Urteil vom Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) - 3a C 273/17

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.651,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 19.10.2017 und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 215,00 Euro netto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 19 % und die Beklagte zu 81 %.

3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die eine gewerbliche Autovermietung betreibt, begehrt aus abgetretenem Recht von der Beklagten als Haftpflichtversicherer mit ihrer am 19.10.2017 zugestellten Klage die Zahlung restlicher Mietwagenkosten.

2

Dem in 5.... wohnenden Zedenten, Eigentümer und Halter eines Fiat Punto, amtliches Kennzeichen B...., fuhr das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Kfz des Versicherungsnehmers M...., amtliches Kennzeichen R...., auf der A61, Km 356, Gemarkung ...., auf das Fahrzeugheck auf. Das Fahrzeug des Zedenten war aufgrund des Verkehrsunfalles nicht mehr verkehrsfähig nach dem Inhalt des Schadensgutachtens der DEKRA vom 14.08.2014 und wurde abgeschleppt.

3

Der Zedent mietete daraufhin bei der Klägerin ein Mietfahrzeug Opel Corsa 1.4 SRI5P für die Zeit vom 09.08.2014, 16.07 Uhr bis 05.09.2014, 15.15 Uhr an. Die Klägerin berechnete dem Zedenten mit Rechnung vom 06.09.2014 unter Zugrundelegung der Fahrzeuggruppe 3 nach Schwacke insgesamt 3.380,59 Euro brutto. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 10 d.A. Bezug genommen.

4

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Auf die außergerichtlich erfolgte Zahlungsaufforderung der Klägerin unter Vorlage der Abtretung und Zahlungsanweisung vom 09.08.2014 (Bl. 7 d.A.) leistete die Beklagte insgesamt 1.234,03 Euro.

5

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin die Zahlung restlicher Mietwagenkosten zuzüglich der Haftungsbefreiung unter Berücksichtigung der vorgerichtlich geleisteten Zahlung der Beklagten ausgehend von einem Mietbetrag von 3.261,09 Euro, mithin noch 2.027,06 Euro.

6

Die Klägerin trägt vor,

7

nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2014 in der Fahrzeuggruppe 3 im Postleitzahlengebiet 67 seien die streitgegenständlich geforderten Mietwagenkosten insgesamt durch die Beklagte zu erstatten, auch der pauschale Aufschlag sei im Rahmen betriebswirtschaftlicher Risiken der Mietwagenfirma nicht zu beanstanden, da die Mietwagenfirma infolge der sofortigen Zurverfügungstellung ständig Mietwagen sämtlicher Fahrzeugklassen vorhalte und auch im Hinblick darauf auf die Vorfinanzierung des Mietkostenbetrages verzichte, somit das Forderungsausfallrisiko auch im Hinblick auf Haftungsstreitigkeiten ausdrücklich übernommen habe, was einen Aufschlag von 20 % begründe. Im Übrigen wird auf Bl. 107 ff. d.A. hinsichtlich der Substantiierung des Unfallersatzaufschlages Bezug genommen.

8

Die Klägerin beantragt:

9

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliche Mietwagenkosten in Höhe von 2.027,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per anno hieraus seit Rechtshängigkeit nebst weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 281,30 Euro zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen und behauptet,

12

die streitgegenständlich noch verfolgten Mietwagenkosten seien, soweit sie nicht erstattet wurden, nicht erforderlich. Im örtlich relevanten Bereich hätte für ein vergleichbares Fahrzeug der abgerechneten Fahrzeuggruppe 3 und auch in der Gruppe 4 ein Fahrzeug zu einem Preis von unter 860,00 Euro angemietet werden können. Wegen der weiteren Darlegungen wird auf Bl. 34 ff. d.A. Bezug genommen. Die Internetangebote von 2017 beanspruchen auch für den streitgegenständlichen Unfalltag Gültigkeit.

13

Die Fraunhoferliste sei gegenüber der Schwacke-Liste die geeignetere Schätzgrundlage.

14

Die Schwackeliste Automietpreisspiegel 2014 stelle bereits aus grundsätzlichen methodischen Bedenken und auch im Hinblick auf die eigene Preisrecherche keine geeignete Schätzungsgrundlage dar. Wegen der weitergehenden Darlegungen wird auf den Schriftsatz Bl. 34 und 132 ff. Bezug genommen.

15

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

17

Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist gemäß § 32 ZPO örtlich und nach § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.

18

Nachdem die Beklagte auf die berechneten Mietwagenkosten vorprozessual bereits 1.234,03 Euro gezahlt hat, verbleibt klägerseits nur noch eine berechtigte Restforderung in Höhe von 1.651,46 Euro, §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 VVG, §§ 249 ff, § 398 BGB. Einwendungen hinsichtlich der Anmietdauer werden durch die Beklagte nicht erhoben.

