Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 10 L 1597/16.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Antragsteller.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der nicht durch amtliche Dokumente seines Heimatlands ausgewiesene Antragsteller gibt an, am 00.00.0000 geboren zu sein und aus Somalia zu stammen. Er meldete sich am 18. Dezember 2014 als asylsuchend und stellte am 29. Januar 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt schilderte er, er sei von Libyen aus nach Italien und von dort aus am 15. Dezember 2014 nach Deutschland eingereist. Einen Asylantrag habe er in Italien nicht gestellt, ihm seien dort auch keine Fingerabdrücke abgenommen worden. Eine Anfrage des Bundesamts an die Eurodac-Datenbank ergab für den Antragsteller einen Treffer der Kategorie 1 (IT1CT00UDC). Am 9. Februar 2015 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 21. Februar 2015 teilte das italienische Innenministerium mit, die Wiederaufnahme des Antragstellers werde abgelehnt. Dem Antragsteller sei in Italien subsidiärer Schutz gewährt worden. Da das Asylverfahren abgeschlossen sei, sei das Innenministerium nicht mehr zuständig. Eine mögliche Überstellung müsse im Rahmen polizeilicher Abkommen ("police agreements") erfolgen. Ein entsprechendes Ersuchen könne an zwei näher bezeichnete Faxnummern gerichtet werden.
4Mit Bescheid vom 9. März 2015 stellte das Bundesamt fest, dass dem Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1) und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2). Da der Asylantrag nur nach § 26a Abs. 1 AsylVfG abgelehnt und die Abschiebung in den sicheren Drittstaat angeordnet werde, sei gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG lediglich festzustellen, dass dem Antragsteller kein Asylrecht zustehe. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller keinen Rechtsbehelf eingelegt.
5Am 15. Juni 2016 stellte der Antragsteller einen weiteren Asylantrag. Mit Bescheid vom 2. August 2016, dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 11. August 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1). Außerdem forderte das Bundesamt den Antragsteller auf, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen und drohte ihm für den Fall, dass er die Ausreisefrist nicht einhält, die Abschiebung nach Italien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, an (Ziffer 2) .
6Gegen diesen Bescheid, dem eine auf Somali verfasste Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war (Bl. 43/44 der elektronischen Beiakte 1) hat der Antragsteller am 8. September 2016 Klage (10 K 4160/16.A) erhoben und zusätzlich sinngemäß beantragt,
7die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 10 K 4160/16.A gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. August 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
8Zur Begründung macht er im Kern geltend, dass er nicht nach Italien überstellt werden dürfe, weil ihm dort aufgrund systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe.
9Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 4160/16.A und 10 L 1597/16.A sowie die elektronisch übermittelten Verwaltungsvorgänge des Bundesamts (drei Dateien) Bezug genommen.
11II.
12Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
131. Allerdings hat der Antragsteller zu Recht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO) und nicht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) gestellt. Zwar handelt es sich bei dem am 15. Juni 2016 vom Bundesamt aufgenommenen Antrag um einen Folgeantrag (§§ 71 Abs. 1, 71a Abs. 5 AsylG), da das Bundesamt auf den (Zweit-) Antrag (§ 71a Abs. 1 AsylG) des Antragstellers vom 29. Januar 2015 mit Bescheid vom 9. März 2015 festgestellt hatte, dass dem Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, und seine Abschiebung nach Italien angeordnet hatte. Jedoch hat das Bundesamt nicht von der ihm gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vom Erlass einer erneuten Abschiebungsandrohung oder -anordnung abzusehen, sondern enthält der Bescheid vom 2. August 2016 eine eigenständige Abschiebungsandrohung, die an Stelle der im Bescheid vom 9. März 2015 enthaltenen Abschiebungsanordnung getreten ist.
