Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (6. Kammer) - 6 A 1837/15 SN

Tenor

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte zu 1. nur gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2. und 3. durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2. und 3. zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um einen Schiedsspruch der Beklagten zu 3., der Schiedsstelle beim Landesamt für Gesundheit und Soziales , vom 12. September 2014.

2

Die Beklagte zu 1. betreibt die Kindertagesstätte „...“ in ... Die Einrichtung verfügte zum damaligen Zeitpunkt über eine Betriebserlaubnis vom 27. September 2013 für insgesamt 115 Plätze, von denen 27 auf den Krippenbereich, 71 auf den Kindergarten und 17 Plätze auf den Hort entfallen. Sie entlohnt ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Grundlage der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche e.V. (nachfolgend Arbeitsvertragsrichtlinien).

3

Die Beklagte zu 1. stellte am 6. Dezember 2013 beim Beklagten zu 2. einen Antrag auf Abschluss einer Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarung. Eine vorher geltende Vereinbarung war bis zum 31. Juli 2012 befristet gewesen. In der Folgezeit kam es zwischen den Beklagten zu 1. und 2. zu Verhandlungen, ohne dass es ihnen gelang, eine neue Vereinbarung abzuschließen. Dabei stand insbesondere im Streit, ob eine in den Arbeitsvertragsrichtlinien vorgesehene Jahressonderzahlung, die jedoch in den vergangenen Jahren nur teilweise an die Mitarbeiter ausgezahlt wurde, sowie ob Mitgliedsbeiträge an das Diakonische Werk zu berücksichtigen sind.

4

Die Beklagte zu 1. rief daraufhin am 30. April 2014 die Beklagte zu 3. an und beantragte die Festsetzung eines Entgelts für die Kindertagesstätte „...“ nach § 16 Abs. 3 KiföG M-V i.V.m. § 78g SGB VIII. Am 12. September 2014 fand bei der Beklagten zu 3. eine Verhandlung über die Festsetzung der Entgelte statt, in welcher die Beteiligten die noch strittigen Fragen, ob die Jahressonderzahlungen und die Mitgliedsbeiträge an den Dachverband zu berücksichtigen seien, erörterten. Mit dem Schiedsspruch vom 12. September 2014 setzte die Beklagte zu 3. die Entgelte für die Laufzeit vom 1. Mai 2014 bis zum 30. April 2015 entsprechend dem Antrag der Beklagten zu 1. fest und berücksichtigte dabei sowohl die Jahressonderzahlungen als auch die Mitgliedsbeiträge an den Dachverband in voller Höhe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die Sitzung der Schiedsstelle und auf den Schiedsspruch vom 12. September 2014 verwiesen.

5

In der Folgezeit verweigerte die Klägerin die Erteilung des Einvernehmens zu der durch die Beklagten zu 1. und 2. entsprechend angepassten Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarung, soweit diese auf dem Schiedsspruch vom 12. September 2014 beruht. Mit Schreiben vom 29. April 2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Schiedsspruch vom 12. September 2014 ein.

6

Am 3. Mai 2015 hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen 6 A 1837/15 SN Klage gegen die Beklagten zu 1. bis 3. erhoben. Gegenstand dieses Klageverfahrens ist der Schiedsspruch vom 12. September 2014.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2015 wies die Beklagte zu 3. den Widerspruch als unstatthaft zurück, da ein Widerspruchsverfahren nach § 78g Abs. 2 SGB VIII ausgeschlossen sei.

8

Am 5. Oktober 2015 hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen 6 A 3779/15 SN eine weitere Klage gegen die Beklagte zu 3. erhoben. Diese Klage richtet sich gegen den Schiedsspruch vom 12. September 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 27. August 2015.

9

Die Kammer hat mit Beschluss vom 6. April 2017 die Verfahren mit den Aktenzeichen 6 A 1837/15 SN und 6 A 3779/15 SN zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem gemeinsamen Aktenzeichen 6 A 1837/15 SN miteinander verbunden.

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Die Klägerin führt zur Begründung im Wesentlichen aus, sie sei klagebefugt, da sie das Einvernehmen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V verweigert habe. Einvernehmen in diesem Sinne bedeute völlige Willensübereinstimmung und könne nicht durch einen Schiedsspruch ersetzt werden. Das umfassende Beteiligungs- und Mitentscheidungsrecht der Gemeinden in Form des Einvernehmens im Sinne des § 16 KiföG M-V fuße darauf, dass ihnen die Aufgabe des eigenen Wirkungskreises „Sicherung und Förderung eines bedarfsgerechten öffentlichen Angebotes an Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen“ (vgl. § 2 Abs. 2 KV M-V) weggenommen, ihnen jedoch die Kofinanzierungslast übertragen worden sei. Die Schiedsstelle könne das gemeindliche Einvernehmen nicht ersetzen, dieses müsse vielmehr in einem gesonderten Klageverfahren erstritten werden, was sich aus Art. 28 Abs. 2 GG ergebe. Es werde in unverhältnismäßiger Weise in die aus Art. 28 Abs. 2 GG folgende Finanzierungshoheit eingegriffen, wenn es möglich sei, die Gemeinde ohne Mitentscheidungsrecht zur Finanzierung in beliebiger Höhe heranzuziehen. Das Vertragsmodell stelle einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungshoheit dar. Der Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn eine verfassungskonforme Auslegung erfolge; dies betreffe u.a. die Mitwirkung bei Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltverträgen. Der Schiedsspruch könne das Einvernehmen daher nicht ersetzen; zumindest müsse dieser anfechtbar sei.

11

Ferner habe sie am Schiedsstellenverfahren beteiligt werden müssen, da ihre rechtlichen Interessen im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB X berührt seien. Die Vereinbarung nach § 16 Abs. 1 KiföG M-V stelle einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Greife dieser in ihre Rechte ein, sei er nach § 57 Abs. 1 und 2 SGB X bzw. § 58 Abs. 1 und 2 VwVfG M-V erst wirksam, wenn sie schriftlich zustimme. Da sie an dem Schiedsstellenverfahren nicht beteiligt worden sei, leide der Schiedsspruch an einem formellen Verfahrensfehler. Der Fachdienstleiter der Gemeinde sei zwar zum Verhandlungstermin vor der Schiedsstelle erschienen. Die Beklagte zu 3. habe jedoch eine Teilnahme an der Verhandlung abgelehnt.

12

Der Schiedsspruch sei außerdem formell rechtswidrig, da ... als Mitglied der Schiedsstelle an der Entscheidung mitgewirkt habe, jedoch wegen Besorgnis der Befangenheit habe ausgeschlossen werden müssen. ... sei hauptamtliche Mitarbeiterin und Leiterin des Fachbereichs Leistungsentgelte und Benchmarking des Diakonischen Werkes e.V. und berate alle Mitglieder des Diakonischen Werks in Sachen der Leistungsentgeltverhandlungen in leitender Funktion. Das Diakonische Werk gebe die streitgegenständlichen Positionen verbindlich für alle Mitglieder vor, so dass ... nicht, ohne sich in Widerspruch zu verbindlichen Weisungen ihres Arbeitsgebers zu setzen, unbefangen über diese Positionen habe beraten und entscheiden können.