19

Für die Schadensberechnung ist zunächst vom Normaltarif nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2014 auszugehen. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Frage, ob die geltend gemachten Mietwagenkosten als zur Herstellung des früheren Zustandes erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen sind, danach zu beantworten, ob sie sich im Rahmen des außerhalb des Unfallersatzgeschäftes im örtlichen Bereich des Geschädigten üblichen Mietwagentarifs (Normaltarif) bewegen. Der Normaltarif ist grundsätzlich als erforderlich anzusehen. Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter kann den Normaltarif auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels schätzen. Auf eine andere Schätzgrundlage - etwa Sachverständigengutachen oder andere Mietpreiserhebungen - braucht er sich nicht verweisen zu lassen. Es ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht die Aufgabe des Tatrichters lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine bewährte Schätzgrundlage wie den Schwacke-Mietpreisspiegel nachzugehen. Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit fallbezogenen Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den konkret zu entscheidenden Fall auswirken. Letzteres ist jedenfalls dann nicht der Fall, soweit sich die gegen den Schwacke-Mietpreisspiegel vorgetragenen Bedenken mit der abweichenden Untersuchungsmethodik anderer Mietpreiserhebungen, etwa solcher des Fraunhofer Institutes, befassen; dies besagt nichts darüber, dass die in der Schwacke-Liste aufgeführten Zahlen unrichtig sind.

20

Mietet der Geschädigte einen Ersatzwagen zum Normaltarif (oder gar darunter) an, so hat er in aller Regel Anspruch auf Erstattung der sich daraus ergebenden Mietkosten. Behauptet in einem solchen Fall der Schädiger, dass dem Geschädigten eine Anmietung zu einem günstigeren Preis möglich gewesen wäre, so hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte von einer solchen Möglichkeit Kenntnis hatte ( § 254 BGB).

21

Mietet der Geschädigte einen Ersatzwagen zu einem über dem Normaltarif liegenden Preis an, so hat er auf die diesen übersteigenden Kosten grundsätzlich keinen Anspruch, da diese nicht als erforderlich im Sinne von § 249 BGB anzusehen sind. Hierbei gelten folgende Ausnahmen, wobei eine Prüfungsreihenfolge nicht vorgegeben ist:

22

Der Geschädigte kann die Mehrkosten dann verlangen, wenn er darlegt und nachweist, dass ihm in seiner konkreten unfallbedingten Situation ein günstigerer Tarif als der in Anspruch genommene nicht zugänglich gewesen ist, mit anderen Worten, dass er in seiner damaligen Lage dringend und sofort auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen war und er keine andere Wahl hatte, als den Wagen zu dem betreffenden Tarif anzumieten (subjektbezogene Schadenbetrachtung). Dann nämlich sind die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten - grundsätzlich in welcher Höhe auch immer - als erforderlich nach § 249 BGB zu betrachten (Frankenthal Pfalz 3a C 166/14, LG Frankenthal (Pfalz) Urteil vom 24.04.2013 - 2 S 367/12; Urteil vom 14.11.2012 - 2 S 130/12; Urteil vom 28.11.2012 - 2 S 182/14).

23

Dem gegenüber kann der Geschädigte auch den Ersatz der Mehrkosten beanspruchen, wenn er darlegt und gegebenenfalls nachweist, dass der von ihm in Anspruch genommene - gegenüber dem Tarif des Mietwagenunternehmens im Nichtunfallersatzgeschäft - erhöhte Tarif auf Grund von durch die Unfallsituation und das Unfallersatzgeschäft bedingten konkrete Besonderheiten und Mehrleistungen des Vermieters gerechtfertigt ist. Auch dann stellen die Mehrkosten den nach § 249 BGB erforderlichen Aufwand dar.

