Urteil vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (3. Kammer) - 3 K 802/20.NW

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Kern um die Frage, ob und für welchen Zeitraum die Klägerin befugt ist, im Rahmen ihrer Inkassotätigkeit gegenüber Forderungsschuldnern ihrer Auftraggeber Kosten für die Führung eines Schuldnerkontos geltend zu machen.

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Die Klägerin ist ein großes, beim Amtsgericht Mainz seit dem ... 2008 registriertes Inkassounternehmen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Zur Ausgestaltung einiger Besonderheiten des Geschäftsfeldes der Klägerin kann auf den ersten Teil des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des OLG Koblenz vom 30.4.2012 (Az. 752 E - 4/09) verwiesen werden, der in einem Verfahren betreffend den Widerruf der Registrierung der Klägerin erging und der beiden Beteiligten vorliegt.

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In der Vergangenheit kam es wiederholt zu Beschwerden bei dem Beklagten u.a. gegen die fallbezogene Erhebung von "Kontoführungskosten" durch die Klägerin in Höhe von 2,50 €/Monat. Diesen Betrag forderte die Klägerin von dem jeweiligen Schuldner für die Führung eines internen Schuldnerkontos neben den jeweils abgerechneten Inkassokosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (VV RVG) bei nicht titulierten Forderungen und in Höhe einer 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG bei titulierten Forderungen, jeweils zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

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Die Geltendmachung der Kontoführungskosten wurde in der Folgezeit von der Aufsichtsbehörde beanstandet. Die Klägerin trat dem entgegen. Später erklärte die Klägerin im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens, Kontoführungsgebühren ab 1.5.2019 den Schuldnern nicht mehr in Rechnung zu stellen. Auf spätere Beschwerden von Schuldnern hin erläuterte sie, dass diese Erklärung sich nicht auf Kontoführungsgebühren für den Zeitraum bis 1.5.2019 beziehe.

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Mit Bescheid vom 21.2.2020 erteilte die Vizepräsidentin des Landgerichts Mainz der Klägerin die Auflage, im Rahmen ihrer Inkassotätigkeit gegenüber den Schuldnern ihrer Auftraggeber keine pauschalen Kosten für die Führung eines internen Schuldnerkontos mehr geltend zu machen. Hinsichtlich nicht titulierter Forderungen war die Auflage auf die Geltendmachung ab dem 9.10.2013 entstandener Kontoführungskosten beschränkt. Der Bescheid wurde damit begründet, dass die Kontoführungskosten allgemeine Geschäftskosten seien. Bei dem Schuldnerkonto handele es sich um eine interne organisatorische Maßnahme, die standardmäßig ohne erheblichen Aufwand anfalle. Dieser Aufwand könne auch von einem Rechtsanwalt entsprechend der Vorbemerkung 7 Abs. 1 VV RVG nicht gesondert abgerechnet werden. Für Inkassounternehmen sehe § 4 Abs. 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDGEG) eine Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten für die außergerichtliche Geltendmachung von Forderungen lediglich bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren vor. Soweit Gebühren für die Vollstreckung titulierter Forderungen geltend gemacht würden, seien über Rechtsanwaltsgebühren hinausgehende Kosten nicht erforderlich im Sinne des § 788 der Zivilprozessordnung (ZPO). Für den Fall, dass die Kontoführungskosten nicht als allgemeine Geschäftskosten zu qualifizieren seien, könne eine Erstattung nur auf Grundlage von § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. § 670 BGB erfolgen, wobei § 670 BGB aber die eigene Mühewaltung und Arbeitskraft für das Schuldnerkonto nicht einschließe. Da die Klägerin den Schuldnern regelmäßig eine Geschäftsgebühr bzw. eine Verfahrensgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Rechnung stelle, bleibe für zusätzliche Gebühren für die Kontoführung kein Raum. Wenngleich er - der Beklagte - einige Beschwerdeführer hinsichtlich der Kontoführungsgebühr auf den Zivilrechtsweg verwiesen habe, hindere ihn dies nicht daran, nunmehr aufsichtsbehördlich tätig zu werden. Eine unzulässige Rückwirkung der Anordnung liege nicht vor, da gezahlte Beträge nicht zurückzuerstatten seien, sondern lediglich die künftige Geltendmachung der Kontoführungsgebühren zu unterlassen sei. Da § 4 Abs. 5 RDGEG hinsichtlich nicht titulierter Forderungen erst zum 9.10.2013 in Kraft getreten sei, werde die Auflage auf den nachfolgenden Zeitraum beschränkt.

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Die Klägerin erhob am 4.3.2020 Widerspruch gegen diesen Bescheid. Zur Begründung trug sie u.a. vor: Die Aufsichtsmaßnahme könne nicht auf eine Häufung der Beschwerden zurückgeführt werden, da diese nur einen Anteil von etwa 0,0001 % der versandten Inkassoschreiben ausmachten. Die Auflage entfalte eine unzulässige Rückwirkung, da durch die bisherige Verwaltungspraxis, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kontoführungskosten dem Zivilgericht zu überlassen, ein schutzwürdiges Vertrauen bei der Klägerin eingetreten sei. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kontoführungsgebühr obliege den Zivilgerichten, nicht jedoch der Aufsichtsbehörde. Es sei nicht bekannt, dass die Aufsichtsbehörde Maßnahmen auch gegen andere Inkassounternehmen ergriffen habe. Im Übrigen gehe aus dem Tenor des Bescheids nicht hinreichend deutlich hervor, dass die Auflage nicht für Kontoführungsgebühren gelten solle, die vor dem 9.10.2013 anlässlich der Geltendmachung nicht titulierter Forderungen entstanden seien, zumal auch die Geltendmachung titulierter Forderungen die in einem Vollstreckungsbescheid rechtskräftig titulierten vorgerichtlichen Kosten mitumfasse.

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Der Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 19.5.2020 nicht ab.

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Der Präsident des OLG Koblenz wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.8.2020 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Eine Gefahrenlage, die den besonderen Schutz des Rechtsverkehrs nach § 10 Abs. 3 S. 1 und S. 3 RDG erfordere, liege vor, da der Einzug materiell-rechtlich nicht gerechtfertigter Kosten durch ein Inkassobüro die jeweiligen Schuldner schädige.

Soweit die außergerichtliche Geltendmachung nicht titulierter Forderungen betroffen sei, folge dies aus § 4 Abs. 5 RDGEG. Danach seien Inkassokosten höchstens bis zur Höhe der Rechtsanwaltsgebühren, die in einem vergleichbaren Fall anfallen würden, erstattungsfähig. Neben Rechtsanwaltsgebühren (1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) könnten keine weiteren Kontoführungsgebühren geltend gemacht werden.

Soweit Gebühren im Zusammenhang mit der Beitreibung bereits titulierter Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung betroffen seien, folge aus § 4 Abs. 4 S. 1 RDGEG, dass Inkassokosten entsprechend § 788 ZPO in erforderlicher Höhe, also in Höhe der einem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren, geltend gemacht werden könnten, da auch der Forderungseinzug nach den einschlägigen Kommentierungen zum Aufgabengebiet der Rechtsanwälte gehöre. Der Gesetzgeber sei ebenfalls davon ausgegangen, dass die erstattungsfähigen Kosten nach § 4 Abs. 4 S. 1 RDGEG die Rechtsanwaltsgebühren nicht übersteigen dürften, was sich in den Materialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften zeige (vgl. BR-Drs. 196/20, S. 54).