13

Die Jahressonderzahlung sei nicht zu berücksichtigen. Es handle es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Des Weiteren sei die Jahressonderzahlung – jedenfalls in Bezug auf die zweite Rate – retrospektiv vom Träger reduzierbar, wenn das Betriebsergebnis negativ sei. Ließe man es zu, dass der Träger die vollen Jahressonderzahlungen einkalkulieren könne, widerspreche dies dem prospektiven Entgeltmodell der §§ 78a ff. SGB VIII. Jedenfalls müsse anhand der vergangenen Wirtschaftsperioden ermittelt werden, ob die Kosten überhaupt angefallen seien. Dies sei hier gerade nicht der Fall. Obwohl der Gewinn der Beklagten zu 1. im Jahr 2015 bei ... Euro, im Jahr 2014 bei ... Euro und im Jahr 2013 bei ... Euro gelegen habe, sei die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung in der Vergangenheit nicht ausgezahlt worden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nach den Arbeitsvertragsrichtlinien zahlreiche Abzüge vom Gewinn vornehmen und Gewinnrücklagen bilden könne, bevor er die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung an die Mitarbeiter auszahlen müsse. Hiermit habe sich die Schiedsstelle nicht auseinandergesetzt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass einzelne Sparten der Beklagten zu 1. dauerhaft defizitär wirtschaften würden, so dass im Ergebnis die Eltern und Gemeinden andere Sparten der Beklagten zu 1. finanzieren würden. Mit anderen Worten refinanziere der Träger mit Elternbeiträgen andere Bereiche, die nichts mit der Kindertagesstätte und der Förderung der Kinder zu tun hätten. Dies widerspreche dem Grundsatz, dass Entgelte leistungsgerecht sein müssten.

14

Schließlich seien fehlerhaft die Mitgliedsbeiträge für das Diakonische Werk einkalkuliert worden. Insoweit seien die Grundsätze des öffentlichen Preisprüfungsrechts und die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) heranzuziehen. Danach seien Verbandsumlagen und -beiträge grundsätzlich nicht ansatzfähig. Allenfalls könnten diese in angemessener Höhe berücksichtigt werden. Die Höhe des Betrages sei jedoch keiner Angemessenheitsprüfung unterzogen worden. Von der Beklagten zu 1. sei darzulegen und zu beweisen, dass es sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach um branchenübliche Mitgliedsbeiträge handle, dass sich die Verbandsumlage nur auf die konkrete Einrichtung beziehe und dass keine nicht einrichtungsbezogenen Leistungen des Dachverbandes refinanziert würden.

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Soweit die Klägerin zunächst begehrt hatte festzustellen, dass der Schiedsspruch vom 12. September 2014 sie nicht binde, sowie hilfsweise die Beklagten zu verpflichten, die Qualitäts-, Leistungs- und Entgeltvereinbarung zu konkreten Konditionen abzuschließen, hat sie die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

16

Die Klägerin beantragt,

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1. den Schiedsspruch vom 12. September 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 27. August 2015 aufzuheben,

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2. hilfsweise festzustellen, dass der auf dem Schiedsspruch vom 12. September 2014 beruhende Teil der Qualitäts-, Leistungs- und Entgeltvereinbarung für die Klägerin nicht wirksam ist.

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Die Beklagte zu 1. beantragt,

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die Klage abzuweisen.

21

Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, die Klage sei verfristet. Es sei davon auszugehen, dass der Fachdienstleiter der Klägerin unmittelbar nach der Schiedsstellenverhandlung durch den Beklagten zu 2. informiert worden sei. Jedenfalls habe die Klägerin nach eigener Einlassung mit Schreiben vom 24. März 2015 Kenntnis von der Umsetzung des Schiedsspruchs in Form der Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarung erhalten. Die Klägerin sei ferner nicht aktivlegimitiert, da Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nur den vertragsschließenden Parteien zustünden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Mitwirkungsrecht des § 16 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V, mit dem lediglich das gemeindliche Mitwirkungs- und Beteiligungsrecht sichergestellt werden solle. Für die Verhandlungen solle ausschließlich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den dort vorhandenen fachkompetenten Mitarbeitern zuständig sein. Eine weitere Beteiligung der Gemeinde im Falle des Scheiterns der Verhandlungen sei nicht vorgesehen. Dies sei auch nicht erforderlich, da der Schiedsspruch die Einigung ersetze und damit auch das gemeindliche Einvernehmen impliziere. Allein der Umstand, dass die Klägerin an den Kosten beteiligt werde, überzeuge nicht. Aus dem Verfassungsrecht ergebe sich nichts anderes. Ein Verfahrensfehler sei jedenfalls geheilt, da der Vortrag der Klägerin zu inhaltlichen Fehlern des Schiedsspruchs bereits im Rahmen des Schiedsverfahren durch den Beklagten zu 2. vorgebracht worden sei. Die Entscheidung der Schiedsstelle sei inhaltlich zutreffend. Die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) stünden einer Ansatzfähigkeit der Mitgliedsbeiträge nicht entgegen. Jahressonderzahlungen seien in voller Höhe zu berücksichtigen. Hierbei handle es sich nicht um eine freiwillige Leistung. Für die Auszahlung der Sonderzahlung sei allein das betriebliche Ergebnis maßgeblich, wofür sie ein Testat eines vereidigten Wirtschaftsprüfers oder einer Treuhandstelle vorlegen müsse. Dem Träger müsse es prospektiv ermöglicht werden, seinen tariflichen Pflichten zur Lohnzahlung in voller Höhe nachkommen zu können. Es sei auch unzutreffend, dass für Personalkosten einkalkulierte Kosten für andere Dinge ausgegeben würden und nicht nachprüfbar sei, ob es sich um leistungsbezogene Aufwendungen handle. Vielmehr überprüfe die öffentliche Jugendhilfe im Rahmen der Plausibilitätsprüfung bei den Verhandlungen über eine Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarungen sämtliche Kostenpositionen auf Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit und nehme bei nicht leistungsbezogenen Aufwendungen Kürzungen vor.

22

Der Beklagte zu 2. beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Es sei bereits fraglich, ob die Klägerin klagebefugt sei. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, soweit diese gegen ihn gerichtet sei, da nicht er, sondern die Beklagte zu 1. die Schiedsstelle angerufen habe. Zudem sei seinem Antrag durch die Schiedsstelle nicht stattgegeben worden.

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Die Beklagte zu 3. beantragt,

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die Klage abzuweisen.

27

Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, Rechtsmittel gegen eine Schiedsstellenentscheidung stünden nur den Vertragsparteien zu. Die Klage gegen sie sei ferner gegen den falschen Klagegegner gerichtet, wie sich aus der abschließenden Regelung des § 78g Abs. 2 Satz 3 SGB VIII ergebe. Der Klägerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da sie sich nicht ernsthaft um eine Beteiligung im Schiedsstellenverfahren bemüht habe. Die Klägerin habe auch nicht am Schiedsverfahren beteiligt werden müssen, dies würden weder § 78g SGB VIII noch § 16 Abs. 3 KiföG M-V noch die Schiedsstellenverordnung, die als abschließend zu bewerten sei, vorsehen. Eine Anwendung des § 12 SGB X komme daneben nicht in Betracht. Jedenfalls bestehe kein rechtlich geschütztes Interesse der Klägerin im Sinne von § 12 SGB X. Insoweit würden rein finanzielle oder wirtschaftliche Interessen nicht ausreichen. Anderenfalls könnten auch die Eltern eine Beteiligung am Schiedsstellenverfahren verlangen und Klage gegen den Schiedsspruch erheben. Das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V könne kein rechtliches Interesse der Gemeinde in diesem Sinne begründen.

