Urteil vom Amtsgericht Euskirchen - 20 C 41/14
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von dem Beklagten aus einem stillen Gesellschaftsverhältnis die Rückzahlung von erhaltenen Ausschüttungen.
3Der Beklagte beteiligte sich mit Beitrittserklärung (Zeichnungsschein) vom 5.6.2003 als atypisch stiller Gesellschafter an der an der Klägerin bestehenden atypisch stillen Gesellschaft. Die Zeichnung erfolgte auf der Grundlage eines Emissionsprospektes der Klägerin aus dem Jahr 2003. Wegen der Einzelheiten wird auf den Emissionsprospekt 2003, Bl. 90 der Akte, Bezug genommen.
4Ausweislich des Zeichnungsscheins zeichnete der Beklagte eine Beteiligung an der Klägerin in der Variante „Classic“ i.H.v. 5000,00 EUR zuzüglich eines Agios i.H.v. 300,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Zeichnungsschein, Bl. 13 der Akte, Bezug genommen. Diesen Betrag zuzüglich des Agios zahlte der Beklagte ein.
5Dem atypischen stillen Gesellschaftsvertrag zu Grunde liegt der atypisch stille Gesellschaftsvertrag, in dessen § 16 Abs. 1 lit. d) es heißt:
6„Übersteigen zum Auseinandersetzungsstichtag […] die Verlustanteile und Entnahmen, welche die Gesellschafter während ihrer gesamten Gesellschaftszugehörigkeit erhalten haben, ihren eingezahlten Einlagebetrag (ohne Agio) zuzüglich der ihrem Gewinn- und Verlustkonto gutgeschriebenen Gewinnbeteiligungen, wird der sich insoweit ergebende negative Betrag im Falle des vertragsgemäßen Austritts der Gesellschafter zunächst mit ihrem Auseinandersetzungsanspruch gemäß Buchstabe b) bis zur Höhe des (anteiligen) Auseinandersetzungskosten verrechnet. Sollte danach bei Einmalanlegern ein negativer Betrag verbleiben, kann die Gesellschaft den ausstehenden Betrag maximal bis zur Höhe der empfangenen Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) zurückfordern.“
7Wegen des weiteren Inhalts des Gesellschaftsvertrages wird auf diesen Bezug genommen, Bl. 14 ff. der Akte.
8In den Folgejahren der Beteiligung erhielt der Beklagte als Ausschüttung bezeichnete Auszahlungen i.H.v. 791,67 EUR. Gleichzeitig wurden dem Beklagten in den Abrechnungen Verlustbeteiligungen in Höhe von 5958,28 EUR zugeschrieben.
9Die wirtschaftliche Entwicklung des Fonds verlief negativ, so dass die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit einstellte und die Anleger zur Abwendung der Insolvenz die Liquidation der atypischen stillen Gesellschaft an der Klägerin beschlossen. Der Auseinandersetzungswert des Gesamtunternehmens lag bei null. Stille Reserven waren nicht vorhanden.
10Das Abfindungsguthaben des Beklagten zum 31. Dezember 2009 wurde mit minus 1.749,95 EUR festgestellt.
11Die Klägerin ist der Ansicht,
12dass der Beklagte gemäß § 16 Abs. 1 lit. d) des Gesellschaftsvertrages zur Erstattung erhaltener Ausschüttungen verpflichtet sei. Die Regelung finde im Fall der Liquidation genau wie im Fall des Austritts des atypischen stillen Gesellschafters Anwendung.
13Im Übrigen ergebe sich der Zahlungsanspruch aus § 236 Abs. 2 HGB.
14Die Klägerin beantragt,
15die Beklagtenpartei zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 791,67 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Der Beklagte behauptet,
19die von der Klägerin vorgelegte Abrechnung sei nicht nachvollziehbar; die von ihr bezifferte Ergebnisbeteiliung und das negative Kapitalkonto seien mangels ausreichender Darlegung und fehlender Nachweise nicht nachvollziehbar.
20Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit Gegenansprüchen, die mindestens in Höhe der Klageforderung bestünden und sich ergäben aus Prospekthaftung im weiteren Sinne sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie § 826 BGB. Der der Beteiligung zu Grunde liegende Emissionsprospekt enthalte schwerwiegende Prospektfehler. Es seien offensichtliche Risiken, über die unbedingt hätte aufgeklärt werden müssen, bewusst im Prospekt unterschlagen worden und beim Anleger ein falsches Bild über die geschäftlichen Aussichten der Gesellschaft ermittelt worden. Es müsse unterstellt werden, dass dies vorsätzlich geschehen sei.
21Entscheidungsgründe:
22Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Zahlungsanspruch i.H.v. 971,67 EUR.
23Auf § 16 Abs. 1 lit. d) des Gesellschaftsvertrags kann ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten nicht gestützt werden.
24Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 lit. d) bezieht sich ausdrücklich nur auf den Fall des „vertragsgemäßen Austritt“ des Gesellschafters und nicht auf die Auseinandersetzung in Form einer Liquidation, deren Abschluss zur Beendigung der atypischen stillen Gesellschaft führt (so ausdrücklich auch das OLG Bamberg, Beschluss vom 20.09.2013 - 7 W 111/13 und das OLG München, Beschluss vom 18.10.2013 – 13 U 2558/13, die im Ergebnis beide eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 1 lit d) des Gesellschaftsvertrags bejahen).
25Eine ergänzende Auslegung des § 16 Abs. 1 lit. d) des Gesellschaftsvertrags, nach der eine Rückzahlungspflicht auch im Falle der Liquidation Anwendung finden würde, kommt – entgegen dem OLG Bamberg und dem OLG München (a.a.O.) – nicht in Betracht, weil dies eine unzulässige ergänzende Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders darstellen würde.
26Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegen die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unabhängig davon, ob die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen. Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (BGH, Urteil vom 12. März 2013 – II ZR 74/11 –, juris).
27Bei der von der Klägerin gegründeten atypisch stillen Gesellschaft handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag war für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten und wurde dem Beklagten von der Klägerin gestellt, ohne mit dem Beklagten verhandelt oder inhaltlich zur Disposition gestellt worden zu sein.
28Die Frage, ob eine planwidrige Regelungslücke des Gesellschaftsvertrags vorgelegen hat und ob die Schließung dieser Regelungslücke durch entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 1 lit. d) des Gesellschaftsvertrags auf den Fall der Liquidation dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht, stellt sich nach Ansicht des Gerichts daher überhaupt nicht. Da das Rückforderungsrecht für den Fall der Liquidation in § 16 Abs. 1 lit. d) des Gesellschaftsvertrags nicht ausdrücklich angesprochen ist, gilt die Regelung ihrem Wortlaut entsprechend auch nur für den vertragsgemäßen Austritt.
29Überdies besteht zwischen Liquidation und Austritt auch ein inhaltlicher Unterschied, der eine gewollte Ungleichbehandlung möglich erscheinen lässt. Im Falle des Austritts hat die Gesamtheit der stillen Gesellschafter ein Interesse an der Rückforderung. Im Falle der Liquidation dient das Rückforderungsrecht ausschließlich dem Interesse der Klägerin.
30Den Austritt erklärt der stille Gesellschafter selbst. Durch die Rückforderungs- möglichkeit von Ausschüttungen aus dem Kapital der ohne den Gesellschafter fortgeführten Gesellschaft wird – auch zugunsten der Mitgesellschafter – ein Anreiz geschaffen, die Beteiligung zu halten. Im Fall der Liquidation der defizitären Gesellschaft steht hingegen fest, dass diese beendet und es keine zukünftigen Gewinne geben wird. Sämtliche stillen Gesellschafter haben in diesem Fall ein Interesse daran, zumindest die erhaltenen Ausschüttungen nicht zurückzahlen zu müssen.
31Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten aus § 236 Abs. 2 HGB
32Zum einen gilt § 236 HGB nur für den Fall der Insolvenz des Vermögensinhabers.
33Zum anderen setzt § 236 Abs. 2 HGB eine Pflicht zur Einlageleistung voraus und ordnet sie nicht an. Ob die Pflicht zur Einlageleistung des Beklagten aufgrund der Ausschüttungen wieder aufgelebt ist, ist aber gerade streitig. Richtigerweise dürfte eine Einlagenrückgewähr allenfalls anfechtbar sein, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung vorliegen (Haas/Vogel, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Auflage 2010 § 94 Rn. 155f.). Insofern würde § 236 Abs. 2 HGB auch im Insolvenzfall keine Anwendung finden, weil keine Einlage aussteht, sondern allenfalls die Anfechtung der Einlagenrückgewähr in Betracht kommt.