142. Der Antrag ist auch nicht verfristet. Dabei kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob der Bescheid vom 2. August 2016 dem Antragsteller am 11. August 2016 ordnungsgemäß zugestellt und damit an diesem Tag bekanntgegeben wurde. Zwar hat der Antragsteller den am 8. September 2016 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag nicht innerhalb einer Woche (§§ 71 Abs. 4 Halbsatz 1, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) ab dem 11. August 2016 gestellt. Jedoch hat das Bundesamt den Antragsteller, wie sich aus der deutschen Übersetzung (Bl. 52 der elektronischen Beiakte 1) der dem Bescheid vom 2. August 2016 beigefügten, auf Somali verfassten Rechtsbehelfsbelehrung (Bl. 43/44 der elektronischen Beiakte 1) ergibt, entgegen §§ 71 Abs. 4 Halbsatz 1, 36 Abs. 3 Satz 2 AsylG nicht über die Möglichkeit, einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellen und die hierfür geltende Frist, belehrt. Aufgrund der unterbliebenen Belehrung war der Antrag gemäß §§ 71 Abs. 4 Halbsatz 1, 36 Abs. 3 Satz 3 AsylG, 58 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO binnen eines Jahres ab Bekanntgabe zu stellen. Diese Frist ist auch dann gewahrt, wenn unterstellt wird, dass der Bescheid vom 2. August 2016 dem Antragsteller bereits am 11. August 2016 ordnungsgemäß zustellt wurde.
15§ 71 Abs. 4 AsylG verweist im vorliegenden Fall auf §§ 34, 35 und 36 AsylG und nicht auf § 34a AsylG. Denn das Bundesamt hat den Bescheid vom 2. August 2016 anders als noch den Bescheid vom 9. März 2015 nicht auf § 26a AsylG, sondern auf § 60 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG gestützt.
163. Der Antrag ist jedoch nicht (mehr) statthaft. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers kann nicht (mehr) angeordnet werden, weil sie zweifelsfrei verfristet und sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offensichtlich aussichtslos ist, so dass der angefochtene Bescheid in Bestandskraft erwachsen ist.
17a) Ist eine Anfechtungsklage verfristet und der angefochtene Verwaltungsakt in Bestandskraft erwachsen, vermag sie keine aufschiebende Wirkung i.S.d. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu entfalten. Dementsprechend bestimmt § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO, dass die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage mit der Unanfechtbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts endet. Infolge dessen ist ein Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht (mehr) statthaft. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - an der Verfristung keine vernünftigen Zweifel bestehen und auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 VwGO) offensichtlich aussichtlos ist. Dies folgt aus Sinn und Zweck der aufschiebenden Wirkung. Diese soll die Schaffung irreparabler Tatsachen verhindern, die sich aus der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ergeben können. Scheidet die Gewährung von Rechtsschutz wegen eindeutiger Verfristung des an sich statthaften Rechtsmittels aus, entfällt der Grund für dessen aufschiebende Wirkung.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1992 - 7 C 24.92 -, DVBl. 1993, 256 (juris Rn. 21); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 6 S 30/04 -, NJW 2004, 2690 (juris Rn. 4) m.w.N.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. August 2012- 2 M 58/12 -, NVwZ-RR 2013, 85 (juris Rn. 6); OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. September 2014 - OVG 11 S 44.14 -, ZUR 2015, 45 (juris Rn. 15); Külpmann, in: Finkeln-burg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rn. 949; M. Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, § 80 Rn. 11; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 13.
19b) Die am 8. September 2016 im Verfahren 10 K 4160/16.A beim Verwaltungsgericht eingegangene Anfechtungsklage ist zweifelsfrei verfristet.
20aa) Allerdings war die Klage aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten Klagefrist von einer Woche (§§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2, 71 Abs. 4 Halbsatz 1, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG), sondern innerhalb der in der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung (Bl. 43/44 und 52 der elektronischen Beiakte 1) angegebenen Frist von zwei Wochen zu erheben. Die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO stand dem Antragsteller dagegen nicht zur Verfügung.