28

Das gemeindliche Einvernehmen sei auch nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Schiedsstelle und keine Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Schiedsspruchs. Die Schiedsstelle entscheide über inhaltliche Regelungsbestandteile, über die keine Einigung habe erzielt werden können. Das gemeindliche Einvernehmen sei kein Gegenstand des Leistungsvertrages, sondern eine Verfahrensvorschrift und ein Aspekt, der bei der Willensbildung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der Verhandlungen Berücksichtigung zu finden habe. Der Schiedsspruch ersetze bei streitigen Punkten die Willensbildung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe und die des Einrichtungsträgers. Hierfür sei das Einverständnis der Vertragsparteien nicht erforderlich und erst recht nicht dasjenige der Klägerin. Das fehlende gemeindliche Einvernehmen müsse auch nicht zunächst gerichtlich erstritten werden, bevor sich eine Vertragspartei an die Schiedsstelle wenden könne. Hiergegen spreche, dass das Schiedsstellenverfahren auf eine zügige Entscheidung ausgerichtet sei, die bei einem Gerichtsverfahren nicht innerhalb eines vergleichbaren Zeitraums zu erwarten sei. Ferner handle es sich bei der Schiedsstelle um ein Gremium mit pluraler, repräsentativer Zusammensetzung und besonderer Sachkunde. Auch aus der Systematik des § 16 KiföG M-V ergebe sich, dass das gemeindliche Einvernehmen im Schiedsstellenverfahren unbeachtlich sei. Die Schiedsstelle entscheide über Gegenstände, über die keine Einigung erzielt worden sei. Diese Aufgabe könne sie nicht wahrnehmen, wenn sie für eine Entscheidung das Einvernehmen der Gemeinde bedürfe. Auch aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich nicht, dass der Schiedsspruch unter Vorbehalt des Einvernehmens der Gemeinde stehe. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. LT-Drs. 4/864, S. 25) und den Ausführungen der damaligen Sozialministerin Dr. Linke im Rahmen der zweiten Lesung und der Schlussabstimmung über den Entwurf des Kindertageseinrichtungs- und -pflegeförderungsgesetzes vom 3. März 2004 (Plenarprotokoll 4/32, S. 1707 f.) ergebe sich vielmehr, dass dem gemeindlichen Einvernehmen im Schiedsstellenverfahren keine Bedeutung zukomme. Aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Oktober 2015 – LVG 2/14 – folge nichts anderes. Die in dieser Entscheidung beschriebene Möglichkeit der inzidenten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch den Schiedsspruch entspreche im Ergebnis ihrer Auslegung des § 16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KiföG M-V. Selbst wenn man hierin einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung sehe, führe dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, da die von der Gemeinde zur Verweigerung des Einvernehmens vorgebrachten Gründe angemessen bei der Entscheidung zu berücksichtigten seien, soweit sie im Selbstverwaltungsrecht begründet seien. Ein inhaltlicher Bezug zum Selbstverwaltungsrecht der Klägerin sei hier nicht gegeben. Zudem seien die von der Klägerin angeführten Argumente von dem Beklagten zu 2. im Schiedsstellenverfahren eingebracht und dort ausführlich erörtert und inhaltlich abgewogen worden. Hinsichtlich der beanstandeten Kostenpositionen werde auf den Schiedsspruch vom 12. September 2014 verwiesen.

29

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu 2. und 3., die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen, vgl. § 92 Abs. 3 VwGO.

31

Im Übrigen hat die Klage sowohl hinsichtlich des Haupt- (hierzu A.) als auch hinsichtlich des Hilfsantrags (hierzu B.) keinen Erfolg.

A.

32

Die Klage ist im Hauptantrag zum Teil unzulässig (hierzu I.) und im Übrigen unbegründet (hierzu II.).

I.

33

Die Klage ist nur zulässig, soweit sie sich gegen den Schiedsspruch vom 12. September 2014 und gegen die Beklagten zu 1. und 2. richtet.

34

1. Soweit sich die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. August 2015 richtet, ist die Klage unzulässig. Nach § 78g Abs. 2 Satz 4 SGB VIII i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO bedarf es einer Nachprüfung der Entscheidung der Schiedsstelle in einem Vorverfahren nicht. Es sind aus Sicht der Kammer keine Gründe ersichtlich, warum dies nicht auch in der vorliegenden Konstellation gelten soll, in der nicht eine der beiden Vertragsparteien, sondern die Gemeinde den Schiedsspruch angreift.

35

2. Unzulässig ist die Klage auch, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 3. richtet. Die Klage ist nach § 78g Abs. 2 Satz 3 SGB VIII nicht gegen die Schiedsstelle, sondern gegen eine der beiden Vertragsparteien zu richten (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 24. September 2010 – 6 A 1906/06 –, S. 6 d. Umdr.). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Abweichend von dem Grundsatz des § 78 VwGO soll nach § 78g Abs. 2 Satz 3 SGB VIII nicht derjenige Rechtsträger, der den Verwaltungsakt erlassen hat, passivlegitimiert sein, sondern der durch den Verwaltungsakt begünstigte Rechtsträger. Der Gesetzgeber wollte hiermit dem Umstand Rechnung tragen, dass die Schiedsstellen entsprechend ihrer besonderen Ausgestaltung als weisungsfreie, mit Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen besetzte Konfliktlösungs- und Schlichtungsgremien weder personell noch sachlich für eine Prozessführung ausgerüstet sind. Er wollte sie deshalb aus der gerichtlichen Auseinandersetzung über den Bestand ihrer Entscheidung heraushalten und die Prozessführung einschließlich der damit verbundenen finanziellen Risiken und Lasten der am Fortbestand der Schiedsstellenentscheidung interessierten Vertragspartei auferlegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78-86, Rn. 16). Es bestehen keine Gründe, hiervon im vorliegenden Verfahren abzuweichen.

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Hingegen ist die Klage nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall gegen beide Vertragsparteien zu richten und damit sowohl der Beklagten zu 1. als auch dem Beklagten zu 2. gegenüber zulässig. Zwar richtet sich nach dem Wortlaut des § 78g Abs. 2 Satz 3 SGB VIII die Klage gegen „eine“ der beiden Vertragsparteien. Im Regelfall wird die Klage damit von der durch den Schiedsspruch belasteten Vertragspartei gegen die durch diesen begünstigte Vertragspartei erhoben. Dies kann im vorliegenden Verfahren jedoch nicht gelten, da die Klage nicht durch eine der Vertragsparteien, sondern durch die drittbetroffene Gemeinde erhobenen wurde. Für diese Auffassung sprechen auch Gründe der Rechtssicherheit, da in vielen Fällen für die Gemeinde nicht eindeutig erkennbar sein wird, welche der beiden Vertragsparteien durch den Schiedsspruch begünstigt oder jedenfalls zum Teil auch belastet ist.

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3. Im Übrigen ist die Klage im Hauptantrag zulässig. Statthafte Klageart für Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle ist die isolierte Anfechtungsklage (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 24. September 2010 – 6 A 1906/06 –, S. 6 d. Umdr.). Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1. ist die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO nicht abgelaufen. Nach dieser Vorschrift muss die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid – wie hier – nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass sie am 4. März 2015 von der Beklagten zu 1. angeschrieben und um Erteilung des Einvernehmens zu einer neuen, an die Schiedsstellenvereinbarung angepassten Vereinbarung gebeten worden sei. Zum einen ist jedoch nicht ersichtlich, dass ihr damit auch der angefochtene Schiedsspruch bekannt gegeben wurde. Zum anderen ist für die Bekanntgabe erforderlich, dass sie mit Wissen und Willen der Behörde erfolgt; ein zufälliges Bekanntwerden genügt also nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 70 Rn. 6b). An einem solchen Bekanntgabewillen fehlt es offensichtlich.

38

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin klagebefugt ist. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht und geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann der Fall, wenn nach dem Vorbringen des Klägers eine Verletzung seiner Rechte möglich ist und nur dann auszuschließen, wenn die vom Kläger behaupteten Rechte offensichtlich nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2004 – 5 B 68/04 –, Rn. 5, juris).

