| |
| Die zulässige Klage gegen Nr. 1 und 2 des Bescheids des Landesamts vom 15. November 2013 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2014 bleibt ohne Erfolg (dazu unter 1.). Dagegen ist die gegen Nr. 3 des Bescheids des Landesamts vom 15. November 2013 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2014 gerichtete Klage zulässig und begründet (dazu unter 2.). |
|
| 1. Nr. 1 und 2 des Bescheids des Landesamts vom 15. November 2013 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
|
| |
| a) Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung bestehen keine. Insbesondere ist das Landesamt die nach § 48 Abs. 5 LVwVfG für die Rücknahme zuständige Behörde. Der Kläger wurde auch ordnungsgemäß nach § 28 Abs. 1 LVwVfG angehört. |
|
| b) Die Rücknahme erweist sich auch als materiell rechtmäßig. |
|
| aa) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die maßgeblichen Bescheide, mit denen das Landesamt dem Kläger Beihilfe für Aufwendungen seiner Stieftochter gewährt hat, sind rechtswidrig. |
|
| Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung – BVO) sind berücksichtigungsfähige Angehörige die im Familienzuschlag nach dem Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg berücksichtigungsfähigen Kinder der Beihilfeberechtigten. Nach § 41 Abs. 3 Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg erhalten einen kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags für jedes Kind Beamte und Richter, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 oder 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 oder 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG werden als Kinder die vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder seines Ehegatten berücksichtigt. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 BVO endet die Berücksichtigung von Kindern mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie im Familienzuschlag nicht mehr berücksichtigungsfähig sind, bei Wegfall am 31. Dezember eines Jahres mit Ablauf des folgenden Kalenderjahres. |
|
| Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Stieftochter des Klägers seit Juni 2011 nicht mehr in dessen Haushalt lebt. Mit Blick auf die vorgenannten Bestimmungen war sie ab dem 1. Januar 2012 nicht mehr berücksichtigungsfähige Angehörige und der Kläger für ihre krankheitsbedingten Aufwendungen nicht mehr beihilfeberechtigt. |
|
| bb) Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 LVwVfG zurückgenommen werden. |
|
| Im vorliegenden Fall bestimmen sich diese Einschränkungen nach § 48 Abs. 2 LVwVfG. Denn die Bescheide des Landesamts sind rechtswidrige Verwaltungsakte, die eine einmalige Geldleistung – hier in Form von Beihilfe – gewähren. Sie dürfen nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. |
|
| Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG kann sich der Begünstigte auf Vertrauen allerdings nicht berufen, wenn er (1.) den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren oder (3.) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfüllt, denn der Kläger hat es pflichtwidrig unterlassen, den Auszug seiner Stieftochter aus dem gemeinsamen Haushalt dem Landesamt mitzuteilen. |
|
| α) Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass das Landesamt dem Kläger Beihilfe für Aufwendungen seiner Stieftochter gewährt hat, weil es von der maßgeblichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – keine Aufnahme der Stieftochter mehr im Haushalt des Klägers – zunächst keine Kenntnis hatte. Den Auszug der Stieftochter aus dem Haushalt des Klägers hat dieser unmittelbar gegenüber der Beihilfestelle nicht angezeigt. |
|
| Ausgehend vom Wortlaut des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erscheint fraglich, ob ein Unterlassen dem aktiven Tun gleichgestellt werden kann. Denn das Verb „erwirken“ kann so verstanden werden, dass ein bewusstes Handeln die Ursache für den Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsakts gesetzt haben muss. In diesem Sinne wird in Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung auch vertreten, dass ein Unterlassen nicht von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfasst wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27. Juni 1994 – 4 M 2959/94 –, NVwZ-RR 1995, 40, allerdings zu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). |
|