24

Hierbei ist es aber nicht ausreichend, wie vorliegend lediglich allgemeine Erwägungen vorzubringen, die ansonsten typischerweise bei Mietwagenunternehmen gegenüber dem Nichtunfallersatzgeschäft erhöhte Kosten verursachen. Vielmehr ist - in einem ersten Schritt - zu verlangen, dass konkreter Sachvortrag dazu erfolgt, dass und welche besonderen Leistungen oder (auch betriebsinterne) Mehraufwendungen des betreffenden Autovermieters im Unfallersatzgeschäft eine kalkulatorische Erhöhung seiner ansonsten im Nichtunfallersatzgeschäft geltenden Mietpreise erfordern. Ist dies der Fall, so ist - in einem zweiten Schritt - zu überprüfen, inwieweit diese Umstände einen Aufschlag rechtfertigen. Hierbei ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch eine betriebswirtschaftliche Analyse nicht erforderlich. Vielmehr kann dann die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung des nach § 249 BGB erforderlichen Aufwandes auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif vorgenommen werden, der nach der hiesigen Rechtsprechung auch bis zu 25-30 % betragen kann. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin hinreichend dargelegt unter Bezugnahme auf die konkrete Mietpreiskalkulation. Steht nach dem Vorgenannten fest oder weist der Geschädigte nach, dass ihm in seiner konkreten unfallbedingten Situation die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu einem günstigeren als dem von ihm in Anspruch genommenen Tarif nicht zugänglich gewesen ist oder, dass durch die Unfallsituation und das Unfallersatzgeschäft bedingte konkrete Besonderheiten und Mehrleistungen des Vermieters ein über dessen im Nichtunfallersatzgeschäft geltenden Preisen liegenden Preis rechtfertigen, so kann dahinstehen, ob der in Anspruch genommene Tarif über dem Normaltarif lag. Mietet der Geschädigte zu einem über dem Normaltarif liegenden Preis an und kann er nicht nachweisen, dass ihm in seiner konkreten unfallbedingten Situation die Anmietung eines Ersatzwagens zu einem günstigeren Tarif nicht möglich gewesen ist oder, dass durch die Unfallsituation das Unfallersatzgeschäft bedingte konkrete Besonderheiten und Mehrleistungen des Vermieters ein über dessen im Nichtunfallersatzgeschäft geltenden Preisen liegenden Preis rechtfertigen, so hat er lediglich Anspruch auf Erstattung der nach dem Normaltarif zu berechnenden Mietwagenkosten.

25

Behauptet in einem solchen Fall der Schädiger, dass dem Geschädigten eine Anmietung zu einem noch günstigeren Preis möglich gewesen wäre, so hat der Schädiger konkret darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte Kenntnis von einer solchen Möglichkeit hatte (§ 254 BGB).

26

Nach dem Vorgenannten ist als Schätzungsgrundlage die Schwacke-Mietpreisliste 2014 angesichts des Unfallzeitpunktes am 09.08.2014 heranzuziehen (a.a.O.), § 287 ZPO. Soweit die Beklagte lediglich allgemeine Einwendungen gegen die zur Schadensberechnung nach § 287 ZPO erfolgte Schätzung auf Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels erhebt, ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht die Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehalten Angriffen gegen eine bewerte Schätzgrundlage wie dem Schwacke-Mietpreisspiegel nachzugehen. Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit fallbezogenen Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den konkret zu entscheidenden Fall auswirken. Letzteres ist jedenfalls dann nicht der Fall, soweit sich die gegen den Schwacke-Mietpreisspiegel vorgetragenen Bedenken mit der abweichenden Untersuchungsmethodik anderer Mietpreiserhebung, insbesondere das Fraunhofer Institutes befassen, denn dies besagt nichts darüber, dass die in der Schwacke-Liste aufgeführten Zahlen unrichtig sind. Auch sind die Beispiele, die die Beklagte vorgelegt hat, unabhängig davon, dass sie sich auf eine Anmietstation in Ludwigshafen zu einem späteren Zeitpunkt und feststehender Anmietdauer beziehen, nicht geeignet, eine günstigere Mietmöglichkeit für den Geschädigten und dessen Kenntnis im konkreten Unfallzeitpunkt darzulegen.

27

Im Ergebnis ergibt sich danach für die betreffende Mietwagengruppe 3 im Postleitzahlgebiet 671 ausgehend von der Anmietung in Ludwigshafen am Rhein um 16:07 Uhr und nach den Kostenpositionen in der mit der Klage geltend gemachten Rechnung folgende Berechnung:

28

3 x Wochenpauschale

586,50 Euro
x 3

2 x 3-Tages-Pauschale

315,00 Euro
x 2

Insgesamt:

2.389,50 Euro

Zuzüglich 20 % Aufschlag Unfallersatztarif

477,90 Euro

Insgesamt:

2.867,40 Euro

Zuzüglich Haftungsbefreiung
(18,38 € je Tag nach Schwacke Nebenkosten)
142,80 € netto zzgl. MwSt. 27,13 €

169,93 Euro

Insgesamt:

3.037,33 Euro

abzüglich einer Eigenersparnis von 5 %

151,87 Euro

ergibt erstattungsfähige Mietwagenkosten

        

in Höhe von

    2.885,46 Euro

29

Unter Berücksichtigung der vorgerichtlich durch die Beklagte gezahlten 1.234,03 Euro verbleibt eine Restforderung in Höhe von 1.651,46 Euro.

30

Daneben kann die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 215,00 Euro netto verlangen (1,3 Geschäftsgebühr aus einer berechtigten Forderung von 1.651,46 Euro, §§ 2, 13 RVG, VV 2300 195,00 Euro zuzüglich Auslagenpauschale 20,00 Euro VV 7001, 7002), §§ 286 Abs. 1, Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB.

31

Die Zinspflicht folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, § 261 ZPO seit Zustellung der Klageschrift am 19.10.2017.

32

Die Entscheidung über die Kosten folgt dem Maß des Obsiegens und Unterliegens, § 92 Abs. 1 ZPO.

33

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO und §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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