39

Die Klagebefugnis folgt im vorliegenden Fall bereits daraus, dass nach Auffassung der Kammer das nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V erforderliche Einvernehmen der Gemeinde durch den Schiedsspruch ersetzt wird und eine Verletzung von Rechten der Gemeinde durch diese Ersetzung nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Es handelt sich folglich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung (vgl. hierzu Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 50 Rn. 8 ff.) gegenüber der Gemeinde.

40

Der Umstand, dass das gemeindliche Einvernehmen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V durch den Schiedsspruch ersetzt wird, ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Nach § 16 Abs. 3 KiföG M-V ist vorgesehen, dass die Schiedsstelle in entsprechender Anwendung des § 78g SGB VIII entscheidet, wenn eine Vereinbarung nicht zu Stande kommt. Zwar ist nicht ausdrücklich normiert, dass der Schiedsspruch auch das gemeindliche Einvernehmen ersetzen soll; dies kann jedoch dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 KiföG M-V hinreichend genau entnommen werden. Dieser unterscheidet nicht danach, aus welchem Grund eine Vereinbarung nach § 16 Abs. 1 KiföG M-V nicht zu Stande kommt. In Betracht kommt hier zum einen der Fall, dass die Vertragsparteien über die Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarung kein Einverständnis erzielen könne. Zum anderen kann jedoch auch der Fall eintreten, in dem die Vertragsparteien sich einigen können, das Zustandekommen der Vereinbarung jedoch an der Verweigerung des Einvernehmens durch die Gemeinde scheitert. In beiden Fallkonstellationen sieht § 16 Abs. 3 KiföG M-V eine Entscheidungskompetenz der Schiedsstelle vor. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 3 KiföG M-V eine weite Anwendung nahelegt, indem nicht etwa geregelt wurde, dass die Schiedsstelle entscheiden soll, wenn „sich die Vertragsparteien nicht einigen“, sondern (weitergehend) in allen Fällen, in denen „eine Vereinbarung nicht zu Stande kommt“. Ist die Schiedsstelle auch dann zu einer Entscheidung berufen, wenn die Vereinbarung an dem gemeindlichen Einvernehmen scheitert, liegt die Annahme nahe, dass der Schiedsspruch das gemeindliche Einvernehmen ersetzen und Wirkung auch gegenüber der Gemeinde entfalten soll.

41

Für eine solche Auslegung sprechen auch Argumente der Praktikabilität und der Beschleunigung des Verfahrens. Würde der Schiedsspruch keine ersetzende Wirkung hinsichtlich des gemeindlichen Einvernehmens entfalten, käme der Gemeinde zunächst eine Vetoposition zu (so auch Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2015 – LVG 2/14 –, Rn. 133, juris). Es könnte zwar eine Ersetzung des Einvernehmens als aufsichtsrechtliche Maßnahme der Kommunalaufsicht in Betracht kommen, wenn die Nichterteilung des Einvernehmens rechtswidrig wäre (vgl. Baulig, Krenz, Deiters, Kindertagesbetreuung in , Stand Juli 2016, § 16 KiföG, S. 15). Es entstünde dennoch ein Zeitverlust, der dem Beschleunigungsgedanken des § 78g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII widersprechen würde. Ferner spricht die Zusammensetzung der Schiedsstelle mit einem unparteiischen Vorsitzenden (vgl. § 78g Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) dafür, dass die Interessen der Gemeinde im Schiedsverfahren angemessen berücksichtigt werden und der Schiedsspruch daher das fehlende Einvernehmen der Gemeinde ersetzt. Schließlich ging auch das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 20. Oktober 2015 – LVG 2/14 –, Rn. 132 ff., juris, hinsichtlich der vergleichbaren Regelung in § 11a Abs. 2 KiFöG Sachsen-Anhalt davon aus, dass eine solche Auslegung in Betracht kommt, auch wenn es letztendlich diese Frage offen gelassen hat.

42

Gegen die Annahme der Kammer, dass der Schiedsspruch das gemeindliche Einvernehmen ersetzt, sprechen auch keine verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des Landesverfassungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 20. Oktober 2015, a.a.O., Rn. 134 ff. Dieses führt aus:

43

„Legt man § 11a KiFöG 2013 stattdessen dahin aus, dass die Ersetzungsbefugnis sich auch auf den Fall erstreckt, dass das Zustandekommen einer Vereinbarung (im weiteren Sinne) an dem fehlenden Einvernehmen der Gemeinde scheitert, so kann die Schiedsstelle das gemeindliche Einvernehmen inzident ersetzen. In dieser Auslegung greift § 11a KiFöG 2013 zwar in die kommunale Selbstverwaltung ein. Die Vorschrift ist dann aber dahin verfassungskonform auszulegen, dass die Schiedsstelle die von der Gemeinde zur Verweigerung der Erteilung des Einvernehmens mitgeteilten Gründe angemessen bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hat, soweit sie im Selbstverwaltungsrecht begründet sind. Verletzungen des Selbstverwaltungsrechts durch die Entscheidung der Schiedsstelle können auf dem Verwaltungsrechtsweg angegriffen und behoben werden.

44

(...) Zudem ist in diesem Fall auch eine Ersetzung gerechtfertigt. Die Ersetzung der Vereinbarung ist ein Weg zur Auflösung von Konfliktlagen und verfolgt damit einen legitimen Zweck. Es geht um potentiell auftretende Konflikte zwischen den Autonomieansprüchen der (Verbands-)Gemeinden als Träger von Kindertagesstätten einerseits und den Landkreisen als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe andererseits. Zum Ausgleich dieser Ansprüche stellt die Einschaltung einer externen, relativ neutralen Stelle einen geeigneten Lösungsweg dar. Dieser steht auch nicht außer Verhältnis zu der durch die Ersetzung erlittenen Beeinträchtigung der gemeindlichen Selbstverwaltung. So wird eine Ersetzung voraussichtlich nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht kommen, wenn die Berücksichtigung der Selbstverwaltungsinteressen eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung in dem betreffenden Sachverhalt unmöglich macht. Entgegen den Befürchtungen der Beschwerdeführerinnen ist hierdurch ein „Hereinregieren“ des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Schiedsstellen nicht möglich. So kann die Schiedsstelle nicht auf die gemeindliche Personalhoheit zugreifen, sondern den (Verbands-)Gemeinden lediglich einzelne Sachentscheidungen abnehmen.“

45

Die Kammer weist ferner darauf hin, dass die Interessen der Gemeinde bei der geschilderten Auslegung des Gesetzes in hinreichendem Maße gewahrt werden, da diese – ebenso wie bei aufsichtsrechtlichen Maßnahmen – gegen den Schiedsspruch Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben kann.

46

Für eine Klagebefugnis der Gemeinde spricht auch, dass das in Abweichung von den Vorschriften der §§ 78b ff. SGB VIII landesrechtlich eingefügte Erfordernis des Einvernehmens mit der Gemeinde nicht nur sicherstellen soll, dass die Gemeinden in den entscheidenden Verhandlungen auf die Leistungen, die in ihrer Gemeinde angeboten werden, Einfluss erhalten. Vielmehr sollen diese Regelung auch dem Schutz vor finanzieller Überforderung der Gemeinde dienen (vgl. Baulig, Krenz, Deiters, Kindertagesbetreuung in , Stand Juli 2016, § 16 KiföG, S. 14). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vereinbarung nach § 16 Abs. 1 KiföG M-V für die jeweilige Gemeinde, in der das betreute Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, mittelbare Auswirkungen hat. Dies folgt aus dem in den §§ 17 ff. KiföG M-V geregelten Finanzierungssystem und dem Umstand, dass die Gemeinden den restlichen Finanzierungsbedarf, also soweit er nicht vom Land und dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch Festbeträge gedeckt wird, zusammen mit den Eltern zu tragen haben. Schließt also der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit dem Träger der Kindertageseinrichtung eine Vereinbarung im Sinne von § 16 Abs. 1 KiföG M-V, wird hierdurch auch die Höhe des Finanzierungsanteils der Gemeinde bestimmt.

