4; BAMF-Länderinformation, 2018, S. 12; UNHCR, 13.3.2017, S. 2). Vertreter des BHC leisten in den Unterkünften Rechtsberatung (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 3).

148

Die Adressen der in Bulgarien tätigen Nichtregierungsorganisationen sind im Internet zugänglich (vgl. Bulgarian Red Cross/UNHCR, Handbook S. 31, abrufbar unter: http://en.redcross.bg/files/1516-BRC_Narachnik_Integration_last_eng.pdf, zuletzt abgerufen am: 17. Juli 2019, G 15/17).

149

(hh) Hinsichtlich der unmittelbaren Rückkehrbedingungen anerkannter Schutzberechtigter liegen dem Gericht die folgenden Informationen vor:

150

Nach Bulgarien zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte werden am Flughafen von der Grenzpolizei empfangen. Nichtregierungsorganisationen, wie etwa das Bulgarische Rote Kreuz empfangen die Rückkehrer zusätzlich, wenn sie von anderen Organisationen oder den Behörden des Landes, das den Schutzberechtigten zurücksendet, oder von bulgarische Behörden auf einen speziellen Fall aufmerksam gemacht werden, wie etwa physisch oder psychisch kranke oder behinderte Menschen (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 5). Es gibt indessen keine besonderen staatlichen Beihilfen oder Hilfen anderer Stellen für anerkannte Schutzberechtigte, die nach einem langer Aufenthalt im Ausland zurückkehren (Ilareva 7.4.2017, S. 5). Mit der vorherigen Abgabe einer Zusicherung über eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung von Rückkehrern in einer Unterkunft durch bulgarische Behörden soll nach Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht zu rechnen sein, da eine solche Unterstützungsleistung über den nach bulgarischem Recht vorgesehenen Rahmen hinausginge (Auswärtiges Amt, Auskunft an das BAMF vom 25.3.2019, 2019/4, S. 1).

151

Nach Bulgarien zurückkehrende Familien können sich an das Bulgarische Rote Kreuz, die Caritas, den Rat der Flüchtlingsfrauen sowie an die Vertretung der Internationalen Organisation für Migration wenden, um in konkrete Programme aufgenommen zu werden, die Familien bei der Arbeits- und Wohnungssuche sowie der Beantragung von Sozialleistungen unterstützen (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 3). Für Familien geltend bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien die gleichen Bedingungen wie für Alleinstehende. Eine zusätzliche Unterstützung durch die Nichtregierungsorganisationen kann nur erfolgen, wenn diese bereits vor Rückkehr in die Wege geleitet wurde, besondere Vorkehrungen und Aufnahmezentren bestehen lediglich für unbegleitete Minderjährige (Auswärtiges Amt, 26.4.2018, S. 5). Familien mit minderjährigen Kindern sind bisher nur vereinzelt nach Bulgarien zurückgekehrt. In diesen Fällen wurde der bulgarische Staat zum Teil um die Zusicherung von Unterkünften und angemessenen Aufnahmebedingungen gebeten. Das Bulgarische Rote Kreuz erklärte, dass es in mehr Fällen Rückkehrer unterstützen könne (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 4).

152

(ii) Bei der Unterstützung der Flüchtlinge legen der bulgarische Staat und die Nichtregierungsorganisationen ein besonderes Augenmerk auf vulnerable Personen, zu denen insbesondere Kleinkinder und ihre Familien gehören (Auswärtiges Amt, 18.7.2018, S. 3). Nichtregierungsorganisationen haben dem Auswärtigen Amt berichtet, dass alleinstehende Frauen oder Familien mit kleinen Kindern am ehesten von Obdachlosigkeit und Armut bedroht seien. Allerdings würde der bulgarische Staat diese zum Teil besonders schützen, so z. B. hinsichtlich der Unterbringung (Auswärtiges Amt, 18.7.2017, S. 10). Alleinstehende minderjährige Flüchtlinge werden – wie alleinstehende bulgarische Minderjährige – von der nationalen Kinderschutzagentur betreut (Auswärtiges Amt, Auskunft an das BAMF 23.3.2018, 2018/2, S. 1, hiernach: Auswärtiges Amt, 23.3.2018). Nach Mitteilung der SAR gegenüber dem Auswärtigen Amt würden unbegleitete Minderjährige in der Regel gut versorgt werden; ihnen würden Betreuer und soziale Mitarbeiter zur Seite gestellt (Auswärtiges Amt, 23.3.2018, S. 1). Nach Mitteilung des BHC stehen für unbegleitete Kinder grundsätzlich Unterkünfte zur Verfügung und ihr Schutz ist gewährleistet. Nach der Anerkennung der Minderjährigen als Schutzberechtigte wird für sie ein gesetzlicher Vertreter bestellt (Auswärtiges Amt, 23.3.2018, S. 1). Zusätzlich werden die unbegleiteten Minderjährigen nach Angaben des BHC in den Unterkünften von spezialisierten Nichtregierungsorganisationen betreut. Die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren verläuft dabei ohne Probleme (Auswärtiges Amt, 23.3.2018, 2018/2, S. 2). Unbegleitete Minderjährige erhalten eine staatliche Grundversorgung (Ernährung, Unterkunft und Schule) (Auswärtiges Amt, 23.3.2018, S. 2).