34Es könnte sich bei der Ausschüttung aus dem Kapital außerdem auch um eine konkludente endgültige Reduzierung der im Innenverhältnis geschuldeten Einlage gehandelt haben. Welche Grenzen zwingende gesetzliche Vorschriften einer solchen Reduzierung für den Fall der Insolvenz setzen (vgl. dazu Haas/Vogel, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Auflage 2010 § 94 Rn. 155f.), bedarf im vorliegenden Fall, in Ermangelung einer Insolvenz der Klägerin, keiner Klärung.
35Auch reicht die Bezeichnung der Auszahlung als „Entnahme/Auschüttung“ nicht aus, um die Rückzahlbarkeit im Falle der Liquidation zu begründen. Für die – nach Ansicht des Gerichts insoweit vergleichbare – Beteiligung an einer Publikumskommanditgesellschaft hat der BGH dies ausdrücklich klargestellt (BGH, Urteil vom 12. März 2013 – II ZR 74/11 –, juris):
36„Wird eine Auszahlung an den Kommanditisten entgegen § 169 Abs. 1 HGB auf der Grundlage einer Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag geleistet, führt dies selbst dann nicht zu einer Rückzahlungspflicht, wenn die Auszahlung dessen Kapitalanteil unter die bedungene Einlage herabmindert oder eine bereits bestehende Belastung vertieft. […] Erbringt der Kommanditist seine Einlage, erlischt im Innenverhältnis seine Einlageverpflichtung gegenüber der Gesellschaft. […] Ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft entsteht bei einer Rückzahlung der Einlage somit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede. […] Es gibt bei der Kommanditgesellschaft keinen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz. Die Gesellschafter können ihre Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis insoweit untereinander und zur Gesellschaft weitgehend frei gestalten. Das schließt die Entscheidung darüber ein, ob und wie erbrachte Einlagen zurückgewährt werden. Auch die Auslegungsregel in § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 706 Abs. 2 Satz 1 BGB, nach der beizutragende vertretbare und verbrauchbare Sachen im Zweifel in das Eigentum der Gesellschaft zu übertragen sind […], rechtfertigt nicht die Annahme, dass im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehene Kapitalrückzahlungen der Gesellschaft im Zweifel wieder zuzuführen sind“ (BGH., a.a.O., mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und der Rechtsliteratur).
37Die Gegenansicht des OLG Köln, nach der es einer ausdrücklichen Rückforderungsklausel im Vertrag nicht bedürfe, weil der ursprüngliche Einlageanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Kommanditisten von der gewinnunabhängigen Ausschüttung unberührt bleibe, da ja eine förmliche Herabsetzung der Einlage nicht vorgenommen wurde (so das OLG Köln, Urteil vom 11. August 2003 – 18 U 13/03 –, juris als Vorinstanz) hat der BGH sich ausdrücklich entgegengestellt.
38Die Erwägungen des BGH haben für den atypischen stillen Gesellschafter ebenfalls Gültigkeit. Die Besonderheit der atypischen stillen Gesellschaft gegenüber einer typischen stillen Gesellschaft ist der, dass der Gesellschafter schuldrechtlich wie ein Gesamthänder am Vermögen des Geschäftsinhabers teil hat. Die Vermögensbeteiligung entspricht damit im Innenverhältnis der eines Kommanditisten. Lediglich die Außenhaftung des Kommanditisten gemäß § 171 HGB entfällt. Ein Anspruch auf Ausschüttungen, ohne das Gewinn entstanden ist, wie das Gesetz ihm dem OHG-Gesellschafter oder dem Komplementär gemäß § 122 Abs. 1 HGB einräumt, haben in Ermangelung einer vertraglichen Ermächtigung weder der stille Gesellschafter noch der Kommanditist. Wird eine Auszahlung an den atypischen stillen Gesellschafter geleistet, ohne dass ein Gewinn ausgewiesen wurde, bedarf es, wie im Fall des Kommanditisten, einer vertraglichen Grundlage für die Rückforderung.
39Da ein Rückforderungsrecht schon dem Grunde nach nicht besteht, kann es dahingestellt bleiben, ob der Rückzahlungsanspruch korrekt berechnet wurde; auch kommt es auf die Frage der Berechtigung der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche des Beklagten nicht an.
40Die Nebenforderung auf Verzinsung des Hauptanspruchs teilt das rechtliche Schicksal der Hauptforderung.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
42Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
43Der Streitwert wird auf 791,67 EUR festgesetzt.
44Rechtsbehelfsbelehrung:
45Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
46a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
47b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
48Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
49Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.
50Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
51Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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