Selbst wenn Kontoführungsgebühren nicht unter die allgemeinen Geschäftsgebühren fielen, seien sie nicht erstattungsfähig. Dann käme entsprechend der Vorbemerkung 7 Abs. 1 VV RVG eine Erstattung nur aus § 675 BGB i.V.m. § 670 BGB in Betracht. Kosten der eigenen Mühewaltung bzw. des eigenen Arbeitsaufwands seien indessen nicht erstattungsfähig.

Die Anordnung der Auflage sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden. Die Aufsichtsbehörde habe die Kontoführungsgebühr in einem Schreiben vom 22.12.2016 nicht akzeptiert. Dort sei lediglich die Verfahrensweise nicht beanstandet worden, die Gebühren erst nach rechtskräftiger Titulierung und sodann nach nochmaligem erfolglosem Anschreiben zu erheben. Es könne hieraus nicht gefolgert werden, dass die Aufsichtsbehörde auch die Gebühr an sich als rechtmäßig erachte. Auch aus den eingeholten Stellungnahmen des Bundesverbands Deutscher Inkassounternehmen e.V. (BDIU) und des P... W... ergebe sich nichts Anderes. Die Stellungnahme des BDIU räume sogar ein, dass es sich bei den Kosten teilweise nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung handele. Auch der Gutachter W... komme zu dem Ergebnis, dass gegebenenfalls im Einzelfall zu prüfen sei, ob es sich um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO handele und dies im Rahmen des Vollstreckungsverfahren zu geschehen habe. Die Klägerin könne ebenfalls nicht darauf vertrauen, dass die Aufsichtsbehörde ihre Praxis beibehalte, auf Beschwerden nur mit dem Verweis auf den Zivilrechtsweg zu reagieren. Es komme auch nicht darauf an, ab welcher absoluten Anzahl von (berechtigten) Beschwerden und welchem Anteil der Beschwerden am Gesamtvolumen der Inkassomandate der Klägerin ein behördliches Einschreiten geboten erscheine. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei Vertrauensschutz nicht zu bejahen. Eine echte Rückwirkung liege nicht vor, da die Auflage keinen bereits abgeschlossenen Sachverhalt umfasse. Zwar erfasse die Auflage Forderungen, die bereits in der Vergangenheit geltend gemacht worden seien. Allerdings seien keine bereits realisierten Forderungen betroffen. Soweit eine unechte Rückwirkung der Auflage in Betracht komme, sei diese sachlich gerechtfertigt. Die noch nicht eingezogenen Forderungen begründeten kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin, da bloße Hoffnungen auf spätere Vermögenszuwächse ein solches nicht rechtfertigten. Vermögensdispositionen im Hinblick auf die noch nicht eingezogenen Forderungen hätten auch nicht sicher getroffen werden können, da sämtliche dieser Forderungen mit der Unsicherheit deren Werthaltigkeit und der zivilrechtlichen Berechtigung der Kontoführungsgebühr behaftet seien.

Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, dass die Aufsichtsbehörde nicht gegen andere Unternehmen eingeschritten sei. Hierzu habe der Beklagte dargelegt, dass es in seinem Zuständigkeitsbereich einen weiteren Fall gegeben habe, dieser sich aber durch Verzichtserklärung des Inkassodienstleisters erledigt habe.

Die erteilte Auflage sei geeignet, die Klägerin zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten. Mildere geeignete Mittel seien nicht zu erkennen. Soweit die Kontoführungsgebühren in ihrer Summe für die Klägerin ein erheblicher Bestandteil ihrer Einnahmen seien, falle dieser Gesichtspunkt nicht ins Gewicht, da die Gebühr nicht gerechtfertigt sei.

Der Tenor des angefochtenen Bescheids lasse eine eindeutige Differenzierung zwischen der Einziehung von titulierten und nicht titulierten Forderungen zu.

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Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (26.8.2020) hat die Klägerin am 18.9.2020 Klage erhoben.

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Die Klägerin trägt ergänzend vor: Ein aufsichtsbehördliches Einschreiten des Beklagten zum Schutz der Rechtssuchenden oder des Rechtsverkehrs sei hier nicht erforderlich. Dabei sei zunächst festzuhalten, dass die streitbefangenen Kontoführungsgebühren als Teil des Verzugsschadens des jeweiligen Forderungsgläubigers dem Grunde nach ersatzfähig seien Die Kontoführungskosten fielen für die Führung eines Schuldnerkontos an, was etwa Kosten für die Aktenführung und für Personal- und Sachmittel, einschließlich der Datenverarbeitung mittels IT, umfasse. Die Klägerin mache jedoch seit dem 9.10.2013 für den vorgerichtlichen Bereich keine Kontoführungskosten mehr geltend. Des Weiteren habe sie gegenüber dem Beklagten vorprozessual erklärt, dass sie ab dem 1.5.2019 – bei "Neuinkassofällen" – insgesamt – betreffend titulierte und nicht titulierte Forderungen – keine Kontoführungskosten mehr in Rechnung stelle.

Der angefochtene Bescheid sei auch aus einer Vielzahl weiterer Gründe rechtswidrig.

Erstens habe sie - die Klägerin - obwohl sie seit dem 1.5.2019 keine Kontoführungskosten bei Neuinkassofällen mehr erhebe, ein berechtigtes Interesse daran, von Auflagen verschont zu werden, wenn es für diese keinen Anlass gebe. Dies müsse allein schon deshalb gelten, weil eine bestandskräftige Auflage eine rechtsverbindliche Regelung für die Zukunft treffe. So sei hypothetisch denkbar, dass der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung Kontoführungskosten für zulässig erkläre. Im Falle eines bestandskräftigen Bescheids wäre sie - die Klägerin - dann an einer Erhebung gehindert, während konkurrierende Inkassounternehmen die betreffenden Kosten geltend machen dürften.

Zweitens beziehe sich der Tenor des Bescheids neben den "Neuinkassofällen" zum Teil auch auf "Altinkassofälle", also bereits vor dem 1.5.2019 vorgenommene Inkassovorgänge. Dem Beklagten sei es jedoch untersagt, seine Aufsichtspraxis bei Altinkassofällen rückwirkend zu ändern. Eine solche Vorgehensweise verletze Art. 20 GG und beschränke sie in unverhältnismäßiger Weise in ihrer Berufsausübungsfreiheit. Sie habe sich auf die aufsichtsrechtliche Bewertung im Jahre 2016 verlassen. Mit der Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns sei es nicht zu vereinbaren, wenn verschiedene Sachbearbeiter derselben Behörde zu verschiedenen Zeitpunkten eine unterschiedliche rechtliche Bewertung vornähmen. Soweit im Widerspruchsbescheid darauf abgestellt werde, die Aufsichtsbehörde habe die Gebühr nicht an sich als rechtmäßig erachtet, sondern habe lediglich die Verfahrensweise der Klägerin nicht beanstandet, sei dies mit dem übrigen Vortrag des Beklagten in dem Widerspruchsbescheid nicht vereinbar.