153

(jj) Nach einer Gesamtwürdigung dieser Erkenntnislage [vgl. zuvor (aa) - (ii)] droht anerkannten Schutzberechtigten, die nicht zum Kreis der besonders verletzlichen Personen (vulnerable Personen) gehören, in Bulgarien keine Verletzung von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK aufgrund der sie dort erwartenden Lebensumstände.

154

Wie die Auswertung der Erkenntnisquellen zeigt, sind die Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus in Bulgarien insgesamt schwierig. Auch die Integrationsverordnung vom 19. Juli 2017 hat in der bisherigen Verwaltungspraxis keine durchgreifende Wirkung bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien gezeigt, obgleich insbesondere Nichtregierungsorganisationen in ihr ein Potenzial erkannt haben, den Integrationsprozess zu fördern. Die Erkenntnisquellen zeigen ferner, dass der bulgarische Staat anerkannte Schutzberechtigte und seine Staatsangehörigen im Hinblick auf den Zugang zu Sozialleistungen wie Sozialhilfe und sozialem Wohnraum zwar gleich behandelt, diese Sozialleistungen für beide Personengruppen jedoch praktisch kaum zu erlangen sind [vgl. zum Vorstehenden zuvor (aa)].

155

Für anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien ist es schwierig, eine Unterkunft auf dem privaten Wohnungsmarkt zu finden. Nach der Erkenntnislage wird der gesetzlich vorgesehene, auf sechs Monate befristete Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren in der Praxis nicht gewährt. Er wird durch die den Schutzberechtigten erteilte Erlaubnis, nach ihrer Anerkennung im Aufnahmezentrum für weitere sechs Monate zu bleiben, kompensiert, wobei jedoch hierauf kein Rechtsanspruch besteht und die Aufnahme unter der Bedingung der Aufnahmefähigkeit der Aufnahmezentren steht, die allerdings angesichts der zuvor dargelegten aktuellen Belegungsraten der Aufnahmezentren [vgl. hierzu zuvor unter (bb)] gewährleistet ist. Auch die für die letzten Jahre vorliegenden Zahlen zu anerkannten Schutzberechtigten [hierzu zuvor unter (aa)] sprechen für diese Möglichkeit. Für diese Möglichkeit sprechen auch die dem Gericht vorliegenden Zahlen zu anerkannten Schutzberechtigten, die in den Aufnahmezentren untergebracht sind. Darüber hinaus existieren nach der Erkenntnislage in Bulgarien zwölf Zentren f52;r eine tempor8;re Unterbringung für einen dreimonatigen Aufenthalt pro Jahr mit insgesamt 607 Schlafplätzen, in denen zudem Unterstützung bei administrativen Registrierungen geboten wird. Insbesondere aus dem Ausland zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte können diese in Anspruch nehmen. Ferner bestehen in Sofia zwei Krisenzentren für die Unterbringung von Bedürftigen während der Wintermonate mit einer Kapazität von 177 Plätzen. Weder dem Auswärtigen Amt noch den Nichtregierungsorganisationen liegen überdies Berichte dazu vor, dass anerkannte Schutzberechtigte im Allgemeinen obdachlos sind [vgl. zum Vorstehenden zuvor (bb)].