47

Von einer Klagebefugnis der Gemeinde ging offenbar auch das Oberverwaltungsgericht für das Land in seinem Urteil vom 27. Januar 2016 – 1 K 30/14 –, Rn. 34, juris, aus. In diesem von der Klägerin gegen Art. 1 Nr. 3 Buchst. a) der Landesverordnung zur Änderung der Schiedsstellenverordnung SGB VIII vom 13. Dezember 2013 gerichteten Normenkontrollantrag vertrat das Oberverwaltungsgericht die Auffassung, dass erst die Entscheidung der Schiedsstelle als solche einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellen könne, nicht aber die Zusammensetzung der die Entscheidung treffenden Stelle. Gegen diese Entscheidung stehe für die davon betroffene Gemeinde der Verwaltungsrechtsweg offen.

48

Soweit die Beklagten ausführen, dass bei einer derartigen Auslegung auch den Eltern ebenfalls eine Klagebefugnis eingeräumt werden müsse, da auch diese in finanzieller Hinsicht durch die Vereinbarung nach § 16 Abs. 1 KiföG M-V betroffen seien, kann dem nicht zugestimmt werden. Zutreffend ist zwar, dass die Eltern den Finanzierungsbedarf in einer Kindertageseinrichtung und in Kindertagespflege zu tragen haben soweit dieser nicht vom Land, dem jeweiligen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Gemeinde gedeckt wird (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V). Die Vereinbarung nach § 16 Abs. 1 KiföG M-V wirkt sich damit auch auf den Elternanteil aus. Zugunsten der Eltern ist jedoch – im Gegensatz zu den Gemeinden – gerade kein Einvernehmenserfordernis gesetzlich geregelt. Letzteres wäre auch nicht verfassungsrechtlich geboten.

49

Aus der Begründung zum Entwurf des KiföG M-V der Landesregierung vom 29. Oktober 2003 (LT-Drs. 4/864) ergeben sich keine Argumente, die dieser Auslegung des Gesetzes entgegenstehen könnten. Gleiches gilt hinsichtlich den Ausführungen der Sozialministerin Dr. Marianne Linke am 3. März 2004 in der zweiten Lesung und der Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes (Plenarprotokoll 4/32, S. 1707 f.), auf welche die Beteiligten verweisen. Die Ministerin stellte dort dar, dass Kontrollmechanismen zur Vermeidung von Kostensteigerungen vorgesehen seien und beschrieb das in §§ 17 ff. KiföG M-V vorgesehene Finanzierungsmodell sowie das Erfordernis des Einvernehmens der Gemeinde für den Abschluss einer Vereinbarung nach § 16 Abs. 1 KiföG M-V. Zu der Frage, ob der Schiedsspruch das gemeindliche Einvernehmen ersetzt, wird hingegen keine Aussage getroffen.

50

5. Der Klägerin fehlt auch nicht das für die Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil sie sich nicht ernsthaft um eine Beteiligung im Schiedsstellenverfahren bemüht habe, wie die Beklagte zu 3. meint. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn sich die Klägerin bei Anwendung der Grundsätze der Verwirkung auf eine formelle oder materielle Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs nicht mehr berufen könnte. Hierfür ist neben einer Untätigkeit erforderlich, dass ein Vertrauen darauf begründet wird, der Berechtigte werde seine Rechte nicht mehr geltend machen, so dass sich die Verpflichteten hierauf eingestellt haben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 97 zur Verwirkung baurechtlicher Nachbarrechte). Hier ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin allein aus einer Nichtbeteiligung im Schiedsstellenverfahren ein solches Vertrauen geschaffen haben könnte.

51

Soweit die Beklagte zu 1. ausführt, es fehle an einem Rechtsschutzinteresse, da die Klägerin die erhöhten Anteile am Entgelt an sie wegen der Verweigerung des Einvernehmens nicht auszahle und die Klägerin nach eigener Einlassung auch keine Zahlungsaufforderungen erhalten habe, ist dies unzutreffend. Diese Einlassung dürfte überholt sein, da – wie die Klägerin vorgetragen hat – die Beklagte zu 1. die aus dem Schiedsspruch resultierenden Entgelte versuche durchzusetzen. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte zu 1. von der Klägerin in Zukunft entsprechend höhere Entgelte fordern wird.

II.

52

Die Klage ist im Hauptantrag jedoch unbegründet. Der Schiedsspruch ist weder formell (hierzu Ziff. II.1.) noch materiell rechtswidrig (hierzu Ziff. II.2.) und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

53

1. a) Die förmlichen Anforderungen für eine Anrufung der Schiedsstelle liegen vor. Nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums der zuvor geltenden Vereinbarung zum 31. Juli 2012 galt zwar die vereinbarte Vergütung bis zum Inkrafttreten einer neuen Vereinbarung weiter (vgl. 78d Abs. 2 Satz 4 SGB VIII). Für diesen Fall sieht jedoch § 16 Abs. 1 Satz 3 KiföG M-V vor, dass die Vereinbarung neu zu verhandelt ist. Da eine Vereinbarung nicht zu Stande gekommen ist (vgl. § 16 Abs. 3 KiföG M-V), konnte nach Ablauf der Sperrfrist von sechs Wochen (vgl. § 78 g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) die Schiedsstelle angerufen werden.

54

Die Schiedsstelle durfte sich auch mit den leistungsbezogenen Entgelten befassen. Bezugsobjekt der der Schiedsstelle zugewiesenen Entscheidungskompetenzen sind gemäß § 78g Abs. 2 Satz 2 SGB VIII diejenigen "Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte". Gemeint sind Gegenstände, die nicht einer nach § 78b Abs. 1 SGB VIII geschlossenen Vereinbarung unterworfen sind (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 24. September 2010 – 6 A 1906/06 –, S. 6 d. Umdr.). Von dem in § 78 c SGB VIII definierten Katalog ist zwischen den Beklagten zu 1. und 2. keine Einigung erzielt worden bei den leistungsbezogenen Entgelten pro Platz und Monat, bezogen auf die Frage, ob eine in den Arbeitsvertragsrichtlinien vorgesehene Jahressonderzahlung sowie ein Mitgliedsbetrag an das Diakonische Werk zu berücksichtigen sind.

55

b) Die Klage hat auch nicht wegen einer fehlenden Beteiligung der Klägerin im Schiedsstellenverfahren Erfolg. Die Klägerin macht geltend, sie habe dort gemäß § 12 Abs. 2 SGB X beteiligt werden müssen. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als Beteiligte hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten, ist dieser auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen.

56

Für die Kammer ist bereits fraglich, ob die Vorschrift des § 12 Abs. 2 SGB X zwingend durch die Schiedsstelle anzuwenden ist. Zutreffend trägt die Beklagte zu 3. insoweit vor, dass weder § 78g SGB VIII noch § 16 Abs. 3 KiföG M-V eine Beteiligung der Gemeinde im Schiedsstellenverfahren vorsehen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Schiedsstellenlandesverordnung SGB VIII oder der Geschäftsordnung der Schiedsstelle gemäß § 12 Schiedsstellenlandesverordnung SGB VIII. Es könnte in Betracht kommen, diese Verfahrensregelungen insoweit als abschließend zu bewerten. Hierfür könnte auch sprechen, dass das Schiedsstellenverfahren von einem üblichen Verwaltungsverfahren abweicht und hierfür eine eigene Geschäftsordnung gilt, so dass die Heranziehung von Regelungen des allgemeinen Verfahrensrechts dem widersprechen könnte.