Drittens liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Soweit der Klägerin bekannt, sei sie das einzige Inkassounternehmen, welches von dem Beklagten wegen Kontoführungskosten beauflagt worden sei.

Viertens sei der Tenor der Auflage zu unbestimmt. Wenn der Klägerin in Satz 1 aufgegeben werde, keine pauschalen Kontoführungskosten "mehr geltend zu machen“ und in Satz 2 von der "Geltendmachung“ nicht titulierter Forderungen gesprochen werde, bleibe unklar, wie die betreffende Formulierung zu verstehen sei und könne die Klägerin als Adressatin der Auflage deren genauen Inhalt nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmen.

Fünftens sei die Auflage ermessensfehlerhaft, da keine Häufung von Beschwerden vorliege und der Präsident des OLG Koblenz in einem beigefügten Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hingewiesen habe, dass aus der bloßen Anzahl von Beschwerden keine Rückschlüsse für die Notwendigkeit eines aufsichtsrechtlichen Einschreitens abgeleitet werden könnten.

Sechstens beanstande der Bescheid in unzulässiger Weise die Geltendmachung von titulierten oder gerichtlich festgestellten Kontoführungskosten.

Siebtens sei der Bescheid rechtswidrig, sollte er eine Beanstandung der Geltendmachung von vorgerichtlichen Kontoführungskosten für den Zeitraum vor dem 9.10.2013 enthalten.

Achtens werde die Frage der nachgerichtlichen Geltendmachung von Kontoführungskosten für den Zeitraum vor dem 1.5.2019 in unzulässiger Weise zum Gegenstand eines Aufsichtsverfahrens gemacht. Etwaige Rechtsstreitigkeiten seien vor den Zivilgerichten, nicht aber in aufsichtsrechtlichen Verfahren auszutragen. Daher solle nur auf Folgendes hingewiesen werden: Im Unterschied zu § 4 Abs. 5 RDGEG nehme § 4 Abs. 4 RDGEG nicht auf die einem Rechtsanwalt nach dem RVG zustehende Vergütung, sondern allein auf § 788 ZPO Bezug. Die beigefügte gutachterliche Stellungnahme des BFIF e.V. stelle fest, dass im Fall des § 4 Abs. 4 RDGEG eine Beschränkung auf die anwaltliche Vergütung nach dem RVG nicht stattfinde. Wenn der Gesetzgeber eine solche Beschränkung gewollt hätte, hätte er eine mit § 4 Abs. 5 RDGEG vergleichbare Regelung eingeführt. Auch das Schreiben des LG Mainz vom 22.12.2016 bestätige dies.

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Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 21.2.2020 (Az. 75 E-3/08) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2020 (Az. 752 E 2/20) aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er erwidert unter Bezugnahme auf den ergangenen Widerspruchsbescheid:

Wie sich aus den Ausführungen der Klägerin in der Klagebegründung ergebe, stelle auch sie offenbar nicht in Abrede, dass die streitbefangenen Kosten nach den Vorschriften des RVG nicht erstattungsfähig seien und somit gemäß § 4 Abs. 5 RDGEG auch bei der Geltendmachung einer nicht titulierten Forderung durch ein Inkassounternehmen nicht von dem Schuldner ersetzt verlangt werden könnten. Dann jedoch gelte dies bei einer titulierten Forderung erst recht. Denn zur Beitreibung einer titulierten Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung könnte der Gläubiger in jedem Fall anstelle eines Inkassodienstleisters auch einen Rechtsanwalt beauftragen. Aus diesem Grund sei allgemein anerkannt, dass im Rahmen der Zwangsvollstreckung für die Beauftragung eines Inkassodienstleisters entstehende Kosten, die über die Kosten eines Rechtsanwalts hinausgingen, nicht als notwendig im Sinne des § 788 ZPO anzusehen seien. Vor diesem Hintergrund solle im Folgenden ergänzend auf die in der Klageschrift aufgeführten Punkte eingegangen werden:

Erstens sei zutreffend, dass die Auflage auch den Zeitraum seit Mai 2019 umfasse. Würde die Auflage auf den Zeitraum vor Mai 2019 beschränkt, bestünde die Gefahr, dass die Klägerin ihre in der Vergangenheit praktizierte Abrechnungspraxis wiederaufnehme, zumal sie offenbar weiterhin die Ansicht vertrete, dass dies rechtlich zulässig sei. Eine Auflage nur für den Zeitraum vor Mai 2019 würde zudem gegenüber betroffenen Schuldnern den unzutreffenden Eindruck erwecken, dass die Geltendmachung der streitgegenständlichen Kontoführungskosten für den Zeitraum ab Mai 2019 zulässig sei. Solange die Klägerin für den Zeitraum seit Mai 2019 von sich aus auf die Geltendmachung der streitgegenständlichen Kontoführungskosten verzichte, werde sie durch die Auflage nicht belastet.

Zweitens könne die Klägerin aus einem durch den früheren Verweis auf eine Prüfung durch die Zivilgerichte geschaffenen angeblichen Vertrauenstatbestand nur dann Rechte herleiten, wenn sie darlegen könnte, dass ihr vor den Zivilgerichten eine Durchsetzung der streitgegenständlichen Kontoführungskosten möglich gewesen wäre. Sofern ihr in der Vergangenheit im Einzelfall eine Beitreibung der streitgegenständlichen Kontoführungskosten gelungen sei, dann lediglich deshalb, weil die betroffenen Schuldner in Unkenntnis der Rechtslage oder unter Druck "freiwillig" gezahlt hätten. Die rein faktische Möglichkeit, unter diesen Umständen eine rechtlich nicht bestehende Forderung durchzusetzen, begründe jedoch kein im Rahmen des Vertrauensschutzes schutzwürdiges Interesse.

Drittens beschränkten sich die Ausführungen der Klägerin zur "vermutlich" gleichheitswidrigen Aufsichtspraxis auf Mutmaßungen und seien daher nicht einlassungsfähig. Der Aufsichtsbehörde sei bislang lediglich ein weiterer Fall bekannt geworden, in dem sich der Inkassodienstleister auf eine Beanstandung hin jedoch zu einem Verzicht auf die Geltendmachung der Kontoführungskosten bereit erklärt habe. Im Rahmen eines aktuellen Beschwerdeverfahrens sei der - am 29.10.2020 eingegangenen - Stellungnahme dieses Inkassodienstleisters allerdings zu entnehmen, dass sich dieser Verzicht möglicherweise nur auf zukünftige Zeiträume beziehe. Dieser Frage werde seitens der Aufsichtsbehörde nachgegangen und der Inkassodienstleister zunächst zur Klarstellung aufgefordert. Ggf. wäre dann diesem Inkassodienstleister ebenfalls eine Auflage zu erteilen.

Viertens sei die streitbefangene Auflage nicht unbestimmt. Die Formulierung „geltend zu machen" sei eindeutig. Sie umfasse jegliche Form der Aufforderung zur Zahlung der streitgegenständlichen Kontoführungskosten und sei von der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Bestandskraft der Auflage zu unterlassen. Eine weitere Mahnung müsse mit einer insoweit "bereinigten" Forderungsaufstellung verbunden werden.

Fünftens seien Beschwerden nicht ermessensfehlerhaft berücksichtigt worden. Die gehäuften Beschwerden seien lediglich der Anlass, die streitgegenständlichen Kontoführungskosten zu hinterfragen.