| Demgegenüber gibt es allerdings auch Stimmen, die, wenngleich ohne nähere oder spezifische Begründung für den vorliegenden Fall, das Unterlassen von erforderlichen Angaben dem aktiven Tun gleichstellen (vgl. Thüringer OVG, Urteil vom 27. April 2004 – 2 KO 433/03 –, juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 48, Rn. 117). |
|
| Aus Sicht der Kammer erscheint eine vermittelnde Lösung vorzugswürdig. Nach ihr steht das Unterlassen der Anzeige maßgeblicher Tatsachen, die Grundlage für die Gewährung der Geldleistung sind, nur dann dem Erwirken in Form von aktivem Tun gleich, wenn es pflichtwidrig erfolgt ist, also eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. |
|
| Mitwirkungspflichten sind dem Verwaltungsverfahren nicht fremd. Neben spezialgesetzlich normierten Mitwirkungspflichten, wie zum Beispiel der Pflicht zum persönlichen Erscheinen (vgl. nur § 6 Abs. 1 Satz 4 PassG), der Pflicht zur Beibringung erforderlicher Nachweise (vgl. § 82 Abs. 1 AufenthG) oder sonstiger Auskünfte (vgl. § 22 Abs. 1 GastG), sieht § 26 Abs. 2 LVwVfG generell für alle Verwaltungsverfahren vor, dass die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken sollen. |
|
| Die Beihilfeverordnung oder die maßgeblichen Beamtengesetze kennen mit Blick auf den hier vorliegenden Fall keine spezialgesetzliche Mitwirkungspflicht. Sie ergibt sich aber aus allgemeinen aus dem Beamtenverhältnis fließenden Grundsätzen. Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) stehen Beamtinnen und Beamte zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (Beamtenverhältnis). Die Treuepflicht, die für den Beamten in den §§ 33 Abs. 1 Satz 3, 40 bis 42 BeamtStG besondere Ausprägungen gefunden hat, verlangt allgemein eine qualifizierte Berücksichtigung der Interessen des Dienstberechtigten. Die Treuepflicht enthält insoweit entsprechende Handlungs- und Unterlassungsgebote, durch deren Beachtung die Wahrung der berechtigten Interessen des Dienstherrn in angemessenem Umfang gesichert werden soll (vgl. v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 17. Update 10/14, § 3 BeamtStG, Rn. 36 f. m. w. N.). Mit Blick hierauf sind Auskunftspflichten des Beamten bei einem ausdrücklichen Auskunftsbegehren seines Dienstherrn ohne weiteres anerkannt. Daneben können aber auch Offenbarungspflichten des Beamten bestehen, insbesondere dann, wenn die Bezugsberechtigung von Leistungen des Dienstherrn – wie hier – von bestimmten persönlichen Verhältnissen abhängt (vgl. Zängl, in GKÖD, Bd. I, K § 52, Rn. 11a). |
|
| Die Beihilfegewährung durch den Beklagten ist im konkreten Fall maßgeblich davon abhängig, dass die tatsächlichen Voraussetzungen unverändert vorliegen. Für den Dienstherrn besteht hierbei die Schwierigkeit, dass die Beihilfegewährung für Aufwendungen der Stieftochter des Klägers davon abhängig ist, dass die tatsächlichen Verhältnisse – gemeinsamer Haushalt – nach wie vor unverändert vorliegen. In diesen privaten Bereich hat der Dienstherr regelmäßig keinen Einblick und ist daher auf die Mitwirkung seines Beamten in gesteigertem Maße angewiesen. Dies rechtfertigt es, abgeleitet aus dem beamtenrechtlichen Treueverhältnis, von einer entsprechenden Rechtspflicht zur unaufgeforderten Unterrichtung des Dienstherrn auszugehen. |
|
| β) Es liegt auch der erforderliche Kausalzusammenhang vor. |
|
| Maßgeblich ist dabei zunächst, dass die unzutreffenden oder unvollständigen Angaben zur Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts geführt haben. Nicht entscheidend ist dagegen, dass sie Ursache seines Erlasses als solchem waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. August 1986 – 3 C 9.85 –, BVerwGE 74, 357; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 48, Rn. 116). |
|
| Da die Rechtswidrigkeit der Beihilfebescheide darauf beruht, dass der Kläger es pflichtwidrig unterlassen hat, die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse anzuzeigen, ist die Kausalität notwendigerweise anders zu definieren als beim aktiven Tun. Dort ist von einer Ursächlichkeit auszugehen, wenn anzunehmen ist, dass die Behörde bei vollständiger beziehungsweise richtiger Angabe den Fehler nicht gemacht und den Verwaltungsakt nicht mit der getroffenen oder nur mit einer ungünstigeren Regelung erlassen hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 48, Rn. 117 m. w. N.). Während demnach beim aktiven Tun die schädliche Handlung hinweggedacht wird, ist im Falle des Unterlassens die vorzunehmende Handlung hinzuzudenken. Kausalität liegt demnach vor, wenn mit Gewissheit oder an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass bei pflichtgemäßer Offenbarung der veränderten tatsächlichen Umstände die Behörde keinen fehlerhaften Verwaltungsakt erlassen hätte. So liegt der Fall hier. |
|
| Hätte der Kläger bereits im Zeitpunkt der veränderten tatsächlichen Verhältnisse, also im Juli 2011, die Beihilfestelle über den Auszug seiner Stieftochter aus seinem Haushalt als entscheidungserhebliche Angabe informiert, ist mit Gewissheit davon auszugehen, dass sie keine Beihilfe mehr für die ab dem 1. Januar 2012 entstandenen Aufwendungen der Stieftochter bewilligt hätte. Denn durch eine rechtzeitige Anzeige der veränderten Verhältnisse wäre die Beihilfestelle in die Lage versetzt worden, die Anspruchsvoraussetzungen neu zu prüfen. |
|
| γ) Ob es der Kläger nicht nur objektiv pflichtwidrig, sondern auch schuldhaft, also zumindest leicht fahrlässig unterlassen hat, die Beihilfestelle über den Auszug seiner Stieftochter zu informieren, kann offenbleiben. Dafür spricht zwar einiges, es kommt im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang aber nicht darauf an. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts hat ihre maßgebliche Ursache auch dann in dem Verantwortungsbereich des Klägers als Begünstigtem, wenn ihn an der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Angaben, auf die die Rechtswidrigkeit zurückzuführen ist, kein Verschulden trifft. Insoweit kommt es also allein auf die objektive Unrichtigkeit seiner Angaben an (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. August 1986 – 3 C 9.85 –, BVerwGE 74, 357). Dies gilt gleichermaßen für den hier vorliegenden Fall einer Unterlassung. |
|
| |
| Erhält die Behörde nach dieser Vorschrift von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. |
|
| Der – hier maßgeblichen – Beihilfestelle ist anlässlich der Mitteilung der Familienkasse am 1. August 2013 der Auszug der Stieftochter aus dem Haushalt des Klägers bekannt geworden. Der am 15. November 2013 ergangene Ausgangsbescheid wahrt demnach ohne weiteres die Jahresfrist. |
|
| dd) Das Landesamt hat schließlich das ihm im Rahmen der Rücknahmeentscheidung eingeräumte Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt. Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich. |
|
| Liegt – wie hier – ein Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG vor, lenkt § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG das der Behörde nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG zustehende Ermessen, indem er die Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt. Folgt das Verwaltungshandeln dieser Regel, müssen Ermessenserwägungen der Behörde im Rücknahmebescheid nicht näher dargestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1996 – 3 C 13.94 –, Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1). Einen – gerichtlich voll überprüfbaren – atypischen Sachverhalt, aufgrund dessen das Landesamt gezwungen sein könnte, von der Rücknahme ganz oder auch nur teilweise abzusehen, vermag die Kammer nicht zu erkennen. |
|
| α) Der Kläger hat hierzu insbesondere geltend gemacht, das Landesamt sei am Scheidungsverfahren beteiligt gewesen und hätte daher auf die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse schließen können. Ferner habe er aufgrund der fehlenden vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit der privaten Krankenversicherung darauf geschlossen, dass die Beihilfe für diese Dauer noch geltend gemacht werden könne. Zudem habe er sich auf die Angaben in dem Schreiben vom 25. März 2013 verlassen. Auch sei dem Landesamt die neue Anschrift seiner Stieftochter bekannt gewesen. Im Übrigen habe er die für seine Stieftochter geleistete Beihilfe dieser sofort weitergeleitet. |
|
| Diese Gründe sind nicht derart außergewöhnlich, dass vom Regelfall der Rücknahme abzuweichen wäre. |
|
| Dies gilt zunächst für diejenigen Belange, die ein Mitverschulden der Behörde aufzeigen sollen. Insbesondere ist die Beteiligung des Landesamts im Scheidungsverfahren unerheblich. Denn aus diesem Verfahren ergibt sich für das Landesamt nicht, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Beihilfegewährung für Aufwendungen der Stieftochter noch vorliegen oder bereits entfallen sind. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Landesamt aus dem Scheidungsverfahren ableiten konnte, dass die Stieftochter nicht mehr im Haushalt des Klägers aufgenommen war. |
|
| Auch der Inhalt des Schreibens des Landesamts vom 25. März 2013 begründet keine Atypik. Dem Kläger wird zwar versichert, dass für die Stieftochter ein Anspruch auf Beihilfe besteht. Einleitend wird in dem Schreiben aber darauf hingewiesen, dass diese Auskunft auf den „derzeit vorliegenden Unterlagen“ erstellt wurde. Die Beihilfestelle hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis vom Auszug der Stieftochter aus dem Haushalt des Klägers. Aus ihrer Sicht traf diese Aussage daher zu. |
|
| Der Hinweis auf die neue Adresse der Stieftochter begründet ebenfalls keinen außergewöhnlichen Umstand. Die Gründe für eine Adressänderung können vielfältig sein. Es ist nicht auszuschließen, dass die 1988 geborene Stieftochter anlässlich ihrer Ausbildung den gemeinsamen Haushalt verlassen hat. Auch andere Gründe, die zu einer Adressänderung geführt haben, erscheinen in dem Alter der Stieftochter zu diesem Zeitpunkt nicht außergewöhnlich. Von dem Landesamt an dieser Stelle zu verlangen, die Hintergründe einer Adressänderung zu erforschen, würde die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung überspannen. |
|
| Nichts anderes ergibt sich aus den Gesichtspunkten, die der Kläger zum Beleg seines fehlenden Verschuldens anführt. Der Verweis auf die fehlende Möglichkeit zur Kündigung der privaten Krankenversicherung anlässlich des Auszugs der Stieftochter aus dem Haushalt des Klägers ist unerheblich. Es handelt sich bei der Beihilfe und der privaten Krankenversicherung um grundlegend unterschiedliche Systeme mit der Folge unterschiedlicher Regeln in Bezug auf die einzubeziehenden Berechtigten beziehungsweise mitversicherten Personen. Ein Rückschluss von den Voraussetzungen des einen Systems auf das andere verbietet sich daher. |
|
| Auch der Umstand, dass der Kläger die geleistete Beihilfe sofort an seine Stieftochter weitergereicht hat, führt nicht zur Annahme eines atypischen Falls. Zwar ist dieser Umstand grundsätzlich geeignet, Vertrauen in den Bestand des maßgeblichen Verwaltungsakts – hier der Beihilfebescheide – zu begründen (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 LVwVfG). Dieses Vertrauen ist im vorliegenden Fall, wie bereits dargelegt, aber mit Blick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht schutzwürdig. Es kann somit nicht auf der Rechtsfolgenseite nochmals berücksichtigt werden. |
|
| β) Dass das Landesamt im Rahmen des von § 48 Abs. 1 LVwVfG eingeräumten Ermessens keine Billigkeitsentscheidung getroffen hat, ist ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Raum für eine derartige Entscheidung ist in § 48 LVwVfG nicht vorgesehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2013 – 2 S 2314/12 –, juris). |
|
| 2. Nr. 3 des Bescheids des Landesamts vom 15. November 2013 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
|
| Die Rückforderung der überzahlten Beihilfe ist auf § 49a Abs. 1 und 2 LVwVfG gestützt. Danach gilt, dass, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben. |
|
| Diese Voraussetzungen liegen vor (dazu unter a). Die Rückforderungsentscheidung ist gleichwohl rechtswidrig, da das Landesamt keine Billigkeitsentscheidung getroffen hat (dazu unter b). |
|
| a) Das Landesamt hat die rechtswidrigen Beihilfebescheide, die Rechtsgrundlage der gezahlten Beihilfe waren, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Bereits erbrachte Leistungen sind daher zu erstatten. |
|
| Der Umfang dieses Erstattungsanspruchs ergibt sich aus §§ 818 ff. BGB. Der Kläger hat sich insoweit auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen, da die ihm zugewendete Beihilfe nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist. Vielmehr hat er die Zahlungen des Landesamts unmittelbar nach Erhalt an seine Stieftochter weitergeleitet. Nach § 818 Abs. 3 BGB wäre demnach grundsätzlich die Verpflichtung zur Herausgabe oder – hier – zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, weil der Kläger als Empfänger der Leistung nicht mehr bereichert ist. |
|
| Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte nach § 49a Abs. 2 Satz 2 LVwVfG allerdings nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben. So liegt der Fall hier. |