21§ 58 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO bestimmt, dass dann, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist. Wird in der Rechtsbehelfsbelehrung - wie hier - irrtümlich eine längere als die gesetzliche Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs angegeben, so darf sich der Betroffene auf die Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung verlassen und gilt die in der Belehrung angegebene längere Frist. Dementsprechend ist die Belehrung auch nicht i.S.d. § 58 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO unrichtig, weil Sinn und Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, den Betroffenen über den Rechtsbehelf und die ihm für die Einlegung des Rechtsmittels zur Verfügung stehende Zeit zu unterrichten, Rechnung getragen wurde.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1966 - 2 C 99.64 -, NJW 1967, 591, 592; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2012 - OVG 3 N 171.12 -, juris Rn. 2; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 58 Rn. 69; Kimmel, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Auflage 2014, § 58 Rn. 18; Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band 1, Stand: Februar 2016, § 58 Rn. 42; M. Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, § 58 Rn. 8; Saurenhaus/Buchheister, in: Wysk, VwGO, 2. Auflage 2016, § 58 Rn. 7; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 58 Rn. 14; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 58 Rn. 9; a.A. Krausnick, in: Gärditz, VwGO, 1. Auflage 2013, § 58 Rn. 26; s. außerdem BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2012 - 4 CN 5.10 -, BVerwGE 143, 192, Rn. 26 zur Frist des § 215 Abs. 1 BauGB.
23bb) Die Klagefrist begann am 11. August 2016 zu laufen. An diesem Tag wurde der angefochtene Bescheid dem Antragsteller ausweislich der Zustellungsurkunde vom 11. August 2016 (Bl. 60/61 der elektronischen Beiakte 1) zugestellt. Hiervon wurde der Antragsteller ausweislich der Zustellungsurkunde am selben Tag durch Einwurf einer schriftlichen Mitteilung in den Briefkasten benachrichtigt. Damit gilt der angefochtene Bescheid gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 VwZG, 181 Abs. 1 Satz 4 ZPO als am 11. August 2016 zugestellt.
24Die Zustellung ist ordnungsgemäß erfolgt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zustellung durch Niederlegung liegen vor:
25(1) §§ 3 Abs. 2 VwZG, 181 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO bestimmen, dass das zuzustellende Schriftstück bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung, am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat, niedergelegt werden kann, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 oder § 180 ZPO nicht ausführbar ist. Über den Wortlaut des 181 Abs. 1 Satz 1 ZPO hinaus scheidet eine Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO auch dann aus, wenn eine unmittelbare Zustellung an den Adressaten (§ 177 ZPO) oder eine andere vorrangige Ersatzzustellung in der Wohnung (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder in den Geschäftsräumen (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) möglich ist. Dies ergibt sich aus der Systematik der §§ 177 ff. ZPO, wonach die verschiedenen Zustellungsregelungen in einer bestimmten Rangfolge zueinander stehen und von einer Zustellungsart nur dann Gebrauch gemacht werden darf, wenn eine Zustellung nach vorrangigen Regelungen nicht durchgeführt werden kann.
26Vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 14; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 56 Rn. 62; Stöber, in: Zöller, ZPO, 29. Auflage 2012, § 181 Rn. 2.
27Über die Niederlegung ist eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften (§ 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
28(2) Da der Antragsteller seinen Angaben im Schriftsatz vom 23. September 2016 zufolge in einer Gemeinschaftseinrichtung (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) wohnt, musste die Zustellung vorrangig an den Antragsteller persönlich (§ 177 ZPO) und im Falle seiner Abwesenheit an den Leiter der Gemeinschaftseinrichtung oder an einen zur Entgegennahme von zuzustellenden Schriftstücken ermächtigten Vertreter des Leiters der Einrichtung (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) erfolgen. Dies war im vorliegenden Fall, wie sich entgegen der Auffassung des Antragstellers aus der Zustellungsurkunde vom 11. August 2016 ergibt, nicht möglich. Denn die Zustellerin hat in Zeile 9 der Zustellungsurkunde angekreuzt, dass sie das Schriftstück zu übergeben versucht hat. Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass die Zustellerin nicht ausdrücklich angegeben hat, auf welche Person(en) sich ihr Zustellungsversuch bezog. Dies ist jedoch weder in der Postzustellungsurkunde vorgesehen - Zeilen 5.1 bis 8.2 der Zustellungsurkunde sind ausweislich Zeile 3 nur anzukreuzen, wenn eine Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks tatsächlich erfolgt ist - noch rechtlich erforderlich. Denn aus dem Gesamtzusammenhang der Zustellungsurkunde ergibt sich, dass ein Zustellungsversuch sich auf sämtliche der in Zeilen 5.1 bis 8.2 aufgeführten Personen bezieht, bezüglich derer eine Zustellung versucht werden muss, damit eine Ersatzzustellung gemäß §§ 178, 180 und 181 ZPO erfolgen darf. Dementsprechend wird im Falle der Zustellung in einer Gemeinschaftseinrichtung (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) mit dem Kreuz in Zeile 9 beurkundet, dass weder der Zustellungsadressat noch der Leiter der Einrichtung oder ein ermächtigter Vertreter angetroffen werden konnten. Damit ist der Vorgabe des § 182 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, wonach in der Zustellungsurkunde der Grund anzugeben ist, der eine bestimmte Art der Ersatzzustellung rechtfertigt, Genüge getan.
29Der durch die Zustellungsurkunde gemäß §§ 98 VwGO, 418 Abs. 1, 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründete volle Beweis der darin bezeugten Tatsachen ist nicht in Frage gestellt. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Dafür ist jedoch ein substantiierter Beweisantritt erforderlich; es müssen Umstände dargelegt werden, die ein Fehlverhalten des Zustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen geeignet sind.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1986 - 4 CB 8.86 -, NVwZ 1986, 739 (juris Rn. 3); OLG Bamberg, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 3 Ss OWi 100/12 -, DAR 2012, 268 (juris Rn. 8); Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 418 Rn. 4.
31Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der rechtsanwaltlich vertretene Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 23. September 2016 lediglich behauptet, dass die Zustellerin nicht versucht habe, ihn in der Gemeinschaftsunterkunft aufzusuchen. Nähere Umstände, worauf diese Behauptung beruht, werden nicht mitgeteilt. Damit ist die Beweiskraft der Zustellungsurkunde offensichtlich nicht in Frage gestellt.
32(3) Die vom Zusteller beurkundete Einlegung der schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung in den Briefkasten der Gemeinschaftsunterkunft ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Zusteller hat in der Zustellungsurkunde bestätigt, dass dies der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise entspricht.
33cc) Beginnt die zweiwöchige (s.o. aa) Klagefrist am 11. August 2016 (s.o. bb) zu laufen, endete diese Frist gemäß §§ 57 Abs. 1 und 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 25. August 2016, einem Donnerstag. Da die Klage im Verfahren 10 K 4160/16.A erst am 8. September 2016 bei Gericht eingegangen ist, ist die Klagefrist zweifelsfrei nicht gewahrt.
34c) Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist scheidet offensichtlich aus.
35aa) § 60 Abs. 1 VwGO bestimmt, dass auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Verschuldet ist eine Fristversäumung, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Prozessbeteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist.
36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 -, juris Rn. 11 m.w.N. (ständige Rechtsprechung); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 60 Rn. 41.
37Das Verschulden von Prozessbevollmächtigten ist den Prozessbeteiligten gemäß §§ 173 Satz 1 VwGO, 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen; dies gilt auch im Asylprozess.
38Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2000 - 2 BvR 1989/97 -, DVBl. 2000, 1279 (juris Rn. 7 ff.); BVerwG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2002 - 1 B 429.02 -, NVwZ 2003, 868 (juris Rn. 9), sowie vom 25. Juni 2013 - 10 B 10.13 -, juris Rn. 4.
39Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO); außerdem ist die versäumte Rechtshandlung innerhalb dieser Frist nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO), und zwar innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist. Erforderlich ist eine rechtzeitige substanziierte und schlüssige Darstellung der für die unverschuldete Fristversäumnis wesentlichen Tatsachen.
40Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2001 - 4 BN 32.01 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 241 (juris Rn. 4), sowie vom 25. Juni 2013 - 10 B 10.13 -, juris Rn. 5; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 60 Rn. 118.
41Kann die Möglichkeit eines Verschuldens aufgrund der vorgetragenen Tatsachen nicht ausgeräumt werden, ist die Wiedereinsetzung zu versagen.
42Vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 - XI ZA 13/15 -, juris Rn. 5; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 60 Rn. 118.
43Eine Ausnahme von der Darlegungsobliegenheit gilt nur für Wiedereinsetzungsgründe, die für das Gericht offenkundig sind.
44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2001 - 4 BN 32.01 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 241 (juris Rn. 4); OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2012 - 3 A 967/08 -, NVwZ-RR, 2012, 870 (juris Rn. 5); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 60 Rn. 119.
45bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist offensichtlich ausgeschlossen. Zwar hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. September 2016 Wiedereinsetzung beantragt. Jedoch hat er es offensichtlich versäumt darzulegen, aus welchen Gründen er ohne sein Verschulden gehindert war, die Klagefrist einzuhalten. Diesbezüglich hat der rechtsanwaltlich vertretene Antragsteller ausgeführt: Er habe das Schriftstück erst am 1. September 2016 abgeholt. Das sei der Zeitpunkt, als er die Nachricht erhalten habe. Er habe sich dann sofort zur Post begeben und am 6. September 2016 seinen Prozessbevollmächtigten aufgesucht. Ein ihn treffendes Verschulden sei nicht erkennbar.
46Diese Ausführungen räumen die Möglichkeit, dass der Antragsteller oder sein Prozessbevollmächtigter die Versäumung der Klagefrist verschuldet haben, nicht aus. Insbesondere verhalten sich die Ausführungen des Antragstellers nicht dazu, inwieweit er seiner aus § 10 Abs. 1 AsylG folgenden, während der Dauer des Asylverfahrens bestehenden Verpflichtung nachgekommen ist, dafür Sorge zu tragen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamts stets erreichen können.
47Zum Umfang dieser Pflicht vgl. Bergmann, in: Bergmann/Die-nelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 10 AsylG Rn. 6 ff.; Funke-Kaiser, in: GK AsylG, Band 2, Stand: Oktober 2016, § 10 Rn. 216 ff.
48cc) Eine Ergänzung der Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags im Klageverfahren ist inzwischen ausgeschlossen, weil die zweiwöchige Antrags- und Begründungsfrist (s.o. aa) nunmehr abgelaufen ist. Maßgebend für den Fristbeginn ist der Wegfall des Hindernisses (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das ist der Zeitpunkt, in dem ein Prozessbeteiligter oder sein Bevollmächtigter bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt die Fristversäumnis hätten erkennen müssen.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 38.95 -, NJW 1997, 2966 (juris Rn. 20); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 60 Rn. 110.
50Dies war spätestens aufgrund des richterlichen Hinweises vom 19. September 2016 der Fall. Dieser Hinweis ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers spätestens am 23. September 2016 bekannt geworden. Unter diesem Datum hat der Prozessbevollmächtigte Bezug nehmend auf den richterlichen Hinweis schriftsätzlich zur Verfristung von Eilantrag und Klage sowie einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgetragen.
51Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.
52Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
53I.
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