Sechstens erfolge mit dem angefochtenen Bescheid keine unzulässige Beanstandung von titulierten oder gerichtlich festgestellten Kontoführungskosten.

Siebtens sei die Beanstandung der Geltendmachung von vorgerichtlichen Kontoführungskosten für den Zeitraum ab dem 9.10.2013 rechtens. Mangels praktischer Relevanz seien früher entstandene Kontoführungsgebühren hiervon ausgenommen worden. Satz 2 der Auflage umfasse also Kontoführungskosten für den Zeitraum bis zum 9.10.2013 im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Forderungen, die in diesem Zeitraum nicht tituliert gewesen seien.

Achtens sei die Beanstandung der Geltendmachung von nachgerichtlichen Kontoführungskosten für den Zeitraum vor dem 1.5.2019 unbedenklich. Eine rechtliche Grundlage für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Kontoführungskosten sei insoweit nicht ersichtlich. Zwar sei es zutreffend, dass die Frage der materiellen Berechtigung einer Forderung im Einzelfall vor den Zivilgerichten zu klären sei. Dennoch sei die Aufsichtsbehörde nach dem RDG berechtigt, einem ihrer Aufsicht unterstehenden Inkassodienstleister die Geltendmachung von Kostenpositionen, für die es erkennbar keine Grundlage gebe, im Wege einer Auflage zu untersagen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungs- und Widerspruchsakte, der Sammelakten und Sonderhefte verwiesen. Dieser war Gegenstand der Beratung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

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Der Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), bleibt der Erfolg versagt.

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I) Die Klage ist zulässig.

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Insbesondere mangelt es der Klägerin auch hinsichtlich sogenannter "Neuinkassofälle" ab dem 1.5.2019 nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Zwar hat die Klägerin in einem Beschwerdeverfahren mitgeteilt, ab diesem Zeitpunkt auf die Geltendmachung von Kontoführungskosten der hier streitbefangenen Art zu verzichten. Nach weiteren Beschwerden von Forderungsschuldnern bei dem Beklagten hat sie diese Erklärung aber dahingehend eingeschränkt, dass nur nach diesem Stichtag entstandene Kontoführungskosten erfasst würden. Eine losgelöst von einem Beschwerdefall uneingeschränkte, rechtsverbindliche, hinreichend präzise Verzichtserklärung der Klägerin, welche Kontoführungskosten exakt ab diesem Stichtag ohne Einschränkung auch künftig nicht mehr geltend gemacht werden, liegt weder der Form noch dem Inhalt nach vor. Damit hat die Klägerin grundsätzlich auch hinsichtlich des Zeitraums ab dem 1.5.2019 ein rechtliches Interesse an der begehrten Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids.

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II) Die Klage ist aber unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 21.2.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht vorab auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid vom 21.2.2020 und in dem hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 21.8.2020, denen es nach eigener Sachprüfung folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).

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Zusammenfassend (Punkte A bis C der nachfolgenden Entscheidungsgründe) und ergänzend zu den zwischen den Beteiligten thematisierten acht Einzelpunkten (Punkt D der nachfolgenden Entscheidungsgründe) sowie weiterer Aspekte (Punkte E bis G) sei hier dargelegt:

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A) Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid sind die §§ 13a Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 Satz 3 RDG. Danach kann der Beklagte Auflagen im Zusammenhang mit der Erbringung von Rechtsdienstleistungen - hier in Gestalt von Inkassodienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG - jederzeit anordnen. Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht, denn die Auflage in dem angefochtenen Bescheid ist zum Schutz der Rechtssuchenden und des Rechtsverkehrs erforderlich (§ 10 Abs. 3 Satz 1 RDG).

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B) Die Anordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Klägerin hatte im Zeitraum vor Erlass des Bescheids vom 21.2.2020 ausweislich der vorgelegten Akten und Unterlagen Gelegenheit, umfassend zur Frage der Inrechnungstellung von Kontoführungskosten Stellung zu nehmen (§ 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes - LVwVfG - i.V.m. § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -). Jedenfalls im Widerspruchsverfahren hat sie die Gelegenheit wahrgenommen, sich zu den maßgeblichen Streitpunkten zu äußern (§ 45 Abs. 3 VwVfG). Der Beklagte - hier handelnd durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landgerichts Mainz - ist zuständig für die rechtliche Aufsicht i.R.d. durch das RDG eröffneten Aufgaben (§§ 19 RDG; 1 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über Zuständigkeiten nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGZustV -).

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C) Die streitbefangenen Kontoführungskosten dürfen nicht von der Klägerin gegenüber Forderungsschuldnern abgerechnet werden. Sie sind nicht Teil des Verzugsschadens des jeweiligen Forderungsgläubigers. Vielmehr handelt es sich um Eigenaufwendungen, die die Klägerin für die interne Registratur- oder Aktenführung erbringt, um die Inkassofälle zu erfassen und zuzuordnen. Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die hierfür berechneten Kosten i.H.v. 2,50 € pro Monat nicht auf die Forderungsschuldner abgewälzt werden dürfen.

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1) Soweit die Kontoführungskosten nicht titulierter Forderungen betroffen sind, weist der Beklagte unter Bezug auf einschlägige Kommentierungen und die Gesetzeslage zutreffend darauf hin, dass die Inkassokosten von Personen (die wie die Klägerin Inkassodienstleistungen als nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierte Personen erbringen), nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG zustehenden Vergütung erstattungsfähig sind. Das RVG kennt neben Nr. 2300 VV RVG (1,3 Geschäftsgebühr) und Nr. 7002 VV RVG (Post- und Telekommunikationspauschale) - jeweils zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer - keinen Gebührentatbestand, der die separate Geltendmachung von Kontoführungskosten der hier streitbefangenen Art ermöglicht (i.E. ebenso: OLG Stuttgart, Urteil vom 8.12.2009 - 6 U 99/09; AG Brandenburg, Urteil vom 20.12.2019 - 31 C 193/18). Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht die Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 Teil 7 Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) VV RVG. Danach werden mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten abgegolten, zu denen die im vorliegenden Verfahren erwähnten Kosten der Klägerin für die Führung eines internen Schuldnerkontos als Bestandteil der internen Büroorganisation zählen. Selbst dann aber, wenn die Kontoführungskosten nicht als allgemeine Geschäftskosten i.S.d. Vorbemerkung zu qualifizieren wären, könnte eine Erstattung gemäß Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 Teil 7 Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) VV RVG nur auf Grundlage von § 675 BGB i.V.m. § 670 BGB erfolgen. Aus den beklagtenseits näher ausgeführten Erwägungen, im Einklang mit der von ihm zitierten Kommentierung (BeckOK, § 670 BGB Rn. 17), schließt § 670 BGB aber die eigene Mühewaltung und Arbeitskraft für die Führung des Schuldnerkontos nicht ein. Allgemeine Geschäftskosten, zu denen der Aufwand für die Führung eigener Unterlagen über ein Inkassoverfahren wie auch der Forderungseinzug gehören, sind nicht separat ersatzfähig. Vielmehr liegt hier eine nicht erstattungsfähige verdeckte Vergütung vor; hierzu zählen insbesondere sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen, die Ersatz für Kosten sind, die mit der fraglichen Tätigkeit typischerweise für den Beauftragten verbunden sind und die in dieser Höhe üblicherweise pauschal erstattet werden (Erman, Kommentar zum BGB, § 670 BGB, Rn. 9 und 10). Damit ist die Klägerin nicht berechtigt, im Eigeninteresse getätigten Aufwand, der letztlich der Förderung der eigenen Geschäftstätigkeit dient - insbesondere für die Erfassung und Überwachung der Zahlungsvorgänge - auf die Forderungsschuldner abzuwälzen (ähnlich zu einem Bearbeitungsentgelt einer Bank: BGH, Urteil vom 13.5.2014 - XI ZR 405/12).