</dl>
lass="RspDL">
156

Nach Ablauf von sechs Monaten sind die Schutzberechtigten jedoch grundsätzlich darauf angewiesen, privaten Wohnraum zu finden und ihren Lebensunterhalt selbstständig zu bestreiten. Das Gericht geht jedoch nicht davon aus, dass dies mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anerkannten Schutzsuchenden, die in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht eingeschränkt sind und auch sonst nicht zu dem Kreis vulnerabler Personen zählen, unmöglich sein könnte und sie hierdurch in eine Situation extremer materieller Not im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urt. v. 19.3.2019, C-163/17, juris, Rn. 91 f.) geraten k&#246;nnten, auch wenn dies ein hohes Maß an Eigeninitiative voraussetzen dürfte. Auf dem privaten Wohnungsmarkt eine Wohnung zu erlangen, dürfte zwar nur auf der Grundlage eigener Erwerbstätigkeit möglich sein und es wird zudem durch das Erfordernis einer bestehenden Meldeadresse zur Erlangung eines Ausweisdokuments erheblich erschwert [hierzu zuvor unter (bb)], wobei Nichtregierungsorganisationen wie etwa das Bulgarische Rote Kreuz Hilfe bei dem Besuch von Ämtern leisten und insofern auch bei der Registrierung Hilfe leisten können. Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas und das Bulgarische Rote Kreuz helfen Schutzberechtigten zudem auch bei der Wohnungssuche [hierzu zuvor (gg)].

157

Das Gericht hält es auch nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass uneingeschränkt erwerbsfähige, anerkannte Schutzberechtigte, wie die Klägerin, keine Arbeit finden werden. Sie haben im Ausgangspunkt uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Zwar dürften fehlende Sprachkenntnisse, die fehlende Anerkennung von Berufsqualifikationen und die praktisch begrenzte Arbeitsvermittlung durch die staatliche Agentur f52;r Arbeit die Erlangung eines Arbeitsplatzes erschweren. Allerdings zeigen die Erkenntnisquellen, dass Arbeitsplatzangebote für einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft, in der Gastronomie oder in der verarbeitenden Industrie vorhanden sind und dass die Nachfrage nach Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten besonders in den ländlichen Gebieten hoch ist. Insgesamt bestehen nach den Angaben der Nichtregierungsorganisationen und der SAR für anerkannte Schutzberechtigte Möglichkeiten, in Bulgarien einen Arbeitsplatz zu finden. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen teilt die Arbeitsagentur der SAR zudem regelmäßig Arbeitsplatzangebote mit, die sodann arbeitssuchende Schutzberechtigte mit Arbeitgebern verbindet. Auch haben bereits Arbeitgeber die SAR kontaktiert, um Schutzberechtigte einzustellen. Die SAR organisiert ferner Informationsveranstaltungen mit Firmen, die anerkannte Schutzberechtigte rekrutieren möchten. Überdies unterstützen Nichtregierungsorganisationen die Schutzberechtigten bei der Arbeitssuche [vgl. zum Vorstehenden zuvor (ee)].

158

Gegen die beachtliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr, dass anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien in die Situation einer extremen materiellen Not im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 92 f.) geraten, spricht schließlich, dass Nichtregierungsorganisationen wie das Bulgarische Rote Kreuz, der UNHCR, die Caritas Bulgarien und das Bulgarian Helsinki Committee Unterstützungsleistungen anbieten, die es arbeitsfähigen, anerkannten Schutzberechtigten ermöglichen dürften, Obdach zu finden und ihre Existenz zu sichern. Vor dem Hintergrund der aus den Erkenntnisquellen ersichtlichen Anzahl der in Bulgarien anerkannten Schutzberechtigten [hierzu zuvor unter (aa)], müssen diese Nichtregierungsorganisationen auch keine unverhältnismäßig große Personenzahl betreuen. Das Gericht hält es auch nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass die strukturellen Hindernisse, auf die Schutzberechtigte im bulgarischen Meldewesen stoßen, nicht durch die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, die auch Rechtshilfe und Hilfe bei Behördengängen leisten, überwunden werden können [vgl. zum Vorstehenden (gg)].