57

Wird auf allgemeine Verfahrensvorschriften zurückgegriffen, sind jedenfalls die Besonderheiten des Schiedsstellenverfahrens zu beachten (so auch Stähr in: Hauck/Noftz, SGB, 01/11, § 78g SGB VIII, Rn. 14a). Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass die Gemeinde in der Regel dieselben Interessen verfolgen wird wie der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, und die von der Gemeinde beanstandeten Positionen daher üblicherweise von diesem im Schiedsstellenverfahren vorgebracht werden. Dies war auch hier der Fall. Die von der Gemeinde beanstandeten Kostenpositionen wurden von dem Beklagten zu 2. zum Gegenstand des Schiedsstellenverfahrens gemacht und wurden dort ausführlich erörtert. In dieser Weise hält auch das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt eine verfassungskonforme Auslegung in der Weise für erforderlich, dass die Schiedsstelle die von der Gemeinde zur Verweigerung der Erteilung des Einvernehmens mitgeteilten Gründe angemessen bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, soweit sie im Selbstverwaltungsrecht begründet sind (a.a.O., Rn. 134).

58

Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass der Klägerin der Verhandlungstermin mit Schreiben vom 1. September 2014 durch den Beklagten zu 2. bekannt gegeben und dabei ausdrücklich um Teilnahme eines Vertreters gebeten wurde. Der Klägerin hätte es daher freigestanden, an der Schiedsstellenverhandlung auf Seiten des Beklagten zu 2. teilzunehmen und weitere Umstände vorzutragen, wie es die Vorsitzende der Schiedsstelle dem Vertreter der Klägerin im Vorfeld der Verhandlung auch angeboten hat. Der Vertreter der Klägerin hätte schließlich eine formelle Beiladung im Schiedsstellenverfahren oder eine Vertagung beantragen könne, wenn dies aus Sicht der Klägerin zur Wahrnehmung eigener Rechte erforderlich gewesen wäre.

59

Selbst wenn eine Verletzung von § 12 Abs. 2 SGB X vorliegen sollte, kann diese für sich genommen der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen Verfahrensvorschriften nämlich grundsätzlich keine aus sich heraus klagefähigen Rechtspositionen. Eine gesetzlich vorgesehene Verfahrensbeteiligung erfüllt keinen Selbstzweck; sie hat, wie das Verfahren insgesamt, grundsätzlich dienende Funktion gegenüber dem Verfahrensziel. Demjenigen, dem eine materielle Rechtsposition zusteht, bietet die Beteiligung daher Schutz allein im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung dieser materiellen Position bei der das Verfahren abschließenden Entscheidung. Verfahrensbeteiligungen, denen keine materiellen Rechte korrespondieren, sind im Regelfall ausschließlich dem objektiv-rechtlichen Ziel einer breiteren Beurteilungsgrundlage und damit einer besseren Entscheidungsfindung verpflichtet. Sie begründen daher grundsätzlich keine aus sich heraus klagefähige Position (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2011 – 7 B 86/10 –, Rn. 8, 9, juris). Der Einzelne hat nur einen Anspruch darauf, dass im Rahmen des Verwaltungsverfahrens seine materiellen Rechte gewahrt werden, nicht aber darauf, dass dies in einem bestimmten Verfahren geschieht. Die Beachtung von Verfahrensvorschriften kann er nicht um ihrer selbst willen erzwingen, wenn seine materiellen Rechte gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2011, a.a.O., Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 4 B 48/05 –, Rn. 4, juris; Neumann in: Hauck/Noftz, SGB, 11/17, § 12 SGB X, Rn. 58). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich dem jeweiligen Gesetz Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass die Beteiligung als solche gerichtlich verfolgbar sein und dem durch die Regelung Begünstigten ein subjektives öffentliches Recht einräumen werden soll. Dies ist im Rahmen von § 12 Abs. 2 SGB X nicht der Fall (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2011 – 7 B 86/10 –, Rn. 8, juris, zu § 13 VwVfG).

60

c) Der Schiedsspruch ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil ...als Mitglied der Schiedsstelle an der Entscheidung mitgewirkt hat. Die Klägerin macht geltend, ...habe wegen Besorgnis der Befangenheit in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 8 der Geschäftsordnung der Schiedsstelle ausgeschlossen werden müssen, da sie hauptamtliche Mitarbeiterin und Leiterin des Fachbereichs Leistungsentgelte und Benchmarking des Diakonischen Werkes e.V. sei. ... berate alle Mitglieder des Diakonischen Werks in Sachen der Leistungsentgeltverhandlungen in leitender Funktion. Das Diakonische Werk gebe die streitgegenständlichen Positionen verbindlich für alle Mitglieder vor, so dass ... nicht, ohne sich in Widerspruch zu verbindlichen Weisungen ihres Arbeitsgebers zu setzen, unbefangen über diese Positionen habe beraten und entscheiden können.

61

Dieser Auffassung schließt sich die Kammer nicht an. Richtig ist zwar, dass nach § 8 der Geschäftsordnung der Schiedsstelle hinsichtlich der Besorgnis der Befangenheit die Regelungen der §§ 41 ff. der Zivilprozessordnung entsprechend Anwendung finden. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters (bzw. hier eines Mitglieds der Schiedsstelle) zu rechtfertigen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nur der Vorsitzende der Schiedsstelle und möglicherweise dessen Stellvertreter als unparteiische Personen tätig sind. Die übrigen Mitglieder der Schiedsstelle sind Vertreter der Vereinigungen der Träger von Einrichtungen und der örtlichen und des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Schiedsstellenlandesverordnung SGB VIII), so dass eine interessengeleitete Besetzung der Schiedsstelle gerade vorgesehen ist (Telscher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 78g SGB VIII, Rn. 17). Zwar dürfen das vorsitzende Mitglied sowie seine Stellvertretung weder haupt- noch nebenberuflich bei einem Träger einer Einrichtung oder deren Spitzenverbänden oder einer kommunalen Gebietskörperschaft (Kostenträger) oder deren Landesverband tätig sein. Sie dürfen außerdem nicht hauptamtlich beim Landesjugendamt oder der obersten Landesjugendbehörde tätig sein (vgl. § 2 Abs. 3 Schiedsstellenlandesverordnung SGB VIII). Für die übrigen Mitglieder der Schiedsstelle gelten diese Einschränkungen jedoch nicht (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 78g Rn. 3a wonach allein die Zugehörigkeit zum Verband die Annahme der Besorgnis nicht rechtfertigt). Allein in dem Fall, in dem ein Mitglied der Schiedsstelle bei einem Verfahrensbeteiligten haupt- oder nebenberuflich beschäftigt oder tätig ist, darf dieses weder beratend noch entscheidend mitwirken (vgl. § 6 Abs. 4 Schiedsstellenlandesverordnung SGB VIII). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr macht die Klägerin geltend, ein Mitglied der Schiedsstelle sei bei dem übergeordneten Verein der Diakonie in tätig. Dieser Umstand steht einer Teilnahme nicht entgegen (vgl. Gottlieb in: Kunkel, u.a., SGB VIII, 6. Aufl.2016, § 78g Rn. 7), sondern ist vielmehr von der Schiedsstellenlandesverordnung SGB VIII gerade vorgesehen. Die Vorschriften der §§ 42 ff. ZPO können daher in unbeschränktem Umfang nur auf den Vorsitzenden der Schiedsstelle und möglichweise auf dessen Stellvertreter angewandt werden (so zur Schiedsstelle nach § 76 SGB XI: BSG, Urteil vom 25. Januar 2017 – B 3 P 3/15 R –, juris).

62

2. Der Schiedsspruch ist in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in § 78g Abs. 2 Satz 2 SGB VIII vorgesehene Möglichkeit, den Schiedsspruch gerichtlich überprüfen zu lassen, nicht zu einer vollinhaltlichen, sondern nur zu einer Überprüfung mit eingeschränkter Kontrolldichte führt. Nach § 78b Abs. 2 SGB VIII müssen die Vereinbarungen den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen; ferner müssen die Entgelte leistungsgerecht sein (vgl. § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Insbesondere bei der Überprüfung der Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen dieser unbestimmten Rechtsbegriffe ist der Schiedsstelle ein Spielraum, eine Einschätzungsprärogative, zu belassen. Einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt nur, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt hat, ob sie alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen hat und ob die Abwägung frei von Einseitigkeiten in einem fairen und willkürfreien Verfahren inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts vorgenommen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47-56, Rn. 20; VG Schwerin, Urt. v. 24. September 2010 – 6 A 1906/06 –, S. 8 d. Umdr.; VG Greifswald, Beschluss vom 27. September 2011 – 2 B 857/11 –, Rn. 31, juris).

63

a) Soweit die Schiedsstelle Jahressonderzahlungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten zu 1. berücksichtigt hat, ist dies unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze gerichtlich nicht zu beanstanden. Die Schiedsstelle orientiert sich hinsichtlich der Frage der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in überzeugender Weise zunächst an den Regelungen der Arbeitsvertragsrichtlinien und führt aus, dass es sich hierbei zwar nicht um einen Tarifvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne handle, jedoch um ein tarifvertragsähnliches Werk, das im Ergebnis verbindliche Grundlagen für die Vergütung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern festlege. Betont wird ferner, dass eine tarifliche Vergütung nach § 19 Abs. 3 KiföG M-V Voraussetzung für die Weiterreichung von Landesmitteln sei, womit diesem Umstand eine hohe Bedeutung zugemessen werde.

64

Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Unzutreffend ist bereits die Auffassung der Klägerin, es handle sich bei der Sonderzahlung um eine freiwillige Leistung. Vielmehr regelt § 14 der Arbeitsvertragsrichtlinien die Bestandteile des Entgeltes der Mitarbeiter und verweist in Abs. 3 auf die Anlage 14, welche die Jahressonderzahlung vorsieht.

65

Soweit die Klägerin geltend macht, die Jahressonderzahlungen seien aufgrund der Regelungen in den Arbeitsvertragsrichtlinien in den vorherigen Jahren nur zum Teil ausgezahlt worden, führt dies bei Beachtung des oben beschriebenen Beurteilungsspielraums nicht dazu, dass der Schiedsspruch gerichtlich zu beanstanden ist. Zutreffend ist zwar, dass nach den Ausführungen im Schiedsspruch vom 12. September 2014 die zweite Hälfte der auf zwei Auszahlungen aufgeteilten Jahressonderzahlung für die Jahre 2010 und 2011 jeweils nur zu 87,5 % ausgezahlt wurde, für das Jahr 2012 gar nicht und für das Jahr 2013 in vollem Umfang. Weiter wird jedoch überzeugend ausgeführt, dass die Bestimmungen zur Jahressonderzahlung in den Arbeitsvertragsrichtlinien einem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgen würden. Die Jahressonderzahlung sei zwingend in zwei Hälften im November des laufenden Jahres und im Juni des folgenden Jahres auszuzahlen; bei einem negativen Vorjahresergebnis erfolge die Auszahlung im Verhältnis von 25 % zu 75 %. Nur unter bestimmten, in den Arbeitsvertragsrichtlinien näher geregelten Voraussetzungen könne sich der zweite Auszahlungsbetrag reduzieren. Die Auszahlung im Juni sei vom betrieblichen Ergebnis der Einrichtung abhängig. Weise der Dienstgeber nach, dass bei voller Juni-Zahlung der anteiligen Bruttopersonalkosten der Jahressonderzahlung für alle Mitarbeiter ein negatives betriebliches Ergebnis im Vorjahr (d.h. im Wirtschaftsjahr der geleisteten Novemberzahlung) vorliegen würde, entfalle nach Anlage 14 Abs. 4 der AVR DWM der Anspruch in dem Maße, in dem die Reduzierung in Summe zu einem ausgeglichenen Ergebnis führe. Da eine grundsätzliche Verpflichtung zur Auszahlung der gesamten Jahressonderzahlung bestehe, müsse die Beklagte zu 1. in die Lage versetzt werden, diese auch zu erbringen. Ansonsten werde der „Notfall“, in dem die Auszahlung der zweiten Hälfte der Zahlung eingeschränkt werde oder wegfalle, als Regelfall konstruiert, was die grundsätzliche Verpflichtung zur Auszahlung des vollen Betrages leer laufen lasse.

66

Soweit die Klägerin geltend macht, eine Berücksichtigung widerspreche dem prospektiven Entgeltmodell der §§ 78a ff. SGB VIII, kann auch diese Argumentation die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs nicht ernstlich in Zweifel ziehen. Vielmehr wird im Schiedsspruch in Übereinstimmung mit § 78d Abs. 1 SGB VIII auf den Prospektivitätsgrundsatz Bezug genommen und überzeugend ausgeführt, dass eine Aufrechnung von Einsparungen aufgrund von unterbliebenen oder eingeschränkten Auszahlungen der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung mit Bedarfen eines zukünftigen Vereinbarungszeitraums aufgrund des Prospektivitätsgrundsatzes nach § 78 d Abs. 1 SGB VIII ausgeschlossen sei (vgl. zu § 93 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BSHG: BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47-56, Rn. 22; Baulig, Krenz, Deiters, Kindertagesbetreuung in , Stand Juli 2016, § 16 KiföG, S. 9, 10). Ein nachträglicher Ausgleich sei unzulässig, der Einrichtungsträger habe damit das volle wirtschaftliche Risiko der von ihm vereinbarten Entgeltsätze zu tragen, dürfe jedoch Überschüsse auch behalten.

67

Zwar könne – so die Begründung im Schiedsspruch weiter – die Tatsache, dass mehrfach Entgeltpositionen auf der Grundlage der Kalkulation in das Entgelt eingeflossen, jedoch anschließend nicht entsprechend genutzt worden seien, die Plausibilität dieser Position für nachfolgende Vereinbarungszeiträume in Frage stellen (so auch Baulig, Krenz, Deiters, Kindertagesbetreuung in , Stand Juli 2016, § 16 KiföG, S. 17). Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da die Beklagte zu 1. nicht selbst über die Auszahlung der zweiten Hälfte der Jahressonderzahlung zu entscheiden gehabt habe. Dies beruhe auf dem Umstand, dass – wie sodann ausführlich begründet wird – nicht das betriebliche Ergebnis des jeweiligen Einrichtungsbetriebes im kinder- und jugendhilferechtlichen und sozialrechtlichen Sinne, sondern des Trägers insgesamt für die Auszahlung maßgeblich sei. Auch diese Begründung ist bei Beachtung des der Schiedsstelle zustehenden Beurteilungsspielraums nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.