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2) Die Untersagung der Erhebung von Kontoführungskosten im Zusammenhang mit titulierten Forderungen begegnet gleichfalls keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken. Nach § 4 Abs. 4 RDGEG richtet sich die Erstattung der Vergütung von Personen, die - wie die Klägerin - Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG), für die Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 788 ZPO. Gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren (§ 91 ZPO), dem Schuldner zur Last. Die in Gestalt der Kontoführungskosten über Rechtsanwaltsgebühren hinausgehenden Kosten sind aber nicht "notwendig" im Rechtssinne. Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterliegende Partei zwar die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. "Zweckentsprechend" ist insoweit zweifelsfrei die Beauftragung eines Anwalts. Dies erhellt § 91 Abs. 2 ZPO, wonach die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind. Das systematische Zusammenspiel des Absatzes 1 und des Absatzes 2 in § 91 ZPO vermittelt also, dass Gebühren und Kosten entsprechend dem RVG kraft Gesetzes "notwendig" sind. Darüberhinausgehende Kosten bedürfen einer sachlichen Rechtfertigung. Alleine die interne Führung eines sogenannten Schuldnerkontos, in der Sache schlicht die organisatorische, verfahrenstechnisch-interne Zuordnung des Verfahrensgangs zu einer analogen oder digitalen Datei über den Schuldner, vor allem, um den Zahlungsverkehr zu kontrollieren, begründet indessen keinen Aufwand, der über jenen hinausgeht, der durch einen Rechtsanwalt mittels einer Gebühr oder Auslage abgerechnet werden darf. Denn auch ein Rechtsanwalt führt intern eine Registratur oder schlicht eine Hand- oder Mandantenakte unter Einbeziehung von Zahlungsvorgängen, für deren Führung er keine gesonderte Gebühr neben den abrechnungsfähigen Tatbeständen nach dem RVG erheben darf. Auch hier verweist der Beklagte zutreffend auf die oben bereits dargestellte Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 Teil 7 Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) VV RVG, wonach mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten entgolten werden, zu denen auch die internen organisatorischen Vorkehrungen zählen, die der korrekten Erfassung und Abwicklung des Mandats dienen. Dass die von Inkassodienstleistern im Zwangsvollstreckungsverfahren geltend zu machenden Kosten nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt entstehenden Kosten erstattungsfähig sind, entspricht im Übrigen auch dem Willen des Gesetzgebers, wonach diese Kostenbeschränkung derzeit zwar nicht gesetzlich geregelt, aber inhaltlich bereits aus der Schadensminderungsobliegenheit des Gläubigers folgt. Deshalb entfaltet der de lege ferenda vorgesehene Wegfall der bisher in § 4 Abs. 5 RDGEG enthaltenen Beschränkung auf nicht titulierte Forderungen letztlich nur klarstellende Wirkung (vgl. BR-Drucks. 196/20, S. 54). Damit sind die hier streitbefangenen Kontoführungskosten keine nach § 788 ZPO erstattungsfähigen Inkassokosten. Daran ändert selbst der Umstand nichts, wenn gegenüber dem Inkassounternehmen ein Schuldanerkenntnis betreffend Kontoführungskosten abgegeben wird (ebenso: AG Speyer, Urteil vom 11.9.2017 - 32 C 23/17 unter Verweis auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

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D) Nach der zusammenfassenden Darstellung der im angefochtenen Bescheid und dem hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid dargelegten Begründungsansätze des Beklagten und den geringfügigen Ergänzungen unter den vorstehenden Punkten A bis C geht das Gericht im Folgenden auf die im vorliegenden Verfahren (nochmals) aufgegriffenen rechtlichen Aspekte ein und orientiert sich insoweit an der von den Beteiligten verwendeten Nummerierung der Streitpunkte:

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1) Die Einbeziehung sogenannter Neuinkassofälle - hier Fälle seit dem 1.5.2019 - in dem angefochtenen Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin trägt zwar vor, sie sei gegenwärtig nicht nachteilig von dem Bescheid betroffen, da sie ohnehin seit dem 1.5.2019 keine Kontoführungskosten bei Neuinkassofällen erhebe. Indessen bestand auch insoweit Anlass für den Beklagten zum aufsichtsbehördlichen Einschreiten. Denn eine rechtsverbindliche, hinreichend präzise Verzichtserklärung der Klägerin über den Einzelfall hinaus, welche Kontoführungskosten exakt ab welchem Stichtag nicht mehr geltend gemacht werden, liegt weder der Form noch dem Inhalt nach vor (s.o. Punkt I der Entscheidungsgründe). Zudem ermöglicht ein Verstoß gegen eine Auflage im Wiederholungsfall gemäß § 14 Nr. 3 RDG den Widerruf der Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister, während bei einer Wiederaufnahme der bisherigen Abrechnungspraxis durch die Klägerin - ohne eine künftige Zeiträume umfassende Auflage - keinerlei Sanktionsmöglichkeiten des Beklagten bestünden. Somit bestand auch die rechtliche Notwendigkeit, den zeitlichen Geltungsbereich des angefochtenen Bescheids über den 1.5.2019 hinaus zu erstrecken, um damit nach Eintritt der Bestandskraft der Verfügung allen von der bisherigen Praxis der Klägerin Betroffenen Rechtssicherheit auch für künftige Zeiträume zu verschaffen. Würde die Auflage auf den Zeitraum vor Mai 2019 beschränkt, bestünde die Gefahr, dass die Klägerin ihre in der Vergangenheit praktizierte rechtswidrige Geltendmachung der streitgegenständlichen Kontoführungskosten wiederaufnimmt, zumal sie offenbar weiterhin die Ansicht vertritt, dass dies rechtlich zulässig sei. Auch das Argument der Klägerin, der angefochtene Bescheid sei bereits deshalb aufzuheben, weil hypothetisch der Fall denkbar sei, dass der Gesetzgeber (etwa durch eine Novelle des RDGEG) oder die Rechtsprechung die Geltendmachung von Kontoführungskosten für zulässig erkläre, begründet offenkundig nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheids. Denn die Rechtmäßigkeit eines Bescheids im Anfechtungsverfahren orientiert sich in der Regel an der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier in Gestalt des Widerspruchbescheids. Selbst wenn man als rechtlich maßgeblich den Entscheidungszeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz heranziehen würde, änderte dies nichts an der vorstehenden rechtlichen Einschätzung. Denn allein die klägerseits bemühte hypothetische Aussicht auf eine geänderte Rechtslage wäre - träte man dem Argument der Klägerin nahe - in jedem Anfechtungsfall zu berücksichtigen und führte immer zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids. Dass dieses Argument somit auch rechtssystematisch fernliegend ist, bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Ausführungen.