|
| Maßgeblich ist dabei, dass sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Erstattungspflichtigen nur auf die tatsächlichen Voraussetzungen der die Rücknahme auslösenden Rechtswidrigkeit, nicht auch auf die Rechtswidrigkeit selbst beziehen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 – 3 C 33.96 –, BVerwGE 105, 354). Es ist demnach nicht erforderlich, dass der Kläger den Schluss auf die Rechtswidrigkeit der Beihilfebescheide gezogen hat. Vielmehr genügt seine Kenntnis von den tatsächlichen Umständen, die die Rechtswidrigkeit dieser Bescheide ausgelöst hat. Diese hatte er ohne weiteres, denn der Auszug seiner Stieftochter aus seinem Haushalt war ihm bekannt. |
|
| b) Ist das Landesamt demnach – grundsätzlich – berechtigt, vom Kläger die Rückzahlung von 32.837,43 Euro an Beihilfe zu verlangen, so ist die Rückforderungsentscheidung gleichwohl rechtswidrig, da es keine Billigkeitsentscheidung getroffen hat. Einer solchen hätte es aber in analoger Anwendung von § 15 Abs. 2 Satz 3 Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg (LBesGBW) und § 5 Abs. 2 Satz 3 Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg (LBeamtVGBW) bedurft. |
|
| Analogie ist die Übertragung der für einzelne bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand, sofern das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, Einleitung, Rn. 48 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen vor. |
|
| α) Eine Regelungslücke ist gegeben. Während der Landesgesetzgeber die Rückforderung zu viel gezahlter Leistungen für das Besoldungsrecht in § 15 LBesGBW und für das Versorgungsrecht in § 5 LBeamtVGBW geregelt hat, fehlt es an einer entsprechenden, die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung eröffnenden landesgesetzlichen Regelung für Fälle überzahlter Beihilfe. |
|
| Das Bestehen der Regelungslücke wird nicht dadurch beseitigt, dass Belange, die in die Billigkeitsentscheidung einzustellen sind, jedenfalls teilweise auch im Rahmen des Rücknahmeermessens des § 48 LVwVfG Eingang finden könnten. So mag zwar denkbar sein, dass beispielsweise das Mitverschulden einer Behörde im Wege einer nur teilweisen Rücknahme berücksichtigt werden könnte. Die von §§ 15 LBesGBW und 5 LBeamtVGBW eröffnete Möglichkeit, eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, geht aber deutlich weiter. Denn sie erlaubt es, alle individuellen Aspekte des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen und für den Betroffenen eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende Lösung zu erarbeiten. Zu denken ist hierbei vor allem an die ratenweise Rückführung überzahlter Leistungen. Derartiges kann im Rahmen des Ermessens in § 48 LVwVfG dagegen nicht verwirklicht werden. |
|
| β) Die Regelungslücke ist auch planwidrig. |
|
| Ausgangspunkt der Überlegung bildet dabei der Umstand, dass vor der Dienstrechtsreform (vgl. hierzu das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 9. November 2010, GBl. 2010, S. 793 – DRG) die Rückforderung überzahlter Beihilfe auf Grundlage des § 109 LBG a. F. erfolgen konnte. Er sah vor, dass für die Rückforderung von Leistungen des Dienstherrn, die nicht Besoldung oder Versorgung sind, § 12 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) entsprechend anzuwenden war. Die Rückforderung von Beihilfe unterlag damit den gleichen Voraussetzungen wie die von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen, insbesondere in Bezug auf das Erfordernis einer Billigkeitsentscheidung (vgl. § 12 BBesG und § 52 BeamtVG, die vor der Föderalismusreform auf Rückforderungen von Besoldungs- und Versorgungsbezügen anzuwenden waren). |
|
| Diesen Gleichlauf hat der Landesgesetzgeber im Zuge der Dienstrechtsreform durch das Streichen der Vorschrift des § 109 LBG a. F., ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich wäre, beseitigt. Parallel dazu hat er im Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg und im Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg für überzahlte Besoldungs- beziehungsweise Versorgungsbezüge eigenständige Rechtsgrundlagen für die Rückforderung geschaffen, die jeweils eine Grundlage für Billigkeitsentscheidungen vorsehen. In der Gesetzesbegründung zu § 15 LBesGBW heißt es hierzu, dass die Bestimmung unverändert § 12 BBesG entspreche und, hinsichtlich der Absätze 2 bis 4, sie den Anspruch des Dienstherrn auf die Erstattung von ohne Rechtsgrund empfangenen Besoldungsleistungen regle (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 460). Zu § 5 Abs. 2 LBeamtVGBW heißt es (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 504): „Absatz 2 trifft eine eigenständige Regelung für die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge“. Dagegen schweigt sich die Gesetzesbegründung zur Aufhebung des § 109 LBG a. F. aus. |
|
| Auch aus den allgemeinen gesetzgeberischen Erwägungen lässt sich kein sachlicher Grund dafür ermitteln, weshalb für Besoldungs- und Versorgungsbezüge spezialgesetzliche Rückforderungsrechtsgrundlagen geschaffen wurden, während die Rückforderung der Beihilfe sich nunmehr nach der allgemeinen Bestimmung des § 49a LVwVfG richten soll, die eine Billigkeitsentscheidung nicht vorsieht. Das Dienstrechtsreformgesetz sollte eine Generalrevision der Rechtsverhältnisse der Beamtinnen und Beamten im Lande bringen (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 1) und in Bezug auf die besoldungsrechtlichen Regelungen eine umfassende Neukodifikation des bisherigen, im Land geltenden Besoldungsrechts schaffen. Gleichzeitig sollte die bestehende Unübersichtlichkeit im Besoldungsrecht beseitigt werden, indem möglichst viele der als Gesetz oder Rechtsverordnung derzeit bestehenden Rechtsvorschriften in einem Landesbesoldungsgesetz zusammengeführt werden (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 2). Angesichts dessen hätte es nahegelegen, die Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beihilfe ebenfalls eigenständig zu regeln, zum Beispiel durch Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in oder im Anschluss an § 78 LBG. |
|
| γ) Es liegt darüber hinaus die für einen Analogieschluss erforderliche vergleichbare Sach- und Interessenlage vor. |
|
| Die Rückforderung von Besoldungs- und Versorgungsbezügen oder von überzahlter Beihilfe kann den Beamten – gemessen an seinem Monats- und Jahresverdienst – im Einzelfall hart treffen. Dies kann in dem Umstand begründet sein, dass unberechtigte Zahlungen über Jahre unbemerkt von ihrer Rechtswidrigkeit erfolgen können und sich so innerhalb der Verjährungsfrist hohe Rückzahlungsbeträge aufsummieren. Auch der vorliegende Fall ist hierfür ein geeignetes Beispiel. Im Zeitraum von März 2012 bis August 2013 konnten angesichts der erheblichen Erkrankung der Stieftochter des Klägers rasch große Summen an überzahlter Beihilfe auflaufen. |
|
| Ein Beamter hat mit Ausnahme zulässiger Nebentätigkeit keine Möglichkeiten, die Höhe seiner Besoldung zu beeinflussen. Anders als Arbeitnehmer kann er seine Besoldung nicht etwa durch geschickte Gehaltsverhandlungen zu seinen Gunsten verändern, sondern muss die Entscheidung des Gesetzgebers zur Höhe hinnehmen. Steht demnach der finanzielle Verfügungsrahmen eines Beamten nahezu unverrückbar fest, so treffen ihn Rückforderungen in Höhen wie der vorliegenden mit besonderer Härte. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Gesetzgebers nachvollziehbar und angemessen, im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung die Möglichkeit für Erleichterungen bei der Rückzahlung zu schaffen. |
|
| Da diese Härten sowohl bei überzahlten Besoldungs- und Versorgungsbezügen als auch gleichermaßen bei zu viel gezahlter Beihilfe auftreten können, ist die Sach- und Interessenlage ohne weiteres vergleichbar. |
|
| δ) Das Landesamt hat in dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Widerspruchsbescheid keine Billigkeitsentscheidung getroffen, obwohl hierfür angesichts der erheblichen Rückforderungshöhe und eines möglichen Mitverschuldens der Behörde, was die Beihilfebescheide vom 16. August 2013 und 10. September 2013 betrifft, Anlass bestanden hätte. Die Ankündigung, auf entsprechenden Antrag eine Ratenzahlung zu bewilligen, genügt insoweit nicht (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 24. September 2013 – 2 C 52.11 –, NVwZ-RR 2014, 274). Angesichts dessen ist der Rückforderungsbescheid aufzuheben und dem Landesamt so Gelegenheit einzuräumen, eine angemessene Billigkeitsentscheidung treffen zu können. |
|
| |
| Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. |
|
| |
| Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 32.837,43 EUR Euro festgesetzt. |
|
| |