68

Die Schiedsstelle geht in überzeugender Weise auch auf das Argument der Klägerin ein, andere Sparten der Beklagten zu 1. würden dauerhaft defizitär arbeiten, so dass die Auszahlung der Jahressonderzahlung nur teilweise erfolge, diese jedoch in voller Höhe bei der Entgeltberechnung berücksichtigt worden sei, und damit im Ergebnis die Eltern und die Gemeinde andere Sparten der Beklagten zu 1. finanzieren würden. Hierzu hat die Schiedsstelle ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass in der Vergangenheit Entgelte oder Landesmittel zweckwidrig verwendet worden seien oder dies beabsichtigt sei, indem mit diesen etwa Defizite anderer Einrichtungen oder jedenfalls jenseits der Kindertagesförderung ausgeglichen worden seien. Dem ist die Klägerin substantiiert nicht entgegengetreten. Zudem weist die Kammer darauf hin, dass die von der Klägerin dargestellten Argumente nicht zwingend sind. Ebenso gut ist nämlich möglich, dass die Beklagte zu 1. im Bereich der Kinder- und Jugendförderung defizitär arbeitet, wegen Gewinnen aus anderen Unternehmenssparten aber dennoch verpflichtet ist, die Jahressonderzahlung an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuzahlen.

69

Des Weiteren macht die Klägerin geltend, die Sonderzahlung sei in den vergangenen Jahren (teilweise) nicht ausgezahlt worden, obwohl die Beklagte zu 1. Gewinne erwirtschaftet habe. Dies liege daran, dass die Beklagte zu 1. als Arbeitgeber zunächst zahlreiche Abzüge vom Gewinn vornehmen dürfe. Insbesondere dürfe der Arbeitgeber Gewinnrücklagen bilden und diese von der Gewinn- und Verlustrechnung absetzen, bevor die Sonderzahlung ausgezahlt werden müsse. Auch dieser Einwand führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs. Zutreffend ist zwar, dass die Anlage 14 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien in Abs. 5 definiert, wann ein negatives betriebliches Ergebnis vorliegt, bei dem die zweite Hälfte der Sonderzahlung (teilweise) entfällt. Neben diversen Abzügen ist vorgesehen, dass Rücklagen für die Sicherung von Gehaltszahlungen, Investitionen und Innovationen in Höhe von mindestens 2 % bis höchstens 4 % des Umsatzes berücksichtigt werden, wobei die Berücksichtigung von mehr als 2 % der Zustimmung der Mitarbeitervertretung bedarf. Unzutreffend ist jedoch, dass die Schiedsstelle diesen Umstand übersehen hat, wie die Klägerin ausführt. Vielmehr wird diese Abzugsmöglichkeit auf Seite 9 des Schiedsspruchs ausdrücklich genannt. Die Kammer hält es auch nicht für zwingend, dass wegen dieser Abzugsmöglichkeit ein Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit anzunehmen ist mit der Folge, dass die Jahressonderzahlungen bei der Entgeltberechnung nicht berücksichtigt werden könnten. Vielmehr stellt die Bildung von Rücklagen ein wichtiges Element einer verantwortungsvollen Betriebsführung dar, wie im Schiedsspruch vom 9. Juni 2017, der Gegenstand des Verfahren 6 A 4075/17 SN ist, zu diesem Argument der Klägerin zutreffend näher ausgeführt wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Rücklagen der Sicherung von Gehaltszahlungen, Investitionen und Innovationen dienen sollen.

70

b) Zum anderen macht die Klägerin geltend, es seien fehlerhaft Beiträge der Beklagten zu 1. für die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk einkalkuliert worden. Auch dieser Einwand führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Schiedsstelle.

71

Im Schiedsspruch wird hierzu in überzeugender Weise ausgeführt, dass auch die Anteile für die Kosten des Dachverbandes den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen würden (so auch Gottlieb in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 78c Rn. 7, wonach angemessene Mitgliedsbeiträge der Einrichtungen für die sie vertretenen Spitzenverbände als betriebsnotwendige Aufwendungen anzusehen seien). Die Beklagte zu 1. müsse die Möglichkeit haben, die von ihr gewählte Wertorientierung und die Ausführung der Kindertagesförderung im Sinne einer diakonischen Arbeit umsetzen zu können. Hierbei leiste der Dachverband unstreitig Unterstützung. Ferner sei die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk für die Beklagte zu 1. verpflichtend und an die Gebührenordnung des Diakonischen Werks gebunden. Anderenfalls müsse die Beklagte zu 1. von ihrer weltanschaulichen Orientierung und der Ausrichtung und Zielsetzung ihrer diakonischen Arbeit abrücken, was weder zumutbar noch im Sinne der Pluralität der Jugendhilfe erwünscht sei. Auf die Höhe des Beitragssatzes habe die Beklagte zu 1. keinen Einfluss, sie könne auch keinen alternativen Dachverband wählen. Diese Ausführungen sind bei Beachtung des der Schiedsstelle zustehenden Beurteilungsspielraums nicht zu beanstanden. Angesichts des jährlichen Betrages in Höhe von 2.384,- Euro kann die Kammer keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Berücksichtigung der Mitgliedsbeiträge gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit oder gegen das Gebot der leistungsgerechten Entgeltberechnung verstoßen.

72

Soweit die Klägerin auf die Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) und auf das öffentliche Preisprüfungsrecht Bezug nimmt, führt die Beklagte zu 3. überzeugend aus, dass diese hier nicht zu berücksichtigen sind. Es geht vorliegend nicht um einen Bereich des Vergaberechts, sondern um Vereinbarungsrecht, wobei sich die Vertragsparteien gleichrangig und gleichberechtigt gegenüber stehen. Gegenstand der Vereinbarung ist nicht die Beschaffung von Dienstleistungen gegen ein Entgelt, sondern die Klärung der Bedingungen für die Leistungsabwicklung im Dreiecksverhältnis zwischen öffentlichem Träger, Leistungsberechtigten und Leistungserbringer (so auch Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 78b Rn. 7 und vor § 78a, Rn. 21).

B.

73

Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrags unzulässig. Die Klägerin begehrt hilfsweise die Feststellung, dass der auf dem Schiedsspruch vom 12. September 2014 beruhende Teil der Qualitäts-, Leistungs- und Entgeltvereinbarung für sie nicht wirksam ist. Dieser Antrag verstößt gegen den Subsidiaritätsgrundsatz. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Dies ist hier – wie oben dargestellt – der Fall; die Klägerin ist klagebefugt und kann ihre Rechte im Wege der Anfechtungsklage gegen die Vertragsparteien durchsetzen.

C.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nicht gerichtskostenfrei nach § 188 Satz 2 VwGO. Die Kammer hat hierzu im Urteil vom 24. September 2010 – 6 A 1906/06 –, S. 12 d. Umdr., ausgeführt:

75

„Das Verfahren ist nicht gerichtskostenfrei im Sinne von § 188 Satz 2 VwGO. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Streit um einen Schiedsstellenspruch nicht um eine Sozialstreitigkeit, die die Gerichtskostenfreiheit rechtfertigt. Vielmehr sind sie einem Erstattungsverfahren im Sinne des § 188 Satz 2, 2 Hs. VwGO vergleichbar. Dafür spricht auch, dass nach § 14 der Landesverordnung über die Schiedsstelle nach § 78 g Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Schiedsstellenlandesverordnung SGB VIII- SchiedsLVO – SGB VIII) vom 27.5.1999, GVBl. 398) für das Verfahren vor der Schiedsstelle eine Gebühr entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit und dem mit dem Verfahren verbundenen Geschäftsaufwand erhoben wird. Damit ist kein Grund ersichtlich, das gerichtliche Verfahren gerichtskostenfrei auszugestalten.“

76

Hieran hält die Kammer fest. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 und § 711 ZPO.

77

Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Frage, ob der Schiedsspruch das Einvernehmen der Gemeinde nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V ersetzt, wurde – soweit ersichtlich – bislang durch das Oberverwaltungsgericht nicht entschieden und ist von grundsätzlicher Bedeutung. Gleiches gilt für die Frage, gegen wen die Klage der Gemeinde zu richten ist.

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