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2) Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (Art. 20 GG). Die angefochtene Auflage begründet keine unzulässige Rückwirkung.

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a) Zunächst enthält das klägerseits vorgelegte Schreiben des Landgerichts Mainz vom 22.12.2016 keine formwirksame Zusicherung o.ä., auf die ein Vertrauensschutz der Klägerin gründen könnte.

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b) Weiterhin richtet sich dieses Schreiben nicht an die Klägerin, sondern an einen Beschwerdeführer mit Blick auf die Geschäftsgebräuche der Klägerin. Dort erfolgt keine rechtliche Bewertung der Kontoführungskosten. Vielmehr wird die zeitliche Abfolge von Titulierung und nochmaligem außergerichtlichen Anschreiben thematisiert. Ob "Kontoführungsgebühren" als notwendige Kosten i.S.d. § 788 ZPO anzusehen sind, bleibt ausdrücklich offen.

31

c) Auch der rechtliche Ansatz der Klägerin, aufgrund des Hinweises in dem angeführten Schreiben an den damaligen Beschwerdeführer, gegebenenfalls sei vor den Zivilgerichten zu klären, ob es sich bei den "Kontoführungsgebühren" um notwendige Auslagen handle, habe sie davon ausgehen dürfen, dass dieser Problemkreis nicht aufsichtsbehördlich aufgegriffen werde, geht fehl. Wie bereits dargelegt, ermächtigt § 10 Abs. 3 Satz 3 RDG den Beklagten, jederzeit Auflagen anzuordnen. Aufsichtsmaßnahmen sollen sicherstellen, dass das RDG eingehalten wird (§ 13a Abs. 2 Satz 1 RDG). Besteht aufgrund der - auch nach Darlegung der Klägerin - üblichen Praxis, also nicht nur im Einzelfall, Bedarf nach Klärung der Rechtmäßigkeit einer Kostenpraxis eines Inkassounternehmens, so ist die Aufsichtsbehörde berufen, diese Klärung gegebenenfalls per Bescheid herbeizuführen. Dies gilt umso mehr, als die Kontoführungskosten wegen der monatlichen Inrechnungstellung durchweg eine Größenordnung erreichen können, die über die Hauptforderung hinausgeht. Das aufsichtsbehördliche Tätigwerden ist zudem geeignet, die Einheitlichkeit der gerichtlichen Praxis in diesem Punkt zu fördern. Ohnehin begründet selbst eine langjährige Duldung von Pflichtverletzungen durch eine Behörde kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Pflichtverletzungen fortgesetzt werden können; die Duldung befreit zudem auch nicht die Behörde von deren Pflicht, hiergegen vorzugehen (BVerwG, Beschluss vom 25.3.1992 - 1 B 50/92; OVG RP, Urteil vom 23.6.2010 - 8 A 10559/10.OVG). Einer Mindestzahl von Beschwerden betroffener Inkassoschuldner bedarf es nach der Ausgestaltung des Gesetzes hierzu nicht, so dass insoweit eine nähere Befassung mit einer "Beschwerdequote" nicht erforderlich ist.

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d) Da in dem Schreiben des Landgerichts Mainz vom 22.12.2016 keine verbindliche Festlegung hinsichtlich der hier aufgeworfenen Rechtsfrage erfolgte, besteht entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch keine widersprüchliche, der Einheitlichkeit der Verwaltung zuwiderlaufende rechtliche Bewertung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde.

33

e) Soweit die Klägerin schließlich in diesem Kontext geltend macht, der Beklagte greife in unzulässiger Weise rückwirkend in abgeschlossene Vorgänge ein, dringt sie damit nicht durch. Der Beklagte hat hierzu schon in dem angefochtenen Bescheid erläutert, dass bereits vereinnahmte Kosten nicht zu erstatten sind. Diese Ausführungen bekräftigte der Beklagte auch in dem Widerspruchsbescheid vom 21.8.2020. Weiter hat der Beklagte im Nichtabhilfebescheid klargestellt, dass rechtskräftig titulierte Kostenfestsetzungen von dem angefochtenen Bescheid nicht erfasst werden und dies auch im vorliegenden Verfahren nochmals bestätigt. Dies erschließt sich auch aus dem Regelungsumfang des Ausgangsbescheids, der für rechtskräftige Titel gerade keine "Aufhebung" durch die Aufsichtsbehörde verfügt, was mangels gesetzlicher Aufhebungskompetenz des Beklagten als Aufsichtsbehörde im Bereich des RDG auch nicht möglich wäre. Im Übrigen trägt die Klägerin das Risiko, dass eine bisher unbeanstandet gebliebene Kostenpraxis aufsichtsbehördlich oder richterlich beanstandet wird. Darüber hinaus begründet die rein faktische Möglichkeit, eine rechtswidrige Kostenanforderung gegenüber dem Inkasso-Forderungsschuldner durchzusetzen, keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand (ähnlich zu formularmäßigen Bearbeitungsentgelten einer Bank: BGH, Urteil vom 13.5.2014, a.a.O.). Hinzukommt, dass die typischen Fälle einer unechten Rückwirkung in der Regel eine Änderung der Rechtslage betreffen (vgl. beispielhaft: BVerfG, Beschluss vom 7.7.2010 - 2 BvL 14/02 u.a.). Die Rechtslage hat sich aber hinsichtlich der Kontoführungskosten nicht geändert. Deren Abwälzung auf die Forderungsschuldner war schon seit 9.10.2013 rechtswidrig. In diesem Kontext kann sich die Klägerin auch nicht auf das Urteil des OLG Koblenz vom 29.3.1994 (Az.: 9 U 499/83) berufen. Diese Entscheidung erging lange vor dem Inkrafttreten des RDG sowie des RDGEG, so dass dort die späteren gesetzgeberischen Vorgaben naturgemäß nicht berücksichtigt werden konnten. Schließlich weist die Kammer darauf hin, dass der angefochtene Bescheid nicht für sofort vollziehbar erklärt wurde, so dass aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der vorliegenden Klage die Rechtspflicht zur Beachtung der streitbefangenen Auflage erst mit Eintritt deren Bestandskraft beginnt.

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3) Der angefochtene Bescheid verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 GG). Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte beanstande nur in ihrem Fall die streitbefangenen Kontoführungskosten, erfolgt "ins Blaue hinein". Sie gibt keinen Anlass für eine weitere Sachaufklärung. Denn der Beklagte hat hierzu dargelegt, dass in einem weiteren Fall zunächst kein Tätigwerden angezeigt gewesen sei, da das betroffene Inkassounternehmen eine verbindliche Erklärung bezüglich des Verzichts auf Kontoführungskosten abgegeben habe. Nunmehr sei aber ein Überprüfungsverfahren in Gang gesetzt worden, da dieses Unternehmen möglicherweise dennoch vergleichbare Kontoführungskosten versuche abzuwälzen. Weiter hat der Beklagte im laufenden Verfahren bekräftigt, dass er aufsichtsbehördlich einschreiten werde, falls weitere Fälle der Erhebung von Kontoführungskosten bekannt würden. Er handelt im Übrigen auch dann noch systemgerecht, wenn er einen geeigneten Fall als "Musterfall“ auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung seiner Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen (OVG RP, Urteil vom 23.6.2010, a.a.O.). Eine gleichheitswidrige Behandlung der Klägerin, verglichen mit der Berufsgruppe der Rechtsanwälte, liegt ebenfalls nicht vor. Denn abrechnungsfähige Inkassodienstleistungen, die von Inkassodienstleistern erbracht werden, unterscheiden sich nicht von Inkassodienstleistungen, die Rechtsanwälte erbringen. Deshalb gelten die Gebühren nach dem RVG gleichermaßen als Obergrenze bei der Kostenerstattung sowohl für das anwaltliche als auch für das nichtanwaltliche Inkasso (ebenso: BT-Drucksache 18/9521, S. 217).