159

Nach den ausgewerteten Erkenntnisquellen haben anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien auch Zugang zu medizinischer Versorgung. Angestellte Arbeitnehmer werden durch ihren Arbeitgeber krankenversichert. Als Arbeitssuchende können sie sich selbst zu einem Beitrag von 10,46 EUR im Monat krankenversichern. Unabhängig hiervon ist jedenfalls eine kostenfreie medizinische Notfallversorgung gewährleistet. Fälle, in denen anerkannten Schutzberechtigten diese Versorgung verweigert worden ist, sind nicht bekannt [vgl. zum Vorstehenden dd)].

160

Obwohl sich die Lebensbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien im Verhältnis zu den Aufnahmebedingungen im Bundesgebiet als deutlich schlechter erweisen dürften und anerkannte Schutzberechtigte dort – wie auch ein erheblicher Anteil der bulgarischen Bevölkerung selbst – von Armut betroffen sind, kann das Gericht auf der Grundlage der Erkenntnisquellen nicht erkennen, dass die Situation anerkannter Schutzberechtigter, die nicht zu der Gruppe vulnerabler Personen gehören, in Bulgarien derart von einer extremen materiellen Not geprägt ist, die es den Schutzberechtigten nicht erlaubte, ihre elementaren Bedürfnisse (Ernährung, Obdach und Körperhygiene) zu befriedigen, die ihre Gesundheit gefährden würde oder die sie in den Zustand einer menschenunwürdigen Verelendung bringen würde (vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2019, a.a.O., Rn. 92 f.).

161

b) Die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 19. November 2018 ist rechtmäßig.

ass="RspDL">
<a name="rd_162">162>

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet die Beklagte nach dieser Vorschrift die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Übernahmebereitschaft des Zielstaates besteht und die Abschiebung rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist, also insbesondere keine zielstaatsbezogenen oder inlandsbezogenen Abschiebungsverbote vorliegen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, juris, Rn. 10). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Übernahmebereitschaft der Republik Bulgarien für die Klägerin besteht [hierzu unter (1)]. Ferner liegen weder zielstaatsbezogene [hierzu unter (2)] noch inlandsbezogene [hierzu unter (3)] Abschiebungsverbote vor.

163

(1) Die Übernahmebereitschaft der Republik Bulgarien für die Klägerin liegt vor. Wie zuvor unter a) aa) (2) (a) dargelegt, hat die Republik Bulgarien mit Schreiben vom 16. November 2018 (Bl. 127 der Asylakte) dem Wiederaufnahmegesuch der Beklagte bezüglich der Klägerin stattgegeben und insbesondere auch die organisatorischen Details einer Überstellung der Klägerin nach Bulgarien dargelegt, die die Ausländerbehörde bei einer Rückführung der Klägerin zu beachten hat.

164

(2) Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse stehen der Abschiebung der Klägerin nach Bulgarien nicht entgegen.

165

(a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor. Ein Ausländer darf danach nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dies ist hier nicht anzunehmen. Insbesondere ergibt sich die Unzulässigkeit der Abschiebung nicht aus Art. 3 EMRK. Auf die vorstehenden Ausführungen unter a) bb) (2) (b) und (c) wird Bezug genommen.

166

(b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll danach abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Ein solches hat die Klägerin jedoch weder gegenüber der Beklagten noch im Klageverfahren geltend gemacht.

167

(3) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis besteht ebenfalls nicht. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht reisefähig ist.

168

c) Die Beklagte hat ferner in Ziffer 2 des Bescheids vom 19. November 2018 rechtmäßig festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen. Wir zuvor dargelegt, liegen weder die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig und der Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien besteht auch im Übrigen für eine Aufhebung der Entscheidung der Beklagten unter Ziffer 2 des Bescheides keine Veranlassung.

169

d) Schließlich ist auch die in Ziffer 4 des Bescheids der Beklagten vom 19. November 2018 getroffene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung, die im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Gerichts (§ 77 AsylG) als Erlass eines sechsmonatigen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle der Abschiebung auszulegen ist, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

170

aa) Während § 11 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 und auch im Zeitpunkt der Erstellung des Bescheides vom 19. November 2018 geltenden Fassung ein von Gesetzes wegen im Falle der Ausweisung, Zurückweisung oder Abschiebung eintretendes – nach § 11 Abs. 2 Satz 1 von Amts wegen zu befristendes – Einreise- und Aufenthaltsverbot vorsah, bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der ab dem 21. August 2019 und damit im maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 AsylG) gültigen Fassung vom 15. August 2019 (BGBl. I, 1294 ff.), dass gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot durch einen Verwaltungsakt zu erlassen ist. Zuständig für die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist im Falle einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG die Beklagte.