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4) Die angefochtene Auflage ist hinreichend bestimmt.

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a) Insbesondere ist einem objektiven Empfänger (§ 133 BGB) ohne weiteres erkennbar, welche Vorgaben einerseits im Zusammenhang mit nichttitulierten und andererseits hinsichtlich titulierter Forderungen gelten sollen. Der Bescheid regelt in Satz 1 unmissverständlich, dass der Klägerin zur Auflage gemacht wird, im Rahmen ihrer Inkassotätigkeit gegenüber den Schuldnern ihrer Auftraggeber keine pauschalen Kosten für die Führung eines internen Schuldnerkontos mehr geltend zu machen. Diese Bestimmung betrifft sowohl titulierte als auch nicht titulierte Forderungen. Hinsichtlich nicht titulierter Forderungen erfährt diese Auflage durch deren Satz 2 eine Einschränkung dahingehend, dass diese Auflage nur für Kontoführungskosten gilt, die im Zeitraum ab dem 9.10.2013 entstanden sind.

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b) Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit der Auflage mit Blick auf die dort verwendete Formulierung "geltend zu machen" sieht, folgt ihr das Gericht nicht. "Geltend machen" ist jedes aktive Einfordern der Zahlung. Insbesondere stellt sich dabei nicht die Frage, wie der Fall zu bewerten ist, wenn ein Schuldner nach Wirksamwerden der Auflage ohne weitere Zahlungsaufforderung durch die Klägerin zahlt, die Zahlungsaufforderung aber bereits vor dem 1.5.2019 erfolgt ist. Denn nach dem zweifelsfreien Wortsinn liegt ein "geltend machen" bei einem schlichten Zahlungsempfang durch die Klägerin nicht vor. Insoweit läge ein passives Verhalten der Klägerin vor, das hinter einem untersagten aktiven "geltend machen" zurückbleibt. Hingegen erhellt der Wortlaut der Auflage, dass eine Zahlungsaufforderung nach Bestandskraft des angefochtenen Bescheids - selbst wenn frühere Zahlungsaufforderungen vorausgingen - ein aktives "geltend machen" darstellt, das der Klägerin durch den Bescheid unmissverständlich untersagt wird. Dies gilt auch für den Fall einer (aktiven) Zahlungserinnerung oder Mahnung durch die Klägerin ab Bestandskraft des Bescheids. Im Falle einer klägerseits thematisierten Erläuterung greift die angefochtene Auflage aus objektiver Empfängersicht zweifelsfrei ein, wenn die Erläuterung inhaltlich auf eine Zahlungspflicht des Forderungsschuldners hinwirkt. Gegen eine der Rechtslage entsprechende Erläuterung der Klägerin, dass der Forderungsschuldner nicht zur Zahlung der Kontoführungskosten verpflichtet ist, ist selbstredend nach dem Inhalt des Bescheids nichts einzuwenden. Hingegen ist der Wortlaut der angefochtenen Auflage auch insoweit eindeutig, dass der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid kein "proaktives" Verhalten fordert. Denn eine Pflicht der Klägerin, die Schuldner ihrer Auftraggeber aktiv von einer Zahlung der Kontoführungskosten abzuhalten, schließt der Bescheid des Beklagten nicht ein, sofern nicht ein unzulässiges "geltend machen" der Zahlung vorausging.

38

5) Der Beklagte hat Beschwerden von Forderungsschuldnern nicht ermessensfehlerhaft berücksichtigt. Wie bereits unter Punkt II D 2 c der vorliegenden Entscheidungsgründe dargelegt, besteht aufgrund der üblichen Praxis der Klägerin, Kontoführungskosten geltend zu machen, nicht nur im Einzelfall Bedarf nach Klärung der Rechtmäßigkeit dieser Kostenpraxis. Damit kann der Beklagte als Aufsichtsbehörde nach dem RDG eine Klärung per Bescheid herbeiführen. Die Möglichkeit einer einzelfallbezogenen Rechtsklärung durch das jeweilige Zivilgericht steht dem Tätigwerden der Aufsichtsbehörde nicht entgegen. Die Klägerin selbst hat hierzu auf die einschlägige Kommentierung (Schmidt, in Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 10 Rn 137) verwiesen, wonach ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde erforderlich ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - "Unregelmäßigkeiten bekannt werden". Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, dass der Präsident des OLG Koblenz in einem Widerspruchsbescheid vom 30.4.2012 darauf hingewiesen habe, dass aus der bloßen Anzahl von Beschwerden nicht per se Rückschlüsse für das aufsichtsrechtliche Einschreiten abgeleitet werden könnten, ist dieser Aspekt hier ohne ausschlaggebende Bedeutung. Zum einen betraf das damalige Widerspruchsverfahren den Widerruf der Registrierung der Klägerin als Inkassounternehmen und nicht "nur" eine Auflage betreffend die Geltendmachung von Kontoführungskosten. Zum anderen wird in diesem Widerspruchsbescheid auch ausgeführt, dass bereits ein einmaliger Verstoß u.U. den Widerruf der Registrierung rechtfertigen kann. Der Aussagegehalt des von der Klägerin aufgegriffenen Passus des Widerspruchsbescheids vom 30.4.2012 erschöpft sich daher in der schlichten und insoweit auch zutreffenden Feststellung, dass allein eine hohe Zahl von Beschwerden - bei einer prozentual niedrigen Beschwerdequote - den Rückschluss auf eine unqualifizierte Rechtsdienstleistung nicht zulässt. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, aus einer mehr oder weniger hohen Zahl von Beschwerden etwaige Rückschlüsse auf die Qualität der Rechtsdienstleistungen der Klägerin zu ziehen, sondern um die Frage, ob die Geltendmachung von Kontoführungskosten rechtens ist. Diese durch den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid geklärte Rechtsfrage ist nicht abhängig von der Zahl der Beschwerden über die entsprechende Geschäftspraxis der Klägerin.

39

6) Der angefochtene Bescheid beanstandet nicht in unzulässiger Weise die Geltendmachung von titulierten oder gerichtlich festgestellten Kontoführungskosten. Soweit die Geltendmachung von Kontoführungskosten im Zusammenhang mit titulierten Hauptforderungen betroffen ist, ist hiervon die Anforderung von Kontoführungskosten, deren Geltendmachung aufgrund zivilgerichtlicher Entscheidungen rechtskräftig akzeptiert wurde, nicht umfasst. Denn der angefochtene Bescheid schließt gerade nicht die (prozessual ohnehin nicht mögliche) Aufhebung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen ein, aufgrund derer die Klägerin berechtigt ist, die beanstandeten Kosten abzuwälzen. Berührt der Bescheid damit nicht bereits ergangene rechtskräftige Entscheidungen über Kontoführungskosten, ist die Klägerin berechtigt, insoweit von den erlangten rechtskräftigen Titeln Gebrauch zu machen.

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7) Entgegen der Erwägung der Klägerin untersagt der angefochtene Bescheid nicht die Geltendmachung von Kontoführungskosten, die im vorgerichtlichen Verfahren vor dem 9.10.2013 entstanden sind. Nach Satz 2 der angegriffenen Auflage gilt diese nur für Kontoführungskosten, die im Zeitraum ab dem 9.10.2013 entstanden sind. Damit sind zweifelsfrei die vorgerichtlichen Kontoführungsgebühren, die vor diesem Stichtag entstanden sind, ausgenommen. Die spätere Titulierung der Hauptforderung macht aus den vor dem 9.10.2013 im Nichttitularbereich angefallenen Kontoführungskosten keine Kontoführungskosten für titulierte Forderungen. Hierfür sprechen die Ausführungen auf Seite 6 des Ausgangsbescheids und der Hinweis, dass die Regelung in § 4 Abs. 5 RDGEG erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist. Auch Seite 9 des Widerspruchsbescheids bestätigt diesen Regelungsinhalt.

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8) Schließlich hat der Beklagte die Abwälzung von Kontoführungskosten im Bereich titulierter Forderungen für den Zeitraum vor dem 1.5.2019 nicht in unzulässiger Weise zum Gegenstand eines Aufsichtsverfahrens gemacht. Hier kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Die klägerseits vertretene Rechtsauffassung, dass etwaige Rechtsstreitigkeiten zur Auslegung der hier berührten zivilrechtlichen Fragen vor den Zivilgerichten, aber nicht in aufsichtsrechtlichen Verfahren auszutragen seien, teilt die Kammer in Anbetracht der insbesondere unter Punkt II D 2 c der Entscheidungsgründe gemachten Ausführungen nicht. Die klägerseits aufgegriffenen gutachterlichen Stellungnahmen des BFIF e.V. und des BDIU e.V. - soweit sie überhaupt eine Aussage zu den hier streitbefangenen Kontoführungskosten enthalten - sind rechtliche Einschätzungen, die für die rechtliche Bewertung des Beklagten sowie des erkennenden Gerichts ohne Bindungswirkung sind. Soweit der Kläger hier nochmals auf die in dem Schreiben des LG Mainz vom 22.12.2016 angeführte Passage hinweist: "Die Kontoführungsgebühren werden vorliegend erst nach rechtskräftiger Titulierung und erfolglosem nochmaligen außergerichtlichen Anschreiben berechnet. Diese Vorgehensweise verstößt weder gegen § 4 Abs. 5 EGRDG noch gegen § 4 Abs. 4 EGRDG", weist das erkennende Gericht erneut darauf hin, dass der auszugsweise widergegebene Passus (wie auch vergleichbare Formulierungen im Schriftwechsel mit anderen Beschwerdeführern) gerade keine verbindliche Festlegung hinsichtlich der hier aufgeworfenen Rechtsfrage beinhaltet, so dass damit auch keine widersprüchliche, der Einheitlichkeit der Verwaltung zuwiderlaufende rechtliche Bewertung durch den Beklagten erfolgt ist. In dem Schreiben vom 22.12.2016 wird weiter ausgeführt, dass es sich bei der Geltendmachung von Kontoführungskosten um eine im Einzelfall zu prüfende materiell-rechtliche Fragestellung handelt und dass daher die Frage, ob Kontoführungskosten nach § 788 ZPO als notwendige Vollstreckungskosten erstattungsfähig seien, vor den Zivilgerichten zu klären sei. Eine rechtlich verbindliche Festlegung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Kontoführungskosten erfolgt dort genauso wenig wie ein rechtsverbindlicher Ausschluss etwaiger aufsichtsbehördlicher Maßnahmen im Rahmen des RDG, dies auch deshalb, weil dieses Schreiben nicht an die Klägerin gerichtet war.

42

E) Weiter verletzt der angefochtene Bescheid nicht die Freiheit der Berufsausübung. Ihr darf durch Gesetz - hier durch das RDG und das RDGEG - insoweit Grenzen gesetzt werden, als diese mit der Abwälzung finanzieller Belastungen auf Dritte einhergeht. Denn die Einschränkung der Berufsfreiheit dient insoweit den oben dargestellten hinreichend wichtigen Gemeinwohlbelangen in Gestalt des Schutzes vor der Inanspruchnahme auf sachlich nicht gerechtfertigte Kontoführungskosten (zum verfassungsrechtlichen Hintergrund allgemein: BVerfG, Beschluss vom 14.8.2004 - 1 BvR 725/03 und Beschluss vom 7.11.1994 - 1 BvR 2031/93).

43

F) Schließlich verbietet es auch die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) nicht, der Klägerin in der erfolgten Weise die Geltendmachung von Kontoführungskosten zu untersagen. Zum einen fehlt es hier bereits an einem grenzüberschreitenden Bezug. Aber selbst wenn die beanstandete Abrechnungspraxis auch bei ausländischen Unternehmen geübt würde, unterfielen diese im Zuständigkeitsbereich des Beklagten ebenfalls der behördlichen Beanstandung und damit demselben Rechtsregime, das auch für inländische Unternehmen gilt. Damit scheidet auch eine Inländerdiskriminierung von vornherein aus (vgl. ähnlich: BGH, Urteil vom 13.5.2014, a.a.O.).

44

G) Schließlich hat der Beklagte sein Ermessen auch ansonsten ordnungsgemäß ausgeübt. Er hat ein öffentliches Bedürfnis nach Tätigwerden der Aufsichtsbehörde nach dem RDG zurecht mit dem Geschäftsinteresse der Klägerin abgewogen, aber die Interessen der Allgemeinheit deshalb als gewichtiger bewertet, weil die Erhebung der Kontoführungskosten durch die Klägerin - nach deren eigenen Einlassungen - eine seit Jahren nicht nur im Einzelfall geübte Praxis betrifft. Dass deren aufsichtsbehördliche Unterbindung, vor dem Hintergrund des Umfangs der Inkassotätigkeiten der Klägerin - teilweise wurden bereits in der Vergangenheit jährlich mehr als 500.000 Verfahren abgewickelt - bei Kontoführungskosten von 30 € pro Jahr, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, bedarf vor diesem Hintergrund keiner vertieften Begründung. Ein milderes Mittel stand dem Beklagten zum Schutz der Rechtssuchenden oder des Rechtsverkehrs vor einer ungerechtfertigten Abwälzung von Kontoführungskosten nicht zur Verfügung. Insbesondere stellt der Widerruf der Registrierung der Klägerin, verglichen mit der angefochtenen Auflage, kein milderes Mittel dar, da mit dem Widerruf die Befugnis der Klägerin, Dienstleistungen als Inkassounternehmen auf der Basis des RDG zu erbringen und abzurechnen, vollständig entfiele (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 RDG; ebenso: Schmidt, in Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 10 RDG Rn 137).

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Beschluss

47

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100.000,- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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