171

Die Neufassung des § 11 Abs. 1 AufenthG trägt laut der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 19/10047, S. 31) der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung, nach der ein allein auf einer Anordnung des Gesetzgebers beruhendes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG nicht mit dieser im Einklang steht (BVerwG, Urt. v. 21.8.2018, 1 C 21/17, juris, Rn. 20; Beschl. v. 22.8.2017, 1 A 10/17, juris Rn. 5; Beschl. v. 13.7.2017, 1 VR 3/17, juris Rn. 71 f.). Wenngleich dies nicht für Einreise- und Aufenthaltsverbote aufgrund von Abschiebungen auf Grundlage der Dublin III-VO galt (zum Begriff der Abschiebung bei Überstellungen auf Grundlage der Dublin III-VO s. BVerwG, Urt. v. 17.9.2015, 1 C 26/14, juris, Rn. 27), da die Rückführungsrichtlinie sich nach ihrem Art. 3 Nr. 3 auf die Rückkehr von Drittstaatsangehörigen in deren Herkunftsland oder ein Transitland gemäß gemeinschaftlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder ein anderes Drittland, in das der betreffende Drittstaatsangehörige freiwillig zurückkehren will und in dem er aufgenommen wird, bezieht, gilt die gesetzliche Neuregelung des § 11 Abs. 1 AufenthG ihrem Wortlaut nach für sämtliche Abschiebungen und damit auch für solche auf Grundlage der Dublin III-VO.

172

bb) Eine behördliche Befristungsentscheidung – wie die Entscheidung in Ziffer 4 des verfahrensgegenständlichen Bescheids vom 19. November 2018 – kann nach den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB regelmäßig als konstitutiver Erlass eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots ausgelegt werden. Bei objektiver Betrachtungsweise setzt die Behörde mit dessen Befristung nämlich ein wirksames, rechtmäßig entstandenes Einreiseverbot voraus und ordnet dies der Sache nach zumindest vorsorglich konkludent für den Fall an, dass ein Einreiseverbot nicht schon kraft Gesetzes entsteht. Auch aus der Adressatensicht knüpft eine Befristungsentscheidung an ein bestehendes Einreiseverbot an. Dies lässt nur die Deutung zu, dass die Behörde das Wirksamwerden eines kraft Gesetzes angeordneten Einreiseverbots auch im Einzelfall will, und zwar für die durch Befristung bestimmte Dauer, und so auch das Einreiseverbot selbst festsetzt (zum Vorstehenden: BVerwG, Urt. v. 21.8.2018, 1 C 21/17, juris Rn. 25). Auch im vorliegenden Fall ist die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung als Erlass eines sechsmonatigen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle der Abschiebung auszulegen. Die Beklagte ging bei Erlass des Bescheides vom 19. November 2018 bei objektiver Betrachtungsweise – seinerzeit zutreffend – von einem im Falle der Abschiebung gesetzlich angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbot aus. Damit hat sie konkludent ein sechsmonatiges Einreise- und Aufenthaltsverbot für den – nunmehr vorliegenden – Fall erlassen, dass es an einer solchen gesetzlichen Anordnung fehlt.

173

cc) Die Ermächtigungsgrundlage für die als Anordnung eines sechsmonatigen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle der Abschiebung ausgelegte Entscheidung ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019. Danach ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Mit diesen Vorgaben steht die Anordnung eines sechsmonatigen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle der Abschiebung der Klägerin im Einklang. Insbesondere ist die Länge der Frist von sechs Monaten nicht zu beanstanden. Es ist weder ersichtlich, dass die Beklagte damit die gesetzlichen Grenzen des ihr eröffneten Ermessens überschritten, noch dass sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen hat die Klägerin Ermessensfehler bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auch selbst nicht geltend gemacht.

174

3. Die mit dem zulässigen Hilfsantrag verfolgte Klage auf Feststellung von Abschiebungsverboten hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgarien. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zuvor wird Bezug genommen.

III.

175

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen